Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

"Es wäre gut, wenn du den Minister ge¬
"wännest und dadurch die Kenntnisse des Re¬
"gierungs- und Kammerwesens, die er dir ge¬
"ben kann; denn in dem Abrisse Eines Landes,
"so wie Eines Hofes, besitzest du die Grund¬
"züge eines jeden größern, wozu du auch ge¬
"langen und dich bilden sollst. Es ist mein
"Wunsch, daß du sogar dem Fürsten und dem
"Hofe lieb wirst, weniger weil du Konnexionen
"als weil du Erfahrungen brauchst. Nur durch
"Menschen besiegt und übersteigt man Men¬
"schen, nicht durch Bücher und Vorzüge. Man
"muß nicht seinen Werth auslegen, um die
"Menschen zu gewinnen, sondern man muß sie
"gewinnen, und dann erst jenen zeigen. Un¬
"glück ist nichts wie Unverstand und nicht so¬
"wohl durch Tugend als durch Verstand, wird
"man furchtbar und glücklich. -- Du hast höch¬
"stens die Menschen zu fliehen, die dir zu ähn¬
"lich sind, besonders die ädeln." -- Das ätzen¬
de Sublimat seines Spottes, bestand hier nicht
darin, daß er "ädel" mit einem accentuirten iro¬
nischen Tone sagte, sondern daß ers wider Er¬
warten kalt ohne einen sagte. Albanos Hand

„Es wäre gut, wenn du den Miniſter ge¬
„wänneſt und dadurch die Kenntniſſe des Re¬
„gierungs- und Kammerweſens, die er dir ge¬
„ben kann; denn in dem Abriſſe Eines Landes,
„ſo wie Eines Hofes, beſitzeſt du die Grund¬
„züge eines jeden größern, wozu du auch ge¬
„langen und dich bilden ſollſt. Es iſt mein
„Wunſch, daß du ſogar dem Fürſten und dem
„Hofe lieb wirſt, weniger weil du Konnexionen
„als weil du Erfahrungen brauchſt. Nur durch
„Menſchen beſiegt und überſteigt man Men¬
„ſchen, nicht durch Bücher und Vorzüge. Man
„muß nicht ſeinen Werth auslegen, um die
„Menſchen zu gewinnen, ſondern man muß ſie
„gewinnen, und dann erſt jenen zeigen. Un¬
„glück iſt nichts wie Unverſtand und nicht ſo¬
„wohl durch Tugend als durch Verſtand, wird
„man furchtbar und glücklich. — Du haſt höch¬
„ſtens die Menſchen zu fliehen, die dir zu ähn¬
„lich ſind, beſonders die ädeln.“ — Das ätzen¬
de Sublimat ſeines Spottes, beſtand hier nicht
darin, daß er „ädel“ mit einem accentuirten iro¬
niſchen Tone ſagte, ſondern daß ers wider Er¬
warten kalt ohne einen ſagte. Albanos Hand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0083" n="63"/>
          <p>&#x201E;Es wäre gut, wenn du den Mini&#x017F;ter ge¬<lb/>
&#x201E;wänne&#x017F;t und dadurch die Kenntni&#x017F;&#x017F;e des Re¬<lb/>
&#x201E;gierungs- und Kammerwe&#x017F;ens, die er dir ge¬<lb/>
&#x201E;ben kann; denn in dem Abri&#x017F;&#x017F;e Eines Landes,<lb/>
&#x201E;&#x017F;o wie Eines Hofes, be&#x017F;itze&#x017F;t du die Grund¬<lb/>
&#x201E;züge eines jeden größern, wozu du auch ge¬<lb/>
&#x201E;langen und dich bilden &#x017F;oll&#x017F;t. Es i&#x017F;t mein<lb/>
&#x201E;Wun&#x017F;ch, daß du &#x017F;ogar dem Für&#x017F;ten und dem<lb/>
&#x201E;Hofe lieb wir&#x017F;t, weniger weil du Konnexionen<lb/>
&#x201E;als weil du Erfahrungen brauch&#x017F;t. Nur durch<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen be&#x017F;iegt und über&#x017F;teigt man Men¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;chen, nicht durch Bücher und Vorzüge. Man<lb/>
&#x201E;muß nicht &#x017F;einen Werth auslegen, um die<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen zu gewinnen, &#x017F;ondern man muß &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;gewinnen, und dann er&#x017F;t jenen zeigen. Un¬<lb/>
&#x201E;glück i&#x017F;t nichts wie Unver&#x017F;tand und nicht &#x017F;<lb/>
&#x201E;wohl durch Tugend als durch Ver&#x017F;tand, wird<lb/>
&#x201E;man furchtbar und glücklich. &#x2014; Du ha&#x017F;t höch¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;tens die Men&#x017F;chen zu fliehen, die dir zu ähn¬<lb/>
&#x201E;lich &#x017F;ind, be&#x017F;onders die <hi rendition="#g">ädeln</hi>.&#x201C; &#x2014; Das ätzen¬<lb/>
de Sublimat &#x017F;eines Spottes, be&#x017F;tand hier nicht<lb/>
darin, daß er &#x201E;ädel&#x201C; mit einem accentuirten iro¬<lb/>
ni&#x017F;chen Tone &#x017F;agte, &#x017F;ondern daß ers wider Er¬<lb/>
warten kalt ohne einen &#x017F;agte. Albanos Hand<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0083] „Es wäre gut, wenn du den Miniſter ge¬ „wänneſt und dadurch die Kenntniſſe des Re¬ „gierungs- und Kammerweſens, die er dir ge¬ „ben kann; denn in dem Abriſſe Eines Landes, „ſo wie Eines Hofes, beſitzeſt du die Grund¬ „züge eines jeden größern, wozu du auch ge¬ „langen und dich bilden ſollſt. Es iſt mein „Wunſch, daß du ſogar dem Fürſten und dem „Hofe lieb wirſt, weniger weil du Konnexionen „als weil du Erfahrungen brauchſt. Nur durch „Menſchen beſiegt und überſteigt man Men¬ „ſchen, nicht durch Bücher und Vorzüge. Man „muß nicht ſeinen Werth auslegen, um die „Menſchen zu gewinnen, ſondern man muß ſie „gewinnen, und dann erſt jenen zeigen. Un¬ „glück iſt nichts wie Unverſtand und nicht ſo¬ „wohl durch Tugend als durch Verſtand, wird „man furchtbar und glücklich. — Du haſt höch¬ „ſtens die Menſchen zu fliehen, die dir zu ähn¬ „lich ſind, beſonders die ädeln.“ — Das ätzen¬ de Sublimat ſeines Spottes, beſtand hier nicht darin, daß er „ädel“ mit einem accentuirten iro¬ niſchen Tone ſagte, ſondern daß ers wider Er¬ warten kalt ohne einen ſagte. Albanos Hand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/83
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/83>, abgerufen am 26.04.2024.