Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.Zykel. An Karl. "Fremder! jetzt in der Stunde, wo uns "Wurde Dir das längste Gebet des Men¬ "Hand
Zykel. An Karl. „Fremder! jetzt in der Stunde, wo uns „Wurde Dir das längſte Gebet des Men¬ „Hand
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Zykel.
An Karl.
„Fremder! jetzt in der Stunde, wo uns
„im Todtenmeere und in den Thränen die
„Siegesſäulen und Thronen der Menſchen
„und ihre Brückenpfeiler gebrochen er¬
„ſcheinen, fragt Dich frei ein wahres Herz —
„und Deines antwort' ihm treu und gern!
„Wurde Dir das längſte Gebet des Men¬
„ſchen erhört, Fremder, und haſt Du
„Deinen Freund? Wachſen Deine Wünſche
„und Nerven und Tage mit ſeinen zu¬
„ſammen wie die vier Zedern auf Liba¬
„non, die nichts um ſich dulden als Ad¬
„ler? Haſt Du zwei Herzen und vier Arme
„und lebſt du zweimal wie unſterblich in
„der kämpfenden Welt? — Oder ſtehſt
„Du einſam auf einer froſtigen verſtumm¬
„ten ſchmalen Gletſcherſpitze und haſt kei¬
„nen Menſchen, dem Du die Alpen der
„Schöpfung zeigen könnteſt, und der Him¬
„mel wölbt ſich weit von Dir und Klüfte
„unter Dir? — Wenn Dein Geburtstag
„kommt, haſt Du kein Weſen, das Deine
„Hand
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/484>, abgerufen am 22.02.2025. |