Es braucht keinen grossen diplomatischen Ver¬ stand, um zu errathen, daß der Notar in der SonntagsNacht nicht zu Hause blieb, sondern noch spät zu dem TheaterSchneider Purzel gehen wollte, wo sein Bruder wohnte, um bey ihm mehr über den blauen Jüngling zu hören. Aber dieser empfieng herunter eilend ihn auf der Gasse, die er als Saal und Corso des Volks in Feier- Nächten erhob und zum Spaziergange vorschlug. Ziemlich entzückt nahms Walt an. So Sonn¬ tags in der Nacht unter den Sternen mit Hun¬ derten auf- und abzugehen, sagt' er, das zeig' ihm, was Italien sei; zumal da man den Hut aufbehalten und ungestört zu Fusse träumen könne. Er wollte sofort viel reden und fragen, aber Vult bat ihn, bis in andere, einsamere Gassen zu schweigen und nicht Du zu sagen. "Wie so gern!" sagte Walt. Unbemerkt war ihm in der Dämmerung die Brust voll Liebe gelaufen wie
Flegeljahre II. Bd. 1
Nro. 18. Echinit. Der Schmolgeiſt.
Es braucht keinen groſſen diplomatiſchen Ver¬ ſtand, um zu errathen, daß der Notar in der SonntagsNacht nicht zu Hauſe blieb, ſondern noch ſpaͤt zu dem TheaterSchneider Purzel gehen wollte, wo ſein Bruder wohnte, um bey ihm mehr uͤber den blauen Juͤngling zu hoͤren. Aber dieſer empfieng herunter eilend ihn auf der Gaſſe, die er als Saal und Corso des Volks in Feier- Naͤchten erhob und zum Spaziergange vorſchlug. Ziemlich entzuͤckt nahms Walt an. So Sonn¬ tags in der Nacht unter den Sternen mit Hun¬ derten auf- und abzugehen, ſagt' er, das zeig' ihm, was Italien ſei; zumal da man den Hut aufbehalten und ungeſtoͤrt zu Fuſſe traͤumen koͤnne. Er wollte ſofort viel reden und fragen, aber Vult bat ihn, bis in andere, einſamere Gaſſen zu ſchweigen und nicht Du zu ſagen. „Wie ſo gern!“ ſagte Walt. Unbemerkt war ihm in der Daͤmmerung die Bruſt voll Liebe gelaufen wie
Flegeljahre II. Bd. 1
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Nro. 18.
Echinit.
Der Schmolgeiſt.
Es braucht keinen groſſen diplomatiſchen Ver¬
ſtand, um zu errathen, daß der Notar in der
SonntagsNacht nicht zu Hauſe blieb, ſondern
noch ſpaͤt zu dem TheaterSchneider Purzel gehen
wollte, wo ſein Bruder wohnte, um bey ihm
mehr uͤber den blauen Juͤngling zu hoͤren. Aber
dieſer empfieng herunter eilend ihn auf der Gaſſe,
die er als Saal und Corso des Volks in Feier-
Naͤchten erhob und zum Spaziergange vorſchlug.
Ziemlich entzuͤckt nahms Walt an. So Sonn¬
tags in der Nacht unter den Sternen mit Hun¬
derten auf- und abzugehen, ſagt' er, das zeig'
ihm, was Italien ſei; zumal da man den Hut
aufbehalten und ungeſtoͤrt zu Fuſſe traͤumen koͤnne.
Er wollte ſofort viel reden und fragen, aber
Vult bat ihn, bis in andere, einſamere Gaſſen
zu ſchweigen und nicht Du zu ſagen. „Wie ſo
gern!“ ſagte Walt. Unbemerkt war ihm in der
Daͤmmerung die Bruſt voll Liebe gelaufen wie
Flegeljahre II. Bd. 1
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/9>, abgerufen am 03.03.2025.
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