Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite
Die amerikanische Urbevölkerung.

Konnten wir uns also überzeugen, dass nach den Randern
des amerikanischen Mittelmeeres, d. h. des mexicanisch-caribischen
Doppelgolfes, zu, die Bevölkerung auf beiden Festlanden sich
verdichtete und dem Jägerleben halb und halb entsagt hatte, so
ist es die Begünstigung des Ackerbaues durch ein milderes Klima,
zugleich mit der Nähe der See, welche jenen wichtigen Ueber-
gang zu höheren Zuständen erleichterte. Wäre daher die An-
kunft der Europäer in der neuen Welt um ein oder zwei Jahr-
tausende verzögert worden, so möchten die Culturvölker Mexico's
und Yucatans mit den appalachischen und caribischen Nationen
in Verkehr getreten sein, und sich vielleicht auch in der neuen
Welt Gesittungen entfaltet haben, die mit denen an unserem
Mittelmeer etwa zu Herodots Zeiten hätten verglichen werden
dürfen.

c. Die Culturvölker Nordamerika's und ihre Stammes-
angehörigen
.

Bei dem Ueberblick über die Jägervölker Nordamerika's
blieben die Stämme Oregons, Californiens, Neu-Mexico's und
Mexico's unberücksichtigt. Eine Aufzählung trockener Namen,
die viel besser auf einer Völkerkarte eingesehen werden, beab-
sichtigen wir auch dieses Mal nicht. Wohl aber müssen wir eines
wichtigen Ergebnisses gedenken, zu welchem Buschmann durch
seine Forschungen gelangt ist. Er vereinigte nämlich eine
grosse Anzahl von Sprachen Neu-Mexico's und Nord-Mexico's zu
einer von ihm sonorisch genannten Familie. Besonders unter-
suchte er die Lautsysteme, die Zahlwörter und die Grammatik des
Tarahumara, Tepeguana, Cora und Cahita 1). Alle diese Sprachen
zeigen gemeinsame Familienzüge, alle haben mehr oder weniger
einen Wortschatz aus dem Nahuatl oder dem Altmexicanischen
aufgenommen. Dies gilt auch von der Sprache der Moqui, welche
sechs von den berühmten "sieben Städten" (Dörfern) nordwestlich
von Zu[ - 1 Zeichen fehlt]i bewohnen. Sprachverwandt sind der sonorischen Fa-
milie die Utah, Pah Utah, die Digger Californiens und die Scho-
schonen oder Schlangenindianer, welche letztere vormals, ehe sie

1) Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften. Berlin
1863. S. 369. 1867. S. 23. 1869. S. 66 u. S. 131 ff.
Peschel, Völkerkunde. 30
Die amerikanische Urbevölkerung.

Konnten wir uns also überzeugen, dass nach den Randern
des amerikanischen Mittelmeeres, d. h. des mexicanisch-caribischen
Doppelgolfes, zu, die Bevölkerung auf beiden Festlanden sich
verdichtete und dem Jägerleben halb und halb entsagt hatte, so
ist es die Begünstigung des Ackerbaues durch ein milderes Klima,
zugleich mit der Nähe der See, welche jenen wichtigen Ueber-
gang zu höheren Zuständen erleichterte. Wäre daher die An-
kunft der Europäer in der neuen Welt um ein oder zwei Jahr-
tausende verzögert worden, so möchten die Culturvölker Mexico’s
und Yucatans mit den appalachischen und caribischen Nationen
in Verkehr getreten sein, und sich vielleicht auch in der neuen
Welt Gesittungen entfaltet haben, die mit denen an unserem
Mittelmeer etwa zu Herodots Zeiten hätten verglichen werden
dürfen.

c. Die Culturvölker Nordamerika’s und ihre Stammes-
angehörigen
.

Bei dem Ueberblick über die Jägervölker Nordamerika’s
blieben die Stämme Oregons, Californiens, Neu-Mexico’s und
Mexico’s unberücksichtigt. Eine Aufzählung trockener Namen,
die viel besser auf einer Völkerkarte eingesehen werden, beab-
sichtigen wir auch dieses Mal nicht. Wohl aber müssen wir eines
wichtigen Ergebnisses gedenken, zu welchem Buschmann durch
seine Forschungen gelangt ist. Er vereinigte nämlich eine
grosse Anzahl von Sprachen Neu-Mexico’s und Nord-Mexico’s zu
einer von ihm sonorisch genannten Familie. Besonders unter-
suchte er die Lautsysteme, die Zahlwörter und die Grammatik des
Tarahumara, Tepeguana, Cora und Cahita 1). Alle diese Sprachen
zeigen gemeinsame Familienzüge, alle haben mehr oder weniger
einen Wortschatz aus dem Nahuatl oder dem Altmexicanischen
aufgenommen. Dies gilt auch von der Sprache der Moqui, welche
sechs von den berühmten „sieben Städten“ (Dörfern) nordwestlich
von Zu[ – 1 Zeichen fehlt]i bewohnen. Sprachverwandt sind der sonorischen Fa-
milie die Utah, Pah Utah, die Digger Californiens und die Scho-
schonen oder Schlangenindianer, welche letztere vormals, ehe sie

1) Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften. Berlin
1863. S. 369. 1867. S. 23. 1869. S. 66 u. S. 131 ff.
Peschel, Völkerkunde. 30
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0483" n="465"/>
              <fw place="top" type="header">Die amerikanische Urbevölkerung.</fw><lb/>
              <p>Konnten wir uns also überzeugen, dass nach den Randern<lb/>
des amerikanischen Mittelmeeres, d. h. des mexicanisch-caribischen<lb/>
Doppelgolfes, zu, die Bevölkerung auf beiden Festlanden sich<lb/>
verdichtete und dem Jägerleben halb und halb entsagt hatte, so<lb/>
ist es die Begünstigung des Ackerbaues durch ein milderes Klima,<lb/>
zugleich mit der Nähe der See, welche jenen wichtigen Ueber-<lb/>
gang zu höheren Zuständen erleichterte. Wäre daher die An-<lb/>
kunft der Europäer in der neuen Welt um ein oder zwei Jahr-<lb/>
tausende verzögert worden, so möchten die Culturvölker Mexico&#x2019;s<lb/>
und Yucatans mit den appalachischen und caribischen Nationen<lb/>
in Verkehr getreten sein, und sich vielleicht auch in der neuen<lb/>
Welt Gesittungen entfaltet haben, die mit denen an unserem<lb/>
Mittelmeer etwa zu Herodots Zeiten hätten verglichen werden<lb/>
dürfen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>c. <hi rendition="#g">Die Culturvölker Nordamerika&#x2019;s und ihre Stammes-<lb/>
angehörigen</hi>.</head><lb/>
              <p>Bei dem Ueberblick über die Jägervölker Nordamerika&#x2019;s<lb/>
blieben die Stämme Oregons, Californiens, Neu-Mexico&#x2019;s und<lb/>
Mexico&#x2019;s unberücksichtigt. Eine Aufzählung trockener Namen,<lb/>
die viel besser auf einer Völkerkarte eingesehen werden, beab-<lb/>
sichtigen wir auch dieses Mal nicht. Wohl aber müssen wir eines<lb/>
wichtigen Ergebnisses gedenken, zu welchem Buschmann durch<lb/>
seine Forschungen gelangt ist. Er vereinigte nämlich eine<lb/>
grosse Anzahl von Sprachen Neu-Mexico&#x2019;s und Nord-Mexico&#x2019;s zu<lb/>
einer von ihm sonorisch genannten Familie. Besonders unter-<lb/>
suchte er die Lautsysteme, die Zahlwörter und die Grammatik des<lb/>
Tarahumara, Tepeguana, Cora und Cahita <note place="foot" n="1)">Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften. Berlin<lb/>
1863. S. 369. 1867. S. 23. 1869. S. 66 u. S. 131 ff.</note>. Alle diese Sprachen<lb/>
zeigen gemeinsame Familienzüge, alle haben mehr oder weniger<lb/>
einen Wortschatz aus dem Nahuatl oder dem Altmexicanischen<lb/>
aufgenommen. Dies gilt auch von der Sprache der Moqui, welche<lb/>
sechs von den berühmten &#x201E;sieben Städten&#x201C; (Dörfern) nordwestlich<lb/>
von Zu<gap unit="chars" quantity="1"/>i bewohnen. Sprachverwandt sind der sonorischen Fa-<lb/>
milie die Utah, Pah Utah, die Digger Californiens und die Scho-<lb/>
schonen oder Schlangenindianer, welche letztere vormals, ehe sie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">Peschel</hi>, Völkerkunde. 30</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0483] Die amerikanische Urbevölkerung. Konnten wir uns also überzeugen, dass nach den Randern des amerikanischen Mittelmeeres, d. h. des mexicanisch-caribischen Doppelgolfes, zu, die Bevölkerung auf beiden Festlanden sich verdichtete und dem Jägerleben halb und halb entsagt hatte, so ist es die Begünstigung des Ackerbaues durch ein milderes Klima, zugleich mit der Nähe der See, welche jenen wichtigen Ueber- gang zu höheren Zuständen erleichterte. Wäre daher die An- kunft der Europäer in der neuen Welt um ein oder zwei Jahr- tausende verzögert worden, so möchten die Culturvölker Mexico’s und Yucatans mit den appalachischen und caribischen Nationen in Verkehr getreten sein, und sich vielleicht auch in der neuen Welt Gesittungen entfaltet haben, die mit denen an unserem Mittelmeer etwa zu Herodots Zeiten hätten verglichen werden dürfen. c. Die Culturvölker Nordamerika’s und ihre Stammes- angehörigen. Bei dem Ueberblick über die Jägervölker Nordamerika’s blieben die Stämme Oregons, Californiens, Neu-Mexico’s und Mexico’s unberücksichtigt. Eine Aufzählung trockener Namen, die viel besser auf einer Völkerkarte eingesehen werden, beab- sichtigen wir auch dieses Mal nicht. Wohl aber müssen wir eines wichtigen Ergebnisses gedenken, zu welchem Buschmann durch seine Forschungen gelangt ist. Er vereinigte nämlich eine grosse Anzahl von Sprachen Neu-Mexico’s und Nord-Mexico’s zu einer von ihm sonorisch genannten Familie. Besonders unter- suchte er die Lautsysteme, die Zahlwörter und die Grammatik des Tarahumara, Tepeguana, Cora und Cahita 1). Alle diese Sprachen zeigen gemeinsame Familienzüge, alle haben mehr oder weniger einen Wortschatz aus dem Nahuatl oder dem Altmexicanischen aufgenommen. Dies gilt auch von der Sprache der Moqui, welche sechs von den berühmten „sieben Städten“ (Dörfern) nordwestlich von Zu_i bewohnen. Sprachverwandt sind der sonorischen Fa- milie die Utah, Pah Utah, die Digger Californiens und die Scho- schonen oder Schlangenindianer, welche letztere vormals, ehe sie 1) Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften. Berlin 1863. S. 369. 1867. S. 23. 1869. S. 66 u. S. 131 ff. Peschel, Völkerkunde. 30

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/483
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/483>, abgerufen am 19.11.2024.