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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Vorbericht von der Juristen
wahren Glücks beraubet. Durch Vernunfft-Schlüsse aber
lassen sich diese Ubel nicht wohl heben. Am besten ist es/ wenn
man den Ursprung und Fortgang der wahren Religion, und zu-
gleich des Aberglaubens und der Atheisterey erkennet. Wenn
man dabey acht hat/ was dieselbe vor Würckungen in der
menschlichen Gesellschafft nach sich gezogen. Dieses weiset
mir die Kirchen-Historie. Die Kirchen-Historie muß mir
den Grund endecken/ warum wegen der Religion, von so un-
dencklichen Jahren/ so viele Unruhen entstanden. Jch muß
den glückseligen Zustand des Menschen vor dem Fall verstehen.
Der Fall selbst und was darauff erfolgt/ darff mir eben nicht
unbewust seyn. Jch muß wissen/ wie/ und durch wem die
Religion in dem alten Bund verfälscht worden. Wie Chri-
stus und die Apostel die rechte Lehre wieder hergestellet/ und
in ein grösser Licht gesetzet. Ferner/ wie solche herrliche Leh-
re/ so wohl vor als nach der Reformation greulich verderbet
worden. Dieses und anderes lieget mir ob aus der Kirchen-
Historie zu erlernen/ weil ich ein Christ bin/ und selbst genau
wissen will/ welche Religion wahr oder falsch ist.

Obige Ursa-
che wird wei-ter erlentert.
§. XVII.

Hiernächst aber habe ich als ein Juriste bey
der Kirchen-Historie folgendes zu erwägen: Wie nehmlich
die Religion. in Ansehen dieses Lebens/ und der bürgerlichen
Gesellschafft
beschaffen sey. (a) Jch muß die falschen Lehren

unter-
(a) Anmerckung
von der Christ-
lichen Reli-
gion in Anse-
hung des
Staats.
Es ist mehr als zu bekannt, daß verschiedene der Christlichen Religion
vorgeworffen, sie wäre dem gemeinen Wesen nachtheilig. Den Un-
grund von solchen Vorgeben zu zeigen, kommet nicht allein denen Theolo-
gis,
sondern auch denen Juristen zu. Juristen müssen insonderheit zu-
schauen, daß man unter dem Vorwand der Religion nichts vortrage oder un-
ternehme, so dem Staat nachtheilig ist. Denn da ist ja klar, daß so zu
sagen keine Religion dem Staat zuträglicher als die Christliche. Nun
weiß man aber, wie einige sich nicht gescheuet, öffentlich zu lehren einen
Fürsten, der ein Tyrann wäre, dürffte man umbringen. Jn diesen oder
jenen

Vorbericht von der Juriſten
wahren Gluͤcks beraubet. Durch Vernunfft-Schluͤſſe aber
laſſen ſich dieſe Ubel nicht wohl heben. Am beſten iſt es/ wenn
man den Urſprung und Fortgang der wahren Religion, und zu-
gleich des Aberglaubens und der Atheiſterey erkennet. Wenn
man dabey acht hat/ was dieſelbe vor Wuͤrckungen in der
menſchlichen Geſellſchafft nach ſich gezogen. Dieſes weiſet
mir die Kirchen-Hiſtorie. Die Kirchen-Hiſtorie muß mir
den Grund endecken/ warum wegen der Religion, von ſo un-
dencklichen Jahren/ ſo viele Unruhen entſtanden. Jch muß
den gluͤckſeligen Zuſtand des Menſchen vor dem Fall verſtehen.
Der Fall ſelbſt und was darauff erfolgt/ darff mir eben nicht
unbewuſt ſeyn. Jch muß wiſſen/ wie/ und durch wem die
Religion in dem alten Bund verfaͤlſcht worden. Wie Chri-
ſtus und die Apoſtel die rechte Lehre wieder hergeſtellet/ und
in ein groͤſſer Licht geſetzet. Ferner/ wie ſolche herrliche Leh-
re/ ſo wohl vor als nach der Reformation greulich verderbet
worden. Dieſes und anderes lieget mir ob aus der Kirchen-
Hiſtorie zu erlernen/ weil ich ein Chriſt bin/ und ſelbſt genau
wiſſen will/ welche Religion wahr oder falſch iſt.

