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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 123. Köln, 22. Oktober 1848. Zweite Ausgabe.

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sein, diese Frage nach den Grundsätzen der Politik und des Staatsrechts zu entscheiden, weil sie für uns zu wichtig sei. Wir müssen zuerst auf die Wiener Verträge zurückgehen; wir müssen alle Verpflichtungen halten, die diese Verträge uns auferlegten.

Der Redner erzählt die Hergänge am Wiener Kongreß, wo man Anfangs Willens war, ein großes Polenreich zu bilden; wie Kaiser Alexander dafür schwärmte, wie dies aber unmöglich gemacht wurde. Ein freies unabhängiges Polen wieder herzustellen, dis war seit 1810 die einstimmige Meinung aller Großmächte. Als England und Frankreich die Unmöglichkeit sahen, bemühten sie sich, Preußen auf die Gefahren hinzuweisen, welche die gänzliche Vernichtung Polens haben würde. So in mehreren Noten des Jahres 1814. Der Art. 1 des Wiener Vertrages sicherte den Polen ihre politische Existenz. In der preußischen Redaktion ist davon abgewichen. Der Redner gibt eine sehr vollständige stundenlange Kritik der Wiener Verträge von 1815, welche auf das Großherzogthum Posen Bezug haben. - Im vollen Widerspruch mit den Besitznahmepatenten steht der Huldigungseid des Großherzogthums. Ich kann mir diesen Eid nicht erklären. Und wie ist mit den früheren Verträgen der Bericht des Oberpräsidenten Flotwell vom 15. Mai 1841 vereinbar?

Ich halte die Trennung der beiden Nationalitäten für eine Unmöglichkeit, weil sie schon so miteinander verwachsen sind, daß eine Trennung, ohne Ungerechtigkeit nicht mehr möglich ist. Aber auch im Interesse unserer Sicherheit ist die Demarkation zu verwerfen. Unsere erste Vertheidigungslinie gegen Osten bildet die Weichsel, die zweite die Oder. Die Festung Posen die nothwendige Verbindung. Gegen die Amendements von Geßler und Auerswald muß ich mich ganz entschieden erklären. Der Beschluß der Frankfurter Versammlung kann uns hier nicht vorgreifen. Gewiß ist die Frage wegen des Großherzothums eine "innere" und unsere Zustimmung also erforderlich. Ich glaube indeß nicht, daß schon heute die Zeit, die Frage wegen der Demarkation zu verhandeln. Es kann uns ganz gleichgültig sein, ob ein Theil unseres Landes zu Deutschland gehört oder nicht. Wir wollen nur Gerechtigkeit für Polen und müssen deshalb auch unsere Verpflichtungen erfüllen, abgesehen von allen Sympathieen. In einem besondern Gesetze müssen wir die Rechte der Polen feststellen.

Abg. Geßler, Nach der poetischen Auffassung, mit welcher die beiden Redner diese Frage aufgefaßt, sehe ich mich genöthigt, zur Prosa zurückzukehren. Jene wollen diese Frage jetzt ungelöst lassen und den Status que von 1815 erhalten, ich will aber die endliche Lösung. Die deutsche Bevölkerung des Großherzogthums befindet sich in einer unglücklichen Lage. Sie will von ihren Nachbarn, die gezeigt haben, daß sie es nicht gut mit ihr meinen, getrennt sein. Dieser zweifelhaften Lage muß aber ein Ende gemacht werden. Diese Versammlung hat noch nichts dafür gethan. Die zur Untersuchung der posenschen Angelegenheiten niedergesetzte Kommission hat bis jetzt noch kein Zeichen ihrer Wirksamkeit gegeben. Sie haben vom letzten Redner, einem Mitgliede dieser Kommission, gehört, wie sie über die deutsche und polnische Bevölkerung denken. Andere Mitglieder dieser Kommission haben auch ihre Aeußerungen auf dieser Tribüne fallen lassen, welche keinesfalls die deutsche Bevolkerung zufriedenstellen können. Sogar ist von dieser Kommission darauf angetragen, daß die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung Hinsichts der Demarkationslinie nicht anzuerkennen. Können solche Ansichten die deutsche Bevölkerung beruhigen? Sehen wir nicht aus den Amendements der polnischen Abgeordneten, was ihr Zweck eigentlich ist? Um die Rechte der deutschen Bevölkerung zu wahren, stelle ich daher folgendes Amendement: 1) Bei der Einleitung einzuschalten hinter: "Völker" die Worte: "für die zu Deutschland gehörigen Landestheile." 2) Bei § 1 hinzuzufügen: für die nicht zu Deutschland gehörigen Theile des Großherzogthums Posen wird die Vereinbarung einer besondern Verfassung vorbehalten. Um dieses Amendement zu begründen geht er auf die Vorfälle des Frühjahrs im Großherzogthum zurück und setzt den Konflikt der deutschen und polnischen Bevölkerung und das Nähere über die Festsetzung der Demarkationslinie auseinander. Wir Deutsche in der Provinz Posen halten unsere Nationalität so lange für gefährdet, als die polnische Bevölkerung noch aufstehen kann und sagen, dieser Boden ist polnisch, wir wollen Euch allenfalls polnische Schutzverwandte im Lande behalten. Machen Sie es nicht wie in Oestreich, stellen Sie vielmehr mit der deutschen Nationalversammlung endlich die Theilung fest.

Diese Rede ruft einige Berichtigungen von verschiedenen Seiten hervor. Zwei Mitglieder der Kommission beklagen sich über die Ausdrücke des Abg. Geßler. Auch einige polnische Abgeordnete verwahren sich gegen die ihnen untergeschobenen Absichten.

Abg. Wachsmuth: Die Verfassungskommission ist von dem ursprünglichen Regierungsentwurfe, welcher auch nur von dem zu Deutschland gehörigen Landestheile spricht, deshalb abgegangen, weil sie nicht eingesehen, warum nicht alle Landestheile der preußischen Monarchie an unserer Verfassung Theil nehmen, warum der polnische Theil davon ausgeschlossen bleiben solle. Ob eine Demarkationslinie festgestellt wird oder nicht, bleibt hier ganz ohne Einfluß. Unsere polnischen Brüder werden bei der Berathung der Verfassung schon am geeigneten Orte für die Sicherstellung ihrer Nationalität Sorge tragen. Ich halte es für meine Pflicht, mit Gut und Blut wieder gut zu machen, welches unsere Väter der polnischen Nation zugefügt haben.

