Von den Korjäken, welche am Ochotskischen Meere sitzen und sich bis in die nördlichen Theile von Kamtschatka verbreiten, behauptet Georg Steller, sie seine an Körpergrösse, Gesicht, Haar- wuchs, der Aussprache aus vollem Halse den Itelmen "so ähnlich, wie ein Ei dem andern" 1). Wir dürfen dies nur von der Fischer- bevölkerung an der Küste gelten lassen, denn die Korjäken des Binnenlandes, die vom Ertrag ihrer Renthierheerden unter Zelten in patriarchalischer Gliederung leben, werden als Leute von mehr als mittlerem Wuchs beschrieben; sie sind also stattlicher als die Itelmen, denen sie sonst an Gastfreiheit sowie an dienstfertiger und gutherziger Behandlung von Fremden nicht nachstehen. Kennan nennt sie wegen ihrer physischen Merkmale Stämme von nord- amerikanischem Typus 2). Von allen Beringsvölkern sind sie un- befleckt von erotischen Lastern und zugleich eifersüchtige Gatten. Leider berauschen sie sich nur allzugern mit dem Absud aus Fliegenschwamm, der ihnen trotz der scharfen russischen Verbote von gewissenlosen Kaufleuten zugeführt wird. Auch bei ihnen und bei den sogleich zu nennenden Tschuktschen 3) lassen sich die alten Leute von den eigenen Kindern durch Lanzenstiche tödten, vermuthlich in dem Wahn, dass der Mensch auf gleicher Altersstufe erneuert werde, wie er die Erde verlasse, und dass es daher besser sei, den Becher nicht bis zur Hefe zu leeren.
Sprachlich mit ihnen so eng verwandt, wie Spanier und Por- tugiesen, sind die Tuski oder Tschuktschen, welche die asiatischen Küsten an dem Beringsmeer noch in beinahe völliger Freiheit als Renthierzüchter, die Gestade des Eismeeres aber als Fischer bewohnen. Sie werden bisweilen als Renthiertschuktschen von den Namollo unterschieden, mit denen sie in älterer Zeit zusammen- geworfen wurden. Es sind starke Männer, die unter Lasten von 200 Pfund noch leichten Ganges dahinschreiten. Ein Tschuktschen-
1) Kamtschatka. S. 251.
2) Tent-life in Siberia. p. 117. p. 218.
3)Whymper, Alaska. Braunschweig 1869. S. 98.
Peschel, Völkerkunde. 27
Die Beringsvölker.
b. Korjäken und Tschuktschen.
Von den Korjäken, welche am Ochotskischen Meere sitzen und sich bis in die nördlichen Theile von Kamtschatka verbreiten, behauptet Georg Steller, sie seine an Körpergrösse, Gesicht, Haar- wuchs, der Aussprache aus vollem Halse den Itelmen „so ähnlich, wie ein Ei dem andern“ 1). Wir dürfen dies nur von der Fischer- bevölkerung an der Küste gelten lassen, denn die Korjäken des Binnenlandes, die vom Ertrag ihrer Renthierheerden unter Zelten in patriarchalischer Gliederung leben, werden als Leute von mehr als mittlerem Wuchs beschrieben; sie sind also stattlicher als die Itelmen, denen sie sonst an Gastfreiheit sowie an dienstfertiger und gutherziger Behandlung von Fremden nicht nachstehen. Kennan nennt sie wegen ihrer physischen Merkmale Stämme von nord- amerikanischem Typus 2). Von allen Beringsvölkern sind sie un- befleckt von erotischen Lastern und zugleich eifersüchtige Gatten. Leider berauschen sie sich nur allzugern mit dem Absud aus Fliegenschwamm, der ihnen trotz der scharfen russischen Verbote von gewissenlosen Kaufleuten zugeführt wird. Auch bei ihnen und bei den sogleich zu nennenden Tschuktschen 3) lassen sich die alten Leute von den eigenen Kindern durch Lanzenstiche tödten, vermuthlich in dem Wahn, dass der Mensch auf gleicher Altersstufe erneuert werde, wie er die Erde verlasse, und dass es daher besser sei, den Becher nicht bis zur Hefe zu leeren.
Sprachlich mit ihnen so eng verwandt, wie Spanier und Por- tugiesen, sind die Tuski oder Tschuktschen, welche die asiatischen Küsten an dem Beringsmeer noch in beinahe völliger Freiheit als Renthierzüchter, die Gestade des Eismeeres aber als Fischer bewohnen. Sie werden bisweilen als Renthiertschuktschen von den Namollo unterschieden, mit denen sie in älterer Zeit zusammen- geworfen wurden. Es sind starke Männer, die unter Lasten von 200 Pfund noch leichten Ganges dahinschreiten. Ein Tschuktschen-
1) Kamtschatka. S. 251.
2) Tent-life in Siberia. p. 117. p. 218.
3)Whymper, Alaska. Braunschweig 1869. S. 98.
