§.
XVIII. Man hält dafür/ daß man auch sodann
niemand beschuldigen könne/ er habe aus der Beichte ge-
schwatzet/ wenn der Beicht-Vater seine Wissenschafft an-
derweit her hat. Es könte demselben durch das gemeine
Geschrey zu Ohren kommen seyn. Ja wenn man etwas
nach vollendeter Beichte entdeckte/ so dürffte es der Beicht-
Vater gar wohl andern sagen. Allein was das erstere be-
trifft/ so muß man es mit Verstand annehmen. Das
andere aber ist/ wie oben gemeldet/ gantz irrig und falsch.
Denn wenn ein Beicht-Vater sich vergangen und ausge-
plaudert/ so könte er sich allezeit damit entschuldigen/ daß er
die Sache von andern auch erfahren. Die Doctores thei-
len sich also in zwey Hauffen. Einige sagen/ ein Priester
könte sodann die Sache andern erzehlen/ andere wollen es
nicht
§.
XVIII. Man haͤlt dafuͤr/ daß man auch ſodann
niemand beſchuldigen koͤnne/ er habe aus der Beichte ge-
ſchwatzet/ wenn der Beicht-Vater ſeine Wiſſenſchafft an-
derweit her hat. Es koͤnte demſelben durch das gemeine
Geſchrey zu Ohren kommen ſeyn. Ja wenn man etwas
nach vollendeter Beichte entdeckte/ ſo duͤrffte es der Beicht-
Vater gar wohl andern ſagen. Allein was das erſtere be-
trifft/ ſo muß man es mit Verſtand annehmen. Das
andere aber iſt/ wie oben gemeldet/ gantz irrig und falſch.
Denn wenn ein Beicht-Vater ſich vergangen und ausge-
plaudert/ ſo koͤnte er ſich allezeit damit entſchuldigen/ daß er
die Sache von andern auch erfahren. Die Doctores thei-
len ſich alſo in zwey Hauffen. Einige ſagen/ ein Prieſter
koͤnte ſodann die Sache andern erzehlen/ andere wollen es
nicht
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[326/0345]
II. Abth. IV. Cap. Von der
§. XVIII. Man haͤlt dafuͤr/ daß man auch ſodann
niemand beſchuldigen koͤnne/ er habe aus der Beichte ge-
ſchwatzet/ wenn der Beicht-Vater ſeine Wiſſenſchafft an-
derweit her hat. Es koͤnte demſelben durch das gemeine
Geſchrey zu Ohren kommen ſeyn. Ja wenn man etwas
nach vollendeter Beichte entdeckte/ ſo duͤrffte es der Beicht-
Vater gar wohl andern ſagen. Allein was das erſtere be-
trifft/ ſo muß man es mit Verſtand annehmen. Das
andere aber iſt/ wie oben gemeldet/ gantz irrig und falſch.
Denn wenn ein Beicht-Vater ſich vergangen und ausge-
plaudert/ ſo koͤnte er ſich allezeit damit entſchuldigen/ daß er
die Sache von andern auch erfahren. Die Doctores thei-
len ſich alſo in zwey Hauffen. Einige ſagen/ ein Prieſter
koͤnte ſodann die Sache andern erzehlen/ andere wollen es
nicht
(c)
(c) moͤchte ſie einſten dahin bringen, daß ſie ſich oder andern ein Lei-
des anthaͤten. Einen ſolchen melancholiſchen Menſchen, mag
ein Beicht-Vater denen naͤchſten Anverwandten zu guter Obſicht
empfehlen. Ja nach Beſchaffenheit der Sache, kan man wohl
gar in der Kirche vor ihn bitten. Es hindert nichts/ daß man
ſaget: auf ſolche Weiſe wuͤrde das Siegel der Beichte ge-
brochen. Der arme Menſch beſorget ſich, daß er denen An-
fechtungen unterliegen moͤchte. Auf andere Weiſe aber kan
das Ubel und der traurige Ausgang nicht verhuͤtet werden. Ja
wenn auch ein ſolcher melancholiſcher Menſch verſpraͤche, daß
er von ſeinem Vorſatz abſtehen wolte, ſo ſoll es doch ein Prie-
ſter nicht dabey bewenden laſſen, denn es iſt doch ungewiß, ob
es ein ſolcher Menſch thut, und ob er ſich nicht vielmehr alſo
anſtellt, die Leute ſicher zu machen. Darum muß man auf der
Hut ſeyn, allem uͤblen Beginnen vorzukommen. Auf andere
Weiſe aber kan es nicht geſchehen, als daß man andern Leu-
ten, nehmlich denen Anverwandten, des Menſchen Vorhaben
hinterbringet.
a) Einige