Abg. v. Auerswald: Ich glaube nicht, daß der Gegenstand, worüber wir heute berathen, noch ferner ausgesetzt werden kann, wenn wir die Schwierigkeiten nicht vermehren wollen. In der Verfassung muß die Linie genau begränzt sein, für welchen Kreis sie gelten solle. Wir sind wohl alle darüber einig, daß wir nur eine Verfassung für ein deutsches Land machen wollen. Wir müssen dies genau bezeichnen. Würden wir heute schon eine Verfassung des deutschen Reichs vor uns liegen haben, so würden wir gewiß darüber bald einverstanden sein, daß in einem deutschen Lande kein fremdes Gebiet eingeschlossen werden könne. - Die Zeit liegt noch nicht ferne uns, wo durch unbestimmte Ausdrücke die Flamme des Zwietrachts empor loderte; vermeiden wir daher gleiche Unbestimmtheiten. Wir sind mit Gut und Blut, alle, so weit wir Deutsche sind, verpflichtet, für die deutsche Grenze zu wachen. Vergeblich berufen wir uns auf eine vergangene Zeit. Wir können auf die Vergangenheit nicht zurückkommen. Der Redner spricht noch gegen alle eingereichte Amendements und empfiehlt das seinige, statt der Worte: "in ihrem gegenwärtigen Umfange" die Worte: "so weit sie zu Deutschland gehören" aufzunehmen.

Abg. Pockzywnicki. Die staatsrechtlichen Verhältnisse des Großherzogthums Posen sind bereits vom Abg. Ahrens so gründlich dargelegt worden, daß ich mich aller Gründe, die aus den Wiener Verträgen herzuleiten seien, enthalten kann. Meiner Ansicht nach, welche ich durch Verträge nachweisen will, existirt nur eine Personal-Union zwischen dem Großherzogthum und dem übrigen Staate. Ich will aber auf diesen Grund verzichten, da die Real-Union seit 1820 faktisch in Kraft war. Auch ich bin der Ansicht, daß das Prinzip der Nationalität sich in ganz Europa Bahn brechen und daß eine Zeit kommen wird, wo alle Nationalitäten sich zu einem Staate einigen werden. - Der Redner kommt auf die falschen Gründe, die für eine Theilung hervorgerufen sind, und beweist, daß sogar in dem Theile des Großherzogthums, welches zu Deutschland geschlagen werden solle, die polnische Bevölkerung die Majorität habe. Hierauf kommt der Redner auf einen Bericht des Generals Pfuel, als damaligen Pacifikator des Großherzogthums zu sprechen, welcher dem damaligen Ministerium den Rath gibt, da sich die Polen keine Demarkationslinie gefallen lassen wollen, das ganze Großherzogthum nach und nach zu germanisiren. Er glaube wohl, daß der Hr. v. Pfuel jetzt anderer Ansicht sein könne, aber man sieht doch was möglich sei. (Der Minister-Präsident verwahrt sich gegen die angegebene Aeußerung, welche nur in einem Privatschreiben enthalten sei, und ist erstaunt, sie veröffentlicht zu sehen.) Der Redner hebt die Zukunft des der Demarkationslinie zu unterwerfenden Theiles des Großherzogthums hervor, wenn dieser Theil nicht zum preußischen Staatsgebiet zugehören würde. In diesem polnischen Theile würden sich alsdann der Heerd aller polnischen Emigranten und Flüchtlinge anderer Länder zusammenfinden. Würde Rußland dazu stillschweigen? Es würde dieses kleine polnische Reich besetzen, wenn es aber zum preußischen Staatsgebiet gehöre, würde Rußland dies unmöglich sein.

Abg. Bauer. (Krotoschin.) Zum dritten Male kommt die polnische Frage in unsrer Mitte zur Sprache, und zum drittenmal sind alle Leidenschaften entflammt. Man wirft den Preußen noch immer die Theilung Polen's vor; aber dieses Verbrechen ist gesühnt durch alle die Wohlthaten, welche den Polen von Preußen gewährt wurden. Hier handelt es sich aber um unsere deutsche Brüder, welche sich theils erst in der neuesten Zeit im Großherzogthume niedergelassen haben; sie wollen Deutsche bleiben, sie wollen ihre Nationalität nicht aufgeben und nicht unter der Herrschaft der Polen stehen. Das unabhängige Polen hat keine weitere Aufgabe, als sich die Gränzprovinzen so schnell wie möglich anzueignen. - Worauf beruhen denn die Forderungen auf Absonderung des Großherzogthums Posen? Sie beruhen auf den Wiener Verträgen, auf den Versprechungen des März, und wir haben gehört, wie unsicher dieser Grund ist.

Abg. Moritz: Ich glaube, wir sind von der ursprünglichen Debatte abgewichen. Der Artikel 1 handelt nur vom preußischen Staatsgebiet. Ueberall spricht die Verfassung nur von Preußen. Wer sich also für keinen Preußen hält, der ist der Verfassung nicht unterworfen. Wir müßten dann neben den Rechten der Preußen auch noch die Rechte der Polen feststellen.

Abg. v. Lisiecki beschränkt sich nur darauf, mehrere von dem Redner vorgebrachte Thatsachen zu berichtigen. Besonders nimmt er auf die vom Abgeordneten Geßler gemachte Aeußerung Bezug, daß die Polen den Status quo von 1815 wollten und er von 1848. Ja, wir wollen den Status quo von 1815, da sah es noch anders im Großherzogthume aus. Seitdem hat ein Flottwell alles zu germanisiren gesucht. Man hat die Provinz mit deutschen Beamten überschwemmt, welche aber wahrlich nicht die Blüthe Deutschlands waren. Man will durch die Demarkationslinie, die ich eine satanische Erfindung nennen möchte, uns ganz abtrennen. Man gibt diesen Strich Landes verloren. Man wünscht uns darin alles Gute. Aber ist es möglich, daß wir uns darin absondern können? Beschließen Sie immerhin die Aufnahme des einen Theils in Deutschland, die Herzen der Polen, die in diesem Theile wohnen, können Sie nie zu deutschen machen.

Um 2 Uhr wird die Sitzung aufgehoben und die Debatte vertagt.

