Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

schaft wollte Roquairol sich zwingen, diesem
das Wort der fruchttragenden Bereuung zu
halten, das er sich selber zu oft gebrochen.

Lasset uns ihm folgen in den Tag, wo er
alles sagt.

54. Zykel.

Einst kam Albano schon Vormittags zum
Hauptmann, wo dieser sonst nach seiner Sprache
noch "ein von gestern herabgebranntes Licht¬
stümpfgen auf Stacheln" war; aber heute
stand er brausend-arbeitend wechselnd am Pia¬
noforte und am Schreibepult und war wie ein
verdorrtes Infusionsthiergen schon so früh der
Rege und Alte, weil Wein genug aufgegossen
war, nämlich viel. Voll Entzückung lief er
dem willkommnen Freunde zu. Albano bracht'
ihm von Falterle die kindischen Blätter der Liebe
(-- denn der Exerzizienmeister hatte nicht den
Muth gehabt, sie ins Feuer zu werfen), die er
aus Blumenbühl an das unbekannte Herz ge¬
schrieben. Karl wäre darüber bis zu Thränen
gerührt geworden, wär' er's -- nicht schon vor
der Ankunft gewesen. Der Graf mußte da blei¬
ben -- den ganzen Tag -- und alles versäu¬

men

ſchaft wollte Roquairol ſich zwingen, dieſem
das Wort der fruchttragenden Bereuung zu
halten, das er ſich ſelber zu oft gebrochen.

Laſſet uns ihm folgen in den Tag, wo er
alles ſagt.

54. Zykel.

Einſt kam Albano ſchon Vormittags zum
Hauptmann, wo dieſer ſonſt nach ſeiner Sprache
noch „ein von geſtern herabgebranntes Licht¬
ſtümpfgen auf Stacheln“ war; aber heute
ſtand er brauſend-arbeitend wechſelnd am Pia¬
noforte und am Schreibepult und war wie ein
verdorrtes Infuſionsthiergen ſchon ſo früh der
Rege und Alte, weil Wein genug aufgegoſſen
war, nämlich viel. Voll Entzückung lief er
dem willkommnen Freunde zu. Albano bracht'
ihm von Falterle die kindiſchen Blätter der Liebe
(— denn der Exerzizienmeiſter hatte nicht den
Muth gehabt, ſie ins Feuer zu werfen), die er
aus Blumenbühl an das unbekannte Herz ge¬
ſchrieben. Karl wäre darüber bis zu Thränen
gerührt geworden, wär' er's — nicht ſchon vor
der Ankunft geweſen. Der Graf mußte da blei¬
ben — den ganzen Tag — und alles verſäu¬

men
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0024" n="16"/>
&#x017F;chaft wollte Roquairol &#x017F;ich zwingen, die&#x017F;em<lb/>
das Wort der fruchttragenden Bereuung zu<lb/>
halten, das er &#x017F;ich &#x017F;elber zu oft gebrochen.</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;et uns ihm folgen in den Tag, wo er<lb/>
alles &#x017F;agt.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>54. <hi rendition="#g">Zykel</hi>.<lb/></head>
          <p>Ein&#x017F;t kam Albano &#x017F;chon Vormittags zum<lb/>
Hauptmann, wo die&#x017F;er &#x017F;on&#x017F;t nach &#x017F;einer Sprache<lb/>
noch &#x201E;ein von ge&#x017F;tern herabgebranntes Licht¬<lb/>
&#x017F;tümpfgen auf Stacheln&#x201C; war; aber heute<lb/>
&#x017F;tand er brau&#x017F;end-arbeitend wech&#x017F;elnd am Pia¬<lb/>
noforte und am Schreibepult und war wie ein<lb/>
verdorrtes Infu&#x017F;ionsthiergen &#x017F;chon &#x017F;o früh der<lb/>
Rege und Alte, weil Wein genug aufgego&#x017F;&#x017F;en<lb/>
war, nämlich viel. Voll Entzückung lief er<lb/>
dem willkommnen Freunde zu. Albano bracht'<lb/>
ihm von Falterle die kindi&#x017F;chen Blätter der Liebe<lb/>
(&#x2014; denn der Exerzizienmei&#x017F;ter hatte nicht den<lb/>
Muth gehabt, &#x017F;ie ins Feuer zu werfen), die er<lb/>
aus Blumenbühl an das unbekannte Herz ge¬<lb/>
&#x017F;chrieben. Karl wäre darüber bis zu Thränen<lb/>
gerührt geworden, wär' er's &#x2014; nicht &#x017F;chon vor<lb/>
der Ankunft gewe&#x017F;en. Der Graf mußte da blei¬<lb/>
ben &#x2014; den ganzen Tag &#x2014; und alles ver&#x017F;äu¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">men<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0024] ſchaft wollte Roquairol ſich zwingen, dieſem das Wort der fruchttragenden Bereuung zu halten, das er ſich ſelber zu oft gebrochen. Laſſet uns ihm folgen in den Tag, wo er alles ſagt. 54. Zykel. Einſt kam Albano ſchon Vormittags zum Hauptmann, wo dieſer ſonſt nach ſeiner Sprache noch „ein von geſtern herabgebranntes Licht¬ ſtümpfgen auf Stacheln“ war; aber heute ſtand er brauſend-arbeitend wechſelnd am Pia¬ noforte und am Schreibepult und war wie ein verdorrtes Infuſionsthiergen ſchon ſo früh der Rege und Alte, weil Wein genug aufgegoſſen war, nämlich viel. Voll Entzückung lief er dem willkommnen Freunde zu. Albano bracht' ihm von Falterle die kindiſchen Blätter der Liebe (— denn der Exerzizienmeiſter hatte nicht den Muth gehabt, ſie ins Feuer zu werfen), die er aus Blumenbühl an das unbekannte Herz ge¬ ſchrieben. Karl wäre darüber bis zu Thränen gerührt geworden, wär' er's — nicht ſchon vor der Ankunft geweſen. Der Graf mußte da blei¬ ben — den ganzen Tag — und alles verſäu¬ men

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/24
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/24>, abgerufen am 21.11.2024.