nach denen von den Russen die gesammte Gruppe benannt wird, während sie bei den Georgiern Kisten heissen. Die westlichen Bergvölker zerfallen in die Abchasen, welche beide Abhänge des Kaukasus und den grössten Theil des Küstensaumes vom Ingur bis zum Kuban inne haben und in die Adige oder Tscherkessen, welche westlicher und nördlicher sitzen.
Zwischen Kaukasus und Antikaukasus, wie Palgrave glücklich den nördlichen Absturz des armenischen Hochlandes genannt hat, wohnen Völker mit verschwisterten Sprachen. Es sind diess im Südwesten auf türkischem Boden die Lazen, im nordwestlichen Küstenlande die Mingrelier, dann im Längenthal des Ingur, süd- lich von den Pässen, die zum Elbrus führen, die rohen, fast noch unabhängigen, von Freshfield trefflich beschriebenen Suanen, end- lich als Binnenvölker im Gebiete des oberen und mittleren Kur die Georgier, die sich selbst Karthuhli heissen, von den Russen aber Grusen genannt werden1).
4. Der indoeuropäische Stamm.
Die Sprachverwandtschaft dieser hohen Völker längst vorher geahnt, ist zuerst von Franz Bopp bewiesen und seitdem immer schärfer erkannt worden. Sie müssen sämmtlich eine Urheimat bewohnt und eine gemeinsame Ursprache geredet haben. Wie allmählig aus dem Stamm die Aeste, aus den Aesten die Zweige ablenkten, hat August Schleicher2) durch einen Stammbaum zur Anschauung gebracht, der selbst heute noch nur weniger Ver- besserungen bedarf.
Der indoeuropäische Stamm theilte sich früh in die asiatischen und die europäischen Arier. Zu der asiatischen Hälfte gehören als Hauptäste die brahmanischen Indier und die Eranier. Aus dem Sanskrit der brahmanischen Hindu sind als Töchter die neuindi- schen Sprachen, das Bengali und Orija in Bengalen und Orissa, das Nipali und Kaschmiri in Nepal und Kaschmir, das reine Hindi
1) Die Sprachenkarte in Berghaus, Physikal. Atlas. Ethnographie. Bl. 15. genügt noch vollständig für die heutige Völkerkunde auf kaukasischem Gebiete.
2) Die Darwin'sche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar 1863. Tafel 1.
Die mittelländische Race.
nach denen von den Russen die gesammte Gruppe benannt wird, während sie bei den Georgiern Kisten heissen. Die westlichen Bergvölker zerfallen in die Abchasen, welche beide Abhänge des Kaukasus und den grössten Theil des Küstensaumes vom Ingur bis zum Kuban inne haben und in die Adige oder Tscherkessen, welche westlicher und nördlicher sitzen.
Zwischen Kaukasus und Antikaukasus, wie Palgrave glücklich den nördlichen Absturz des armenischen Hochlandes genannt hat, wohnen Völker mit verschwisterten Sprachen. Es sind diess im Südwesten auf türkischem Boden die Lazen, im nordwestlichen Küstenlande die Mingrelier, dann im Längenthal des Ingur, süd- lich von den Pässen, die zum Elbrus führen, die rohen, fast noch unabhängigen, von Freshfield trefflich beschriebenen Suanen, end- lich als Binnenvölker im Gebiete des oberen und mittleren Kur die Georgier, die sich selbst Karthuhli heissen, von den Russen aber Grusen genannt werden1).
4. Der indoeuropäische Stamm.
Die Sprachverwandtschaft dieser hohen Völker längst vorher geahnt, ist zuerst von Franz Bopp bewiesen und seitdem immer schärfer erkannt worden. Sie müssen sämmtlich eine Urheimat bewohnt und eine gemeinsame Ursprache geredet haben. Wie allmählig aus dem Stamm die Aeste, aus den Aesten die Zweige ablenkten, hat August Schleicher2) durch einen Stammbaum zur Anschauung gebracht, der selbst heute noch nur weniger Ver- besserungen bedarf.
Der indoeuropäische Stamm theilte sich früh in die asiatischen und die europäischen Arier. Zu der asiatischen Hälfte gehören als Hauptäste die brahmanischen Indier und die Erânier. Aus dem Sanskrit der brahmanischen Hindu sind als Töchter die neuindi- schen Sprachen, das Bengali und Orija in Bengalen und Orissa, das Nipali und Kaschmiri in Nepal und Kaschmir, das reine Hindi
1) Die Sprachenkarte in Berghaus, Physikal. Atlas. Ethnographie. Bl. 15. genügt noch vollständig für die heutige Völkerkunde auf kaukasischem Gebiete.
2) Die Darwin’sche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar 1863. Tafel 1.
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Die mittelländische Race.
nach denen von den Russen die gesammte Gruppe benannt wird,
während sie bei den Georgiern Kisten heissen. Die westlichen
Bergvölker zerfallen in die Abchasen, welche beide Abhänge des
Kaukasus und den grössten Theil des Küstensaumes vom Ingur
bis zum Kuban inne haben und in die Adige oder Tscherkessen,
welche westlicher und nördlicher sitzen.
Zwischen Kaukasus und Antikaukasus, wie Palgrave glücklich
den nördlichen Absturz des armenischen Hochlandes genannt hat,
wohnen Völker mit verschwisterten Sprachen. Es sind diess im
Südwesten auf türkischem Boden die Lazen, im nordwestlichen
Küstenlande die Mingrelier, dann im Längenthal des Ingur, süd-
lich von den Pässen, die zum Elbrus führen, die rohen, fast noch
unabhängigen, von Freshfield trefflich beschriebenen Suanen, end-
lich als Binnenvölker im Gebiete des oberen und mittleren Kur
die Georgier, die sich selbst Karthuhli heissen, von den Russen
aber Grusen genannt werden 1).
4. Der indoeuropäische Stamm.
Die Sprachverwandtschaft dieser hohen Völker längst vorher
geahnt, ist zuerst von Franz Bopp bewiesen und seitdem immer
schärfer erkannt worden. Sie müssen sämmtlich eine Urheimat
bewohnt und eine gemeinsame Ursprache geredet haben. Wie
allmählig aus dem Stamm die Aeste, aus den Aesten die Zweige
ablenkten, hat August Schleicher 2) durch einen Stammbaum zur
Anschauung gebracht, der selbst heute noch nur weniger Ver-
besserungen bedarf.
Der indoeuropäische Stamm theilte sich früh in die asiatischen
und die europäischen Arier. Zu der asiatischen Hälfte gehören
als Hauptäste die brahmanischen Indier und die Erânier. Aus dem
Sanskrit der brahmanischen Hindu sind als Töchter die neuindi-
schen Sprachen, das Bengali und Orija in Bengalen und Orissa,
das Nipali und Kaschmiri in Nepal und Kaschmir, das reine Hindi
1) Die Sprachenkarte in Berghaus, Physikal. Atlas. Ethnographie. Bl.
15. genügt noch vollständig für die heutige Völkerkunde auf kaukasischem
Gebiete.
2) Die Darwin’sche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar 1863.
Tafel 1.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/558>, abgerufen am 19.11.2024.
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