126 Breslau, 18. Oktbr.

Der Wiener Postzug, der um 3 1/2 Uhr Nachmittags ankommen sollte, kam erst 4 3/4 Uhr an. Reisende, die den 17. Abends Wien verließen, erzählen folgendes:

Die Ungarn haben die österreichische Grenze überschritten mit einer Macht von 100,000 Mann (??) und stehen nur eine Stunde von Auersperg's Lager. (?) 6-7000 Mann Gratzer Nationalgarde haben sich durch die feindliche Armee durchgeschlagen und sind in Wien angekommen. Bei Prerau sollen die Garden des Kaisers von der Nationalgarde entwaffnet sein.

Ich theile diese Nachrichten mit, ohne für ihre Wahrheit bürgen zu wollen, obgleich wir in einer Zeit der Wunder leben.

!!! Frankfurt, 20. Okt.

Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Verfassungsentwurfs. §. 2, 3 und 4.

Vor der Tagesordnung interpellirt v. Maifeld: Warum Baden einzig unter allen deutschen Ländern den Parlamentsmitgliedern keine Portofreiheit bewilligt? und ob das Reichsministerium der Badischen Regierung mittheilen wolle, daß ihr dies übel ansteht? (Große Heiterkeit).

Folgen Flottenbeiträge.

Tagesordnung: Berathung über den Verfassungsentwurf.

§. 2. "Kein Theil des deutschen Reiches darf mit nicht deutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein."

Minoritätserachten. Zusatz: "Insofern die eigenthümlichen Verhältnisse Oesterreichs die Ausführung dieses §. 2 und der daraus abgeleiteten Paragraphen hinsichtlich desselben nicht zulassen, soll die angestrebte Einheit und Macht Deutschlands im größtmöglichsten Maße durch den innigsten Anschluß Oesterreichs an Deutschland im Wege des völkerrechtlichen Bündnisses zwischen der Reichsgewalt und der österreichischen Regierung, erzielt werden. (Mühlfeldt, Detmold, Rothenhahn, Lassaulx).

§ 3. "Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personal-Union zu ordnen."

§. 4. "Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nichtdeutschen Lande in dem Verhältniß der Personal-Union steht, muß entweder in einem deutschen Lande residiren oder in demselben eine Regentschaft niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen"

Minoritätserachten: "Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nichtdeutschen Lande durch Personal-Union verbunden ist, darf nichtdeutsche Truppen in seine Länder nicht verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt." (Schüler, Blum, Wiegard).

Die zahlreichen Amendements folgen bei den Abstimmungen. Die Diskussion über §. 2 bis 4 wird beschlossen.

Es erhebt sich eine äußerst komische Debatte über die Einschreibungen der Redner, welche heute früh in etwas wilder und illegaler Weise vorgenommen zu sein scheinen. Die Zahl der Redner, welche theils für, theils wider den Entwurf des Verfassungsausschusses zu sprechen, eingeschrieben sind, beträgt mindestens Sechszig!!

Die Diskussion, welche wohl heute kaum geschlossen werden dürfte, und aus der ich Ihnen natürlich nur das hervorstechendste mittheilen werde, bewegt sich vorzüglich um Vereinigung mit Oesterreich zu einem deutschen Reiche, oder theilweiser Lostrennung von demselben. Sie sehen aber, daß der Ausschuß in seiner Majorität diesmal im Sinne der Linken sich ausgesprochen, d. h. nach dem Prinzip der Nationalitäten

Die Diskussion beginnt mit Fritsch (aus Oesterreich), welcher sich gegen den Entwurf ausspricht. Er will ganz Oesterreich mit Deutschland zu einem Reiche verbinden. Im entgegengesetzten Falle würde Deutschland sich schwächen, Oesterreich zerfallen, zum Theil russisch, zum Theil slawisch werden. Der Redner spricht sehr lange und sehr undeutlich, wird durch "Schluß!" unterbrochen, meint aber unter Heiterkeit, "er habe noch gar nicht lange gesprochen;" und fährt fort!

Eisenmann, dessen Rede mit tiefer Stille und gespannter Aufmerksamkeit gehürt wird, sagt u. a.: Als im Frühjahr Oesterreich aufwachte und den Frühling der Völker auf die würdigste Weise mitfeierte, wee hätte es da für möglich gehalten, daß je in der Paulskirche die Frage entstehen könnte, ob Oesterreich deutsch sein solle oder nicht? (Bravo!) Die deutsche Einheit geht mir über Alles. Hier berathen Deutsche, keine Slaven. Wenn in Wien die Demokratie siegen würde, sollte es mir leid thun (?), aber wenn die Camarilla siegte, dann meine Herren, würde ich nicht mehr länger hier sitzen wollen! (Bravo!) Was die Ungarn anlangt, diese hätten seit Jahrhunderten gegen die pragmatische Sanktion gekämpft. Diese käme ihm vor wie der Hut eines Taschenspielers, man könne ihn drehen und wenden wie man wolle. (Heiterkeit.) Wie perfid sei das Verfahren Oesterreichs gegen Ungarn gewesen? Erst habe man Jellachich desavouirt. Später habe man deutlich sehen lassen, was man mit ihm beabsichtige. Falsche Handbillette habe die Camarilla den Kaiser an Jellachich schreiben lassen. Wer könne einer so treulosen Regierung trauen? In der ungarischen Angelegenheit seien die meisten deutschen Zeitungen an die österreichische Camarilla verkauft (Bravo! Hört!); z. B. die Ober-Postamts-Zeitung! (Großer Beifall links. Gelächter. Schmerling scheint emsig in ein Zeitungsblatt vertieft.) Was sei es für eine gränzenlose Unverschämtheit von einem Blatte, sogar den Zug des Croaten Jellachich gegen die Freiheit der Wiener zu rechtfertigen. (Energisches Bravo.) Ungarn ist überdem ein ganz loyales Land, will gar keine Republik, will sogar einen Theil der österreichischen Staatsschuld übernehmen. Er erinnert an das ungarische Moriamur pro rege nostro Maria Theresia. Die Ungarn sind bereit, den Reichstag in Wien als vermittelnde Korporation anzunehmen.

