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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 129. Köln, 29. Oktober 1848.

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Voranschlag der Einnahmen des Reichsministeriums der Finanzen für die Monate September, Oktober, November und Dezember 1848.

Tit. II. Reichskassen-Verwaltung.

§. 1. Für die Nationalversammlung und die laufenden Ausgaben der provisorischen Centralgewalt:
a) Baarstände am 31. August:
1. Der Martikularkasse Fl. 48,732. 34 Kr.
2. Der Kanzleikasse Fl. 14,508. 6 Kr. Fl. 63,240. 40 Kr.
b) Ausstände früherer Umlagen:
1. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 1. Mai Fl. 805. 50 Kr.
2. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 5. Juli Fl. 3115. 41 Kr. Fl. 3921. 31 Kr.
c) Umlage vom 30. September Fl. 120,000. - Kr.
Summa: Fl. 187,162. 11 Kr.
Nach dem Ausgabebüdget beläuft sich das Bedürfniß mit Ausschluß der Summen für die Reichsfestungen, die Reichstruppen und die Marine auf Fl. 354,763. 10 Kr.
Hiervon ab die vorhandenen Fl. 187,162. 11 Kr.
Bleiben durch Umlage zu decken Fl. 167,600. 59 Kr.
§. 2. Für die Reichsfestungen:
a) Baarstände auf den 31. August:
In der Partikularkasse für die Unterhaltung von Mainz und Luxemburg Fl. 11,520. 2 1/2 Kr.
b) Ausstände früherer Umlagen:
1. Der auf den 23. April d. J. fälligen Umlage von Fl. 1,812,318.
23 Kr. für den Ulm-Rastadter Baufaufond Fl. 698,830. 11 Kr.
2. Der Umlage von einer Million für den Ulm-Rastadter-Approvisionirungsfond (Beschluß vom 2. März d. J. Prot. S. 195 und 201 a.) Fl. 11,934. 36 Kr. Fl. 710,764. 47 Kr.
c) Fonds bei Rothschild am 31. August:
1. Ulm-Rastadter Baufond Fl. 902,745. - Kr.
2. Ulm-Rastadter Approvisionirungsfond Fl. 801,776. 44 Kr.
3. Mainzer Approvisionirungsfond Fl. 16,454. 13 Kr.
4. Luxemburger Approvisionirungsfond Fl. 164,180. 28 Kr.
5. Mainzer Reservefond Fl. 129,284. 27 Kr.
6. Luxemburger Reservefond Fl. 24,107. 22 Kr.
7. Zinsenfond Fl. 221,226. 26 Kr. Fl. 2,259,774. 40 Kr.
d) Die zweite Hälfte der für die Unterhaltung der Reichsfestungen Mainz und Luxemburg jährlich aufzubringenden Summe von Fl. 117,888. 39 Kr. (Beschluß vom 19. August.) Fl. 58,944. 19 1/2 Kr.
Summe Fl. 3,041,003. 49 Kr.
Diese Summe, als zur Verwendung für die Festungen bestimmt, ist in den Voranschlag des Kriegsministeriums Tit. II. aufgenommen.
§. 3. Reichstruppen. Hierfür sind Fl. 1,750,000 (1 Million Thlr.) angesprochen, welche nicht eine Vermehrung, sondern eine Ausgleichung der Kosten, die von den Einzelstaaten aufgewendet werden, bezwecken, und theils durch Aufstellung und Verpflegung von Truppen, die zur Erhaltung der Sicherheit und eines gesetzlichen Zustandes zusammengezogen werden, theils in Geld zu leisten sind.
Das Finanzministerium wird daher zu ermächtigen sein, den ganzen Betrag von Fl. 1,750,000 nach der Matrikel umzulegen, davon aber nur soviel wirklich einzufordern, als für Vorschüsse in dringen Fällen, und für Ausgleichung der Leistungen nöthig ist.
§. 4. Für die Marine durch Umlage vom 10. Oktober Fl. 5,250,000. - Kr.
An freiwilligen Beiträgen Fl. 73,000. - Kr. Fl. 5,323,000 - Kr.
Hierzu §. 1 Fl. 187,162 11 Kr.
§. 2 Fl. 3,041,003 49 Kr.
Summe Fl. 8,551,161 - Kr.
Der Voranschlag der Ausgaben beträgt Fl. 10,468,766 59 Kr.
Der Voranschlag der Einnahmen beträgt Fl. 8,551,166 - Kr.
Es sind daher durch Umlagen beizubringen Fl. 1,917,600 59 Kr.
und zwar 1) für die Bedürfnisse der Nationalversammlung und der Centralgewalt Fl. 167,600 59 Kr.,
welche sich um den Betrag der von der Nationalversammlung zu bestimmenden Gehalte der Minister und Unterstaatssekretäre erhöhen;
2) für Reichstruppen Fl. 1,750,000 - Kr.,
welche nach Maßgabe des Bedarfs für die Ausgleichung und etwaigen Vorschüsse einzuziehen sind.
Italien.
* Messina, 13. Oct.

Messina bietet gegenwärtig einen entsetzlichen Anblick dar. Ich dachte bei meiner Hierherkunft, die verschiedenen, in italienischen Blättern enthaltenen Berichte über das Elend der Stadt wären übertrieben, aber ich habe mich jetzt durch den Augenschein überzeugt, daß auch die schlimmsten die Wahrheit noch nicht erreichten. Es scheint, daß der neapolitanische Kommandeur fürchtete, seine Truppen würden gleich beim ersten Angriffe zurückgeworfen werden. Deßwegen, damit die Häuser auf beiden Seiten des Wegs und der Straße dem Feinde keinen Haltpunkt böten, entschloß er sich, sie beim Avanciren sämmtlich in Brand zu stecken. Zu diesem Zwecke erhielten die Soldaten mit einer zündbaren Flüssigkeit angefüllte Zinnbüchsen. Diese Flüssigkeit mußten sie beim Vorbeimarschiren mit einer kleinen Bürste auf sämmtliches Holzwerk der Fenster und Thüren streichen, die letzten Rotten hatten dann ein Zündhölzchen zu appliciren, und im Nu war Alles Eine Gluth. Im Umkreise von einer halben Stunde ist jedes Haus ohne Dach; Gebälk und Fußböden sind von der Flamme verzehrt; nur die geschwärzten Mauern stehen noch da, stellenweise noch zum Ueberfluß die Spuren der von den Schiffen geschleuderten Kugeln und Bomben zeigend. Ueberall nichts als zerbröckelnde Steinhaufen und zertrümmerte Pallisaden; die Villen, die noch kürzlich den Stolz von Messina ausmachten, unheimliche Ruinen, und die Gärten, Messina's lachende Gärten, wüst und zertreten. Kirchen, Palläste und Hütten - Alles ohne Unterschied der Barbarei verfallen!

Zu Palermo hielt ich mich auf meinem Wege hierher nur wenige Stunden auf, und fand dort Alles voll Muth und Begeisterung. Die Lage der Stadt ist günstiger, wie die von Messina; sie kann weder von einer Citadelle noch von einer Flotte beschossen werden, und auf der Landseite wird sie der Muth der Sicilianer eventuell zu schützen wissen.

* Die "Natione", Organ des neapolitanischen Ministeriums, erklärt, daß eine friedliche Lösung der sicilianischen Frage bevorstehe. Es wird hiermit eine von der Pariser "Presse" vom 26. Oct. mitgetheilte Nachricht in Zusammenhang zu bringen sein, wonach der Admiral Ruggino Settimo, Präsident der provisorischen Regierung Siciliens, dem Parlamente von Palermo am 7. Oct. eröffnet hätte, daß, nachdem Messina, das Bollwerk Siciliens, in die Hände der Neapolitaner gefallen, man dem Könige Concessionen machen müsse, um die Schrecken eines fernern Bürgerkrieges zu vermeiden. Diese Concessionen würden jedoch die errungenen Freiheiten des Landes in keiner Weise verletzen.

Der Aufstand zu Mailand hat sich bis jetzt weder durch Blätter, noch durch Korrespondenzen bestätigt. Die Turiner "Concordia" erzählt in ihrer Nummer vom 21. Okt. blos, Radetzky habe am 16. einen Kriegsrath gehalten und sich, gegen die Meinung seiner Offiziere, für ein Zurückziehen in die Festungen entschieden. Die Truppen werden durch die Furcht, Garibaldi auf allen Punkten der Lombardei erscheinen zu sehen, beständig in Athem gehalten. Auf der Schweizergränze stehen 5000 entschiedene junge Leute, die nur ein Signal erwarten, um sich auf die Oesterreicher zu stürzen. Ueberall, in den Städten und auf dem Lande, eine konzentrirte Wuth, wie man sie nur vor der Märzrevolution gekannt hat. - Die "Alba" versichert jetzt positiv, daß der polnische General Chrzanowski zum Generallissimus der sardinischen Truppen ernannt ist; Romarino wird den rechten und Garibaldi den linken Flügel befehligen. - Die Offiziere der zu Mantua in Garnison liegenden ungarischen Regimenter haben in der Mailänder Zeitung vom 19. einen Protest gegen Kossuth veröffentlicht, worin sie zugleich versichern, ihrem dem Kaiser geleisteten Eide treu bleiben zu wollen. Die "Opinione" glaubt wohl mit Recht, daß diese Erklärung den Ungarn durch Drohungen und Bestechung abgepreßt worden sei.

Schweiz.
Lugano, 22. Oct.

Gestern langten 15 Ungarn, denen Kossuth's Aufruf in die Hände gefallen war, aus dem Heerr Radetzky's hier an. Sie versichern, daß ihnen nächstens 300 Landsleute folgen werden. Gleichzeitig meldet man aus Verona, daß dort 600 Ungarn ausgerissen seien und mit 100 Italienern den Weg in's Tyrol eingeschlagen hätten.

Französische Republik.
19 Paris, 25. Okt.

"Einen Obolus dem armen Belisar! Ein Almosen um Gotteswillen für den alten, blind gewordenen Retter des Vaterlandes! Einen Obolus, die honette Republik für einen Obolus!"

