Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
der verborgenen Sünden.
§. VII.

Auf eben solche Weise verstehe ich die Anord-Gebrauch
der Beichte
im VII. Se-
culo.

nung des Synodi in Trullo, so im VII. Seculo herausgekom-
men. Denn ob wohl der Synodus den Priester unterrichtet/
wie er sich in Auflegung der Busse verhalten solle a); So
kan ich dennoch noch keine solche Beichte finden/ welche zu
einer gewissen und gesetzten Zeit/ und von allen Gliedern
der Kirche müste verrichtet werden. Die gantze Sache wa-

re ei-
Leo redet also von der vor ihm gebräuchlichen öffentlichen Busse.
Es mögen dazumahl auch manche Leute so abergläubisch gewesen
seyn, daß sie gedacht, ihre Sünde könte ihnen nicht vergeben wer-
den, ausser durch die öffentliche Busse. Ohnerachtet nun das
Verbrechen nicht bekannt ware, so offenbahrten sie solches vor der
gantzen Gemeinde, und thaten öffentliche Busse. Es ware aber
keine Nothwendigkeit, sondern wer nicht wolte, kunte es bleiben
lassen. Leo aber dachte, es würden sich viele eher bequemen,
wenn sie ihre Sünde nicht öffentlich hersagen dürfften. Es ist al-
so diese Art der Beichte nicht darum eingeführet worden, damit
denen Leuten von denen Geistlichen die Sünden vergeben würden,
sondern mehr zur öffentlichen Busse anzulocken. Leo saget auch
gantz deutlich, der Priester solte mit um Vergebung bitten helffen,
und wer ihm seine Sünden entdeckte, solte nicht angehalten wer-
den können, solche öffentlich bekant zu machen. Fast auf eben
solche Art, hat der gelehrte Petauius in Epist. p. 246. diese Ver-
ordnung Leonis erkläret.
a) Vid. Natalis Alexander in Hist. Eccles. Sec. VII. Diss. III. pag. 620.Die Pflichtei-
nes Priesters
wegen der
Beichte.

Es ist ihm anbefohlen, Achtung zu geben auf die Beschaffenheit der
Sünde, auf des Sünders bereitwilliges Gemüthe zur Bekeh-
rung, damit er zugleich eine Artzeney ausfündig machte, die sich
auf die Kranckheit schickte, und den Zügel zu einem freyen
Leben nicht allzuweit schiessen liesse. Es hat also befohlen, daß
er zuweilen scharffe, zuweilen aber auch gelinde Mittel gebrau-
chen solte, dadurch er denen bösen Begierden steuren könte. Er
solte die Früchte der Busse untersuchen, und mit dem Bußfertigen
klug umgehen.
b) Mit
(Recht der Beicht-Stühle.) m
der verborgenen Suͤnden.
§. VII.

Auf eben ſolche Weiſe verſtehe ich die Anord-Gebrauch
der Beichte
im VII. Se-
culo.

nung des Synodi in Trullo, ſo im VII. Seculo herausgekom-
men. Denn ob wohl der Synodus den Prieſter unterrichtet/
wie er ſich in Auflegung der Buſſe verhalten ſolle a); So
kan ich dennoch noch keine ſolche Beichte finden/ welche zu
einer gewiſſen und geſetzten Zeit/ und von allen Gliedern
der Kirche muͤſte verrichtet werden. Die gantze Sache wa-

re ei-
Leo redet alſo von der vor ihm gebraͤuchlichen oͤffentlichen Buſſe.
Es moͤgen dazumahl auch manche Leute ſo aberglaͤubiſch geweſen
ſeyn, daß ſie gedacht, ihre Suͤnde koͤnte ihnen nicht vergeben wer-
den, auſſer durch die oͤffentliche Buſſe. Ohnerachtet nun das
Verbrechen nicht bekannt ware, ſo offenbahrten ſie ſolches vor der
gantzen Gemeinde, und thaten oͤffentliche Buſſe. Es ware aber
keine Nothwendigkeit, ſondern wer nicht wolte, kunte es bleiben
laſſen. Leo aber dachte, es wuͤrden ſich viele eher bequemen,
wenn ſie ihre Suͤnde nicht oͤffentlich herſagen duͤrfften. Es iſt al-
ſo dieſe Art der Beichte nicht darum eingefuͤhret worden, damit
denen Leuten von denen Geiſtlichen die Suͤnden vergeben wuͤrden,
ſondern mehr zur oͤffentlichen Buſſe anzulocken. Leo ſaget auch
gantz deutlich, der Prieſter ſolte mit um Vergebung bitten helffen,
und wer ihm ſeine Suͤnden entdeckte, ſolte nicht angehalten wer-
den koͤnnen, ſolche oͤffentlich bekant zu machen. Faſt auf eben
ſolche Art, hat der gelehrte Petauius in Epiſt. p. 246. dieſe Ver-
ordnung Leonis erklaͤret.
a) Vid. Natalis Alexander in Hiſt. Eccleſ. Sec. VII. Diſſ. III. pag. 620.Die Pflichtei-
nes Prieſters
wegen der
Beichte.

