Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
9. Zykel.

Beide blieben auf und erfrischten sich durch
die Streiferei in der bethaueten Insel; und sie
wurden durch den Anblick, wie das erhobene
Bildwer des Tages farbig-gleißend aus den
erlöschenden Kreidenzeichnungen des Mondlichts
heraustrat, lebendig und wach. Augusti kam
auch und schlug ihnen die halbstündige Fahrt
nach Isola madre vor. Albano flehte beide herz¬
lich an, allein hinzufahren, ihn aber hier in
seinen einsamen Spaziergängen zu lassen. Der
Lektor faßte jetzt die Spuren der nächtlichen
Angriffe schärfer ins Auge -- wie schön hatte
der Traum, der Mönch, die Schlaflosigkeit,
die Verblutung die tapfere kecke Gestalt ge¬
mildert und jeden Laut erweicht und die Kraft
war jetzt nur ein zauberischer Wasserfall im
Mondenlicht. Augusti nahm es für Eigensinn
und fuhr allein mit Schoppe; aber die wenig¬
sten Menschen begreifen, daß man nur mit den
wenigsten Menschen (mit keiner Visiten-Ar¬
mee), eigentlich nur mit zweien, mit dem in¬
nigsten und ähnlichsten Freunde und mit der
Geliebten spazieren gehen könne. Wahrlich ich

9. Zykel.

Beide blieben auf und erfriſchten ſich durch
die Streiferei in der bethaueten Inſel; und ſie
wurden durch den Anblick, wie das erhobene
Bildwer des Tages farbig-gleißend aus den
erlöſchenden Kreidenzeichnungen des Mondlichts
heraustrat, lebendig und wach. Auguſti kam
auch und ſchlug ihnen die halbſtündige Fahrt
nach Isola madre vor. Albano flehte beide herz¬
lich an, allein hinzufahren, ihn aber hier in
ſeinen einſamen Spaziergängen zu laſſen. Der
Lektor faßte jetzt die Spuren der nächtlichen
Angriffe ſchärfer ins Auge — wie ſchön hatte
der Traum, der Mönch, die Schlafloſigkeit,
die Verblutung die tapfere kecke Geſtalt ge¬
mildert und jeden Laut erweicht und die Kraft
war jetzt nur ein zauberiſcher Waſſerfall im
Mondenlicht. Auguſti nahm es für Eigenſinn
und fuhr allein mit Schoppe; aber die wenig¬
ſten Menſchen begreifen, daß man nur mit den
wenigſten Menſchen (mit keiner Viſiten-Ar¬
mee), eigentlich nur mit zweien, mit dem in¬
nigſten und ähnlichſten Freunde und mit der
Geliebten ſpazieren gehen könne. Wahrlich ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0107" n="87"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>9. <hi rendition="#g">Zykel.</hi><lb/></head>
          <p>Beide blieben auf und erfri&#x017F;chten &#x017F;ich durch<lb/>
die Streiferei in der bethaueten In&#x017F;el; und &#x017F;ie<lb/>
wurden durch den Anblick, wie das erhobene<lb/>
Bildwer des Tages farbig-gleißend aus den<lb/>
erlö&#x017F;chenden Kreidenzeichnungen des Mondlichts<lb/>
heraustrat, lebendig und wach. Augu&#x017F;ti kam<lb/>
auch und &#x017F;chlug ihnen die halb&#x017F;tündige Fahrt<lb/>
nach <hi rendition="#aq">Isola madre</hi> vor. Albano flehte beide herz¬<lb/>
lich an, allein hinzufahren, ihn aber hier in<lb/>
&#x017F;einen ein&#x017F;amen Spaziergängen zu la&#x017F;&#x017F;en. Der<lb/>
Lektor faßte jetzt die Spuren der nächtlichen<lb/>
Angriffe &#x017F;chärfer ins Auge &#x2014; wie &#x017F;chön hatte<lb/>
der Traum, der Mönch, die Schlaflo&#x017F;igkeit,<lb/>
die Verblutung die tapfere kecke Ge&#x017F;talt ge¬<lb/>
mildert und jeden Laut erweicht und die Kraft<lb/>
war jetzt nur ein zauberi&#x017F;cher Wa&#x017F;&#x017F;erfall im<lb/>
Mondenlicht. Augu&#x017F;ti nahm es für Eigen&#x017F;inn<lb/>
und fuhr allein mit Schoppe; aber die wenig¬<lb/>
&#x017F;ten Men&#x017F;chen begreifen, daß man nur mit den<lb/>
wenig&#x017F;ten Men&#x017F;chen (mit keiner Vi&#x017F;iten-Ar¬<lb/>
mee), eigentlich nur mit zweien, mit dem in¬<lb/>
nig&#x017F;ten und ähnlich&#x017F;ten Freunde und mit der<lb/>
Geliebten &#x017F;pazieren gehen könne. Wahrlich ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0107] 9. Zykel. Beide blieben auf und erfriſchten ſich durch die Streiferei in der bethaueten Inſel; und ſie wurden durch den Anblick, wie das erhobene Bildwer des Tages farbig-gleißend aus den erlöſchenden Kreidenzeichnungen des Mondlichts heraustrat, lebendig und wach. Auguſti kam auch und ſchlug ihnen die halbſtündige Fahrt nach Isola madre vor. Albano flehte beide herz¬ lich an, allein hinzufahren, ihn aber hier in ſeinen einſamen Spaziergängen zu laſſen. Der Lektor faßte jetzt die Spuren der nächtlichen Angriffe ſchärfer ins Auge — wie ſchön hatte der Traum, der Mönch, die Schlafloſigkeit, die Verblutung die tapfere kecke Geſtalt ge¬ mildert und jeden Laut erweicht und die Kraft war jetzt nur ein zauberiſcher Waſſerfall im Mondenlicht. Auguſti nahm es für Eigenſinn und fuhr allein mit Schoppe; aber die wenig¬ ſten Menſchen begreifen, daß man nur mit den wenigſten Menſchen (mit keiner Viſiten-Ar¬ mee), eigentlich nur mit zweien, mit dem in¬ nigſten und ähnlichſten Freunde und mit der Geliebten ſpazieren gehen könne. Wahrlich ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/107
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/107>, abgerufen am 21.11.2024.