Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung des Fichtelbergs.
auf Schlitten herabführen/ und im darauf folgenden Frühling/
wann der Wald-Schnee zu schmeltzen beginnet/ und die Flüße an-
lauffen/ zur Flöße bringen/ und also die Städte/ Flecken und Dörf-
fer reichlich damit versehen/ theils aber im Winter unmittelbahr
zu Marcke führen. Auch ist dieses Gebürg nicht arm/ sondern vor
vielen andern grossen Ländern reich an Wacholder-Holtz/ Hollun-
der- und Vogelbeer-Bäumen/ deren Früchte jede insonderheit die
herrlichste Brandweine/ Oehle und Latwergen geben/ welche des ge-
meinen Manns umb diese Gegend fast allgemeine Artzneyen vor
Menschen und Viehe seynd. Dann wann dem Bauers-Volck
oder dessen Viehe etwan eine Kranckheit zustösset/ so lauffen sie auf
ihren im Vorrath habenden Vogel-Brey/ das ist/ Vogel-Beer-
Latwerge zu/ und schwitzen darauff/ wobey sie sich auch schröpffen
und zur Ader lassen. Viel angenehmer aber seynd die Wachol-
der und Hollunder Latwergen/ jene zwar an einer picanten Süßig-
keit/ und diese an einer erqvickenden subtilen Säure; mit jener prae-
serv
iren sie sich vor ansteckenden Kranckheiten und ungesunder Lufft/
dieser aber bedienen sie sich in hitzigen Fiebern und dergleichen Zu-
fällen/ umb die Hitze und den Durst zu löschen/ indem sie die Hol-
lunder Latwerge in Bronnen-Wasser zerrühren/ und davon trin-
cken/ womit sie zugleich denen bösen Hälsen und der Bräune steuern.
So seynd auch in der gantzen Gegend des Fichtelbergs Schlee-
hen und Hanbotten oder Hiefften-Staudten in grosser Anzahl an-
zutreffen; jener Früchten machen sie in sauern Bier-Eßig ein/ wo-
von sie des Winters über sich damit erlaben/ auch in Ruhren/
Durchfällen des Leibes und Fiebern sich solcher bedienen; Die
Hanbotten aber werden ausgeputzet/ gedörret/ und dann gekochet/
deren man ebenfalls in Ruhren und dergleichen gebrauchet. Deß-
gleichen fehlet es nicht an wilden Holtz-Aepffeln/ und Birnen/ wel-
che die Bauern unter das Heu legen/ weich werden lassen und also
entweder gekocht/ oder ungekocht genüßen. Haselnüß-Staudten
wachsen hin und her in ziemlicher Anzahl wilde/ wovon viele vom
Land-Volck zu Marckt gebracht werden. Auch ziehlet man hin
und her an denen Häusern Wein-Reben/ in der Culmbacher Ge-
gend aber werden gantze Wein-Gärten angetroffen/ wovon die

Beeren

Beſchreibung des Fichtelbergs.
auf Schlitten herabfuͤhren/ und im darauf folgenden Fruͤhling/
wann der Wald-Schnee zu ſchmeltzen beginnet/ und die Fluͤße an-
lauffen/ zur Floͤße bringen/ und alſo die Staͤdte/ Flecken und Doͤrf-
fer reichlich damit verſehen/ theils aber im Winter unmittelbahr
zu Marcke fuͤhren. Auch iſt dieſes Gebuͤrg nicht arm/ ſondern vor
vielen andern groſſen Laͤndern reich an Wacholder-Holtz/ Hollun-
der- und Vogelbeer-Baͤumen/ deren Fruͤchte jede inſonderheit die
herrlichſte Brandweine/ Oehle und Latwergen geben/ welche des ge-
meinen Manns umb dieſe Gegend faſt allgemeine Artzneyen vor
Menſchen und Viehe ſeynd. Dann wann dem Bauers-Volck
oder deſſen Viehe etwan eine Kranckheit zuſtoͤſſet/ ſo lauffen ſie auf
ihren im Vorrath habenden Vogel-Brey/ das iſt/ Vogel-Beer-
Latwerge zu/ und ſchwitzen darauff/ wobey ſie ſich auch ſchroͤpffen
und zur Ader laſſen. Viel angenehmer aber ſeynd die Wachol-
der und Hollunder Latwergen/ jene zwar an einer picanten Suͤßig-
keit/ und dieſe an einer erqvickenden ſubtilen Saͤure; mit jener præ-
ſerv
iren ſie ſich vor anſteckenden Kranckheiten und ungeſunder Lufft/
dieſer aber bedienen ſie ſich in hitzigen Fiebern und dergleichen Zu-
faͤllen/ umb die Hitze und den Durſt zu loͤſchen/ indem ſie die Hol-
lunder Latwerge in Bronnen-Waſſer zerruͤhren/ und davon trin-
cken/ womit ſie zugleich denen boͤſen Haͤlſen und der Braͤune ſteuern.