Läßt der Redner die Gründe folgen, weshalb er gegen eine österreichische Föderativmonarchie ist. Ich hoffe, sagt er, unsere Verfassung soll so ausfallen, daß kein Nachbarstaat dadurch verletzt wird. Die Hauptsache aber ist, daß keiner von den Hiersitzenden das Recht hat, durch sein heutiges Votum 7 Millionen Deutsche aus dem deutschen Staatenverband herauszureißen. Die Konsequenzen dieser Lostrennung führen zum Bürgerkrieg, rother Republik (puh!) etc. Es giebt in Oesterreich gescheidte Leute. (Heiterkeit. Schmerling klatscht mit Distinktion), welche wohl wissen, daß es zu keinem Flintenschuß in Wien gekommen sein würde, wenn nicht Ungarn hätte sollen unterdrückt werden. Wenn Metternich noch da wäre, wäre es nicht dahin gekommen. (Heiterkeit.) Erringen Sie zuerst die deutsche Einheit, das Uebrige wird sich finden. (Langer Beifall.)

Arend aus Oesterreich hält unter Beifall von rechts und den Centren eine lange, glänzende Rede im entgegengesetzten Sinne als der Entwurf. Er schließt, man solle Deutschlands schönste Perle, "Oesterreich," nicht fallen lassen. Seine Rede geht natürlich gegen den Entwurf.

Reitter aus Böhmen ist für den Entwurf. Wie oben bemerkt, ist diesmal der größte Theil der Linken für die Fassung des Entwurfs (wie oben). Der Redner zeigt der Versammlung an, daß die Deutschen in Böhmen bereits ernstlich gefährdet sind. (Links: Hört!) Dafür haben wir taube Ohren. Wo sind die beim letzten böhmischen Aufstand Kompromittirten, welche festgesetzt waren, hingekommen? Im kaiserlichen Hoflager sind sie. (Hört, hört!) Der Redner schließt damit, daß er die Personalunion anempfiehlt, die auch das einzige sei, was die österreichische Dynastie retten kann.

Wiesner, von der außersten Linken, (gegen den Entwurf:) In dem Augenblicke, wo der Kampf der Reaktion gegen Wien, gegen die Freiheit tobt, in dem Augenblicke, wo, wie sie selbst sagen noch nichts entschieden ist, wollen wir hier ein Band losen, was Jahrhunderte geheiligt hat, das Band zwischen Oestreich und Deutschland. - "Kein Oestreich, kein Preußen mehr!" diesen Spruch scheint man umändern zu wollen in: "Kein Oestreich, sondern ein Preußen!" - (Beifall.) (Das Haus ist ungemein leer,) Ein neues freies Oestreich wird aus diesen Wirren auferstehen, die man den Heerd der Anarchie nennt, ein freies Oestreich, mit dem wir uns verbinden wollen. - Oestreich hat sich schon aus kritischern Lagen gerettet als die gegenwärtige. - Der Geist der Freiheit geht durch Oestreich, die Völker fühlen es, daß sie um jeden Preis zusammenhalten müssen. - Nach den ungeheuren Verlusten, die Germania erlitten, Burgund, Lothringen, Elsaß, Holland etc., hat man noch den Muth, Deutsch-Oestreich in eine Position bringen zu wollen, die es von Deutschland lossagen soll. - Die süddeutschen Provinzen werden es gewiß mit Oestreich halten. Höchstens das spezifische Preußenthum könnte dies nicht wollen. - Jedes Sürrogat für die Vereinigung Oestreichs mit Deutschland, wie es das Minoritätserachten (S. oben ad §. 2) bietet, werden wir Oestreicher mit Stolz zurückweisen. -

Zum Schluß sagt Wiesner: "Meine Herren, Sie haben oft meiner Parthei den Vorwurf gemacht, daß sie aus Republikanern bestehe. Es ist wahr, es sitzen dort (nach links) Republikaner, und ich bin einer von ihnen, aber eben deswegen will ich nicht für eine Personalunion stimmen bei einer Verfassung, in der sie (die Personalunion) hoffentlich bald nutzlos sein wird. (Bravo links.)

Waiz, Professor aus Göttingen, hält einen langen Vortrag für den Paragraphen des Ausschusses. - Er kennt nur eine Alternative: Die deutschen Lande Oestreichs entweder ganz bei Deutschland, oder gar nicht, d. h. ganz bei Oestreich als einen alleinstehenden Staat. - Es werden sonst nie die Fälle fehlen, wo Oestreich in Conflikt geräth zwischen seinen Interessen und Deutschlands. Der Bau der deutschen Einheit würde ohne Oestreich ein leichter sein, aber ich glaube nicht, sagt Waiz, daß einer hier, der deswegen Oestreich wegwerfen will, weil mit ihm der Bau der deutschen Einheit schwieriger ist. (Bravo der Centren.)

von Wurth aus Oesterreich, (Unterstaatssekretär), gegen den Entwurf. Er kann sich nicht denken, daß es dazu kommt, daß man die Trennung von Oesterreich ausspricht. - Wenn es je geschehen sollte, daß Oestereich in Trummer geht, dann würden sich slawische und magyarische Reiche bilden, welche Deutschland gefährden würden. - Mit einigen Modifikationen könnten die deutschen Länder Oesterreichs in den deutschen Bund eintreten. - Die Centralgewalt solle sich mit der österreichischen Regierung in's Einvernehmen setzen, (Gelächter) unter welchen Modifikationen Oesterreich in den deutschen Bund eintreten könne. (Links: Nein! Nein!).

Giskra für den Entwurf (Sensation.) Im Anfange des Verfassungsbaues tritt uns eine scharfe, kantige Ecke in den Weg - Oesterreich! Diese Ecke muß weggerissen werden, unser Ausschuß hat es glücklich erkannt. - (Bravo!) Keine historische Erinnerung ist stark genug, kein Habsburger Löwe, um das Entfalten des Banners zu verhindern, unter welches sich die erwachten Völker schaaren wollen. (Sehr gut! Bravo!) - Man sehe Italien - Ungarn! -) Unser Haus soll der Zukunft trotzen. Die Pfeiler der Vergangenheit werden es nicht tragen - Welches politische Gewicht wiegt schwerer im Rath der Völker? - Oesterreich oder Deutschland? Die Papierbesitzer freilich (die Metalliquisten!) (Gelächter), die freilich klammern sich fest an Oesterreich. - (Sehr brav! Sehr gut!) Man sagt, das Gras werde in den Straßen von Wien wachsen - wenn der Osten von Oesterreich losgerissen wird; - meine Herren, auch in den Straßen von Rom ist das Gras gewachsen, und keine Macht der Erde konnte es hindern, weil der Geist der Zeit es mit sich brachte. - (Sehr wahr!)