Kann man rührender flehen, als gestern in der Nationalversammlung für den tugendhaften Bürger Marrast gebettelt wurde? Hr. Marrast ist mehr als der Vater des Vaterlandes, er ist der Vater der Conciliation. Hr. Marrast sah die traurige Zersplitterung der honett-republikanischen und alt-monarchischen Reaktion, - verderblicher Zwiespalt für das Glück und die Ruhe aller honetten Krämer und Beutelschneider! Der Parvenu des National eröffnete also im Interesse der Honetten den Kampf wider seine hochmüthigen aristokratischen Gegner. Er bekämpfte sie, weit entfernt von den gewöhnlichen unhonetten Waffen politischer Parteisucht, auf dem friedlichen und honetten Boden seiner Tanzsäle: Hr. Armand Marrast, der Exredakteur des National, tanzte vor den alten Freunden Louis-Philipps und Heinrich V. Wer sollte nicht lachen, wenn er Hrn. Marrast vor Dufaure, Mole, Baraguay-d'Hilliers einen honetten Cancan tanzen sieht? Bring aber deinen Gegner zum Lachen und du hast ihn besiegt; Niemand wird dem parlamentarischen Repräsentanten der honetten Republik ein außerordentliches Feldherrntalent absprechen.

Natürlich, daß die Kommission de Comptabilite die Verdienste des Hrn. Marrast zu krönen wünschte, zumal Hr. Marrast selbst ein bescheidenes Verlangen danach äußerte. Was sind 4000 Fr. Monatgehalt für die anstrengenden Balletstudien des alten Rittmeisters Marrast? Die Kommission verlangte eine monatliche Zulage von 6000 Fr., ein unbedeutendes Nadelgeld, eine honettrepublikanische Dotation von 10,000 Fr. per Monat für den König der Conciliation, in dessen Beinen die Zukunft der Republik beruht. Nicht allein, daß schon die Sprünge des Hrn. Marrast unter Freunden 10,000 Fr. werth sind, auch aus national-ökonomischen Gründen ist diese Dotation mehr als vortheilhaft für die Republik. Hr. Degousen setzte dies Verhältniß der erstaunten Nationalversammlung mit klarer Schärfe auseinander. Hr. Degousen hat sich schon früher als tiefsinniger Oekonom bewährt: ist Hr. Degousen nicht der Erfinder, Anfertiger und Verkäufer des echarpes parlementaires, welche die Deputirten schmücken? Hr. Degousen unterstützte die Dotation des Präsidenten in der That mit allem Scharfsinn vom Standpunkt der Wissenschaft. "Der Handel," sagte der industrielle Schärpenhändler, "hat sich seit den traurigen Juniereignissen etwas gehoben. Einige Feten werden ihm noch mehr Aufschwung geben, und euer Präsident wünscht blos deshalb seine Kollegen bei sich zu empfangen, um den Handel blühender zu machen!" Wird man der Pariser Industrie den Todesstoß versetzen wollen, indem man Hrn. Marrast die verlangten 6000 Fr. verweigert?

Aber, o Schrecken! die honette Republik, die Republik der Krämer und Industrieritter ist in der That am Verscheiden! Niemand will auch nur den Marrastschen Obolus an sie verschwenden! Die Versammlung geht über den Antrag, ohne daß er unterstützt, ohne daß die Artikel zur Debatte gekommen wären, zur Tagesordnung über! "Weinet, Modisten! Weinet, Friseure! Jammert, ihr Pastetenbäcker!" ruft la Reforme.

Hr. Goudchaux, der Finanzminister und Exbanquier des National, hat in gerechter Entrüstung über die Niederlage seines alten Redakteurs seine Entlassung genommen; Hr. Marrast wird schweigend seine Tanzschuhe ausziehen und sie auf das Grab der Pariser Industrie, der honetten Republik niederlegen. Armer National!

19 Paris, 26. Okt.

Zu dem 10. Dezember, wo die Präsidentenwahl statt0nden soll, beginnt bereits eine große steeplechasse des Präsidenten aller Farben. Louis Bonaparte überschwemmt das Land mit Agenten, welche vorzugsweise in den Gegenden, wo die geringste politische Aufklärung herrscht, wirken sollen; zugleich sind 13 neue Journale vorbereitet, um die Wahl des ehemaligen Londoner Konstablers zu unterstützen. Zwischen den Orleanisten und Henriquinquisten ist ein Vertrag geschlossen, nach welchem man gemeinschaftlich zuerst Heinrich V. ins Feuer schicken will, unter der Bedingung, daß ein Orleans der Nachfolger werden solle. Der Beduinen- und Insurgenten-Schlächter Cavaignac hat nur deshalb ein royalistisches Ministerium gebildet, um die Stimme der Partei Thiers und Konsorten für die Präsidentschaft zu erhalten. Hr. v. Lamartine endlich, "la putain politique", wie ihn die Demokraten nennen, bereist die Departements, um den Bauern die poetischen Bourgeoisphrasen der idealen Fraternite vorzusingen, und Ledru-Rollin hat sich entschlossen, bei den Demokraten in der Provinz ebenfalls Besuch zu machen.

Wer wird Präsident werden? - Niemand. Es ist kein Zweifel, daß Heinrich V. im Süden vielleicht eine Million Stimmen erhält, denn die Bauern fragen nicht darnach, ob er etwa durch ein Gesetz ausgeschlossen ist, und seine Agenten betreiben die Wahl in der Hoffnung einer royalistischen Insurrektion, wenn die Stimmen kassirt werden. Louis Bonaparte wird, wenn er nicht mittlerweile Gelegenheit findet, sich gründlich als bete zu kompromittiren, unstreitig die meisten Stimmen über seine Rivalen erhalten; ein großer Theil des Heeres, der antirepublikanischen Bauern und selbst der kleinen Bourgeoisie scheint ihm gewiß zu sein; ob er aber die erforderliche "absolute" Mehrheit der gesammten Stimmenzahl erreicht, wird bis jetzt von seiner eigenen Partei bezweifelt. Die Stimmen der Arbeiter und der Demokraten werden sich wahrscheinlich zersplittern. Ledru-Rollin wird unleugbar zahlreichen Anhang finden, aber ebenso gewiß ist es auch, daß er die Ehre des Tages mit Raspail und vielleicht auch mit Cabet theilen wird; nicht allein die größere Zahl der Pariser Arbeiter, sondern auch ein bedeutender Theil der Nationalgarde, namentlich die 2. und 10. Legion, welche in den letzten Wahlen für Raspail, Cabet und Thore stimmten, sprechen sich bereits offen für die Kandidatur Raspails, des Gefangenen von Vincennes, aus. Und Lamartine und Cavaignac? Ja, Hr. v. Lamartine wird allerdings auch Stimmen erhalten. Er hat sich auf sein Schloß begeben und bereits 3000 Fr. an die dortigen "Armen" austheilen lassen; bedenkt man, daß die Bauern des ideal-philantropischen Poeten sehr ausgehungert sein sollen, und daß demnach ein Geschenk von 1 Fr. per Kopf wahre Wunder thut, so tragen ihm die 3000 Fr. Almosen netto 3000 Stimmen ein, wozu noch einige Hohlköpfe in denjenigen Gegenden kommen, in welchen Hr. v. Lamartine mit Fraternitäts-Deklamationen debutiren wird. Dieser elende Verräther, der mit den französischen Demokraten nach seinem eigenen Geständniß "konspirirte, wie der Blitzableiter mit der Wetterwolke," d. h. wie ein gemeiner Polizeispion, der ebenso die deutschen, belgischen, italienischen Demokraten an ihre landesväterlichen Despoten und die Fanghunde der Parkets verrieth: dieser "philantropische Sozialist" wird von den Demokraten und Arbeitern wegen seiner Verräthereien ebenso verachtet, wie ihn die Bourgeoisie haßt, weil sie in der Juni-Insurrektidn die Folge seiner philantropischen Phrasen sieht. Und was Cavaignac betrifft, so werden ihm, trotzdem daß Hr. Moses Heß in den Pariser Korrespondenzen der "Köln. Ztg." gern den Retter Frankreichs aus ihm machen möchte, außer der Partei des National kaum einige Reste der Armee treu bleiben. Die Bourgeoisie haßt ihn, und das ist beiläufig auch die Quelle, aus welcher Hr. v. Girardin den Muth zu seinen Angriffen schöpft; die Nationalgarde und fast die ganze Garde mobile sind von ihm abgefallen.

Nach diesen Verhältnissen ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Wahl des Präsidenten an die Nationalversammlung zurückfallen wird. In Paris aber glaubt man nicht mehr an deren friedliche Ausführung. Man hofft oder befürchtet, daß dieser Tag das Signal einer neuen, beispiellos blutigen Revolution geben werde, und damit ist nicht ein Insurrektionsversuch in den antirepublikanischen Provinzen, sondern ein neuer Kampf in Paris gemeint, in welchem die Arbeiter und die seltsam veränderte Stimmung der Garde mobile den Ausschlag geben könnten. Ueber die Aussichten, welche dazu vorhanden sind, werde ich Ihnen morgen schreiben.

* Paris, 25. Oktober.

E. Girardin fährt in seinen Angriffen gegen Cavaignac fort.

Der Moniteur, sagt er, ist der steinerne Gast für den Don Juan des "National", den Herrn Cavaignac. Der "Moniteur" legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac den 22. und 23. Juni nach der Diktatur strebte und keine seiner Pflichten erfüllt hat.

Der "Moniteur" legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, Republikaner von Geburt, sobald er sich der Macht bemächtigen konnte, einen andern Gedanken hegte: sich dadurch sicher zu stellen vor den furchtbaren, ihm drohenden Interpellationen, daß er am 25. Juni zwei Freiheiten mit Einem Schlage tödtete, die individuelle Freiheit und die Preßfreiheit.

Der "Moniteur" legt Zeugniß ab, daß die Suspension der Journale keinen andern Zweck hatte, als zu verhindern, daß man die Berechnungen und Inconsequenzen des Herrn Cavaignac bloslege.

Der "Moniteur" legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, improvisirter Diktator, mit der Einführung und Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes nur das Eine bezweckte, sich zum Präsidenten der Republik wählen zu lassen, unter der Herrschaft der Furcht der Nationalversammlung.

Der "Moniteur" legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac nur zu diesem Behufe Commissaire in die Departemente schicken wollte, deren Abreise die Interpellationen des Herrn Baze verhindert haben.

(Hierzu eine Beilage.)

Voranschlag der Einnahmen des Reichsministeriums der Finanzen für die Monate September, Oktober, November und Dezember 1848.

Tit. II. Reichskassen-Verwaltung.

