Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Haut und Haar des Menschen.
dass selbst Lebensgewohnheiten Einfluss auf das Wachsthum üben
können und daher auch die Grössenunterschiede beim Gliederbau
als flüssige erklärt werden müssen.

5. Haut und Haar des Menschen.

Die Geographen des Alterthums glaubten sich überzeugt zu
haben, dass die Dunkelung der Haut mit der Annäherung an den
Aequator zunehme und dass sogar aus der Farbe der Menschen
auf die Polhöhe ihres Wohnortes geschlossen werden könne 1).
Innerhalb des damals bekannten Erdkreises widersprachen die Er-
fahrungen nicht dieser Lehrmeinung. Im Norden sassen blonde,
in Südeuropa und Nordafrika leicht gebräunte Völker, am obern
Nil Neger und in Indien schwärzliche Menschen. Zu besseren
Anschauungen gelangte man erst, als die Spanier in der Neuen
Welt unter allen Breitengraden auf Menschen mit brauner Färbung
stiessen, bald heller bald dunkler, je nach der Oertlichkeit, aber
ohne Beziehung auf die Polhöhe. Bei den Abiponen am Paraguay,
namentlich den Frauen, war die Haut so licht, dass sie in euro-
päischer Tracht mit Europäerinnen hätten verwechselt werden
können, während die Puelchen und Aucas, deren Gebiete um zehn
Breitengrade dem Aequator ferner lagen, viel dunkler gefärbt
waren 2). Dazu gesellte sich noch die Wahrnehmung, dass gerade
im hohen Norden der alten Welt auf die blondhaarigen Völker
wieder die gebräunten Lappen, Wogulen, Ostjaken folgten.

Die mikroskopische Untersuchung lehrte bisher nur, dass die
menschliche Haut aus zwei Schichten bestehe, wovon die äussere
als Oberhaut (epidermis), die innere als Unter- oder Lederhaut
(cutis) bezeichnet wird. Die Oberhaut wieder bestand aus zwei
Abtheilungen, nämlich der oberen durchsichtigen Hornschicht (stra-
tum corneum) und der tiefer liegenden Schleimschicht (stratum
mucosum) oder dem malpighischen Netz (rete Malpighi). Die
Lederhaut (cutis) sowohl wie die äussere Lage der Oberhaut
wurden bei allen Völkerstämmen als gleichartig erkannt und nur
in der von ihnen eingeschlossenen Schleimschicht zeigten sich
Zellen, erfüllt mit einem feinkörnigen Farbstoff. Je nachdem diese

1) Plin. VI, 22.
2) Dobrizhoffer, Geschichte der Abiponer. Wien 1783. Bd. 2. S. 18.

Haut und Haar des Menschen.
dass selbst Lebensgewohnheiten Einfluss auf das Wachsthum üben
können und daher auch die Grössenunterschiede beim Gliederbau
als flüssige erklärt werden müssen.

5. Haut und Haar des Menschen.

Die Geographen des Alterthums glaubten sich überzeugt zu
haben, dass die Dunkelung der Haut mit der Annäherung an den
Aequator zunehme und dass sogar aus der Farbe der Menschen
auf die Polhöhe ihres Wohnortes geschlossen werden könne 1).
Innerhalb des damals bekannten Erdkreises widersprachen die Er-
fahrungen nicht dieser Lehrmeinung. Im Norden sassen blonde,
in Südeuropa und Nordafrika leicht gebräunte Völker, am obern
Nil Neger und in Indien schwärzliche Menschen. Zu besseren
Anschauungen gelangte man erst, als die Spanier in der Neuen
Welt unter allen Breitengraden auf Menschen mit brauner Färbung
stiessen, bald heller bald dunkler, je nach der Oertlichkeit, aber
ohne Beziehung auf die Polhöhe. Bei den Abiponen am Paraguay,
namentlich den Frauen, war die Haut so licht, dass sie in euro-
päischer Tracht mit Europäerinnen hätten verwechselt werden
können, während die Puelchen und Aucas, deren Gebiete um zehn
Breitengrade dem Aequator ferner lagen, viel dunkler gefärbt
waren 2). Dazu gesellte sich noch die Wahrnehmung, dass gerade
im hohen Norden der alten Welt auf die blondhaarigen Völker
wieder die gebräunten Lappen, Wogulen, Ostjaken folgten.

Die mikroskopische Untersuchung lehrte bisher nur, dass die
menschliche Haut aus zwei Schichten bestehe, wovon die äussere
als Oberhaut (epidermis), die innere als Unter- oder Lederhaut
(cutis) bezeichnet wird. Die Oberhaut wieder bestand aus zwei
Abtheilungen, nämlich der oberen durchsichtigen Hornschicht (stra-
tum corneum) und der tiefer liegenden Schleimschicht (stratum
mucosum) oder dem malpighischen Netz (rete Malpighi). Die
Lederhaut (cutis) sowohl wie die äussere Lage der Oberhaut
wurden bei allen Völkerstämmen als gleichartig erkannt und nur
in der von ihnen eingeschlossenen Schleimschicht zeigten sich
Zellen, erfüllt mit einem feinkörnigen Farbstoff. Je nachdem diese