Giskra's Rede ist lang und glänzend, mit jener Kraft und Frische und Schnelligkeit, (welche die Stenographen in Verlegenheit setzt) vorgetragen, die dem Redner eigen ist. Das Haus horcht mit schärfster Spannung. Nur einzelne "Sehr gut! Sehr wahr!" unterbrechen ihn. - Er spricht vorzüglich für das Minoritätserachten zu §. 2. für die Wahrung und Berechtigung der Nationalitäten Deutsch-Oesterreich zu Deutschland. - Ungarn und Italienern und Slaven ihr Recht!

Die österreichische Harlequinsjacke, die nur durch die vis inertiae der Völker bisher zusammengehalten, muß endlich und wird zerrissen werden. Wir wollen nicht durch Einverleibung aller bisherigen österreichschen Provinzen Deutschland mit aller Gewalt in Bürgerkrieg verwickeln Die Unhaltbarkeit, und den Unsinn der pragmatischen Sanktion weist Giskra treffend unter lautem Beifall nach. Hierauf folgt eine Rechtfertigung der ungarischen Erhebung und einige Worte zum Ruhme Kossuths, welche stürmischen Beifall der Linken und der Gallerien hervorrufen. Wenn die Regelung der Völker nach Nationalitäten durchgeführt wird, dann ist es nicht mehr möglich, was in diesem Augenblicke geschieht, daß ein Ban von Croatien mit seinen Horden von Croaten, Slaven und Pollaken, Bosniaken, und Gott weiß was für Landen und Gesindel, es wagt, auf deutschem Boeen die deutsche Freiheit zu unterdrücken. (Heißer Beifall!)

Ich muß mich endlos wundern, sagt Giskra, wie ein hochgestellter Beamter der Centralgewalt (Herr v. Würth) sich dahin aussprechen kann, man solle sich mit der österreichischen Regierung ins Einvernehmen setzen, unter welchen Modifikationen die deutschen Provinzen Oesterreich's in den deutschen Bund aufzunehmen sein. Meine Herren, frei sind wir hier zusammengetreten, und frei werden wir die Bestimmungen für unser Land treffen, und keinen König, keinen Kaiser, keinen Reichstag und keinen Landtag dazwischsn reden lassen (stürmisches Bravo.) Die deutschen Provinzen sollen und müssen bei Deutschland verbleiben, und wenn alle Kronen darüber verblassen und alle Throne zusammenstürzen! (Stürmischer und langanhaltender Beifall im linken Centrum, links und Gallerien.) Die Diskussion wird vertagt.

Vogt und Reitter aus Prag wollen in Folge der Wichtigkeit der österreichischen Ereignisse und des Hauptschlags, welcher sich in Wien jetzt vorbereitet, Morgen Sitzung halten. Soiron aber rückt mit seinem Verfassungsausschuß vor, welcher Zeit zu seinen Sitzungen haben müsse. Er dringt durch. Morgen ist keine Sitzung. Fortsetzung der Debatte Montag 9 Uhr. Wahrscheinlich dauert sie noch 2 Tage. Schluß heute 3 Uhr.

61 Wien, 17. Oktober.

Reichstagssitzung. Die von Borrosch zur Disziplinar-Verordnung für die mobile Garde beantragten §§ 7 und 8 werden berathen und angenommen. Schuselka fährt dabei fort, sich durch feig-eselhaftes Geschwätz zu verewigen. (Unterbrechung.)

6 3/4 Uhr Abends Fortsetzung. Minister Krauß würdigt die Versammlung nicht mehr seiner Anwesenheit. Am Eingang des Reichstags stehen etwa 500 Frauen, die eine Adresse zur Aufrufung des Landsturms übergeben lassen. Auch auf den Galerien befinden sich viele Frauen.

Schuselka, als Berichterstatter des Ausschusses: Ich bin nicht im Stande, die neue Adresse an Se. Majestät vorzulesen, weil sich bei ihrer Debatte im Ausschusse Schwierigkeiten erhoben haben. Man beantragt dazu eine neue Proklamation an die Völker Oesterreich's und will, daß eine Abschrift davon der Adresse an Se. Majestät beigelegt werde. (Warum verfertigen die Schuselka-Genies nicht einige Dutzend Adressen an Gott und die Welt im Vorrath?) Wir wollen uns darin noch einmal über unser Verhalten aussprechen, weil wir allerorten vielfach verläumdet werden. Wir wollen den Völkern im Wesentlichen sagen: 1) warum wir

sein, diese Frage nach den Grundsätzen der Politik und des Staatsrechts zu entscheiden, weil sie für uns zu wichtig sei. Wir müssen zuerst auf die Wiener Verträge zurückgehen; wir müssen alle Verpflichtungen halten, die diese Verträge uns auferlegten.

Der Redner erzählt die Hergänge am Wiener Kongreß, wo man Anfangs Willens war, ein großes Polenreich zu bilden; wie Kaiser Alexander dafür schwärmte, wie dies aber unmöglich gemacht wurde. Ein freies unabhängiges Polen wieder herzustellen, dis war seit 1810 die einstimmige Meinung aller Großmächte. Als England und Frankreich die Unmöglichkeit sahen, bemühten sie sich, Preußen auf die Gefahren hinzuweisen, welche die gänzliche Vernichtung Polens haben würde. So in mehreren Noten des Jahres 1814. Der Art. 1 des Wiener Vertrages sicherte den Polen ihre politische Existenz. In der preußischen Redaktion ist davon abgewichen. Der Redner gibt eine sehr vollständige stundenlange Kritik der Wiener Verträge von 1815, welche auf das Großherzogthum Posen Bezug haben. ‒ Im vollen Widerspruch mit den Besitznahmepatenten steht der Huldigungseid des Großherzogthums. Ich kann mir diesen Eid nicht erklären. Und wie ist mit den früheren Verträgen der Bericht des Oberpräsidenten Flotwell vom 15. Mai 1841 vereinbar?