§. 1. Für die Nationalversammlung und die laufenden Ausgaben der provisorischen Centralgewalt:
a) Baarstände am 31. August:
1. Der Martikularkasse Fl. 48,732. 34 Kr.
2. Der Kanzleikasse Fl. 14,508. 6 Kr. Fl. 63,240. 40 Kr.
b) Ausstände früherer Umlagen:
1. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 1. Mai Fl. 805. 50 Kr.
2. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 5. Juli Fl. 3115. 41 Kr. Fl. 3921. 31 Kr.
c) Umlage vom 30. September Fl. 120,000. ‒ Kr.
Summa: Fl. 187,162. 11 Kr.
Nach dem Ausgabebüdget beläuft sich das Bedürfniß mit Ausschluß der Summen für die Reichsfestungen, die Reichstruppen und die Marine auf Fl. 354,763. 10 Kr.
Hiervon ab die vorhandenen Fl. 187,162. 11 Kr.
Bleiben durch Umlage zu decken Fl. 167,600. 59 Kr.
§. 2. Für die Reichsfestungen:
a) Baarstände auf den 31. August:
In der Partikularkasse für die Unterhaltung von Mainz und Luxemburg Fl. 11,520. 2 1/2 Kr.
b) Ausstände früherer Umlagen:
1. Der auf den 23. April d. J. fälligen Umlage von Fl. 1,812,318.
23 Kr. für den Ulm-Rastadter Baufaufond Fl. 698,830. 11 Kr.
2. Der Umlage von einer Million für den Ulm-Rastadter-Approvisionirungsfond (Beschluß vom 2. März d. J. Prot. S. 195 und 201 a.) Fl. 11,934. 36 Kr. Fl. 710,764. 47 Kr.
c) Fonds bei Rothschild am 31. August:
1. Ulm-Rastadter Baufond Fl. 902,745. ‒ Kr.
2. Ulm-Rastadter Approvisionirungsfond Fl. 801,776. 44 Kr.
3. Mainzer Approvisionirungsfond Fl. 16,454. 13 Kr.
4. Luxemburger Approvisionirungsfond Fl. 164,180. 28 Kr.
5. Mainzer Reservefond Fl. 129,284. 27 Kr.
6. Luxemburger Reservefond Fl. 24,107. 22 Kr.
7. Zinsenfond Fl. 221,226. 26 Kr. Fl. 2,259,774. 40 Kr.
d) Die zweite Hälfte der für die Unterhaltung der Reichsfestungen Mainz und Luxemburg jährlich aufzubringenden Summe von Fl. 117,888. 39 Kr. (Beschluß vom 19. August.) Fl. 58,944. 19 1/2 Kr.
Summe Fl. 3,041,003. 49 Kr.
Diese Summe, als zur Verwendung für die Festungen bestimmt, ist in den Voranschlag des Kriegsministeriums Tit. II. aufgenommen.
§. 3. Reichstruppen. Hierfür sind Fl. 1,750,000 (1 Million Thlr.) angesprochen, welche nicht eine Vermehrung, sondern eine Ausgleichung der Kosten, die von den Einzelstaaten aufgewendet werden, bezwecken, und theils durch Aufstellung und Verpflegung von Truppen, die zur Erhaltung der Sicherheit und eines gesetzlichen Zustandes zusammengezogen werden, theils in Geld zu leisten sind.
Das Finanzministerium wird daher zu ermächtigen sein, den ganzen Betrag von Fl. 1,750,000 nach der Matrikel umzulegen, davon aber nur soviel wirklich einzufordern, als für Vorschüsse in dringen Fällen, und für Ausgleichung der Leistungen nöthig ist.
§. 4. Für die Marine durch Umlage vom 10. Oktober Fl. 5,250,000. ‒ Kr.
An freiwilligen Beiträgen Fl. 73,000. ‒ Kr. Fl. 5,323,000 - Kr.
Hierzu §. 1 Fl. 187,162 11 Kr.
§. 2 Fl. 3,041,003 49 Kr.
Summe Fl. 8,551,161 - Kr.
Der Voranschlag der Ausgaben beträgt Fl. 10,468,766 59 Kr.
Der Voranschlag der Einnahmen beträgt Fl. 8,551,166 - Kr.
Es sind daher durch Umlagen beizubringen Fl. 1,917,600 59 Kr.
und zwar 1) für die Bedürfnisse der Nationalversammlung und der Centralgewalt Fl. 167,600 59 Kr.,
welche sich um den Betrag der von der Nationalversammlung zu bestimmenden Gehalte der Minister und Unterstaatssekretäre erhöhen;
2) für Reichstruppen Fl. 1,750,000 - Kr.,
welche nach Maßgabe des Bedarfs für die Ausgleichung und etwaigen Vorschüsse einzuziehen sind.
Italien.
* Messina, 13. Oct.

Messina bietet gegenwärtig einen entsetzlichen Anblick dar. Ich dachte bei meiner Hierherkunft, die verschiedenen, in italienischen Blättern enthaltenen Berichte über das Elend der Stadt wären übertrieben, aber ich habe mich jetzt durch den Augenschein überzeugt, daß auch die schlimmsten die Wahrheit noch nicht erreichten. Es scheint, daß der neapolitanische Kommandeur fürchtete, seine Truppen würden gleich beim ersten Angriffe zurückgeworfen werden. Deßwegen, damit die Häuser auf beiden Seiten des Wegs und der Straße dem Feinde keinen Haltpunkt böten, entschloß er sich, sie beim Avanciren sämmtlich in Brand zu stecken. Zu diesem Zwecke erhielten die Soldaten mit einer zündbaren Flüssigkeit angefüllte Zinnbüchsen. Diese Flüssigkeit mußten sie beim Vorbeimarschiren mit einer kleinen Bürste auf sämmtliches Holzwerk der Fenster und Thüren streichen, die letzten Rotten hatten dann ein Zündhölzchen zu appliciren, und im Nu war Alles Eine Gluth. Im Umkreise von einer halben Stunde ist jedes Haus ohne Dach; Gebälk und Fußböden sind von der Flamme verzehrt; nur die geschwärzten Mauern stehen noch da, stellenweise noch zum Ueberfluß die Spuren der von den Schiffen geschleuderten Kugeln und Bomben zeigend. Ueberall nichts als zerbröckelnde Steinhaufen und zertrümmerte Pallisaden; die Villen, die noch kürzlich den Stolz von Messina ausmachten, unheimliche Ruinen, und die Gärten, Messina's lachende Gärten, wüst und zertreten. Kirchen, Palläste und Hütten ‒ Alles ohne Unterschied der Barbarei verfallen!

Zu Palermo hielt ich mich auf meinem Wege hierher nur wenige Stunden auf, und fand dort Alles voll Muth und Begeisterung. Die Lage der Stadt ist günstiger, wie die von Messina; sie kann weder von einer Citadelle noch von einer Flotte beschossen werden, und auf der Landseite wird sie der Muth der Sicilianer eventuell zu schützen wissen.

* Die „Natione“, Organ des neapolitanischen Ministeriums, erklärt, daß eine friedliche Lösung der sicilianischen Frage bevorstehe. Es wird hiermit eine von der Pariser „Presse“ vom 26. Oct. mitgetheilte Nachricht in Zusammenhang zu bringen sein, wonach der Admiral Ruggino Settimo, Präsident der provisorischen Regierung Siciliens, dem Parlamente von Palermo am 7. Oct. eröffnet hätte, daß, nachdem Messina, das Bollwerk Siciliens, in die Hände der Neapolitaner gefallen, man dem Könige Concessionen machen müsse, um die Schrecken eines fernern Bürgerkrieges zu vermeiden. Diese Concessionen würden jedoch die errungenen Freiheiten des Landes in keiner Weise verletzen.

Der Aufstand zu Mailand hat sich bis jetzt weder durch Blätter, noch durch Korrespondenzen bestätigt. Die Turiner „Concordia“ erzählt in ihrer Nummer vom 21. Okt. blos, Radetzky habe am 16. einen Kriegsrath gehalten und sich, gegen die Meinung seiner Offiziere, für ein Zurückziehen in die Festungen entschieden. Die Truppen werden durch die Furcht, Garibaldi auf allen Punkten der Lombardei erscheinen zu sehen, beständig in Athem gehalten. Auf der Schweizergränze stehen 5000 entschiedene junge Leute, die nur ein Signal erwarten, um sich auf die Oesterreicher zu stürzen. Ueberall, in den Städten und auf dem Lande, eine konzentrirte Wuth, wie man sie nur vor der Märzrevolution gekannt hat. ‒ Die „Alba“ versichert jetzt positiv, daß der polnische General Chrzanowski zum Generallissimus der sardinischen Truppen ernannt ist; Romarino wird den rechten und Garibaldi den linken Flügel befehligen. ‒ Die Offiziere der zu Mantua in Garnison liegenden ungarischen Regimenter haben in der Mailänder Zeitung vom 19. einen Protest gegen Kossuth veröffentlicht, worin sie zugleich versichern, ihrem dem Kaiser geleisteten Eide treu bleiben zu wollen. Die „Opinione“ glaubt wohl mit Recht, daß diese Erklärung den Ungarn durch Drohungen und Bestechung abgepreßt worden sei.

Schweiz.
Lugano, 22. Oct.

Gestern langten 15 Ungarn, denen Kossuth's Aufruf in die Hände gefallen war, aus dem Heerr Radetzky's hier an. Sie versichern, daß ihnen nächstens 300 Landsleute folgen werden. Gleichzeitig meldet man aus Verona, daß dort 600 Ungarn ausgerissen seien und mit 100 Italienern den Weg in's Tyrol eingeschlagen hätten.

Französische Republik.
19 Paris, 25. Okt.

„Einen Obolus dem armen Belisar! Ein Almosen um Gotteswillen für den alten, blind gewordenen Retter des Vaterlandes! Einen Obolus, die honette Republik für einen Obolus!“

Kann man rührender flehen, als gestern in der Nationalversammlung für den tugendhaften Bürger Marrast gebettelt wurde? Hr. Marrast ist mehr als der Vater des Vaterlandes, er ist der Vater der Conciliation. Hr. Marrast sah die traurige Zersplitterung der honett-republikanischen und alt-monarchischen Reaktion, ‒ verderblicher Zwiespalt für das Glück und die Ruhe aller honetten Krämer und Beutelschneider! Der Parvenu des National eröffnete also im Interesse der Honetten den Kampf wider seine hochmüthigen aristokratischen Gegner. Er bekämpfte sie, weit entfernt von den gewöhnlichen unhonetten Waffen politischer Parteisucht, auf dem friedlichen und honetten Boden seiner Tanzsäle: Hr. Armand Marrast, der Exredakteur des National, tanzte vor den alten Freunden Louis-Philipps und Heinrich V. Wer sollte nicht lachen, wenn er Hrn. Marrast vor Dufaure, Mole, Baraguay-d'Hilliers einen honetten Cancan tanzen sieht? Bring aber deinen Gegner zum Lachen und du hast ihn besiegt; Niemand wird dem parlamentarischen Repräsentanten der honetten Republik ein außerordentliches Feldherrntalent absprechen.