1) Plin. VI, 22.
2) Dobrizhoffer, Geschichte der Abiponer. Wien 1783. Bd. 2. S. 18.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0109" n="91"/><fw place="top" type="header">Haut und Haar des Menschen.</fw><lb/>
dass selbst Lebensgewohnheiten Einfluss auf das Wachsthum üben<lb/>
können und daher auch die Grössenunterschiede beim Gliederbau<lb/>
als flüssige erklärt werden müssen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>5. <hi rendition="#g">Haut und Haar des Menschen</hi>.</head><lb/>
          <p>Die Geographen des Alterthums glaubten sich überzeugt zu<lb/>
haben, dass die Dunkelung der Haut mit der Annäherung an den<lb/>
Aequator zunehme und dass sogar aus der Farbe der Menschen<lb/>
auf die Polhöhe ihres Wohnortes geschlossen werden könne <note place="foot" n="1)">Plin. VI, 22.</note>.<lb/>
Innerhalb des damals bekannten Erdkreises widersprachen die Er-<lb/>
fahrungen nicht dieser Lehrmeinung. Im Norden sassen blonde,<lb/>
in Südeuropa und Nordafrika leicht gebräunte Völker, am obern<lb/>
Nil Neger und in Indien schwärzliche Menschen. Zu besseren<lb/>
Anschauungen gelangte man erst, als die Spanier in der Neuen<lb/>
Welt unter allen Breitengraden auf Menschen mit brauner Färbung<lb/>
stiessen, bald heller bald dunkler, je nach der Oertlichkeit, aber<lb/>
ohne Beziehung auf die Polhöhe. Bei den Abiponen am Paraguay,<lb/>
namentlich den Frauen, war die Haut so licht, dass sie in euro-<lb/>
päischer Tracht mit Europäerinnen hätten verwechselt werden<lb/>
können, während die Puelchen und Aucas, deren Gebiete um zehn<lb/>
Breitengrade dem Aequator ferner lagen, viel dunkler gefärbt<lb/>
waren <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Dobrizhoffer</hi>, Geschichte der Abiponer. Wien 1783. Bd. 2. S. 18.</note>. Dazu gesellte sich noch die Wahrnehmung, dass gerade<lb/>
im hohen Norden der alten Welt auf die blondhaarigen Völker<lb/>
wieder die gebräunten Lappen, Wogulen, Ostjaken folgten.</p><lb/>
          <p>Die mikroskopische Untersuchung lehrte bisher nur, dass die<lb/>
menschliche Haut aus zwei Schichten bestehe, wovon die äussere<lb/>
als Oberhaut (epidermis), die innere als Unter- oder Lederhaut<lb/>
(cutis) bezeichnet wird. Die Oberhaut wieder bestand aus zwei<lb/>
Abtheilungen, nämlich der oberen durchsichtigen Hornschicht (stra-<lb/>
tum corneum) und der tiefer liegenden Schleimschicht (stratum<lb/>
mucosum) oder dem malpighischen Netz (rete Malpighi). Die<lb/>
Lederhaut (cutis) sowohl wie die äussere Lage der Oberhaut<lb/>
wurden bei allen Völkerstämmen als gleichartig erkannt und nur<lb/>
in der von ihnen eingeschlossenen Schleimschicht zeigten sich<lb/>
Zellen, erfüllt mit einem feinkörnigen Farbstoff. Je nachdem diese<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0109] Haut und Haar des Menschen. dass selbst Lebensgewohnheiten Einfluss auf das Wachsthum üben können und daher auch die Grössenunterschiede beim Gliederbau als flüssige erklärt werden müssen. 5. Haut und Haar des Menschen. Die Geographen des Alterthums glaubten sich überzeugt zu haben, dass die Dunkelung der Haut mit der Annäherung an den Aequator zunehme und dass sogar aus der Farbe der Menschen auf die Polhöhe ihres Wohnortes geschlossen werden könne 1). Innerhalb des damals bekannten Erdkreises widersprachen die Er- fahrungen nicht dieser Lehrmeinung. Im Norden sassen blonde, in Südeuropa und Nordafrika leicht gebräunte Völker, am obern Nil Neger und in Indien schwärzliche Menschen. Zu besseren Anschauungen gelangte man erst, als die Spanier in der Neuen Welt unter allen Breitengraden auf Menschen mit brauner Färbung stiessen, bald heller bald dunkler, je nach der Oertlichkeit, aber ohne Beziehung auf die Polhöhe. Bei den Abiponen am Paraguay, namentlich den Frauen, war die Haut so licht, dass sie in euro- päischer Tracht mit Europäerinnen hätten verwechselt werden können, während die Puelchen und Aucas, deren Gebiete um zehn Breitengrade dem Aequator ferner lagen, viel dunkler gefärbt waren 2). Dazu gesellte sich noch die Wahrnehmung, dass gerade im hohen Norden der alten Welt auf die blondhaarigen Völker wieder die gebräunten Lappen, Wogulen, Ostjaken folgten. Die mikroskopische Untersuchung lehrte bisher nur, dass die menschliche Haut aus zwei Schichten bestehe, wovon die äussere als Oberhaut (epidermis), die innere als Unter- oder Lederhaut (cutis) bezeichnet wird. Die Oberhaut wieder bestand aus zwei Abtheilungen, nämlich der oberen durchsichtigen Hornschicht (stra- tum corneum) und der tiefer liegenden Schleimschicht (stratum mucosum) oder dem malpighischen Netz (rete Malpighi). Die Lederhaut (cutis) sowohl wie die äussere Lage der Oberhaut wurden bei allen Völkerstämmen als gleichartig erkannt und nur in der von ihnen eingeschlossenen Schleimschicht zeigten sich Zellen, erfüllt mit einem feinkörnigen Farbstoff. Je nachdem diese 1) Plin. VI, 22. 2) Dobrizhoffer, Geschichte der Abiponer. Wien 1783. Bd. 2. S. 18.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/109
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/109>, abgerufen am 22.12.2024.