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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
der Brotfruchtbaum mit den Polynesiern über die Südsee vorgerückt.
Seine melonengrossen Früchte bringt er acht Monate des Jahres
hinter einander zur Reife, auch lassen sie sich, unter der Erde
aufbewahrt, noch die andern vier Monate geniessbar erhalten 1).
Uebrigens ist das letztere gar nicht strenger Brauch, denn wie der
jüngere Pritchard 2) bemerkt, gelangen gerade in den sechs Mo-
naten, wo die Brotfrüchte zur Neige gehen oder fehlen, die Yams-
wurzeln zur Reife, welche letztere allerdings schon Ackerbau voraus-
setzen. Es genügen aber nach J. R. Forsters Berechnung 27 Brot-
fruchtbäume, die freilich auch einen englischen Acker mit ihrem
Schatten bedecken würden, zur Ernährung von 10--12 Personen,
während der acht Monate ihres Fruchttragens 3). Wüssten wir
endlich mit Sicherheit die ursprüngliche Heimath des Pisang an-
zugeben 4), der dreimal im Jahre seine 70--80 Pfund schweren
Trauben zur Reife bringt und der nach einer oft benützten Be-
rechnung A. v. Humboldts auf einem gleichen Flächenraum fünfzig
mal mehr Nahrungswerth liefert, als der Waizen, dann würden wir
am liebsten unter den malerisch zerfetzten Ruderblättern der Mu-
saceen die Voreltern unsres Geschlechtes auftreten lassen.

Doch gibt es auch ausserhalb der Tropen gesellig wachsende
Bäume, die essbare und leicht aufbewahrte Früchte für arbeits-
scheue Menschen herabschütteln. Zollhoch bedeckt sich der Boden
in den nordamerikanischen Mezquitewäldern mit den abgefallenen
Schoten, die nicht blos von Pferden und Maulthieren gierig ge-
fressen, sondern aus denen auch für den menschlichen Genuss
ein säuerliches Getränk bereitet und deren Bohnen in Mexico ver-
mahlen und zu Brod verbacken werden sollen 5). Gewiss ist wenig-
stens, dass diese Samen der Algarrobia oder Prosopis glandulosa
von den Mohavestämmen am westlichen Colorado, vorsichtig in
Körbe verpackt und aufbewahrt werden um bei einem Misrathen

1) Charles Martins, von Spitzbergen zur Sahara. Bd. 1. S. 33.
2) Polynesian Reminiscences. London 1866. p. 127.
3) Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Berlin 1783. S. 195.
4) Grisebach, Vegetation der Erde bezeichnet Bd. 2, S. 16 mit R. Brown
Britisch Indien als das Vaterland von Musa paradisiaca (Pisang) u. M. sa-
pientium (Banane), hält es aber für möglich, dass diese Gewächse schon vor
der Entdeckung Amerikas in diesen Welttheil gelangt seien. Diese letztere
Vermuthung muss freilich die Völkerkunde als völlig unbegründet verwerfen.
5) J. Froebel, Aus Amerika. Bd. 2. S. 446.

Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
der Brotfruchtbaum mit den Polynesiern über die Südsee vorgerückt.
Seine melonengrossen Früchte bringt er acht Monate des Jahres
hinter einander zur Reife, auch lassen sie sich, unter der Erde
aufbewahrt, noch die andern vier Monate geniessbar erhalten 1).
Uebrigens ist das letztere gar nicht strenger Brauch, denn wie der
jüngere Pritchard 2) bemerkt, gelangen gerade in den sechs Mo-
naten, wo die Brotfrüchte zur Neige gehen oder fehlen, die Yams-
wurzeln zur Reife, welche letztere allerdings schon Ackerbau voraus-
setzen. Es genügen aber nach J. R. Forsters Berechnung 27 Brot-
fruchtbäume, die freilich auch einen englischen Acker mit ihrem
Schatten bedecken würden, zur Ernährung von 10—12 Personen,
während der acht Monate ihres Fruchttragens 3). Wüssten wir
endlich mit Sicherheit die ursprüngliche Heimath des Pisang an-
zugeben 4), der dreimal im Jahre seine 70—80 Pfund schweren
Trauben zur Reife bringt und der nach einer oft benützten Be-
rechnung A. v. Humboldts auf einem gleichen Flächenraum fünfzig
mal mehr Nahrungswerth liefert, als der Waizen, dann würden wir
am liebsten unter den malerisch zerfetzten Ruderblättern der Mu-
saceen die Voreltern unsres Geschlechtes auftreten lassen.