Natürlich, daß die Kommission de Comptabilite die Verdienste des Hrn. Marrast zu krönen wünschte, zumal Hr. Marrast selbst ein bescheidenes Verlangen danach äußerte. Was sind 4000 Fr. Monatgehalt für die anstrengenden Balletstudien des alten Rittmeisters Marrast? Die Kommission verlangte eine monatliche Zulage von 6000 Fr., ein unbedeutendes Nadelgeld, eine honettrepublikanische Dotation von 10,000 Fr. per Monat für den König der Conciliation, in dessen Beinen die Zukunft der Republik beruht. Nicht allein, daß schon die Sprünge des Hrn. Marrast unter Freunden 10,000 Fr. werth sind, auch aus national-ökonomischen Gründen ist diese Dotation mehr als vortheilhaft für die Republik. Hr. Degousen setzte dies Verhältniß der erstaunten Nationalversammlung mit klarer Schärfe auseinander. Hr. Degousen hat sich schon früher als tiefsinniger Oekonom bewährt: ist Hr. Degousen nicht der Erfinder, Anfertiger und Verkäufer des écharpes parlementaires, welche die Deputirten schmücken? Hr. Degousen unterstützte die Dotation des Präsidenten in der That mit allem Scharfsinn vom Standpunkt der Wissenschaft. „Der Handel,“ sagte der industrielle Schärpenhändler, „hat sich seit den traurigen Juniereignissen etwas gehoben. Einige Feten werden ihm noch mehr Aufschwung geben, und euer Präsident wünscht blos deshalb seine Kollegen bei sich zu empfangen, um den Handel blühender zu machen!“ Wird man der Pariser Industrie den Todesstoß versetzen wollen, indem man Hrn. Marrast die verlangten 6000 Fr. verweigert?

Aber, o Schrecken! die honette Republik, die Republik der Krämer und Industrieritter ist in der That am Verscheiden! Niemand will auch nur den Marrastschen Obolus an sie verschwenden! Die Versammlung geht über den Antrag, ohne daß er unterstützt, ohne daß die Artikel zur Debatte gekommen wären, zur Tagesordnung über! „Weinet, Modisten! Weinet, Friseure! Jammert, ihr Pastetenbäcker!“ ruft la Reforme.

Hr. Goudchaux, der Finanzminister und Exbanquier des National, hat in gerechter Entrüstung über die Niederlage seines alten Redakteurs seine Entlassung genommen; Hr. Marrast wird schweigend seine Tanzschuhe ausziehen und sie auf das Grab der Pariser Industrie, der honetten Republik niederlegen. Armer National!

19 Paris, 26. Okt.

Zu dem 10. Dezember, wo die Präsidentenwahl statt0nden soll, beginnt bereits eine große steeplechasse des Präsidenten aller Farben. Louis Bonaparte überschwemmt das Land mit Agenten, welche vorzugsweise in den Gegenden, wo die geringste politische Aufklärung herrscht, wirken sollen; zugleich sind 13 neue Journale vorbereitet, um die Wahl des ehemaligen Londoner Konstablers zu unterstützen. Zwischen den Orleanisten und Henriquinquisten ist ein Vertrag geschlossen, nach welchem man gemeinschaftlich zuerst Heinrich V. ins Feuer schicken will, unter der Bedingung, daß ein Orleans der Nachfolger werden solle. Der Beduinen- und Insurgenten-Schlächter Cavaignac hat nur deshalb ein royalistisches Ministerium gebildet, um die Stimme der Partei Thiers und Konsorten für die Präsidentschaft zu erhalten. Hr. v. Lamartine endlich, „la putain politique“, wie ihn die Demokraten nennen, bereist die Departements, um den Bauern die poetischen Bourgeoisphrasen der idealen Fraternite vorzusingen, und Ledru-Rollin hat sich entschlossen, bei den Demokraten in der Provinz ebenfalls Besuch zu machen.

Wer wird Präsident werden? ‒ Niemand. Es ist kein Zweifel, daß Heinrich V. im Süden vielleicht eine Million Stimmen erhält, denn die Bauern fragen nicht darnach, ob er etwa durch ein Gesetz ausgeschlossen ist, und seine Agenten betreiben die Wahl in der Hoffnung einer royalistischen Insurrektion, wenn die Stimmen kassirt werden. Louis Bonaparte wird, wenn er nicht mittlerweile Gelegenheit findet, sich gründlich als bête zu kompromittiren, unstreitig die meisten Stimmen über seine Rivalen erhalten; ein großer Theil des Heeres, der antirepublikanischen Bauern und selbst der kleinen Bourgeoisie scheint ihm gewiß zu sein; ob er aber die erforderliche „absolute“ Mehrheit der gesammten Stimmenzahl erreicht, wird bis jetzt von seiner eigenen Partei bezweifelt. Die Stimmen der Arbeiter und der Demokraten werden sich wahrscheinlich zersplittern. Ledru-Rollin wird unleugbar zahlreichen Anhang finden, aber ebenso gewiß ist es auch, daß er die Ehre des Tages mit Raspail und vielleicht auch mit Cabet theilen wird; nicht allein die größere Zahl der Pariser Arbeiter, sondern auch ein bedeutender Theil der Nationalgarde, namentlich die 2. und 10. Legion, welche in den letzten Wahlen für Raspail, Cabet und Thore stimmten, sprechen sich bereits offen für die Kandidatur Raspails, des Gefangenen von Vincennes, aus. Und Lamartine und Cavaignac? Ja, Hr. v. Lamartine wird allerdings auch Stimmen erhalten. Er hat sich auf sein Schloß begeben und bereits 3000 Fr. an die dortigen „Armen“ austheilen lassen; bedenkt man, daß die Bauern des ideal-philantropischen Poeten sehr ausgehungert sein sollen, und daß demnach ein Geschenk von 1 Fr. per Kopf wahre Wunder thut, so tragen ihm die 3000 Fr. Almosen netto 3000 Stimmen ein, wozu noch einige Hohlköpfe in denjenigen Gegenden kommen, in welchen Hr. v. Lamartine mit Fraternitäts-Deklamationen debutiren wird. Dieser elende Verräther, der mit den französischen Demokraten nach seinem eigenen Geständniß „konspirirte, wie der Blitzableiter mit der Wetterwolke,“ d. h. wie ein gemeiner Polizeispion, der ebenso die deutschen, belgischen, italienischen Demokraten an ihre landesväterlichen Despoten und die Fanghunde der Parkets verrieth: dieser „philantropische Sozialist“ wird von den Demokraten und Arbeitern wegen seiner Verräthereien ebenso verachtet, wie ihn die Bourgeoisie haßt, weil sie in der Juni-Insurrektidn die Folge seiner philantropischen Phrasen sieht. Und was Cavaignac betrifft, so werden ihm, trotzdem daß Hr. Moses Heß in den Pariser Korrespondenzen der „Köln. Ztg.“ gern den Retter Frankreichs aus ihm machen möchte, außer der Partei des National kaum einige Reste der Armee treu bleiben. Die Bourgeoisie haßt ihn, und das ist beiläufig auch die Quelle, aus welcher Hr. v. Girardin den Muth zu seinen Angriffen schöpft; die Nationalgarde und fast die ganze Garde mobile sind von ihm abgefallen.

Nach diesen Verhältnissen ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Wahl des Präsidenten an die Nationalversammlung zurückfallen wird. In Paris aber glaubt man nicht mehr an deren friedliche Ausführung. Man hofft oder befürchtet, daß dieser Tag das Signal einer neuen, beispiellos blutigen Revolution geben werde, und damit ist nicht ein Insurrektionsversuch in den antirepublikanischen Provinzen, sondern ein neuer Kampf in Paris gemeint, in welchem die Arbeiter und die seltsam veränderte Stimmung der Garde mobile den Ausschlag geben könnten. Ueber die Aussichten, welche dazu vorhanden sind, werde ich Ihnen morgen schreiben.

* Paris, 25. Oktober.

E. Girardin fährt in seinen Angriffen gegen Cavaignac fort.

Der Moniteur, sagt er, ist der steinerne Gast für den Don Juan des „National“, den Herrn Cavaignac. Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac den 22. und 23. Juni nach der Diktatur strebte und keine seiner Pflichten erfüllt hat.

Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, Republikaner von Geburt, sobald er sich der Macht bemächtigen konnte, einen andern Gedanken hegte: sich dadurch sicher zu stellen vor den furchtbaren, ihm drohenden Interpellationen, daß er am 25. Juni zwei Freiheiten mit Einem Schlage tödtete, die individuelle Freiheit und die Preßfreiheit.

Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß die Suspension der Journale keinen andern Zweck hatte, als zu verhindern, daß man die Berechnungen und Inconsequenzen des Herrn Cavaignac bloslege.

Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, improvisirter Diktator, mit der Einführung und Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes nur das Eine bezweckte, sich zum Präsidenten der Republik wählen zu lassen, unter der Herrschaft der Furcht der Nationalversammlung.

Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac nur zu diesem Behufe Commissaire in die Departemente schicken wollte, deren Abreise die Interpellationen des Herrn Baze verhindert haben.

(Hierzu eine Beilage.)