So ſeynd auch in der gantzen Gegend des Fichtelbergs Schlee-
hen und Hanbotten oder Hiefften-Staudten in groſſer Anzahl an-
zutreffen; jener Fruͤchten machen ſie in ſauern Bier-Eßig ein/ wo-
von ſie des Winters uͤber ſich damit erlaben/ auch in Ruhren/
Durchfaͤllen des Leibes und Fiebern ſich ſolcher bedienen; Die
Hanbotten aber werden ausgeputzet/ gedoͤrret/ und dann gekochet/
deren man ebenfalls in Ruhren und dergleichen gebrauchet. Deß-
gleichen fehlet es nicht an wilden Holtz-Aepffeln/ und Birnen/ wel-
che die Bauern unter das Heu legen/ weich werden laſſen und alſo
entweder gekocht/ oder ungekocht genuͤßen. Haſelnuͤß-Staudten
wachſen hin und her in ziemlicher Anzahl wilde/ wovon viele vom
Land-Volck zu Marckt gebracht werden. Auch ziehlet man hin
und her an denen Haͤuſern Wein-Reben/ in der Culmbacher Ge-
gend aber werden gantze Wein-Gaͤrten angetroffen/ wovon die

Beeren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0131" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Be&#x017F;chreibung des Fichtelbergs.</hi></fw><lb/>
auf Schlitten herabfu&#x0364;hren/ und im darauf folgenden Fru&#x0364;hling/<lb/>
wann der Wald-Schnee zu &#x017F;chmeltzen beginnet/ und die Flu&#x0364;ße an-<lb/>
lauffen/ zur Flo&#x0364;ße bringen/ und al&#x017F;o die Sta&#x0364;dte/ Flecken und Do&#x0364;rf-<lb/>
fer reichlich damit ver&#x017F;ehen/ theils aber im Winter unmittelbahr<lb/>
zu Marcke fu&#x0364;hren. Auch i&#x017F;t die&#x017F;es Gebu&#x0364;rg nicht arm/ &#x017F;ondern vor<lb/>
vielen andern gro&#x017F;&#x017F;en La&#x0364;ndern reich an Wacholder-Holtz/ Hollun-<lb/>
der- und Vogelbeer-Ba&#x0364;umen/ deren Fru&#x0364;chte jede in&#x017F;onderheit die<lb/>
herrlich&#x017F;te Brandweine/ Oehle und Latwergen geben/ welche des ge-<lb/>
meinen Manns umb die&#x017F;e Gegend fa&#x017F;t allgemeine Artzneyen vor<lb/>
Men&#x017F;chen und Viehe &#x017F;eynd. Dann wann dem Bauers-Volck<lb/>
oder de&#x017F;&#x017F;en Viehe etwan eine Kranckheit zu&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ &#x017F;o lauffen &#x017F;ie auf<lb/>
ihren im Vorrath habenden Vogel-Brey/ das i&#x017F;t/ Vogel-Beer-<lb/>
Latwerge zu/ und &#x017F;chwitzen darauff/ wobey &#x017F;ie &#x017F;ich auch &#x017F;chro&#x0364;pffen<lb/>
und zur Ader la&#x017F;&#x017F;en. Viel angenehmer aber &#x017F;eynd die Wachol-<lb/>
der und Hollunder Latwergen/ jene zwar an einer <hi rendition="#aq">picant</hi>en Su&#x0364;ßig-<lb/>
keit/ und die&#x017F;e an einer erqvickenden <hi rendition="#aq">&#x017F;ubti</hi>len Sa&#x0364;ure; mit jener <hi rendition="#aq">præ-<lb/>
&#x017F;erv</hi>iren &#x017F;ie &#x017F;ich vor an&#x017F;teckenden Kranckheiten und unge&#x017F;under Lufft/<lb/>
die&#x017F;er aber bedienen &#x017F;ie &#x017F;ich in hitzigen Fiebern und dergleichen Zu-<lb/>
fa&#x0364;llen/ umb die Hitze und den Dur&#x017F;t zu lo&#x0364;&#x017F;chen/ indem &#x017F;ie die Hol-<lb/>
lunder Latwerge in Bronnen-Wa&#x017F;&#x017F;er zerru&#x0364;hren/ und davon trin-<lb/>
cken/ womit &#x017F;ie zugleich denen bo&#x0364;&#x017F;en Ha&#x0364;l&#x017F;en und der Bra&#x0364;une &#x017F;teuern.<lb/>
So &#x017F;eynd auch in der gantzen Gegend des Fichtelbergs Schlee-<lb/>
hen und Hanbotten oder Hiefften-Staudten in gro&#x017F;&#x017F;er Anzahl an-<lb/>
zutreffen; jener Fru&#x0364;chten machen &#x017F;ie in &#x017F;auern Bier-Eßig ein/ wo-<lb/>
