Nachdem wir jezt die Pflanzenwelt absolvirt haben, treten wir in die Sphäre des thierischen Organismus ein, der mit leicht erkenbaren Apparaten der Empfindung ausgerüstet, dem Menschen näher steht; weil er sogar unser Mitleid erregen kann: denn ein Hauptmoment des thie- rischen Lebens ist der Schmerz. Wir messen den Schmerz nach dem Ausdrukke desselben, und haben dann an unserm eignen Schmerze einen Maasstab. Cuvier hat zwar an einigen Nautilus-arten Augen, Ohren und andre Organe der Empfindung nachgewiesen: aber doch stehn sie uns fast so fern als die Pflanzen. Zwar erinnern einige reizbare Mimosen durch das Zusammenfalten der Blätter an die Reizbarkeit der Thiere: allein wir können nicht sagen, dass die Mimosen das zeigen, was wir Schmerz nennen: denn der Schmerz ist das uralte Band, das den Menschen an die Thierwelt knüpft:, so wie das Mitleiden ihn ehrt.
Die Thiere werden durch ihre Nahrung, welche grossentheils aus dem Pflanzenreiche herkomt, modifizirt, und Linnee sagt sehr rich- tig, dass die Existenz der Thierwelt die der Pflanzenwelt voraus- seze: dies beweiset auch der Anblik der Gebirgsschichten: in denen das erste Aufkeimen der PflanzenNatur mit den Pflanzen anfängt; noch vor den Mollusken und dann gleichzeitig mit ihnen sehn wir in dem thonartigen Übergangsgebirge Bambusaceen und Cac-
Nachdem wir jezt die Pflanzenwelt absolvirt haben, treten wir in die Sphäre des thierischen Organismus ein, der mit leicht erkenbaren Apparaten der Empfindung ausgerüstet, dem Menschen näher steht; weil er sogar unser Mitleid erregen kann: denn ein Hauptmoment des thie- rischen Lebens ist der Schmerz. Wir messen den Schmerz nach dem Ausdrukke desselben, und haben dann an unserm eignen Schmerze einen Maasstab. Cuvier hat zwar an einigen Nautilus-arten Augen, Ohren und andre Organe der Empfindung nachgewiesen: aber doch stehn sie uns fast so fern als die Pflanzen. Zwar erinnern einige reizbare Mimosen durch das Zusammenfalten der Blätter an die Reizbarkeit der Thiere: allein wir können nicht sagen, dass die Mimosen das zeigen, was wir Schmerz nennen: denn der Schmerz ist das uralte Band, das den Menschen an die Thierwelt knüpft:, so wie das Mitleiden ihn ehrt.
Die Thiere werden durch ihre Nahrung, welche grossentheils aus dem Pflanzenreiche herkomt, modifizirt, und Linnée sagt sehr rich- tig, dass die Existenz der Thierwelt die der Pflanzenwelt voraus- seze: dies beweiset auch der Anblik der Gebirgsschichten: in denen das erste Aufkeimen der PflanzenNatur mit den Pflanzen anfängt; noch vor den Mollusken und dann gleichzeitig mit ihnen sehn wir in dem thonartigen Übergangsgebirge Bambusaceen und Cac-
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[365v/0734]
22 April 58.
Nachdem wir jezt die Pflanzenwelt absolvirt haben, treten wir in die
Sphäre des thierischen Organismus ein, der mit leicht erkenbaren
Apparaten der Empfindung ausgerüstet, dem Menschen näher steht; weil
er sogar unser Mitleid erregen kann: denn ein Hauptmoment des thie-
rischen Lebens ist der Schmerz. Wir messen den Schmerz nach dem
Ausdrukke desselben, und haben dann an unserm eignen Schmerze einen
Maasstab. Cuvier hat zwar an einigen Nautilus-arten Augen, Ohren
und andre Organe der Empfindung nachgewiesen: aber doch stehn sie uns
fast so fern als die Pflanzen. Zwar erinnern einige reizbare Mimosen
durch das Zusammenfalten der Blätter an die Reizbarkeit der Thiere:
allein wir können nicht sagen, dass die Mimosen das zeigen, was wir
Schmerz nennen: denn der Schmerz ist das uralte Band, das den
Menschen an die Thierwelt knüpft, so wie das Mitleiden ihn ehrt.
Die Thiere werden durch ihre Nahrung, welche grossentheils aus
dem Pflanzenreiche herkomt, modifizirt, und Linnée sagt sehr rich-
tig, dass die Existenz der Thierwelt die der Pflanzenwelt voraus-
seze: dies beweiset auch der Anblik der Gebirgsschichten: in denen
das erste Aufkeimen der Natur mit den Pflanzen anfängt;
noch vor den Mollusken und dann gleichzeitig mit ihnen sehn
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Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 365v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/734>, abgerufen am 21.11.2024.
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