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          <head>Voranschlag der Einnahmen des Reichsministeriums der Finanzen für die Monate September, Oktober, November und Dezember 1848.</head>
          <p>Tit. II. Reichskassen-Verwaltung.</p>
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              <cell> §. 1. Für die Nationalversammlung und die laufenden Ausgaben der provisorischen Centralgewalt:<lb/>
a) <hi rendition="#g">Baarstände am 31. August:</hi><lb/>
1. Der Martikularkasse Fl. 48,732. 34 Kr.</cell>
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              <cell>2. Der Kanzleikasse Fl. 14,508. 6 Kr. Fl. 63,240. 40 Kr.</cell>
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              <cell>b) <hi rendition="#g">Ausstände früherer Umlagen:</hi> </cell>
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              <cell>1. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 1. Mai Fl. 805. 50 Kr.</cell>
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              <cell>2. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 5. Juli Fl. 3115. 41 Kr. Fl. 3921. 31 Kr.</cell>
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              <cell>c) <hi rendition="#g">Umlage vom 30. September</hi> Fl. 120,000. &#x2012; Kr.</cell>
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              <cell>Summa: Fl. 187,162. 11 Kr.<lb/>
Nach dem Ausgabebüdget beläuft sich das Bedürfniß mit Ausschluß der Summen für die Reichsfestungen, die Reichstruppen und die Marine auf Fl. 354,763. 10 Kr.</cell>
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              <cell>Hiervon ab die vorhandenen Fl. 187,162. 11 Kr.</cell>
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              <cell>Bleiben durch Umlage zu decken Fl. 167,600. 59 Kr.<lb/>
§. 2. <hi rendition="#g">Für die Reichsfestungen:</hi><lb/>
a) <hi rendition="#g">Baarstände auf den 31. August:</hi><lb/>
In der Partikularkasse für die Unterhaltung von Mainz und Luxemburg Fl. 11,520. 2 1/2 Kr.</cell>
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              <cell>1. Der auf den 23. April d. J. fälligen Umlage von Fl. 1,812,318.</cell>
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              <cell>23 Kr. für den Ulm-Rastadter Baufaufond Fl. 698,830. 11 Kr.</cell>
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              <cell>2. Der Umlage von einer Million für den Ulm-Rastadter-Approvisionirungsfond (Beschluß vom 2. März d. J. Prot. S. 195 und 201 a.) Fl. 11,934. 36 Kr. Fl. 710,764. 47 Kr.</cell>
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              <cell>c) <hi rendition="#g">Fonds bei Rothschild am 31. August:</hi> </cell>
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              <cell>1. Ulm-Rastadter Baufond Fl. 902,745. &#x2012; Kr.</cell>
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              <cell>2. Ulm-Rastadter Approvisionirungsfond Fl. 801,776. 44 Kr.</cell>
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              <cell>3. Mainzer Approvisionirungsfond Fl. 16,454. 13 Kr.</cell>
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              <cell>4. Luxemburger Approvisionirungsfond Fl. 164,180. 28 Kr.</cell>
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              <cell>5. Mainzer Reservefond Fl. 129,284. 27 Kr.</cell>
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              <cell>6. Luxemburger Reservefond Fl. 24,107. 22 Kr.</cell>
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              <cell>7. Zinsenfond Fl. 221,226. 26 Kr. Fl. 2,259,774. 40 Kr.</cell>
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              <cell>d) Die zweite Hälfte der für die Unterhaltung der Reichsfestungen Mainz und Luxemburg jährlich aufzubringenden Summe von Fl. 117,888. 39 Kr. (Beschluß vom 19. August.) Fl. 58,944. 19 1/2 Kr.</cell>
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              <cell>Summe Fl. 3,041,003. 49 Kr.<lb/>
Diese Summe, als zur Verwendung für die Festungen bestimmt, ist in den Voranschlag des Kriegsministeriums Tit. II. aufgenommen.<lb/>
§. 3. <hi rendition="#g">Reichstruppen.</hi> Hierfür sind Fl. 1,750,000 (1 Million Thlr.) angesprochen, welche nicht eine Vermehrung, sondern eine Ausgleichung der Kosten, die von den Einzelstaaten aufgewendet werden, bezwecken, und theils durch Aufstellung und Verpflegung von Truppen, die zur Erhaltung der Sicherheit und eines gesetzlichen Zustandes zusammengezogen werden, theils in Geld zu leisten sind.<lb/>
Das Finanzministerium wird daher zu ermächtigen sein, den ganzen Betrag von Fl. 1,750,000 nach der Matrikel umzulegen, davon aber nur soviel wirklich einzufordern, als für Vorschüsse in dringen Fällen, und für Ausgleichung der Leistungen nöthig ist.<lb/>
§. 4. <hi rendition="#g">Für die Marine</hi> durch Umlage vom 10. Oktober Fl. 5,250,000. &#x2012; Kr.</cell>
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              <cell>An freiwilligen Beiträgen Fl. 73,000. &#x2012; Kr. Fl. 5,323,000 - Kr.</cell>
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              <cell>Hierzu §. 1 Fl. 187,162 11 Kr.</cell>
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              <cell>§. 2 Fl. 3,041,003 49 Kr.</cell>
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              <cell>Summe Fl. 8,551,161 - Kr.</cell>
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              <cell>Der Voranschlag der Ausgaben beträgt Fl. 10,468,766 59 Kr.</cell>
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              <cell>Der Voranschlag der Einnahmen beträgt Fl. 8,551,166 - Kr.</cell>
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              <cell>Es sind daher durch Umlagen beizubringen Fl. 1,917,600 59 Kr.</cell>
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              <cell>und zwar 1) für die Bedürfnisse der Nationalversammlung und der Centralgewalt Fl. 167,600 59 Kr.,</cell>
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              <cell>welche sich um den Betrag der von der Nationalversammlung zu bestimmenden Gehalte der Minister und Unterstaatssekretäre erhöhen;</cell>
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              <cell>2) für Reichstruppen Fl. 1,750,000 - Kr.,</cell>
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              <cell>welche nach Maßgabe des Bedarfs für die Ausgleichung und etwaigen Vorschüsse einzuziehen sind.</cell>
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        <head>Italien.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Messina, 13. Oct.</head>
          <p>Messina bietet gegenwärtig einen entsetzlichen Anblick dar. Ich dachte bei meiner Hierherkunft, die verschiedenen, in italienischen Blättern enthaltenen Berichte über das Elend der Stadt wären übertrieben, aber ich habe mich jetzt durch den Augenschein überzeugt, daß auch die schlimmsten die Wahrheit noch nicht erreichten. Es scheint, daß der neapolitanische Kommandeur fürchtete, seine Truppen würden gleich beim ersten Angriffe zurückgeworfen werden. Deßwegen, damit die Häuser auf beiden Seiten des Wegs und der Straße dem Feinde keinen Haltpunkt böten, entschloß er sich, sie beim Avanciren sämmtlich in Brand zu stecken. Zu diesem Zwecke erhielten die Soldaten mit einer zündbaren Flüssigkeit angefüllte Zinnbüchsen. Diese Flüssigkeit mußten sie beim Vorbeimarschiren mit einer kleinen Bürste auf sämmtliches Holzwerk der Fenster und Thüren streichen, die letzten Rotten hatten dann ein Zündhölzchen zu appliciren, und im Nu war Alles Eine Gluth. Im Umkreise von einer halben Stunde ist jedes Haus ohne Dach; Gebälk und Fußböden sind von der Flamme verzehrt; nur die geschwärzten Mauern stehen noch da, stellenweise noch zum Ueberfluß die Spuren der von den Schiffen geschleuderten Kugeln und Bomben zeigend. Ueberall nichts als zerbröckelnde Steinhaufen und zertrümmerte Pallisaden; die Villen, die noch kürzlich den Stolz von Messina ausmachten, unheimliche Ruinen, und die Gärten, Messina's lachende Gärten, wüst und zertreten. Kirchen, Palläste und Hütten &#x2012; Alles ohne Unterschied der Barbarei verfallen!</p>
          <p>Zu Palermo hielt ich mich auf meinem Wege hierher nur wenige Stunden auf, und fand dort Alles voll Muth und Begeisterung. Die Lage der Stadt ist günstiger, wie die von Messina; sie kann weder von einer Citadelle noch von einer Flotte beschossen werden, und auf der Landseite wird sie der Muth der Sicilianer eventuell zu schützen wissen.</p>
          <p><bibl><author>*</author></bibl> Die &#x201E;Natione&#x201C;, Organ des neapolitanischen Ministeriums, erklärt, daß eine friedliche Lösung der sicilianischen Frage bevorstehe. Es wird hiermit eine von der Pariser &#x201E;Presse&#x201C; vom 26. Oct. mitgetheilte Nachricht in Zusammenhang zu bringen sein, wonach der Admiral Ruggino Settimo, Präsident der provisorischen Regierung Siciliens, dem Parlamente von Palermo am 7. Oct. eröffnet hätte, daß, nachdem Messina, das Bollwerk Siciliens, in die Hände der Neapolitaner gefallen, man dem Könige Concessionen machen müsse, um die Schrecken eines fernern Bürgerkrieges zu vermeiden. Diese Concessionen würden jedoch die errungenen Freiheiten des Landes in keiner Weise verletzen.</p>