Es iſt ihm anbefohlen, Achtung zu geben auf die Beſchaffenheit der
Suͤnde, auf des Suͤnders bereitwilliges Gemuͤthe zur Bekeh-
rung, damit er zugleich eine Artzeney ausfuͤndig machte, die ſich
auf die Kranckheit ſchickte, und den Zuͤgel zu einem freyen
Leben nicht allzuweit ſchieſſen lieſſe. Es hat alſo befohlen, daß
er zuweilen ſcharffe, zuweilen aber auch gelinde Mittel gebrau-
chen ſolte, dadurch er denen boͤſen Begierden ſteuren koͤnte. Er
ſolte die Fruͤchte der Buſſe unterſuchen, und mit dem Bußfertigen
klug umgehen.
b) Mit
(Recht der Beicht-Stuͤhle.) m
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0108" n="89"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der verborgenen Su&#x0364;nden.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">VII.</hi></head>
            <p>Auf eben &#x017F;olche Wei&#x017F;e ver&#x017F;tehe ich die Anord-<note place="right">Gebrauch<lb/>
der Beichte<lb/>
im <hi rendition="#aq">VII. Se-<lb/>
culo.</hi></note><lb/>
nung des <hi rendition="#aq">Synodi</hi> in <hi rendition="#aq">Trullo,</hi> &#x017F;o im <hi rendition="#aq">VII. Seculo</hi> herausgekom-<lb/>
men. Denn ob wohl der <hi rendition="#aq">Synodus</hi> den Prie&#x017F;ter unterrichtet/<lb/>
wie er &#x017F;ich in Auflegung der Bu&#x017F;&#x017F;e verhalten &#x017F;olle <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Vid. Natalis Alexander <hi rendition="#i">in Hi&#x017F;t. Eccle&#x017F;. Sec. VII. Di&#x017F;&#x017F;. III. pag.</hi></hi> 620.<note place="right">Die Pflichtei-<lb/>
nes Prie&#x017F;ters<lb/>
wegen der<lb/>
Beichte.</note><lb/>
Es i&#x017F;t ihm anbefohlen, Achtung zu geben auf die Be&#x017F;chaffenheit der<lb/>
Su&#x0364;nde, auf des Su&#x0364;nders bereitwilliges Gemu&#x0364;the zur Bekeh-<lb/>
rung, damit er zugleich eine Artzeney ausfu&#x0364;ndig machte, die &#x017F;ich<lb/>
auf die Kranckheit &#x017F;chickte, und den Zu&#x0364;gel zu einem freyen<lb/>
Leben nicht allzuweit &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en lie&#x017F;&#x017F;e. Es hat al&#x017F;o befohlen, daß<lb/>
er zuweilen &#x017F;charffe, zuweilen aber auch gelinde Mittel gebrau-<lb/>
chen &#x017F;olte, dadurch er denen bo&#x0364;&#x017F;en Begierden &#x017F;teuren ko&#x0364;nte. Er<lb/>
&#x017F;olte die Fru&#x0364;chte der Bu&#x017F;&#x017F;e unter&#x017F;uchen, und mit dem Bußfertigen<lb/>
klug umgehen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">b)</hi> Mit</fw></note>; So<lb/>
kan ich dennoch noch keine &#x017F;olche Beichte finden/ welche zu<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en und ge&#x017F;etzten Zeit/ und von allen Gliedern<lb/>
der Kirche mu&#x0364;&#x017F;te verrichtet werden. Die gantze Sache wa-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">re ei-</fw><lb/><note xml:id="f76" prev="#f75" place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">Leo</hi> redet al&#x017F;o von der vor ihm gebra&#x0364;uchlichen o&#x0364;ffentlichen Bu&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Es mo&#x0364;gen dazumahl auch manche Leute &#x017F;o abergla&#x0364;ubi&#x017F;ch gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn, daß &#x017F;ie gedacht, ihre Su&#x0364;nde ko&#x0364;nte ihnen nicht vergeben wer-<lb/>
den, au&#x017F;&#x017F;er durch die o&#x0364;ffentliche Bu&#x017F;&#x017F;e. Ohnerachtet nun das<lb/>
Verbrechen nicht bekannt ware, &#x017F;o offenbahrten &#x017F;ie &#x017F;olches vor der<lb/>
gantzen Gemeinde, und thaten o&#x0364;ffentliche Bu&#x017F;&#x017F;e. Es ware aber<lb/>
