Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

sie so schnell als möglich den Demüthigungen hier entziehen -- ich weiß ja, wie weh sie thun! Ich wollte dadurch, daß ich sie küßte, sie vergessen machen, was die Andern an ihr verbrochen -- -- und nun hast Du nur einen Theil von dem gehört, wie sie mich deshalb verhöhnen. -- --"

Elisabeth fiel Paulinen um den Hals, und sagte: "Vergieb mir, daß ich Dich mit thörigtem Hochmuth gekränkt habe -- ich habe Dich früher ja nicht gekannt -- nun aber kenne ich Dich, und bitte Dich: sei meine Freundin! -- Und Ihr Andern, wenn Ihr sie wieder kränkt -- so kränkt Ihr mich auch. Das wird Euch freilich einerlei sein, und wie Ihr vorhin sie ausgelacht habt, so werdet Ihr mich jetzt auslachen -- aber Du, gute Pauline, wirst nicht mehr allein und unverstanden unter uns sein!"

Und Pauline erwiderte innig die herzliche Umarmung, und vermogte weiter Nichts zu sagen, als: "Ich danke Dir!" und eine große, helle Freudenthräne fiel aus ihrem Auge auf Elisabeth.

Diese hatte eine solche Autorität bei sämmtlichen Pensionärinnen, daß ihr wenigstens in's Gesicht keine ein Wort zu erwidern wagte. -- Einige griffen wieder zu den Reifen, als seien sie durch Nichts unterbrochen worden. Andere rümpften die Nasen, und tauschten halblaut spitzige Bemerkungen über die neue Freundschaft -- nur Aurelie, die immer muthwillig, und in ungezähmter heitrer Laune

sie so schnell als möglich den Demüthigungen hier entziehen — ich weiß ja, wie weh sie thun! Ich wollte dadurch, daß ich sie küßte, sie vergessen machen, was die Andern an ihr verbrochen — — und nun hast Du nur einen Theil von dem gehört, wie sie mich deshalb verhöhnen. — —“

Elisabeth fiel Paulinen um den Hals, und sagte: „Vergieb mir, daß ich Dich mit thörigtem Hochmuth gekränkt habe — ich habe Dich früher ja nicht gekannt — nun aber kenne ich Dich, und bitte Dich: sei meine Freundin! — Und Ihr Andern, wenn Ihr sie wieder kränkt — so kränkt Ihr mich auch. Das wird Euch freilich einerlei sein, und wie Ihr vorhin sie ausgelacht habt, so werdet Ihr mich jetzt auslachen — aber Du, gute Pauline, wirst nicht mehr allein und unverstanden unter uns sein!“

Und Pauline erwiderte innig die herzliche Umarmung, und vermogte weiter Nichts zu sagen, als: „Ich danke Dir!“ und eine große, helle Freudenthräne fiel aus ihrem Auge auf Elisabeth.

Diese hatte eine solche Autorität bei sämmtlichen Pensionärinnen, daß ihr wenigstens in’s Gesicht keine ein Wort zu erwidern wagte. — Einige griffen wieder zu den Reifen, als seien sie durch Nichts unterbrochen worden. Andere rümpften die Nasen, und tauschten halblaut spitzige Bemerkungen über die neue Freundschaft — nur Aurelie, die immer muthwillig, und in ungezähmter heitrer Laune

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="63"/>
sie so schnell als möglich den Demüthigungen hier entziehen &#x2014; ich weiß ja, wie weh sie thun! Ich wollte dadurch, daß ich sie küßte, sie vergessen machen, was die Andern an ihr verbrochen &#x2014; &#x2014; und nun hast Du nur einen Theil von dem gehört, wie sie mich deshalb verhöhnen. &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p>
        <p>Elisabeth fiel Paulinen um den Hals, und sagte: &#x201E;Vergieb mir, daß ich Dich mit thörigtem Hochmuth gekränkt habe &#x2014; ich habe Dich früher ja nicht gekannt &#x2014; nun aber kenne ich Dich, und bitte Dich: sei meine Freundin! &#x2014; Und Ihr Andern, wenn Ihr sie wieder kränkt &#x2014; so kränkt Ihr mich auch. Das wird Euch freilich einerlei sein, und wie Ihr vorhin sie ausgelacht habt, so werdet Ihr mich jetzt auslachen &#x2014; aber Du, gute Pauline, wirst nicht mehr allein und unverstanden unter uns sein!&#x201C;</p>
        <p>Und Pauline erwiderte innig die herzliche Umarmung, und vermogte weiter Nichts zu sagen, als: &#x201E;Ich danke Dir!&#x201C; und eine große, helle Freudenthräne fiel aus ihrem Auge auf Elisabeth.</p>
        <p>Diese hatte eine solche Autorität bei sämmtlichen Pensionärinnen, daß ihr wenigstens in&#x2019;s Gesicht keine ein Wort zu erwidern wagte. &#x2014; Einige griffen wieder zu den Reifen, als seien sie durch Nichts unterbrochen worden. Andere rümpften die Nasen, und tauschten halblaut spitzige Bemerkungen über die neue Freundschaft &#x2014; nur Aurelie, die immer muthwillig, und in ungezähmter heitrer Laune
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0073] sie so schnell als möglich den Demüthigungen hier entziehen — ich weiß ja, wie weh sie thun! Ich wollte dadurch, daß ich sie küßte, sie vergessen machen, was die Andern an ihr verbrochen — — und nun hast Du nur einen Theil von dem gehört, wie sie mich deshalb verhöhnen. — —“ Elisabeth fiel Paulinen um den Hals, und sagte: „Vergieb mir, daß ich Dich mit thörigtem Hochmuth gekränkt habe — ich habe Dich früher ja nicht gekannt — nun aber kenne ich Dich, und bitte Dich: sei meine Freundin! — Und Ihr Andern, wenn Ihr sie wieder kränkt — so kränkt Ihr mich auch. Das wird Euch freilich einerlei sein, und wie Ihr vorhin sie ausgelacht habt, so werdet Ihr mich jetzt auslachen — aber Du, gute Pauline, wirst nicht mehr allein und unverstanden unter uns sein!“ Und Pauline erwiderte innig die herzliche Umarmung, und vermogte weiter Nichts zu sagen, als: „Ich danke Dir!“ und eine große, helle Freudenthräne fiel aus ihrem Auge auf Elisabeth. Diese hatte eine solche Autorität bei sämmtlichen Pensionärinnen, daß ihr wenigstens in’s Gesicht keine ein Wort zu erwidern wagte. — Einige griffen wieder zu den Reifen, als seien sie durch Nichts unterbrochen worden. Andere rümpften die Nasen, und tauschten halblaut spitzige Bemerkungen über die neue Freundschaft — nur Aurelie, die immer muthwillig, und in ungezähmter heitrer Laune

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/73
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/73>, abgerufen am 26.04.2024.