          <p>Der Aufstand zu Mailand hat sich bis jetzt weder durch Blätter, noch durch Korrespondenzen bestätigt. Die Turiner &#x201E;Concordia&#x201C; erzählt in ihrer Nummer vom 21. Okt. blos, Radetzky habe am 16. einen Kriegsrath gehalten und sich, gegen die Meinung seiner Offiziere, für ein Zurückziehen in die Festungen entschieden. Die Truppen werden durch die Furcht, Garibaldi auf allen Punkten der Lombardei erscheinen zu sehen, beständig in Athem gehalten. Auf der Schweizergränze stehen 5000 entschiedene junge Leute, die nur ein Signal erwarten, um sich auf die Oesterreicher zu stürzen. Ueberall, in den Städten und auf dem Lande, eine konzentrirte Wuth, wie man sie nur vor der Märzrevolution gekannt hat. &#x2012; Die &#x201E;Alba&#x201C; versichert jetzt positiv, daß der polnische General Chrzanowski zum Generallissimus der sardinischen Truppen ernannt ist; Romarino wird den rechten und Garibaldi den linken Flügel befehligen. &#x2012; Die Offiziere der zu Mantua in Garnison liegenden ungarischen Regimenter haben in der Mailänder Zeitung vom 19. einen Protest gegen Kossuth veröffentlicht, worin sie zugleich versichern, ihrem dem Kaiser geleisteten Eide treu bleiben zu wollen. Die &#x201E;Opinione&#x201C; glaubt wohl mit Recht, daß diese Erklärung den Ungarn durch Drohungen und Bestechung abgepreßt worden sei.</p>
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        <head>Schweiz.</head>
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          <head>Lugano, 22. Oct.</head>
          <p>Gestern langten 15 Ungarn, denen Kossuth's Aufruf in die Hände gefallen war, aus dem Heerr Radetzky's hier an. Sie versichern, daß ihnen nächstens 300 Landsleute folgen werden. Gleichzeitig meldet man aus Verona, daß dort 600 Ungarn ausgerissen seien und mit 100 Italienern den Weg in's Tyrol eingeschlagen hätten.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar129_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>19</author></bibl> Paris, 25. Okt.</head>
          <p>&#x201E;Einen Obolus dem armen Belisar! Ein Almosen um Gotteswillen für den alten, blind gewordenen Retter des Vaterlandes! Einen Obolus, die honette Republik für einen Obolus!&#x201C;</p>
          <p>Kann man rührender flehen, als gestern in der Nationalversammlung für den tugendhaften Bürger Marrast gebettelt wurde? Hr. Marrast ist mehr als der Vater des Vaterlandes, er ist der Vater der Conciliation. Hr. Marrast sah die traurige Zersplitterung der honett-republikanischen und alt-monarchischen Reaktion, &#x2012; verderblicher Zwiespalt für das Glück und die Ruhe aller honetten Krämer und Beutelschneider! Der Parvenu des National eröffnete also im Interesse der Honetten den Kampf wider seine hochmüthigen aristokratischen Gegner. Er bekämpfte sie, weit entfernt von den gewöhnlichen unhonetten Waffen politischer Parteisucht, auf dem friedlichen und honetten Boden seiner Tanzsäle: Hr. Armand Marrast, der Exredakteur des National, tanzte vor den alten Freunden Louis-Philipps und Heinrich V. Wer sollte nicht lachen, wenn er Hrn. Marrast vor Dufaure, Mole, Baraguay-d'Hilliers einen honetten Cancan tanzen sieht? Bring aber deinen Gegner zum Lachen und du hast ihn besiegt; Niemand wird dem parlamentarischen Repräsentanten der honetten Republik ein außerordentliches Feldherrntalent absprechen.</p>
          <p>Natürlich, daß die Kommission de Comptabilite die Verdienste des Hrn. Marrast zu krönen wünschte, zumal Hr. Marrast selbst ein bescheidenes Verlangen danach äußerte. Was sind 4000 Fr. Monatgehalt für die anstrengenden Balletstudien des alten Rittmeisters Marrast? Die Kommission verlangte eine monatliche Zulage von 6000 Fr., ein unbedeutendes Nadelgeld, eine honettrepublikanische Dotation von 10,000 Fr. per Monat für den König der Conciliation, in dessen Beinen die Zukunft der Republik beruht. Nicht allein, daß schon die Sprünge des Hrn. Marrast unter Freunden 10,000 Fr. werth sind, auch aus national-ökonomischen Gründen ist diese Dotation mehr als vortheilhaft für die Republik. Hr. Degousen setzte dies Verhältniß der erstaunten Nationalversammlung mit klarer Schärfe auseinander. Hr. Degousen hat sich schon früher als tiefsinniger Oekonom bewährt: ist Hr. Degousen nicht der Erfinder, Anfertiger und Verkäufer des écharpes parlementaires, welche die Deputirten schmücken? Hr. Degousen unterstützte die Dotation des Präsidenten in der That mit allem Scharfsinn vom Standpunkt der Wissenschaft. &#x201E;Der Handel,&#x201C; sagte der industrielle Schärpenhändler, &#x201E;hat sich seit den traurigen Juniereignissen etwas gehoben. Einige Feten werden ihm noch mehr Aufschwung geben, und euer Präsident wünscht blos deshalb seine Kollegen bei sich zu empfangen, um den Handel blühender zu machen!&#x201C; Wird man der Pariser Industrie den Todesstoß versetzen wollen, indem man Hrn. Marrast die verlangten 6000 Fr. verweigert?</p>
          <p>Aber, o Schrecken! die honette Republik, die Republik der Krämer und Industrieritter ist in der That am Verscheiden! Niemand will auch nur den Marrastschen Obolus an sie verschwenden! Die Versammlung geht über den Antrag, ohne daß er unterstützt, ohne daß die Artikel zur Debatte gekommen wären, zur Tagesordnung über! &#x201E;Weinet, Modisten! Weinet, Friseure! Jammert, ihr Pastetenbäcker!&#x201C; ruft la Reforme.</p>
          <p>Hr. Goudchaux, der Finanzminister und Exbanquier des National, hat in gerechter Entrüstung über die Niederlage seines alten Redakteurs seine Entlassung genommen; Hr. Marrast wird schweigend seine Tanzschuhe ausziehen und sie auf das Grab der Pariser Industrie, der honetten Republik niederlegen. Armer National!</p>
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          <head><bibl><author>19</author></bibl> Paris, 26. Okt.</head>
          <p>Zu dem 10. Dezember, wo die Präsidentenwahl statt0nden soll, beginnt bereits eine große steeplechasse des Präsidenten aller Farben. Louis Bonaparte überschwemmt das Land mit Agenten, welche vorzugsweise in den Gegenden, wo die geringste politische Aufklärung herrscht, wirken sollen; zugleich sind 13 neue Journale vorbereitet, um die Wahl des ehemaligen Londoner Konstablers zu unterstützen. Zwischen den Orleanisten und Henriquinquisten ist ein Vertrag geschlossen, nach welchem man gemeinschaftlich zuerst Heinrich V. ins Feuer schicken will, unter der Bedingung, daß ein Orleans der Nachfolger werden solle. Der Beduinen- und Insurgenten-Schlächter Cavaignac hat nur deshalb ein royalistisches Ministerium gebildet, um die Stimme der Partei Thiers und Konsorten für die Präsidentschaft zu erhalten. Hr. v. Lamartine endlich, &#x201E;la putain politique&#x201C;, wie ihn die Demokraten nennen, bereist die Departements, um den Bauern die poetischen Bourgeoisphrasen der idealen Fraternite vorzusingen, und Ledru-Rollin hat sich entschlossen, bei den Demokraten in der Provinz ebenfalls Besuch zu machen.</p>
          <p>Wer wird Präsident werden? &#x2012; Niemand. Es ist kein Zweifel, daß Heinrich V. im Süden vielleicht eine Million Stimmen erhält, denn die Bauern fragen nicht darnach, ob er etwa durch ein Gesetz ausgeschlossen ist, und seine Agenten betreiben die Wahl in der Hoffnung einer royalistischen Insurrektion, wenn die Stimmen kassirt werden. Louis Bonaparte wird, wenn er nicht mittlerweile Gelegenheit findet, sich gründlich als bête zu kompromittiren, unstreitig die meisten Stimmen über seine Rivalen erhalten; ein großer Theil des Heeres, der antirepublikanischen Bauern und selbst der kleinen Bourgeoisie scheint ihm gewiß zu sein; ob er aber die erforderliche &#x201E;absolute&#x201C; Mehrheit der gesammten Stimmenzahl erreicht, wird bis jetzt von seiner eigenen Partei bezweifelt. Die Stimmen der Arbeiter und der Demokraten werden sich wahrscheinlich zersplittern. Ledru-Rollin wird unleugbar zahlreichen Anhang finden, aber ebenso gewiß ist es auch, daß er die Ehre des Tages mit Raspail und vielleicht auch mit Cabet theilen wird; nicht allein die größere Zahl der Pariser Arbeiter, sondern auch ein bedeutender Theil der Nationalgarde, namentlich die 2. und 10. Legion, welche in den letzten Wahlen für Raspail, Cabet und Thore stimmten, sprechen sich bereits offen für die Kandidatur Raspails, des Gefangenen von Vincennes, aus. Und Lamartine und Cavaignac? Ja, Hr. v. Lamartine wird allerdings auch Stimmen erhalten. Er hat sich auf sein Schloß begeben und bereits 3000 Fr. an die dortigen &#x201E;Armen&#x201C; austheilen lassen; bedenkt man, daß die Bauern des ideal-philantropischen Poeten sehr ausgehungert sein sollen, und daß demnach ein Geschenk von 1 Fr. per Kopf wahre Wunder thut, so tragen ihm die 3000 Fr. Almosen netto 3000 Stimmen ein, wozu noch einige Hohlköpfe in denjenigen Gegenden kommen, in welchen Hr. v. Lamartine mit Fraternitäts-Deklamationen debutiren wird. Dieser elende Verräther, der mit den französischen Demokraten nach seinem eigenen Geständniß &#x201E;konspirirte, wie der Blitzableiter mit der Wetterwolke,&#x201C; d. h. wie ein gemeiner Polizeispion, der ebenso die deutschen, belgischen, italienischen Demokraten an ihre landesväterlichen Despoten und die Fanghunde der Parkets verrieth: dieser &#x201E;philantropische Sozialist&#x201C; wird von den Demokraten und Arbeitern wegen seiner Verräthereien ebenso verachtet, wie ihn die Bourgeoisie haßt, weil sie in der Juni-Insurrektidn die Folge seiner philantropischen Phrasen sieht. Und was Cavaignac betrifft, so werden ihm, trotzdem daß Hr. <hi rendition="#g">Moses Heß</hi> in den Pariser Korrespondenzen der &#x201E;<hi rendition="#g">Köln. Ztg.</hi>&#x201C; gern den Retter Frankreichs aus ihm machen möchte, außer der Partei des National kaum einige Reste der Armee treu bleiben. Die Bourgeoisie haßt ihn, und das ist beiläufig auch die Quelle, aus welcher Hr. v. Girardin den Muth zu seinen Angriffen schöpft; die Nationalgarde und fast die ganze Garde mobile sind von ihm abgefallen.</p>