Ich halte die Trennung der beiden Nationalitäten für eine Unmöglichkeit, weil sie schon so miteinander verwachsen sind, daß eine Trennung, ohne Ungerechtigkeit nicht mehr möglich ist. Aber auch im Interesse unserer Sicherheit ist die Demarkation zu verwerfen. Unsere erste Vertheidigungslinie gegen Osten bildet die Weichsel, die zweite die Oder. Die Festung Posen die nothwendige Verbindung. Gegen die Amendements von Geßler und Auerswald muß ich mich ganz entschieden erklären. Der Beschluß der Frankfurter Versammlung kann uns hier nicht vorgreifen. Gewiß ist die Frage wegen des Großherzothums eine „innere“ und unsere Zustimmung also erforderlich. Ich glaube indeß nicht, daß schon heute die Zeit, die Frage wegen der Demarkation zu verhandeln. Es kann uns ganz gleichgültig sein, ob ein Theil unseres Landes zu Deutschland gehört oder nicht. Wir wollen nur Gerechtigkeit für Polen und müssen deshalb auch unsere Verpflichtungen erfüllen, abgesehen von allen Sympathieen. In einem besondern Gesetze müssen wir die Rechte der Polen feststellen.

Abg. Geßler, Nach der poetischen Auffassung, mit welcher die beiden Redner diese Frage aufgefaßt, sehe ich mich genöthigt, zur Prosa zurückzukehren. Jene wollen diese Frage jetzt ungelöst lassen und den Status que von 1815 erhalten, ich will aber die endliche Lösung. Die deutsche Bevölkerung des Großherzogthums befindet sich in einer unglücklichen Lage. Sie will von ihren Nachbarn, die gezeigt haben, daß sie es nicht gut mit ihr meinen, getrennt sein. Dieser zweifelhaften Lage muß aber ein Ende gemacht werden. Diese Versammlung hat noch nichts dafür gethan. Die zur Untersuchung der posenschen Angelegenheiten niedergesetzte Kommission hat bis jetzt noch kein Zeichen ihrer Wirksamkeit gegeben. Sie haben vom letzten Redner, einem Mitgliede dieser Kommission, gehört, wie sie über die deutsche und polnische Bevölkerung denken. Andere Mitglieder dieser Kommission haben auch ihre Aeußerungen auf dieser Tribüne fallen lassen, welche keinesfalls die deutsche Bevolkerung zufriedenstellen können. Sogar ist von dieser Kommission darauf angetragen, daß die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung Hinsichts der Demarkationslinie nicht anzuerkennen. Können solche Ansichten die deutsche Bevölkerung beruhigen? Sehen wir nicht aus den Amendements der polnischen Abgeordneten, was ihr Zweck eigentlich ist? Um die Rechte der deutschen Bevölkerung zu wahren, stelle ich daher folgendes Amendement: 1) Bei der Einleitung einzuschalten hinter: „Völker“ die Worte: „für die zu Deutschland gehörigen Landestheile.“ 2) Bei § 1 hinzuzufügen: für die nicht zu Deutschland gehörigen Theile des Großherzogthums Posen wird die Vereinbarung einer besondern Verfassung vorbehalten. Um dieses Amendement zu begründen geht er auf die Vorfälle des Frühjahrs im Großherzogthum zurück und setzt den Konflikt der deutschen und polnischen Bevölkerung und das Nähere über die Festsetzung der Demarkationslinie auseinander. Wir Deutsche in der Provinz Posen halten unsere Nationalität so lange für gefährdet, als die polnische Bevölkerung noch aufstehen kann und sagen, dieser Boden ist polnisch, wir wollen Euch allenfalls polnische Schutzverwandte im Lande behalten. Machen Sie es nicht wie in Oestreich, stellen Sie vielmehr mit der deutschen Nationalversammlung endlich die Theilung fest.

Diese Rede ruft einige Berichtigungen von verschiedenen Seiten hervor. Zwei Mitglieder der Kommission beklagen sich über die Ausdrücke des Abg. Geßler. Auch einige polnische Abgeordnete verwahren sich gegen die ihnen untergeschobenen Absichten.

Abg. Wachsmuth: Die Verfassungskommission ist von dem ursprünglichen Regierungsentwurfe, welcher auch nur von dem zu Deutschland gehörigen Landestheile spricht, deshalb abgegangen, weil sie nicht eingesehen, warum nicht alle Landestheile der preußischen Monarchie an unserer Verfassung Theil nehmen, warum der polnische Theil davon ausgeschlossen bleiben solle. Ob eine Demarkationslinie festgestellt wird oder nicht, bleibt hier ganz ohne Einfluß. Unsere polnischen Brüder werden bei der Berathung der Verfassung schon am geeigneten Orte für die Sicherstellung ihrer Nationalität Sorge tragen. Ich halte es für meine Pflicht, mit Gut und Blut wieder gut zu machen, welches unsere Väter der polnischen Nation zugefügt haben.

Abg. v. Auerswald: Ich glaube nicht, daß der Gegenstand, worüber wir heute berathen, noch ferner ausgesetzt werden kann, wenn wir die Schwierigkeiten nicht vermehren wollen. In der Verfassung muß die Linie genau begränzt sein, für welchen Kreis sie gelten solle. Wir sind wohl alle darüber einig, daß wir nur eine Verfassung für ein deutsches Land machen wollen. Wir müssen dies genau bezeichnen. Würden wir heute schon eine Verfassung des deutschen Reichs vor uns liegen haben, so würden wir gewiß darüber bald einverstanden sein, daß in einem deutschen Lande kein fremdes Gebiet eingeschlossen werden könne. ‒ Die Zeit liegt noch nicht ferne uns, wo durch unbestimmte Ausdrücke die Flamme des Zwietrachts empor loderte; vermeiden wir daher gleiche Unbestimmtheiten. Wir sind mit Gut und Blut, alle, so weit wir Deutsche sind, verpflichtet, für die deutsche Grenze zu wachen. Vergeblich berufen wir uns auf eine vergangene Zeit. Wir können auf die Vergangenheit nicht zurückkommen. Der Redner spricht noch gegen alle eingereichte Amendements und empfiehlt das seinige, statt der Worte: „in ihrem gegenwärtigen Umfange“ die Worte: „so weit sie zu Deutschland gehören“ aufzunehmen.

