Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Krieg von 1806. Napoleon I. in Berlin. Schule von Hartung. Der behagliche Genuß unserer bürgerlichen Existenz wurde gestört, ja fast vernichtet durch den Krieg von 1806, der über Preußen eine Reihe von sieben Leidensjahren brachte, wie sie schwerlich ein anderer Staat in der neueren Geschichte erfahren. Man muß dieses Zusammenbrechen aller Verhältnisse, diese gänzliche Rathlosigkeit der Behörden, die Angst und Noth so vieler Familien gegenüber dem frechen Uebermuthe der Sieger miterlebt haben, um den Aufschwung des Volkes in den Jahren 1813-15 begreifen zu können. Mit Grauen hörten die Kinder von den Hausleuten die ängstlichen Worte: nun giebt es Krieg mit den Franzosen! Es schien als ob ein bisher unbekanntes Uebel in der Luft liege und im Anzuge sei. Das Gefühl der völligen Haltlosigkeit des Staates in seiner jetzigen Organisation war unbewußt bis in die tiefsten Schichten der Bevölkerung hinabgestiegen. Nirgends bemerkte man eine frohe Siegeshoffnung, sondern man hörte nur Aeußerungen des Kleinmuthes: das kann noch sehr schlimm werden! - nun kommen die Feinde! - wer weiß, wie es uns gehn wird! Krieg von 1806. Napoléon I. in Berlin. Schule von Hartung. Der behagliche Genuß unserer bürgerlichen Existenz wurde gestört, ja fast vernichtet durch den Krieg von 1806, der über Preußen eine Reihe von sieben Leidensjahren brachte, wie sie schwerlich ein anderer Staat in der neueren Geschichte erfahren. Man muß dieses Zusammenbrechen aller Verhältnisse, diese gänzliche Rathlosigkeit der Behörden, die Angst und Noth so vieler Familien gegenüber dem frechen Uebermuthe der Sieger miterlebt haben, um den Aufschwung des Volkes in den Jahren 1813–15 begreifen zu können. Mit Grauen hörten die Kinder von den Hausleuten die ängstlichen Worte: nun giebt es Krieg mit den Franzosen! Es schien als ob ein bisher unbekanntes Uebel in der Luft liege und im Anzuge sei. Das Gefühl der völligen Haltlosigkeit des Staates in seiner jetzigen Organisation war unbewußt bis in die tiefsten Schichten der Bevölkerung hinabgestiegen. Nirgends bemerkte man eine frohe Siegeshoffnung, sondern man hörte nur Aeußerungen des Kleinmuthes: das kann noch sehr schlimm werden! – nun kommen die Feinde! – wer weiß, wie es uns gehn wird! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0078" n="66"/> <div n="1"> <head rendition="#c">Krieg von 1806. Napoléon I. in Berlin. Schule von Hartung.</head><lb/> <p>Der behagliche Genuß unserer bürgerlichen Existenz wurde gestört, ja fast vernichtet durch den Krieg von 1806, der über Preußen eine Reihe von sieben Leidensjahren brachte, wie sie schwerlich ein anderer Staat in der neueren Geschichte erfahren. Man muß dieses Zusammenbrechen aller Verhältnisse, diese gänzliche Rathlosigkeit der Behörden, die Angst und Noth so vieler Familien gegenüber dem frechen Uebermuthe der Sieger miterlebt haben, um den Aufschwung des Volkes in den Jahren 1813–15 begreifen zu können. </p><lb/> <p>Mit Grauen hörten die Kinder von den Hausleuten die ängstlichen Worte: nun giebt es Krieg mit den Franzosen! Es schien als ob ein bisher unbekanntes Uebel in der Luft liege und im Anzuge sei. Das Gefühl der völligen Haltlosigkeit des Staates in seiner jetzigen Organisation war unbewußt bis in die tiefsten Schichten der Bevölkerung hinabgestiegen. Nirgends bemerkte man eine frohe Siegeshoffnung, sondern man hörte nur Aeußerungen des Kleinmuthes: das kann noch sehr schlimm werden! – nun kommen die Feinde! – wer weiß, wie es uns gehn wird! </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0078]
Krieg von 1806. Napoléon I. in Berlin. Schule von Hartung.
Der behagliche Genuß unserer bürgerlichen Existenz wurde gestört, ja fast vernichtet durch den Krieg von 1806, der über Preußen eine Reihe von sieben Leidensjahren brachte, wie sie schwerlich ein anderer Staat in der neueren Geschichte erfahren. Man muß dieses Zusammenbrechen aller Verhältnisse, diese gänzliche Rathlosigkeit der Behörden, die Angst und Noth so vieler Familien gegenüber dem frechen Uebermuthe der Sieger miterlebt haben, um den Aufschwung des Volkes in den Jahren 1813–15 begreifen zu können.
Mit Grauen hörten die Kinder von den Hausleuten die ängstlichen Worte: nun giebt es Krieg mit den Franzosen! Es schien als ob ein bisher unbekanntes Uebel in der Luft liege und im Anzuge sei. Das Gefühl der völligen Haltlosigkeit des Staates in seiner jetzigen Organisation war unbewußt bis in die tiefsten Schichten der Bevölkerung hinabgestiegen. Nirgends bemerkte man eine frohe Siegeshoffnung, sondern man hörte nur Aeußerungen des Kleinmuthes: das kann noch sehr schlimm werden! – nun kommen die Feinde! – wer weiß, wie es uns gehn wird!
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