          <p>Nach diesen Verhältnissen ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Wahl des Präsidenten an die Nationalversammlung zurückfallen wird. In Paris aber glaubt man nicht mehr an deren friedliche Ausführung. Man hofft oder befürchtet, daß dieser Tag das Signal einer neuen, beispiellos blutigen Revolution geben werde, und damit ist nicht ein Insurrektionsversuch in den antirepublikanischen Provinzen, sondern ein neuer Kampf in Paris gemeint, in welchem die Arbeiter und die seltsam veränderte Stimmung der Garde mobile den Ausschlag geben könnten. Ueber die Aussichten, welche dazu vorhanden sind, werde ich Ihnen morgen schreiben.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 25. Oktober.</head>
          <p><hi rendition="#g">E. Girardin</hi> fährt in seinen Angriffen gegen Cavaignac fort.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Moniteur,</hi> sagt er, ist der steinerne Gast für den Don Juan des &#x201E;National&#x201C;, den Herrn Cavaignac. Der &#x201E;Moniteur&#x201C; legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac den 22. und 23. Juni nach der Diktatur strebte und keine seiner Pflichten erfüllt hat.</p>
          <p>Der &#x201E;Moniteur&#x201C; legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, Republikaner von Geburt, sobald er sich der Macht bemächtigen konnte, einen andern Gedanken hegte: sich dadurch sicher zu stellen vor den furchtbaren, ihm drohenden Interpellationen, daß er am 25. Juni zwei Freiheiten mit Einem Schlage tödtete, die individuelle Freiheit und die Preßfreiheit.</p>
          <p>Der &#x201E;Moniteur&#x201C; legt Zeugniß ab, daß die Suspension der Journale keinen andern Zweck hatte, als zu verhindern, daß man die Berechnungen und Inconsequenzen des Herrn Cavaignac bloslege.</p>
          <p>Der &#x201E;Moniteur&#x201C; legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, improvisirter Diktator, mit der Einführung und Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes nur das Eine bezweckte, sich zum Präsidenten der Republik wählen zu lassen, unter der Herrschaft der Furcht der Nationalversammlung.</p>
          <p>Der &#x201E;Moniteur&#x201C; legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac nur zu diesem Behufe Commissaire in die Departemente schicken wollte, deren Abreise die Interpellationen des Herrn Baze verhindert haben.</p>
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            <ref type="link">(Hierzu eine Beilage.)</ref>
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[0650/0004] Voranschlag der Einnahmen des Reichsministeriums der Finanzen für die Monate September, Oktober, November und Dezember 1848. Tit. II. Reichskassen-Verwaltung. §. 1. Für die Nationalversammlung und die laufenden Ausgaben der provisorischen Centralgewalt: a) Baarstände am 31. August: 1. Der Martikularkasse Fl. 48,732. 34 Kr. 2. Der Kanzleikasse Fl. 14,508. 6 Kr. Fl. 63,240. 40 Kr. b) Ausstände früherer Umlagen: 1. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 1. Mai Fl. 805. 50 Kr. 2. Der Umlage von Fl. 60,000 vom 5. Juli Fl. 3115. 41 Kr. Fl. 3921. 31 Kr. c) Umlage vom 30. September Fl. 120,000. ‒ Kr. Summa: Fl. 187,162. 11 Kr. Nach dem Ausgabebüdget beläuft sich das Bedürfniß mit Ausschluß der Summen für die Reichsfestungen, die Reichstruppen und die Marine auf Fl. 354,763. 10 Kr. Hiervon ab die vorhandenen Fl. 187,162. 11 Kr. Bleiben durch Umlage zu decken Fl. 167,600. 59 Kr. §. 2. Für die Reichsfestungen: a) Baarstände auf den 31. August: In der Partikularkasse für die Unterhaltung von Mainz und Luxemburg Fl. 11,520. 2 1/2 Kr. b) Ausstände früherer Umlagen: 1. Der auf den 23. April d. J. fälligen Umlage von Fl. 1,812,318. 23 Kr. für den Ulm-Rastadter Baufaufond Fl. 698,830. 11 Kr. 2. Der Umlage von einer Million für den Ulm-Rastadter-Approvisionirungsfond (Beschluß vom 2. März d. J. Prot. S. 195 und 201 a.) Fl. 11,934. 36 Kr. Fl. 710,764. 47 Kr. c) Fonds bei Rothschild am 31. August: 1. Ulm-Rastadter Baufond Fl. 902,745. ‒ Kr. 2. Ulm-Rastadter Approvisionirungsfond Fl. 801,776. 44 Kr. 3. Mainzer Approvisionirungsfond Fl. 16,454. 13 Kr. 4. Luxemburger Approvisionirungsfond Fl. 164,180. 28 Kr. 5. Mainzer Reservefond Fl. 129,284. 27 Kr. 6. Luxemburger Reservefond Fl. 24,107. 22 Kr. 7. Zinsenfond Fl. 221,226. 26 Kr. Fl. 2,259,774. 40 Kr. d) Die zweite Hälfte der für die Unterhaltung der Reichsfestungen Mainz und Luxemburg jährlich aufzubringenden Summe von Fl. 117,888. 39 Kr. (Beschluß vom 19. August.) Fl. 58,944. 19 1/2 Kr. Summe Fl. 3,041,003. 49 Kr. Diese Summe, als zur Verwendung für die Festungen bestimmt, ist in den Voranschlag des Kriegsministeriums Tit. II. aufgenommen. §. 3. Reichstruppen. Hierfür sind Fl. 1,750,000 (1 Million Thlr.) angesprochen, welche nicht eine Vermehrung, sondern eine Ausgleichung der Kosten, die von den Einzelstaaten aufgewendet werden, bezwecken, und theils durch Aufstellung und Verpflegung von Truppen, die zur Erhaltung der Sicherheit und eines gesetzlichen Zustandes zusammengezogen werden, theils in Geld zu leisten sind. Das Finanzministerium wird daher zu ermächtigen sein, den ganzen Betrag von Fl. 1,750,000 nach der Matrikel umzulegen, davon aber nur soviel wirklich einzufordern, als für Vorschüsse in dringen Fällen, und für Ausgleichung der Leistungen nöthig ist. §. 4. Für die Marine durch Umlage vom 10. Oktober Fl. 5,250,000. ‒ Kr. An freiwilligen Beiträgen Fl. 73,000. ‒ Kr. Fl. 5,323,000 - Kr. Hierzu §. 1 Fl. 187,162 11 Kr. §. 2 Fl. 3,041,003 49 Kr. Summe Fl. 8,551,161 - Kr. Der Voranschlag der Ausgaben beträgt Fl. 10,468,766 59 Kr. Der Voranschlag der Einnahmen beträgt Fl. 8,551,166 - Kr. Es sind daher durch Umlagen beizubringen Fl. 1,917,600 59 Kr. und zwar 1) für die Bedürfnisse der Nationalversammlung und der Centralgewalt Fl. 167,600 59 Kr., welche sich um den Betrag der von der Nationalversammlung zu bestimmenden Gehalte der Minister und Unterstaatssekretäre erhöhen; 2) für Reichstruppen Fl. 1,750,000 - Kr., welche nach Maßgabe des Bedarfs für die Ausgleichung und etwaigen Vorschüsse einzuziehen sind. Italien. * Messina, 13. Oct. Messina bietet gegenwärtig einen entsetzlichen Anblick dar. Ich dachte bei meiner Hierherkunft, die verschiedenen, in italienischen Blättern enthaltenen Berichte über das Elend der Stadt wären übertrieben, aber ich habe mich jetzt durch den Augenschein überzeugt, daß auch die schlimmsten die Wahrheit noch nicht erreichten. Es scheint, daß der neapolitanische Kommandeur fürchtete, seine Truppen würden gleich beim ersten Angriffe zurückgeworfen werden. Deßwegen, damit die Häuser auf beiden Seiten des Wegs und der Straße dem Feinde keinen Haltpunkt böten, entschloß er sich, sie beim Avanciren sämmtlich in Brand zu stecken. Zu diesem Zwecke erhielten die Soldaten mit einer zündbaren Flüssigkeit angefüllte Zinnbüchsen. Diese Flüssigkeit mußten sie beim Vorbeimarschiren mit einer kleinen Bürste auf sämmtliches Holzwerk der Fenster und Thüren streichen, die letzten Rotten hatten dann ein Zündhölzchen zu appliciren, und im Nu war Alles Eine Gluth. Im Umkreise von einer halben Stunde ist jedes Haus ohne Dach; Gebälk und Fußböden sind von der Flamme verzehrt; nur die geschwärzten Mauern stehen noch da, stellenweise noch zum Ueberfluß die Spuren der von den Schiffen geschleuderten Kugeln und Bomben zeigend. Ueberall nichts als zerbröckelnde Steinhaufen und zertrümmerte Pallisaden; die Villen, die noch kürzlich den Stolz von Messina ausmachten, unheimliche Ruinen, und die Gärten, Messina's lachende Gärten, wüst und zertreten. Kirchen, Palläste und Hütten ‒ Alles ohne Unterschied der Barbarei verfallen! Zu Palermo hielt ich mich auf meinem Wege hierher nur wenige Stunden auf, und fand dort Alles voll Muth und Begeisterung. Die Lage der Stadt ist günstiger, wie die von Messina; sie kann weder von einer Citadelle noch von einer Flotte beschossen werden, und auf der Landseite wird sie der Muth der Sicilianer eventuell zu schützen wissen. * Die „Natione“, Organ des neapolitanischen Ministeriums, erklärt, daß eine friedliche Lösung der sicilianischen Frage bevorstehe. Es wird hiermit eine von der Pariser „Presse“ vom 26. Oct. mitgetheilte Nachricht in Zusammenhang zu bringen sein, wonach der Admiral Ruggino Settimo, Präsident der provisorischen Regierung Siciliens, dem Parlamente von Palermo am 7. Oct. eröffnet hätte, daß, nachdem Messina, das Bollwerk Siciliens, in die Hände der Neapolitaner gefallen, man dem Könige Concessionen machen müsse, um die Schrecken eines fernern Bürgerkrieges zu vermeiden. Diese Concessionen würden jedoch die errungenen Freiheiten des Landes in keiner Weise verletzen. Der Aufstand zu Mailand hat sich bis jetzt weder durch Blätter, noch durch Korrespondenzen bestätigt. Die Turiner „Concordia“ erzählt in ihrer Nummer vom 21. Okt. blos, Radetzky habe am 16. einen Kriegsrath gehalten und sich, gegen die Meinung seiner Offiziere, für ein Zurückziehen in die Festungen entschieden. Die Truppen werden durch die Furcht, Garibaldi auf allen Punkten der Lombardei erscheinen zu sehen, beständig in Athem gehalten. Auf der Schweizergränze stehen 5000 entschiedene junge Leute, die nur ein Signal erwarten, um sich auf die Oesterreicher zu stürzen. Ueberall, in den Städten und auf dem Lande, eine konzentrirte Wuth, wie man sie nur vor der Märzrevolution gekannt hat. ‒ Die „Alba“ versichert jetzt positiv, daß der polnische General Chrzanowski zum Generallissimus der sardinischen Truppen ernannt ist; Romarino wird den rechten und Garibaldi den linken Flügel befehligen. ‒ Die Offiziere der zu Mantua in Garnison liegenden ungarischen Regimenter haben in der Mailänder Zeitung vom 19. einen Protest gegen Kossuth veröffentlicht, worin sie zugleich versichern, ihrem dem Kaiser geleisteten Eide treu bleiben zu wollen. Die „Opinione“ glaubt wohl mit Recht, daß diese Erklärung den Ungarn durch Drohungen und Bestechung abgepreßt worden sei. Schweiz. Lugano, 22. Oct. Gestern langten 15 Ungarn, denen Kossuth's Aufruf in die Hände gefallen war, aus dem Heerr Radetzky's hier an. Sie versichern, daß ihnen nächstens 300 Landsleute folgen werden. Gleichzeitig meldet man aus Verona, daß dort 600 Ungarn ausgerissen seien und mit 100 Italienern den Weg in's Tyrol eingeschlagen hätten. Französische Republik. 