Doch gibt es auch ausserhalb der Tropen gesellig wachsende
Bäume, die essbare und leicht aufbewahrte Früchte für arbeits-
scheue Menschen herabschütteln. Zollhoch bedeckt sich der Boden
in den nordamerikanischen Mezquitewäldern mit den abgefallenen
Schoten, die nicht blos von Pferden und Maulthieren gierig ge-
fressen, sondern aus denen auch für den menschlichen Genuss
ein säuerliches Getränk bereitet und deren Bohnen in Mexico ver-
mahlen und zu Brod verbacken werden sollen 5). Gewiss ist wenig-
stens, dass diese Samen der Algarrobia oder Prosopis glandulosa
von den Mohavestämmen am westlichen Colorado, vorsichtig in
Körbe verpackt und aufbewahrt werden um bei einem Misrathen

1) Charles Martins, von Spitzbergen zur Sahara. Bd. 1. S. 33.
2) Polynesian Reminiscences. London 1866. p. 127.
3) Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Berlin 1783. S. 195.
4) Grisebach, Vegetation der Erde bezeichnet Bd. 2, S. 16 mit R. Brown
Britisch Indien als das Vaterland von Musa paradisiaca (Pisang) u. M. sa-
pientium (Banane), hält es aber für möglich, dass diese Gewächse schon vor
der Entdeckung Amerikas in diesen Welttheil gelangt seien. Diese letztere
Vermuthung muss freilich die Völkerkunde als völlig unbegründet verwerfen.
5) J. Froebel, Aus Amerika. Bd. 2. S. 446.
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[160/0178] Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. der Brotfruchtbaum mit den Polynesiern über die Südsee vorgerückt. Seine melonengrossen Früchte bringt er acht Monate des Jahres hinter einander zur Reife, auch lassen sie sich, unter der Erde aufbewahrt, noch die andern vier Monate geniessbar erhalten 1). Uebrigens ist das letztere gar nicht strenger Brauch, denn wie der jüngere Pritchard 2) bemerkt, gelangen gerade in den sechs Mo- naten, wo die Brotfrüchte zur Neige gehen oder fehlen, die Yams- wurzeln zur Reife, welche letztere allerdings schon Ackerbau voraus- setzen. Es genügen aber nach J. R. Forsters Berechnung 27 Brot- fruchtbäume, die freilich auch einen englischen Acker mit ihrem Schatten bedecken würden, zur Ernährung von 10—12 Personen, während der acht Monate ihres Fruchttragens 3). Wüssten wir endlich mit Sicherheit die ursprüngliche Heimath des Pisang an- zugeben 4), der dreimal im Jahre seine 70—80 Pfund schweren Trauben zur Reife bringt und der nach einer oft benützten Be- rechnung A. v. Humboldts auf einem gleichen Flächenraum fünfzig mal mehr Nahrungswerth liefert, als der Waizen, dann würden wir am liebsten unter den malerisch zerfetzten Ruderblättern der Mu- saceen die Voreltern unsres Geschlechtes auftreten lassen. Doch gibt es auch ausserhalb der Tropen gesellig wachsende Bäume, die essbare und leicht aufbewahrte Früchte für arbeits- scheue Menschen herabschütteln. Zollhoch bedeckt sich der Boden in den nordamerikanischen Mezquitewäldern mit den abgefallenen Schoten, die nicht blos von Pferden und Maulthieren gierig ge- fressen, sondern aus denen auch für den menschlichen Genuss ein säuerliches Getränk bereitet und deren Bohnen in Mexico ver- mahlen und zu Brod verbacken werden sollen 5). Gewiss ist wenig- stens, dass diese Samen der Algarrobia oder Prosopis glandulosa von den Mohavestämmen am westlichen Colorado, vorsichtig in Körbe verpackt und aufbewahrt werden um bei einem Misrathen 1) Charles Martins, von Spitzbergen zur Sahara. Bd. 1. S. 33. 2) Polynesian Reminiscences. London 1866. p. 127. 3) Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Berlin 1783. S. 195. 4) Grisebach, Vegetation der Erde bezeichnet Bd. 2, S. 16 mit R. Brown Britisch Indien als das Vaterland von Musa paradisiaca (Pisang) u. M. sa- pientium (Banane), hält es aber für möglich, dass diese Gewächse schon vor der Entdeckung Amerikas in diesen Welttheil gelangt seien. Diese letztere Vermuthung muss freilich die Völkerkunde als völlig unbegründet verwerfen. 5) J. Froebel, Aus Amerika. Bd. 2. S. 446.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/178>, abgerufen am 19.03.2024.