Abg. Pockzywnicki. Die staatsrechtlichen Verhältnisse des Großherzogthums Posen sind bereits vom Abg. Ahrens so gründlich dargelegt worden, daß ich mich aller Gründe, die aus den Wiener Verträgen herzuleiten seien, enthalten kann. Meiner Ansicht nach, welche ich durch Verträge nachweisen will, existirt nur eine Personal-Union zwischen dem Großherzogthum und dem übrigen Staate. Ich will aber auf diesen Grund verzichten, da die Real-Union seit 1820 faktisch in Kraft war. Auch ich bin der Ansicht, daß das Prinzip der Nationalität sich in ganz Europa Bahn brechen und daß eine Zeit kommen wird, wo alle Nationalitäten sich zu einem Staate einigen werden. ‒ Der Redner kommt auf die falschen Gründe, die für eine Theilung hervorgerufen sind, und beweist, daß sogar in dem Theile des Großherzogthums, welches zu Deutschland geschlagen werden solle, die polnische Bevölkerung die Majorität habe. Hierauf kommt der Redner auf einen Bericht des Generals Pfuel, als damaligen Pacifikator des Großherzogthums zu sprechen, welcher dem damaligen Ministerium den Rath gibt, da sich die Polen keine Demarkationslinie gefallen lassen wollen, das ganze Großherzogthum nach und nach zu germanisiren. Er glaube wohl, daß der Hr. v. Pfuel jetzt anderer Ansicht sein könne, aber man sieht doch was möglich sei. (Der Minister-Präsident verwahrt sich gegen die angegebene Aeußerung, welche nur in einem Privatschreiben enthalten sei, und ist erstaunt, sie veröffentlicht zu sehen.) Der Redner hebt die Zukunft des der Demarkationslinie zu unterwerfenden Theiles des Großherzogthums hervor, wenn dieser Theil nicht zum preußischen Staatsgebiet zugehören würde. In diesem polnischen Theile würden sich alsdann der Heerd aller polnischen Emigranten und Flüchtlinge anderer Länder zusammenfinden. Würde Rußland dazu stillschweigen? Es würde dieses kleine polnische Reich besetzen, wenn es aber zum preußischen Staatsgebiet gehöre, würde Rußland dies unmöglich sein.

Abg. Bauer. (Krotoschin.) Zum dritten Male kommt die polnische Frage in unsrer Mitte zur Sprache, und zum drittenmal sind alle Leidenschaften entflammt. Man wirft den Preußen noch immer die Theilung Polen's vor; aber dieses Verbrechen ist gesühnt durch alle die Wohlthaten, welche den Polen von Preußen gewährt wurden. Hier handelt es sich aber um unsere deutsche Brüder, welche sich theils erst in der neuesten Zeit im Großherzogthume niedergelassen haben; sie wollen Deutsche bleiben, sie wollen ihre Nationalität nicht aufgeben und nicht unter der Herrschaft der Polen stehen. Das unabhängige Polen hat keine weitere Aufgabe, als sich die Gränzprovinzen so schnell wie möglich anzueignen. ‒ Worauf beruhen denn die Forderungen auf Absonderung des Großherzogthums Posen? Sie beruhen auf den Wiener Verträgen, auf den Versprechungen des März, und wir haben gehört, wie unsicher dieser Grund ist.

Abg. Moritz: Ich glaube, wir sind von der ursprünglichen Debatte abgewichen. Der Artikel 1 handelt nur vom preußischen Staatsgebiet. Ueberall spricht die Verfassung nur von Preußen. Wer sich also für keinen Preußen hält, der ist der Verfassung nicht unterworfen. Wir müßten dann neben den Rechten der Preußen auch noch die Rechte der Polen feststellen.

Abg. v. Lisiecki beschränkt sich nur darauf, mehrere von dem Redner vorgebrachte Thatsachen zu berichtigen. Besonders nimmt er auf die vom Abgeordneten Geßler gemachte Aeußerung Bezug, daß die Polen den Status quo von 1815 wollten und er von 1848. Ja, wir wollen den Status quo von 1815, da sah es noch anders im Großherzogthume aus. Seitdem hat ein Flottwell alles zu germanisiren gesucht. Man hat die Provinz mit deutschen Beamten überschwemmt, welche aber wahrlich nicht die Blüthe Deutschlands waren. Man will durch die Demarkationslinie, die ich eine satanische Erfindung nennen möchte, uns ganz abtrennen. Man gibt diesen Strich Landes verloren. Man wünscht uns darin alles Gute. Aber ist es möglich, daß wir uns darin absondern können? Beschließen Sie immerhin die Aufnahme des einen Theils in Deutschland, die Herzen der Polen, die in diesem Theile wohnen, können Sie nie zu deutschen machen.

Um 2 Uhr wird die Sitzung aufgehoben und die Debatte vertagt.

126 Breslau, 18. Oktbr.

Der Wiener Postzug, der um 3 1/2 Uhr Nachmittags ankommen sollte, kam erst 4 3/4 Uhr an. Reisende, die den 17. Abends Wien verließen, erzählen folgendes:

Die Ungarn haben die österreichische Grenze überschritten mit einer Macht von 100,000 Mann (??) und stehen nur eine Stunde von Auersperg's Lager. (?) 6-7000 Mann Gratzer Nationalgarde haben sich durch die feindliche Armee durchgeschlagen und sind in Wien angekommen. Bei Prerau sollen die Garden des Kaisers von der Nationalgarde entwaffnet sein.

Ich theile diese Nachrichten mit, ohne für ihre Wahrheit bürgen zu wollen, obgleich wir in einer Zeit der Wunder leben.

!!! Frankfurt, 20. Okt.

Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Verfassungsentwurfs. §. 2, 3 und 4.

Vor der Tagesordnung interpellirt v. Maifeld: Warum Baden einzig unter allen deutschen Ländern den Parlamentsmitgliedern keine Portofreiheit bewilligt? und ob das Reichsministerium der Badischen Regierung mittheilen wolle, daß ihr dies übel ansteht? (Große Heiterkeit).

Folgen Flottenbeiträge.

Tagesordnung: Berathung über den Verfassungsentwurf.