19 Paris, 25. Okt. „Einen Obolus dem armen Belisar! Ein Almosen um Gotteswillen für den alten, blind gewordenen Retter des Vaterlandes! Einen Obolus, die honette Republik für einen Obolus!“ Kann man rührender flehen, als gestern in der Nationalversammlung für den tugendhaften Bürger Marrast gebettelt wurde? Hr. Marrast ist mehr als der Vater des Vaterlandes, er ist der Vater der Conciliation. Hr. Marrast sah die traurige Zersplitterung der honett-republikanischen und alt-monarchischen Reaktion, ‒ verderblicher Zwiespalt für das Glück und die Ruhe aller honetten Krämer und Beutelschneider! Der Parvenu des National eröffnete also im Interesse der Honetten den Kampf wider seine hochmüthigen aristokratischen Gegner. Er bekämpfte sie, weit entfernt von den gewöhnlichen unhonetten Waffen politischer Parteisucht, auf dem friedlichen und honetten Boden seiner Tanzsäle: Hr. Armand Marrast, der Exredakteur des National, tanzte vor den alten Freunden Louis-Philipps und Heinrich V. Wer sollte nicht lachen, wenn er Hrn. Marrast vor Dufaure, Mole, Baraguay-d'Hilliers einen honetten Cancan tanzen sieht? Bring aber deinen Gegner zum Lachen und du hast ihn besiegt; Niemand wird dem parlamentarischen Repräsentanten der honetten Republik ein außerordentliches Feldherrntalent absprechen. Natürlich, daß die Kommission de Comptabilite die Verdienste des Hrn. Marrast zu krönen wünschte, zumal Hr. Marrast selbst ein bescheidenes Verlangen danach äußerte. Was sind 4000 Fr. Monatgehalt für die anstrengenden Balletstudien des alten Rittmeisters Marrast? Die Kommission verlangte eine monatliche Zulage von 6000 Fr., ein unbedeutendes Nadelgeld, eine honettrepublikanische Dotation von 10,000 Fr. per Monat für den König der Conciliation, in dessen Beinen die Zukunft der Republik beruht. Nicht allein, daß schon die Sprünge des Hrn. Marrast unter Freunden 10,000 Fr. werth sind, auch aus national-ökonomischen Gründen ist diese Dotation mehr als vortheilhaft für die Republik. Hr. Degousen setzte dies Verhältniß der erstaunten Nationalversammlung mit klarer Schärfe auseinander. Hr. Degousen hat sich schon früher als tiefsinniger Oekonom bewährt: ist Hr. Degousen nicht der Erfinder, Anfertiger und Verkäufer des écharpes parlementaires, welche die Deputirten schmücken? Hr. Degousen unterstützte die Dotation des Präsidenten in der That mit allem Scharfsinn vom Standpunkt der Wissenschaft. „Der Handel,“ sagte der industrielle Schärpenhändler, „hat sich seit den traurigen Juniereignissen etwas gehoben. Einige Feten werden ihm noch mehr Aufschwung geben, und euer Präsident wünscht blos deshalb seine Kollegen bei sich zu empfangen, um den Handel blühender zu machen!“ Wird man der Pariser Industrie den Todesstoß versetzen wollen, indem man Hrn. Marrast die verlangten 6000 Fr. verweigert? Aber, o Schrecken! die honette Republik, die Republik der Krämer und Industrieritter ist in der That am Verscheiden! Niemand will auch nur den Marrastschen Obolus an sie verschwenden! Die Versammlung geht über den Antrag, ohne daß er unterstützt, ohne daß die Artikel zur Debatte gekommen wären, zur Tagesordnung über! „Weinet, Modisten! Weinet, Friseure! Jammert, ihr Pastetenbäcker!“ ruft la Reforme. Hr. Goudchaux, der Finanzminister und Exbanquier des National, hat in gerechter Entrüstung über die Niederlage seines alten Redakteurs seine Entlassung genommen; Hr. Marrast wird schweigend seine Tanzschuhe ausziehen und sie auf das Grab der Pariser Industrie, der honetten Republik niederlegen. Armer National! 19 Paris, 26. Okt. Zu dem 10. Dezember, wo die Präsidentenwahl statt0nden soll, beginnt bereits eine große steeplechasse des Präsidenten aller Farben. Louis Bonaparte überschwemmt das Land mit Agenten, welche vorzugsweise in den Gegenden, wo die geringste politische Aufklärung herrscht, wirken sollen; zugleich sind 13 neue Journale vorbereitet, um die Wahl des ehemaligen Londoner Konstablers zu unterstützen. Zwischen den Orleanisten und Henriquinquisten ist ein Vertrag geschlossen, nach welchem man gemeinschaftlich zuerst Heinrich V. ins Feuer schicken will, unter der Bedingung, daß ein Orleans der Nachfolger werden solle. Der Beduinen- und Insurgenten-Schlächter Cavaignac hat nur deshalb ein royalistisches Ministerium gebildet, um die Stimme der Partei Thiers und Konsorten für die Präsidentschaft zu erhalten. Hr. v. Lamartine endlich, „la putain politique“, wie ihn die Demokraten nennen, bereist die Departements, um den Bauern die poetischen Bourgeoisphrasen der idealen Fraternite vorzusingen, und Ledru-Rollin hat sich entschlossen, bei den Demokraten in der Provinz ebenfalls Besuch zu machen. Wer wird Präsident werden? ‒ Niemand. Es ist kein Zweifel, daß Heinrich V. im Süden vielleicht eine Million Stimmen erhält, denn die Bauern fragen nicht darnach, ob er etwa durch ein Gesetz ausgeschlossen ist, und seine Agenten betreiben die Wahl in der Hoffnung einer royalistischen Insurrektion, wenn die Stimmen kassirt werden. Louis Bonaparte wird, wenn er nicht mittlerweile Gelegenheit findet, sich gründlich als bête zu kompromittiren, unstreitig die meisten Stimmen über seine Rivalen erhalten; ein großer Theil des Heeres, der antirepublikanischen Bauern und selbst der kleinen Bourgeoisie scheint ihm gewiß zu sein; ob er aber die erforderliche „absolute“ Mehrheit der gesammten Stimmenzahl erreicht, wird bis jetzt von seiner eigenen Partei bezweifelt. Die Stimmen der Arbeiter und der Demokraten werden sich wahrscheinlich zersplittern. Ledru-Rollin wird unleugbar zahlreichen Anhang finden, aber ebenso gewiß ist es auch, daß er die Ehre des Tages mit Raspail und vielleicht auch mit Cabet theilen wird; nicht allein die größere Zahl der Pariser Arbeiter, sondern auch ein bedeutender Theil der Nationalgarde, namentlich die 2. und 10. Legion, welche in den letzten Wahlen für Raspail, Cabet und Thore stimmten, sprechen sich bereits offen für die Kandidatur Raspails, des Gefangenen von Vincennes, aus. Und Lamartine und Cavaignac? Ja, Hr. v. Lamartine wird allerdings auch Stimmen erhalten. Er hat sich auf sein Schloß begeben und bereits 3000 Fr. an die dortigen „Armen“ austheilen lassen; bedenkt man, daß die Bauern des ideal-philantropischen Poeten sehr ausgehungert sein sollen, und daß demnach ein Geschenk von 1 Fr. per Kopf wahre Wunder thut, so tragen ihm die 3000 Fr. Almosen netto 3000 Stimmen ein, wozu noch einige Hohlköpfe in denjenigen Gegenden kommen, in welchen Hr. v. Lamartine mit Fraternitäts-Deklamationen debutiren wird. Dieser elende Verräther, der mit den französischen Demokraten nach seinem eigenen Geständniß „konspirirte, wie der Blitzableiter mit der Wetterwolke,“ d. h. wie ein gemeiner Polizeispion, der ebenso die deutschen, belgischen, italienischen Demokraten an ihre landesväterlichen Despoten und die Fanghunde der Parkets verrieth: dieser „philantropische Sozialist“ wird von den Demokraten und Arbeitern wegen seiner Verräthereien ebenso verachtet, wie ihn die Bourgeoisie haßt, weil sie in der Juni-Insurrektidn die Folge seiner philantropischen Phrasen sieht. Und was Cavaignac betrifft, so werden ihm, trotzdem daß Hr. Moses Heß in den Pariser Korrespondenzen der „Köln. Ztg.“ gern den Retter Frankreichs aus ihm machen möchte, außer der Partei des National kaum einige Reste der Armee treu bleiben. Die Bourgeoisie haßt ihn, und das ist beiläufig auch die Quelle, aus welcher Hr. v. Girardin den Muth zu seinen Angriffen schöpft; die Nationalgarde und fast die ganze Garde mobile sind von ihm abgefallen. Nach diesen Verhältnissen ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Wahl des Präsidenten an die Nationalversammlung zurückfallen wird. In Paris aber glaubt man nicht mehr an deren friedliche Ausführung. Man hofft oder befürchtet, daß dieser Tag das Signal einer neuen, beispiellos blutigen Revolution geben werde, und damit ist nicht ein Insurrektionsversuch in den antirepublikanischen Provinzen, sondern ein neuer Kampf in Paris gemeint, in welchem die Arbeiter und die seltsam veränderte Stimmung der Garde mobile den Ausschlag geben könnten. Ueber die Aussichten, welche dazu vorhanden sind, werde ich Ihnen morgen schreiben. * Paris, 25. Oktober. E. Girardin fährt in seinen Angriffen gegen Cavaignac fort. Der Moniteur, sagt er, ist der steinerne Gast für den Don Juan des „National“, den Herrn Cavaignac. Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac den 22. und 23. Juni nach der Diktatur strebte und keine seiner Pflichten erfüllt hat. Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, Republikaner von Geburt, sobald er sich der Macht bemächtigen konnte, einen andern Gedanken hegte: sich dadurch sicher zu stellen vor den furchtbaren, ihm drohenden Interpellationen, daß er am 25. Juni zwei Freiheiten mit Einem Schlage tödtete, die individuelle Freiheit und die Preßfreiheit. Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß die Suspension der Journale keinen andern Zweck hatte, als zu verhindern, daß man die Berechnungen und Inconsequenzen des Herrn Cavaignac bloslege. Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac, improvisirter Diktator, mit der Einführung und Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes nur das Eine bezweckte, sich zum Präsidenten der Republik wählen zu lassen, unter der Herrschaft der Furcht der Nationalversammlung. Der „Moniteur“ legt Zeugniß ab, daß Herr Cavaignac nur zu diesem Behufe Commissaire in die Departemente schicken wollte, deren Abreise die Interpellationen des Herrn Baze verhindert haben. (Hierzu eine Beilage.)

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 129. Köln, 29. Oktober 1848, S. 0650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz129i_1848/4>, abgerufen am 27.04.2024.