Peschel, Völkerkunde. 27
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0435"n="417"/><fwplace="top"type="header">Die Beringsvölker.</fw><lb/><divn="4"><head>b. <hirendition="#g">Korjäken und Tschuktschen</hi>.</head><lb/><p>Von den Korjäken, welche am Ochotskischen Meere sitzen<lb/>
und sich bis in die nördlichen Theile von Kamtschatka verbreiten,<lb/>
behauptet Georg Steller, sie seine an Körpergrösse, Gesicht, Haar-<lb/>
wuchs, der Aussprache aus vollem Halse den Itelmen „so ähnlich,<lb/>
wie ein Ei dem andern“<noteplace="foot"n="1)">Kamtschatka. S. 251.</note>. Wir dürfen dies nur von der Fischer-<lb/>
bevölkerung an der Küste gelten lassen, denn die Korjäken des<lb/>
Binnenlandes, die vom Ertrag ihrer Renthierheerden unter Zelten<lb/>
in patriarchalischer Gliederung leben, werden als Leute von mehr<lb/>
als mittlerem Wuchs beschrieben; sie sind also stattlicher als die<lb/>
Itelmen, denen sie sonst an Gastfreiheit sowie an dienstfertiger und<lb/>
gutherziger Behandlung von Fremden nicht nachstehen. Kennan<lb/>
nennt sie wegen ihrer physischen Merkmale Stämme von nord-<lb/>
amerikanischem Typus <noteplace="foot"n="2)">Tent-life in Siberia. p. 117. p. 218.</note>. Von allen Beringsvölkern sind sie un-<lb/>
befleckt von erotischen Lastern und zugleich eifersüchtige Gatten.<lb/>
Leider berauschen sie sich nur allzugern mit dem Absud aus<lb/>
Fliegenschwamm, der ihnen trotz der scharfen russischen Verbote<lb/>
von gewissenlosen Kaufleuten zugeführt wird. Auch bei ihnen<lb/>
und bei den sogleich zu nennenden Tschuktschen <noteplace="foot"n="3)"><hirendition="#g">Whymper</hi>, Alaska. Braunschweig 1869. S. 98.</note> lassen sich<lb/>
die alten Leute von den eigenen Kindern durch Lanzenstiche<lb/>
tödten, vermuthlich in dem Wahn, dass der Mensch auf gleicher<lb/>
Altersstufe erneuert werde, wie er die Erde verlasse, und dass es<lb/>
daher besser sei, den Becher nicht bis zur Hefe zu leeren.</p><lb/><p>Sprachlich mit ihnen so eng verwandt, wie Spanier und Por-<lb/>
tugiesen, sind die Tuski oder Tschuktschen, welche die asiatischen<lb/>
Küsten an dem Beringsmeer noch in beinahe völliger Freiheit<lb/>
als Renthierzüchter, die Gestade des Eismeeres aber als Fischer<lb/>
bewohnen. Sie werden bisweilen als Renthiertschuktschen von<lb/>
den Namollo unterschieden, mit denen sie in älterer Zeit zusammen-<lb/>
geworfen wurden. Es sind starke Männer, die unter Lasten von<lb/>
200 Pfund noch leichten Ganges dahinschreiten. Ein Tschuktschen-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">Peschel</hi>, Völkerkunde. 27</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[417/0435]
Die Beringsvölker.
b. Korjäken und Tschuktschen.
Von den Korjäken, welche am Ochotskischen Meere sitzen
und sich bis in die nördlichen Theile von Kamtschatka verbreiten,
behauptet Georg Steller, sie seine an Körpergrösse, Gesicht, Haar-
wuchs, der Aussprache aus vollem Halse den Itelmen „so ähnlich,
wie ein Ei dem andern“ 1). Wir dürfen dies nur von der Fischer-
bevölkerung an der Küste gelten lassen, denn die Korjäken des
Binnenlandes, die vom Ertrag ihrer Renthierheerden unter Zelten
in patriarchalischer Gliederung leben, werden als Leute von mehr
als mittlerem Wuchs beschrieben; sie sind also stattlicher als die
Itelmen, denen sie sonst an Gastfreiheit sowie an dienstfertiger und
gutherziger Behandlung von Fremden nicht nachstehen. Kennan
nennt sie wegen ihrer physischen Merkmale Stämme von nord-
amerikanischem Typus 2). Von allen Beringsvölkern sind sie un-
befleckt von erotischen Lastern und zugleich eifersüchtige Gatten.
Leider berauschen sie sich nur allzugern mit dem Absud aus
Fliegenschwamm, der ihnen trotz der scharfen russischen Verbote
von gewissenlosen Kaufleuten zugeführt wird. Auch bei ihnen
und bei den sogleich zu nennenden Tschuktschen 3) lassen sich
die alten Leute von den eigenen Kindern durch Lanzenstiche
tödten, vermuthlich in dem Wahn, dass der Mensch auf gleicher
Altersstufe erneuert werde, wie er die Erde verlasse, und dass es
daher besser sei, den Becher nicht bis zur Hefe zu leeren.
Sprachlich mit ihnen so eng verwandt, wie Spanier und Por-
tugiesen, sind die Tuski oder Tschuktschen, welche die asiatischen
Küsten an dem Beringsmeer noch in beinahe völliger Freiheit
als Renthierzüchter, die Gestade des Eismeeres aber als Fischer
bewohnen. Sie werden bisweilen als Renthiertschuktschen von
den Namollo unterschieden, mit denen sie in älterer Zeit zusammen-
geworfen wurden. Es sind starke Männer, die unter Lasten von
200 Pfund noch leichten Ganges dahinschreiten. Ein Tschuktschen-
1) Kamtschatka. S. 251.
2) Tent-life in Siberia. p. 117. p. 218.
3) Whymper, Alaska. Braunschweig 1869. S. 98.
Peschel, Völkerkunde. 27
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/435>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.