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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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stes des Innern oder auch einen Sarg dem
Tageslichte öffnen; aber glaubt ihr, daß Al¬
bano sich eine Minute bedachte? Oder ihr sel¬
ber? -- Wir sind alle bessere, offnere, wär¬
mere Freunde als wir wissen und zeigen; es
begegne euch nur der rechte Geist wie ihn die
dürstende Liebe ewig fordert, rein, groß, hell,
und zart und warm, dann gebt ihr ihm alles
und liebt ihn ohne Maaß weil er ohne Fehler
ist. Albano fand in diesem Fremdlinge den er¬
sten Menschen, der sein ganzes Herz mit glei¬
chen Tönen erwiderte, das erste Auge, das
seine schüchternen Gefühle nicht flohen, eine
Seele, vor deren erster Thräne aus seinem
ganzen künftigen Leben Blumen auffuhren wie
aus den trocknen Wüsten heißer Länder unter
der Regenzeit; -- daher gab die Liebe seinem
starken Geiste nur die gleiche weite Bewegung
eines Meeres, indeß der obwohl ältere und
länger gebildete Freund ein Strom mit Was¬
serfällen war.

Karl führte ihn in die sogenannte Kata¬
kombe, indeß er der Geistergeschichte von Isola
bella
zuhörte, aber, von der vorigen erschöpft,

ſtes des Innern oder auch einen Sarg dem
Tageslichte öffnen; aber glaubt ihr, daß Al¬
bano ſich eine Minute bedachte? Oder ihr ſel¬
ber? — Wir ſind alle beſſere, offnere, wär¬
mere Freunde als wir wiſſen und zeigen; es
begegne euch nur der rechte Geiſt wie ihn die
dürſtende Liebe ewig fordert, rein, groß, hell,
und zart und warm, dann gebt ihr ihm alles
und liebt ihn ohne Maaß weil er ohne Fehler
iſt. Albano fand in dieſem Fremdlinge den er¬
ſten Menſchen, der ſein ganzes Herz mit glei¬
chen Tönen erwiderte, das erſte Auge, das
ſeine ſchüchternen Gefühle nicht flohen, eine
Seele, vor deren erſter Thräne aus ſeinem
ganzen künftigen Leben Blumen auffuhren wie
aus den trocknen Wüſten heißer Länder unter
der Regenzeit; — daher gab die Liebe ſeinem
ſtarken Geiſte nur die gleiche weite Bewegung
eines Meeres, indeß der obwohl ältere und
länger gebildete Freund ein Strom mit Was¬
ſerfällen war.

Karl führte ihn in die ſogenannte Kata¬
kombe, indeß er der Geiſtergeſchichte von Isola
bella
zuhörte, aber, von der vorigen erſchöpft,

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[509/0529] ſtes des Innern oder auch einen Sarg dem Tageslichte öffnen; aber glaubt ihr, daß Al¬ bano ſich eine Minute bedachte? Oder ihr ſel¬ ber? — Wir ſind alle beſſere, offnere, wär¬ mere Freunde als wir wiſſen und zeigen; es begegne euch nur der rechte Geiſt wie ihn die dürſtende Liebe ewig fordert, rein, groß, hell, und zart und warm, dann gebt ihr ihm alles und liebt ihn ohne Maaß weil er ohne Fehler iſt. Albano fand in dieſem Fremdlinge den er¬ ſten Menſchen, der ſein ganzes Herz mit glei¬ chen Tönen erwiderte, das erſte Auge, das ſeine ſchüchternen Gefühle nicht flohen, eine Seele, vor deren erſter Thräne aus ſeinem ganzen künftigen Leben Blumen auffuhren wie aus den trocknen Wüſten heißer Länder unter der Regenzeit; — daher gab die Liebe ſeinem ſtarken Geiſte nur die gleiche weite Bewegung eines Meeres, indeß der obwohl ältere und länger gebildete Freund ein Strom mit Was¬ ſerfällen war. Karl führte ihn in die ſogenannte Kata¬ kombe, indeß er der Geiſtergeſchichte von Isola bella zuhörte, aber, von der vorigen erſchöpft,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/529>, abgerufen am 26.04.2024.