das Messer an der Kehle sitzt, dacht' er, so setz' ich mich hin und gewinne sie von Herzem lieb und da¬ mit gut" -- viertens eine Kokette macht einen Ko¬ ketten. . . . Hier fing ich bekanntlich schon an, mich über den 22ten Posttag zu ärgern, wiewol ich so gut wie einer weiß, warum alle Menschen, sogar die aufrichtigsten, sogar die Männer sich zu kleinen In¬ triguen gegen Geliebte neigen: nicht bloß nämlich, weil's kleine und erwiderte sind, sondern weil man mit seinen Intriguen mehr zu schenken als zu steh¬ len meint. Bloß die edelste höchste Liebe ist ohne wahre Spitzbüberei.
Wochen des 24. und 25. Post-Trinitatis.
Am Sonntage war Ball: "ganz natürlich (sagte er) sieht sie mich nicht an: im Ballkleide sind die "Schönen unversöhnlicher als in der Morgenklei¬ "dung." Sie sah ihn kaum, so kam sie ihm, wie ein bewegter Himmel mit ihren Brillanten-Fix¬ sternen und ihren Perlen-Planeten, entgegen und bat ihn in diesem Glanze um Vergebung ihrer Laune: "anfangs habe sie sich zornig gestellt, dann sey sie "es geworden, und am andern Tage habe sie erst "gesehen, daß sie Unrecht gehabt, es zu scheinen, und "Recht, es zu seyn." Diese Bitte um Vergebung machte unsern Medikus demüthiger als es nöthig war. Sie bat ihn scherzhaft, sie um Vergebung zu
das Meſſer an der Kehle ſitzt, dacht' er, ſo ſetz' ich mich hin und gewinne ſie von Herzem lieb und da¬ mit gut« — viertens eine Kokette macht einen Ko¬ ketten. . . . Hier fing ich bekanntlich ſchon an, mich uͤber den 22ten Poſttag zu aͤrgern, wiewol ich ſo gut wie einer weiß, warum alle Menſchen, ſogar die aufrichtigſten, ſogar die Maͤnner ſich zu kleinen In¬ triguen gegen Geliebte neigen: nicht bloß naͤmlich, weil's kleine und erwiderte ſind, ſondern weil man mit ſeinen Intriguen mehr zu ſchenken als zu ſteh¬ len meint. Bloß die edelſte hoͤchſte Liebe iſt ohne wahre Spitzbuͤberei.
Wochen des 24. und 25. Poſt-Trinitatis.
Am Sonntage war Ball: »ganz natuͤrlich (ſagte er) ſieht ſie mich nicht an: im Ballkleide ſind die »Schoͤnen unverſoͤhnlicher als in der Morgenklei¬ »dung.« Sie ſah ihn kaum, ſo kam ſie ihm, wie ein bewegter Himmel mit ihren Brillanten-Fix¬ ſternen und ihren Perlen-Planeten, entgegen und bat ihn in dieſem Glanze um Vergebung ihrer Laune: »anfangs habe ſie ſich zornig geſtellt, dann ſey ſie »es geworden, und am andern Tage habe ſie erſt »geſehen, daß ſie Unrecht gehabt, es zu ſcheinen, und »Recht, es zu ſeyn.« Dieſe Bitte um Vergebung machte unſern Medikus demuͤthiger als es noͤthig war. Sie bat ihn ſcherzhaft, ſie um Vergebung zu
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das Meſſer an der Kehle ſitzt, dacht' er, ſo ſetz' ich
mich hin und gewinne ſie von Herzem lieb und da¬
mit gut« — viertens eine Kokette macht einen Ko¬
ketten. . . . Hier fing ich bekanntlich ſchon an, mich
uͤber den 22ten Poſttag zu aͤrgern, wiewol ich ſo gut
wie einer weiß, warum alle Menſchen, ſogar die
aufrichtigſten, ſogar die Maͤnner ſich zu kleinen In¬
triguen gegen Geliebte neigen: nicht bloß naͤmlich,
weil's kleine und erwiderte ſind, ſondern weil man
mit ſeinen Intriguen mehr zu ſchenken als zu ſteh¬
len meint. Bloß die edelſte hoͤchſte Liebe iſt ohne
wahre Spitzbuͤberei.
Wochen des 24. und 25. Poſt-Trinitatis.
Am Sonntage war Ball: »ganz natuͤrlich (ſagte
er) ſieht ſie mich nicht an: im Ballkleide ſind die
»Schoͤnen unverſoͤhnlicher als in der Morgenklei¬
»dung.« Sie ſah ihn kaum, ſo kam ſie ihm, wie
ein bewegter Himmel mit ihren Brillanten-Fix¬
ſternen und ihren Perlen-Planeten, entgegen und bat
ihn in dieſem Glanze um Vergebung ihrer Laune:
»anfangs habe ſie ſich zornig geſtellt, dann ſey ſie
»es geworden, und am andern Tage habe ſie erſt
»geſehen, daß ſie Unrecht gehabt, es zu ſcheinen, und
»Recht, es zu ſeyn.« Dieſe Bitte um Vergebung
machte unſern Medikus demuͤthiger als es noͤthig
war. Sie bat ihn ſcherzhaft, ſie um Vergebung zu
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/172>, abgerufen am 21.12.2024.
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