keine Nothwendigkeit, &#x017F;ondern wer nicht wolte, kunte es bleiben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq">Leo</hi> aber dachte, es wu&#x0364;rden &#x017F;ich viele eher bequemen,<lb/>
wenn &#x017F;ie ihre Su&#x0364;nde nicht o&#x0364;ffentlich her&#x017F;agen du&#x0364;rfften. Es i&#x017F;t al-<lb/>
&#x017F;o die&#x017F;e Art der Beichte nicht darum eingefu&#x0364;hret worden, damit<lb/>
denen Leuten von denen Gei&#x017F;tlichen die Su&#x0364;nden vergeben wu&#x0364;rden,<lb/>
&#x017F;ondern mehr zur o&#x0364;ffentlichen Bu&#x017F;&#x017F;e anzulocken. <hi rendition="#aq">Leo</hi> &#x017F;aget auch<lb/>
gantz deutlich, der Prie&#x017F;ter &#x017F;olte mit um Vergebung bitten helffen,<lb/>
und wer ihm &#x017F;eine Su&#x0364;nden entdeckte, &#x017F;olte nicht angehalten wer-<lb/>
den ko&#x0364;nnen, &#x017F;olche o&#x0364;ffentlich bekant zu machen. Fa&#x017F;t auf eben<lb/>
&#x017F;olche Art, hat der gelehrte <hi rendition="#aq">Petauius <hi rendition="#i">in Epi&#x017F;t. p. 246.</hi></hi> die&#x017F;e Ver-<lb/>
ordnung <hi rendition="#aq">Leonis</hi> erkla&#x0364;ret.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">(Recht der Beicht-Stu&#x0364;hle.)</hi> m</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0108] der verborgenen Suͤnden. §. VII. Auf eben ſolche Weiſe verſtehe ich die Anord- nung des Synodi in Trullo, ſo im VII. Seculo herausgekom- men. Denn ob wohl der Synodus den Prieſter unterrichtet/ wie er ſich in Auflegung der Buſſe verhalten ſolle a); So kan ich dennoch noch keine ſolche Beichte finden/ welche zu einer gewiſſen und geſetzten Zeit/ und von allen Gliedern der Kirche muͤſte verrichtet werden. Die gantze Sache wa- re ei- (d) Gebrauch der Beichte im VII. Se- culo. a) Vid. Natalis Alexander in Hiſt. Eccleſ. Sec. VII. Diſſ. III. pag. 620. Es iſt ihm anbefohlen, Achtung zu geben auf die Beſchaffenheit der Suͤnde, auf des Suͤnders bereitwilliges Gemuͤthe zur Bekeh- rung, damit er zugleich eine Artzeney ausfuͤndig machte, die ſich auf die Kranckheit ſchickte, und den Zuͤgel zu einem freyen Leben nicht allzuweit ſchieſſen lieſſe. Es hat alſo befohlen, daß er zuweilen ſcharffe, zuweilen aber auch gelinde Mittel gebrau- chen ſolte, dadurch er denen boͤſen Begierden ſteuren koͤnte. Er ſolte die Fruͤchte der Buſſe unterſuchen, und mit dem Bußfertigen klug umgehen. b) Mit (d) Leo redet alſo von der vor ihm gebraͤuchlichen oͤffentlichen Buſſe. Es moͤgen dazumahl auch manche Leute ſo aberglaͤubiſch geweſen ſeyn, daß ſie gedacht, ihre Suͤnde koͤnte ihnen nicht vergeben wer- den, auſſer durch die oͤffentliche Buſſe. Ohnerachtet nun das Verbrechen nicht bekannt ware, ſo offenbahrten ſie ſolches vor der gantzen Gemeinde, und thaten oͤffentliche Buſſe. Es ware aber keine Nothwendigkeit, ſondern wer nicht wolte, kunte es bleiben laſſen. Leo aber dachte, es wuͤrden ſich viele eher bequemen, wenn ſie ihre Suͤnde nicht oͤffentlich herſagen duͤrfften. Es iſt al- ſo dieſe Art der Beichte nicht darum eingefuͤhret worden, damit denen Leuten von denen Geiſtlichen die Suͤnden vergeben wuͤrden, ſondern mehr zur oͤffentlichen Buſſe anzulocken. Leo ſaget auch gantz deutlich, der Prieſter ſolte mit um Vergebung bitten helffen, und wer ihm ſeine Suͤnden entdeckte, ſolte nicht angehalten wer- den koͤnnen, ſolche oͤffentlich bekant zu machen. Faſt auf eben ſolche Art, hat der gelehrte Petauius in Epiſt. p. 246. dieſe Ver- ordnung Leonis erklaͤret. (Recht der Beicht-Stuͤhle.) m

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/108
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/108>, abgerufen am 21.11.2024.