Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Die amerikanische Urbevölkerung. entbrannte der Kampf um das Dasein bei den grossen Wande-rungen, wie sie sich nur auf der östlichen Erdveste zutragen konnten. Gewöhnlich werden allerdings die Einbrüche roher Völker- horden in die Gebiete gesitteter Völker als grosse Drangsale der Menschheit angesehen. Vielleicht genügt aber ein wenig Nach- denken zu der Ueberzeugung, dass die meisten, wenn nicht alle, erspriesslich gewesen sind. Einstweilen erinnern wir nur an die vorletzte dieser grossartigen Erscheinungen, nämlich an den Ein- bruch der Mongolen, die sich von ihrer Heimat am Onon und Kerulün im sibirischen Daurien in unglaublich rascher Zeit bis an die Donau ergossen, und deren Auftreten für Europa wenn nicht in gleichem Maasse doch in ähnlichem Sinne günstig wirkte, wie die plötzliche Ausbreitung der Araber. Wo solche Kämpfe um das Dasein sich entzünden, wird unser Geschlecht ruckweise einer höheren Entwickelung näher gebracht, sie mögen endigen wie sie wollen, denn entweder gelingt es den älteren Culturvölkern, dem Vordringen der neuen Völkerfluth eine Mauer zu ziehen, und sie erstarken während der Bewältigung, oder es gilt, wenn sie aus Schwäche unterliegen, die Regel, dass der Verdrängende rüstiger gewesen sein müsse, als der Verdrängte. Stürzt selbst eine edle Cultur in Trümmer, werden ihre Herrlichkeiten vom Erdreich bedeckt, und geht zuletzt der Pflug über das verschüttete Mosaik- getäfel, eins hatte jedenfalls der siegreiche Barbar vor dem be- drängten Römer voraus, nämlich seine Jugend und die Anwartschaft auf eine höhere Zukunft1). a. Die Jägerstämme im nördlichen Festlande. Da alle Eingebornen Amerika's einen einzigen Stamm inner- 1) Das obige von S. 337--347 wurde abgedruckt aus dem Ausland. 1867. S. 937. 2) S. oben S. 107.
Die amerikanische Urbevölkerung. entbrannte der Kampf um das Dasein bei den grossen Wande-rungen, wie sie sich nur auf der östlichen Erdveste zutragen konnten. Gewöhnlich werden allerdings die Einbrüche roher Völker- horden in die Gebiete gesitteter Völker als grosse Drangsale der Menschheit angesehen. Vielleicht genügt aber ein wenig Nach- denken zu der Ueberzeugung, dass die meisten, wenn nicht alle, erspriesslich gewesen sind. Einstweilen erinnern wir nur an die vorletzte dieser grossartigen Erscheinungen, nämlich an den Ein- bruch der Mongolen, die sich von ihrer Heimat am Onon und Kerulün im sibirischen Daurien in unglaublich rascher Zeit bis an die Donau ergossen, und deren Auftreten für Europa wenn nicht in gleichem Maasse doch in ähnlichem Sinne günstig wirkte, wie die plötzliche Ausbreitung der Araber. Wo solche Kämpfe um das Dasein sich entzünden, wird unser Geschlecht ruckweise einer höheren Entwickelung näher gebracht, sie mögen endigen wie sie wollen, denn entweder gelingt es den älteren Culturvölkern, dem Vordringen der neuen Völkerfluth eine Mauer zu ziehen, und sie erstarken während der Bewältigung, oder es gilt, wenn sie aus Schwäche unterliegen, die Regel, dass der Verdrängende rüstiger gewesen sein müsse, als der Verdrängte. Stürzt selbst eine edle Cultur in Trümmer, werden ihre Herrlichkeiten vom Erdreich bedeckt, und geht zuletzt der Pflug über das verschüttete Mosaik- getäfel, eins hatte jedenfalls der siegreiche Barbar vor dem be- drängten Römer voraus, nämlich seine Jugend und die Anwartschaft auf eine höhere Zukunft1). a. Die Jägerstämme im nördlichen Festlande. Da alle Eingebornen Amerika’s einen einzigen Stamm inner- 1) Das obige von S. 337—347 wurde abgedruckt aus dem Ausland. 1867. S. 937. 2) S. oben S. 107.
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Die amerikanische Urbevölkerung.
entbrannte der Kampf um das Dasein bei den grossen Wande-
rungen, wie sie sich nur auf der östlichen Erdveste zutragen
konnten. Gewöhnlich werden allerdings die Einbrüche roher Völker-
horden in die Gebiete gesitteter Völker als grosse Drangsale der
Menschheit angesehen. Vielleicht genügt aber ein wenig Nach-
denken zu der Ueberzeugung, dass die meisten, wenn nicht alle,
erspriesslich gewesen sind. Einstweilen erinnern wir nur an die
vorletzte dieser grossartigen Erscheinungen, nämlich an den Ein-
bruch der Mongolen, die sich von ihrer Heimat am Onon und
Kerulün im sibirischen Daurien in unglaublich rascher Zeit bis an
die Donau ergossen, und deren Auftreten für Europa wenn nicht
in gleichem Maasse doch in ähnlichem Sinne günstig wirkte, wie
die plötzliche Ausbreitung der Araber. Wo solche Kämpfe um
das Dasein sich entzünden, wird unser Geschlecht ruckweise einer
höheren Entwickelung näher gebracht, sie mögen endigen wie sie
wollen, denn entweder gelingt es den älteren Culturvölkern, dem
Vordringen der neuen Völkerfluth eine Mauer zu ziehen, und sie
erstarken während der Bewältigung, oder es gilt, wenn sie aus
Schwäche unterliegen, die Regel, dass der Verdrängende rüstiger
gewesen sein müsse, als der Verdrängte. Stürzt selbst eine edle
Cultur in Trümmer, werden ihre Herrlichkeiten vom Erdreich
bedeckt, und geht zuletzt der Pflug über das verschüttete Mosaik-
getäfel, eins hatte jedenfalls der siegreiche Barbar vor dem be-
drängten Römer voraus, nämlich seine Jugend und die Anwartschaft
auf eine höhere Zukunft 1).
a. Die Jägerstämme im nördlichen Festlande.
Da alle Eingebornen Amerika’s einen einzigen Stamm inner-
halb der mongolischen Race bilden, so geschieht es nur zur
besseren Uebersicht, wenn die Bewohner der nördlichen von der
südlichen Hälfte getrennt werden und wiederum eine Scheidung
in sogenannte Jägerstämme und Culturvölker eintritt. Innerhalb
dieser Gruppen kann nur nach der Sprache eine letzte Theilung
vollzogen werden. Von vornherein müssen wir aber auf eine
grosse Anzahl von Sprachen gefasst sein, denn die Jagd bedingte
an sich eine weite Ausbreitung in kleine Horden, die mit ihrer
Absonderung und Zerstreuung, wie dies schon gezeigt wurde 2),
1) Das obige von S. 337—347 wurde abgedruckt aus dem Ausland. 1867. S. 937.
2) S. oben S. 107.
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