Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oken, Lorenz: Abriß des Systems der Biologie. Göttingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Thier beseelt zu werden; so das
Todte in der Seele, und die Seele
im Todten zu sehen, ist die philo-
sophische Kunst.

Die Naturbeobachtung ist die
Mutter der Naturphilosophie, nicht
so der Vater. Wie der Mann im
Weibe immer nur sich selbst erzeugt,
so ist die Naturphilosophie ewig ihr
eigner Schöpfer im Weibe. Dieses
bringt nichts zur künftigen Frucht
herbei als den blossen Anstoss, der
nach dem Grade seiner Beschränkt-
heit dem Manne erlaubt, sich nun
selbst zu produciren, und in allen
Geburten immer nur seine Aufer-
stehung zu feyern. Wie der Zirkel,
den du mit dem Griffel auf die Ta-
fel zeichnest, nicht der Kreis ist,
sondern nur der Anstoss, an dem
du die Idee des Kreises, die sich
nie mit dem Zirkel verunreinigt,

mit

Thier beseelt zu werden; so das
Todte in der Seele, und die Seele
im Todten zu sehen, ist die philo-
sophische Kunst.

Die Naturbeobachtung ist die
Mutter der Naturphilosophie, nicht
so der Vater. Wie der Mann im
Weibe immer nur sich selbſt erzeugt,
so ist die Naturphilosophie ewig ihr
eigner Schöpfer im Weibe. Dieses
bringt nichts zur künftigen Frucht
herbei als den bloſsen Anstoſs, der
nach dem Grade seiner Beschränkt-
heit dem Manne erlaubt, sich nun
selbst zu produciren, und in allen
Geburten immer nur seine Aufer-
stehung zu feyern. Wie der Zirkel,
den du mit dem Griffel auf die Ta-
fel zeichnest, nicht der Kreis ist,
sondern nur der Anstoſs, an dem
du die Idee des Kreises, die sich
nie mit dem Zirkel verunreinigt,

mit
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="VII"/>
Thier beseelt zu werden; so das<lb/>
Todte in der Seele, und die Seele<lb/>
im Todten zu sehen, ist die philo-<lb/>
sophische Kunst.</p><lb/>
        <p>Die Naturbeobachtung ist die<lb/>
Mutter der Naturphilosophie, nicht<lb/>
so der Vater. Wie der Mann im<lb/>
Weibe immer nur sich selb&#x017F;t erzeugt,<lb/>
so ist die Naturphilosophie ewig ihr<lb/>
eigner Schöpfer im Weibe. Dieses<lb/>
bringt nichts zur künftigen Frucht<lb/>
herbei als den blo&#x017F;sen Ansto&#x017F;s, der<lb/>
nach dem Grade seiner Beschränkt-<lb/>
heit dem Manne erlaubt, sich nun<lb/>
selbst zu produciren, und in allen<lb/>
Geburten immer nur seine Aufer-<lb/>
stehung zu feyern. Wie der Zirkel,<lb/>
den du mit dem Griffel auf die Ta-<lb/>
fel zeichnest, nicht der Kreis ist,<lb/>
sondern nur der Ansto&#x017F;s, an dem<lb/>
du die Idee des Kreises, die sich<lb/>
nie mit dem Zirkel verunreinigt,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VII/0015] Thier beseelt zu werden; so das Todte in der Seele, und die Seele im Todten zu sehen, ist die philo- sophische Kunst. Die Naturbeobachtung ist die Mutter der Naturphilosophie, nicht so der Vater. Wie der Mann im Weibe immer nur sich selbſt erzeugt, so ist die Naturphilosophie ewig ihr eigner Schöpfer im Weibe. Dieses bringt nichts zur künftigen Frucht herbei als den bloſsen Anstoſs, der nach dem Grade seiner Beschränkt- heit dem Manne erlaubt, sich nun selbst zu produciren, und in allen Geburten immer nur seine Aufer- stehung zu feyern. Wie der Zirkel, den du mit dem Griffel auf die Ta- fel zeichnest, nicht der Kreis ist, sondern nur der Anstoſs, an dem du die Idee des Kreises, die sich nie mit dem Zirkel verunreinigt, mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oken_biologie_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oken_biologie_1805/15
Zitationshilfe: Oken, Lorenz: Abriß des Systems der Biologie. Göttingen, 1805, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oken_biologie_1805/15>, abgerufen am 26.04.2024.