Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite
Neun und vierzigster oder 1ter Freuden-Sektor.

Der Nebel -- Lilienbad.


Nimm uns in dein Blumen-Eden auf, eingehüll¬
tes Lilienbad, mich, Gustav und meine Schwester,
gieb unsern Träumen einen irdischen Boden, damit
sie vor uns spielen und sei so dämmernd schön wie
eine Vergangenheit!

Heute zogen wir ein und unser Vorreiter war
ein spielender Schmetterling, den wir vor uns von
einer Blumen-Stazion auf die andre trieben. --
Und der Weg meiner Feder soll auch über nichts
anders gehen.

Der heutige Morgen hatte die ganze Auentha¬
ler Gegend unter ein Nebel-Meer gesetzt. Der ganze
Wolkenhimmel ruhte auf unsern tiefen Blumen aus.
Wir brachen auf und giengen in diesen fliessenden
Himmel hinein, in den uns sonst nur die Alpen
heben. An diesem Dunst-Globus oben zeichnete sich
die Sonne wie eine erblassende Nebensonne hinein:
endlich verlief sich der weisse Ozean in lange Strö¬
me -- auf den Wäldern lagen hangende Berge,

Neun und vierzigſter oder 1ter Freuden-Sektor.

Der Nebel — Lilienbad.


Nimm uns in dein Blumen-Eden auf, eingehuͤll¬
tes Lilienbad, mich, Guſtav und meine Schweſter,
gieb unſern Traͤumen einen irdiſchen Boden, damit
ſie vor uns ſpielen und ſei ſo daͤmmernd ſchoͤn wie
eine Vergangenheit!

Heute zogen wir ein und unſer Vorreiter war
ein ſpielender Schmetterling, den wir vor uns von
einer Blumen-Stazion auf die andre trieben. —
Und der Weg meiner Feder ſoll auch uͤber nichts
anders gehen.

Der heutige Morgen hatte die ganze Auentha¬
ler Gegend unter ein Nebel-Meer geſetzt. Der ganze
Wolkenhimmel ruhte auf unſern tiefen Blumen aus.
Wir brachen auf und giengen in dieſen flieſſenden
Himmel hinein, in den uns ſonſt nur die Alpen
heben. An dieſem Dunſt-Globus oben zeichnete ſich
die Sonne wie eine erblaſſende Nebenſonne hinein:
endlich verlief ſich der weiſſe Ozean in lange Stroͤ¬
me — auf den Waͤldern lagen hangende Berge,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0292" n="282"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Neun und vierzig&#x017F;ter oder 1ter Freuden-Sektor. </head><lb/>
          <argument>
            <p rendition="#c">Der Nebel &#x2014; Lilienbad.</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">N</hi>imm uns in dein Blumen-Eden auf, eingehu&#x0364;ll¬<lb/>
tes Lilienbad, mich, Gu&#x017F;tav und meine Schwe&#x017F;ter,<lb/>
gieb un&#x017F;ern Tra&#x0364;umen einen irdi&#x017F;chen Boden, damit<lb/>
&#x017F;ie vor uns &#x017F;pielen und &#x017F;ei &#x017F;o da&#x0364;mmernd &#x017F;cho&#x0364;n wie<lb/>
eine Vergangenheit!</p><lb/>
          <p>Heute zogen wir ein und un&#x017F;er Vorreiter war<lb/>
ein &#x017F;pielender Schmetterling, den wir vor uns von<lb/>
einer Blumen-Stazion auf die andre trieben. &#x2014;<lb/>
Und der Weg meiner Feder &#x017F;oll auch u&#x0364;ber nichts<lb/>
anders gehen.</p><lb/>
          <p>Der heutige Morgen hatte die ganze Auentha¬<lb/>
ler Gegend unter ein Nebel-Meer ge&#x017F;etzt. Der ganze<lb/>
Wolkenhimmel ruhte auf un&#x017F;ern tiefen Blumen aus.<lb/>
Wir brachen auf und giengen in die&#x017F;en flie&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
Himmel hinein, in den uns &#x017F;on&#x017F;t nur die Alpen<lb/>
heben. An die&#x017F;em Dun&#x017F;t-Globus oben zeichnete &#x017F;ich<lb/>
die Sonne wie eine erbla&#x017F;&#x017F;ende Neben&#x017F;onne hinein:<lb/>
endlich verlief &#x017F;ich der wei&#x017F;&#x017F;e Ozean in lange Stro&#x0364;¬<lb/>
me &#x2014; auf den Wa&#x0364;ldern lagen hangende Berge,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0292] Neun und vierzigſter oder 1ter Freuden-Sektor. Der Nebel — Lilienbad. Nimm uns in dein Blumen-Eden auf, eingehuͤll¬ tes Lilienbad, mich, Guſtav und meine Schweſter, gieb unſern Traͤumen einen irdiſchen Boden, damit ſie vor uns ſpielen und ſei ſo daͤmmernd ſchoͤn wie eine Vergangenheit! Heute zogen wir ein und unſer Vorreiter war ein ſpielender Schmetterling, den wir vor uns von einer Blumen-Stazion auf die andre trieben. — Und der Weg meiner Feder ſoll auch uͤber nichts anders gehen. Der heutige Morgen hatte die ganze Auentha¬ ler Gegend unter ein Nebel-Meer geſetzt. Der ganze Wolkenhimmel ruhte auf unſern tiefen Blumen aus. Wir brachen auf und giengen in dieſen flieſſenden Himmel hinein, in den uns ſonſt nur die Alpen heben. An dieſem Dunſt-Globus oben zeichnete ſich die Sonne wie eine erblaſſende Nebenſonne hinein: endlich verlief ſich der weiſſe Ozean in lange Stroͤ¬ me — auf den Waͤldern lagen hangende Berge,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/292
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/292>, abgerufen am 21.12.2024.