von &#x017F;ie des Winters u&#x0364;ber &#x017F;ich damit erlaben/ auch in Ruhren/<lb/>
Durchfa&#x0364;llen des Leibes und Fiebern &#x017F;ich &#x017F;olcher bedienen; Die<lb/>
Hanbotten aber werden ausgeputzet/ gedo&#x0364;rret/ und dann gekochet/<lb/>
deren man ebenfalls in Ruhren und dergleichen gebrauchet. Deß-<lb/>
gleichen fehlet es nicht an wilden Holtz-Aepffeln/ und Birnen/ wel-<lb/>
che die Bauern unter das Heu legen/ weich werden la&#x017F;&#x017F;en und al&#x017F;o<lb/>
entweder gekocht/ oder ungekocht genu&#x0364;ßen. Ha&#x017F;elnu&#x0364;ß-Staudten<lb/>
wach&#x017F;en hin und her in ziemlicher Anzahl wilde/ wovon viele vom<lb/>
Land-Volck zu Marckt gebracht werden. Auch ziehlet man hin<lb/>
und her an denen Ha&#x0364;u&#x017F;ern Wein-Reben/ in der Culmbacher Ge-<lb/>
gend aber werden gantze Wein-Ga&#x0364;rten angetroffen/ wovon die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Beeren</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0131] Beſchreibung des Fichtelbergs. auf Schlitten herabfuͤhren/ und im darauf folgenden Fruͤhling/ wann der Wald-Schnee zu ſchmeltzen beginnet/ und die Fluͤße an- lauffen/ zur Floͤße bringen/ und alſo die Staͤdte/ Flecken und Doͤrf- fer reichlich damit verſehen/ theils aber im Winter unmittelbahr zu Marcke fuͤhren. Auch iſt dieſes Gebuͤrg nicht arm/ ſondern vor vielen andern groſſen Laͤndern reich an Wacholder-Holtz/ Hollun- der- und Vogelbeer-Baͤumen/ deren Fruͤchte jede inſonderheit die herrlichſte Brandweine/ Oehle und Latwergen geben/ welche des ge- meinen Manns umb dieſe Gegend faſt allgemeine Artzneyen vor Menſchen und Viehe ſeynd. Dann wann dem Bauers-Volck oder deſſen Viehe etwan eine Kranckheit zuſtoͤſſet/ ſo lauffen ſie auf ihren im Vorrath habenden Vogel-Brey/ das iſt/ Vogel-Beer- Latwerge zu/ und ſchwitzen darauff/ wobey ſie ſich auch ſchroͤpffen und zur Ader laſſen. Viel angenehmer aber ſeynd die Wachol- der und Hollunder Latwergen/ jene zwar an einer picanten Suͤßig- keit/ und dieſe an einer erqvickenden ſubtilen Saͤure; mit jener præ- ſerviren ſie ſich vor anſteckenden Kranckheiten und ungeſunder Lufft/ dieſer aber bedienen ſie ſich in hitzigen Fiebern und dergleichen Zu- faͤllen/ umb die Hitze und den Durſt zu loͤſchen/ indem ſie die Hol- lunder Latwerge in Bronnen-Waſſer zerruͤhren/ und davon trin- cken/ womit ſie zugleich denen boͤſen Haͤlſen und der Braͤune ſteuern. So ſeynd auch in der gantzen Gegend des Fichtelbergs Schlee- hen und Hanbotten oder Hiefften-Staudten in groſſer Anzahl an- zutreffen; jener Fruͤchten machen ſie in ſauern Bier-Eßig ein/ wo- von ſie des Winters uͤber ſich damit erlaben/ auch in Ruhren/ Durchfaͤllen des Leibes und Fiebern ſich ſolcher bedienen; Die Hanbotten aber werden ausgeputzet/ gedoͤrret/ und dann gekochet/ deren man ebenfalls in Ruhren und dergleichen gebrauchet. Deß- gleichen fehlet es nicht an wilden Holtz-Aepffeln/ und Birnen/ wel- che die Bauern unter das Heu legen/ weich werden laſſen und alſo entweder gekocht/ oder ungekocht genuͤßen. Haſelnuͤß-Staudten wachſen hin und her in ziemlicher Anzahl wilde/ wovon viele vom Land-Volck zu Marckt gebracht werden. Auch ziehlet man hin und her an denen Haͤuſern Wein-Reben/ in der Culmbacher Ge- gend aber werden gantze Wein-Gaͤrten angetroffen/ wovon die Beeren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716/131
Zitationshilfe: Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716/131>, abgerufen am 27.04.2024.