Obige Urſa-
che wird wei-ter erlentert.
§. XVII.

Hiernaͤchſt aber habe ich als ein Juriſte bey
der Kirchen-Hiſtorie folgendes zu erwaͤgen: Wie nehmlich
die Religion. in Anſehen dieſes Lebens/ und der buͤrgerlichen
Geſellſchafft
beſchaffen ſey. (a) Jch muß die falſchen Lehren

unter-
(a) Anmerckung
von der Chriſt-
lichen Reli-
gion in Anſe-
hung des
Staats.
Es iſt mehr als zu bekannt, daß verſchiedene der Chriſtlichen Religion
vorgeworffen, ſie waͤre dem gemeinen Weſen nachtheilig. Den Un-
grund von ſolchen Vorgeben zu zeigen, kommet nicht allein denen Theolo-
gis,
ſondern auch denen Juriſten zu. Juriſten muͤſſen inſonderheit zu-
ſchauen, daß man unter dem Vorwand der Religion nichts vortrage oder un-
ternehme, ſo dem Staat nachtheilig iſt. Denn da iſt ja klar, daß ſo zu
ſagen keine Religion dem Staat zutraͤglicher als die Chriſtliche. Nun
weiß man aber, wie einige ſich nicht geſcheuet, oͤffentlich zu lehren einen
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[20/0039] Vorbericht von der Juriſten wahren Gluͤcks beraubet. Durch Vernunfft-Schluͤſſe aber laſſen ſich dieſe Ubel nicht wohl heben. Am beſten iſt es/ wenn man den Urſprung und Fortgang der wahren Religion, und zu- gleich des Aberglaubens und der Atheiſterey erkennet. Wenn man dabey acht hat/ was dieſelbe vor Wuͤrckungen in der menſchlichen Geſellſchafft nach ſich gezogen. Dieſes weiſet mir die Kirchen-Hiſtorie. Die Kirchen-Hiſtorie muß mir den Grund endecken/ warum wegen der Religion, von ſo un- dencklichen Jahren/ ſo viele Unruhen entſtanden. Jch muß den gluͤckſeligen Zuſtand des Menſchen vor dem Fall verſtehen. Der Fall ſelbſt und was darauff erfolgt/ darff mir eben nicht unbewuſt ſeyn. Jch muß wiſſen/ wie/ und durch wem die Religion in dem alten Bund verfaͤlſcht worden. Wie Chri- ſtus und die Apoſtel die rechte Lehre wieder hergeſtellet/ und in ein groͤſſer Licht geſetzet. Ferner/ wie ſolche herrliche Leh- re/ ſo wohl vor als nach der Reformation greulich verderbet worden. Dieſes und anderes lieget mir ob aus der Kirchen- Hiſtorie zu erlernen/ weil ich ein Chriſt bin/ und ſelbſt genau wiſſen will/ welche Religion wahr oder falſch iſt. §. XVII. Hiernaͤchſt aber habe ich als ein Juriſte bey der Kirchen-Hiſtorie folgendes zu erwaͤgen: Wie nehmlich die Religion. in Anſehen dieſes Lebens/ und der buͤrgerlichen Geſellſchafft beſchaffen ſey. (a) Jch muß die falſchen Lehren unter- (a) Es iſt mehr als zu bekannt, daß verſchiedene der Chriſtlichen Religion vorgeworffen, ſie waͤre dem gemeinen Weſen nachtheilig. Den Un- grund von ſolchen Vorgeben zu zeigen, kommet nicht allein denen Theolo- gis, ſondern auch denen Juriſten zu. Juriſten muͤſſen inſonderheit zu- ſchauen, daß man unter dem Vorwand der Religion nichts vortrage oder un- ternehme, ſo dem Staat nachtheilig iſt. Denn da iſt ja klar, daß ſo zu ſagen keine Religion dem Staat zutraͤglicher als die Chriſtliche. Nun weiß man aber, wie einige ſich nicht geſcheuet, oͤffentlich zu lehren einen Fuͤrſten, der ein Tyrann waͤre, duͤrffte man umbringen. Jn dieſen oder jenen

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/39>, abgerufen am 21.11.2024.