§. 2. „Kein Theil des deutschen Reiches darf mit nicht deutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein.“

Minoritätserachten. Zusatz: „Insofern die eigenthümlichen Verhältnisse Oesterreichs die Ausführung dieses §. 2 und der daraus abgeleiteten Paragraphen hinsichtlich desselben nicht zulassen, soll die angestrebte Einheit und Macht Deutschlands im größtmöglichsten Maße durch den innigsten Anschluß Oesterreichs an Deutschland im Wege des völkerrechtlichen Bündnisses zwischen der Reichsgewalt und der österreichischen Regierung, erzielt werden. (Mühlfeldt, Detmold, Rothenhahn, Lassaulx).

§ 3. „Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personal-Union zu ordnen.“

§. 4. „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nichtdeutschen Lande in dem Verhältniß der Personal-Union steht, muß entweder in einem deutschen Lande residiren oder in demselben eine Regentschaft niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen“

Minoritätserachten: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nichtdeutschen Lande durch Personal-Union verbunden ist, darf nichtdeutsche Truppen in seine Länder nicht verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt.“ (Schüler, Blum, Wiegard).

Die zahlreichen Amendements folgen bei den Abstimmungen. Die Diskussion über §. 2 bis 4 wird beschlossen.

Es erhebt sich eine äußerst komische Debatte über die Einschreibungen der Redner, welche heute früh in etwas wilder und illegaler Weise vorgenommen zu sein scheinen. Die Zahl der Redner, welche theils für, theils wider den Entwurf des Verfassungsausschusses zu sprechen, eingeschrieben sind, beträgt mindestens Sechszig!!

Die Diskussion, welche wohl heute kaum geschlossen werden dürfte, und aus der ich Ihnen natürlich nur das hervorstechendste mittheilen werde, bewegt sich vorzüglich um Vereinigung mit Oesterreich zu einem deutschen Reiche, oder theilweiser Lostrennung von demselben. Sie sehen aber, daß der Ausschuß in seiner Majorität diesmal im Sinne der Linken sich ausgesprochen, d. h. nach dem Prinzip der Nationalitäten

Die Diskussion beginnt mit Fritsch (aus Oesterreich), welcher sich gegen den Entwurf ausspricht. Er will ganz Oesterreich mit Deutschland zu einem Reiche verbinden. Im entgegengesetzten Falle würde Deutschland sich schwächen, Oesterreich zerfallen, zum Theil russisch, zum Theil slawisch werden. Der Redner spricht sehr lange und sehr undeutlich, wird durch „Schluß!“ unterbrochen, meint aber unter Heiterkeit, „er habe noch gar nicht lange gesprochen;“ und fährt fort!

Eisenmann, dessen Rede mit tiefer Stille und gespannter Aufmerksamkeit gehürt wird, sagt u. a.: Als im Frühjahr Oesterreich aufwachte und den Frühling der Völker auf die würdigste Weise mitfeierte, wee hätte es da für möglich gehalten, daß je in der Paulskirche die Frage entstehen könnte, ob Oesterreich deutsch sein solle oder nicht? (Bravo!) Die deutsche Einheit geht mir über Alles. Hier berathen Deutsche, keine Slaven. Wenn in Wien die Demokratie siegen würde, sollte es mir leid thun (?), aber wenn die Camarilla siegte, dann meine Herren, würde ich nicht mehr länger hier sitzen wollen! (Bravo!) Was die Ungarn anlangt, diese hätten seit Jahrhunderten gegen die pragmatische Sanktion gekämpft. Diese käme ihm vor wie der Hut eines Taschenspielers, man könne ihn drehen und wenden wie man wolle. (Heiterkeit.) Wie perfid sei das Verfahren Oesterreichs gegen Ungarn gewesen? Erst habe man Jellachich desavouirt. Später habe man deutlich sehen lassen, was man mit ihm beabsichtige. Falsche Handbillette habe die Camarilla den Kaiser an Jellachich schreiben lassen. Wer könne einer so treulosen Regierung trauen? In der ungarischen Angelegenheit seien die meisten deutschen Zeitungen an die österreichische Camarilla verkauft (Bravo! Hört!); z. B. die Ober-Postamts-Zeitung! (Großer Beifall links. Gelächter. Schmerling scheint emsig in ein Zeitungsblatt vertieft.) Was sei es für eine gränzenlose Unverschämtheit von einem Blatte, sogar den Zug des Croaten Jellachich gegen die Freiheit der Wiener zu rechtfertigen. (Energisches Bravo.) Ungarn ist überdem ein ganz loyales Land, will gar keine Republik, will sogar einen Theil der österreichischen Staatsschuld übernehmen. Er erinnert an das ungarische Moriamur pro rege nostro Maria Theresia. Die Ungarn sind bereit, den Reichstag in Wien als vermittelnde Korporation anzunehmen.

Läßt der Redner die Gründe folgen, weshalb er gegen eine österreichische Föderativmonarchie ist. Ich hoffe, sagt er, unsere Verfassung soll so ausfallen, daß kein Nachbarstaat dadurch verletzt wird. Die Hauptsache aber ist, daß keiner von den Hiersitzenden das Recht hat, durch sein heutiges Votum 7 Millionen Deutsche aus dem deutschen Staatenverband herauszureißen. Die Konsequenzen dieser Lostrennung führen zum Bürgerkrieg, rother Republik (puh!) etc. Es giebt in Oesterreich gescheidte Leute. (Heiterkeit. Schmerling klatscht mit Distinktion), welche wohl wissen, daß es zu keinem Flintenschuß in Wien gekommen sein würde, wenn nicht Ungarn hätte sollen unterdrückt werden. Wenn Metternich noch da wäre, wäre es nicht dahin gekommen. (Heiterkeit.) Erringen Sie zuerst die deutsche Einheit, das Uebrige wird sich finden. (Langer Beifall.)

Arend aus Oesterreich hält unter Beifall von rechts und den Centren eine lange, glänzende Rede im entgegengesetzten Sinne als der Entwurf. Er schließt, man solle Deutschlands schönste Perle, „Oesterreich,“ nicht fallen lassen. Seine Rede geht natürlich gegen den Entwurf.

Reitter aus Böhmen ist für den Entwurf. Wie oben bemerkt, ist diesmal der größte Theil der Linken für die Fassung des Entwurfs (wie oben). Der Redner zeigt der Versammlung an, daß die Deutschen in Böhmen bereits ernstlich gefährdet sind. (Links: Hört!) Dafür haben wir taube Ohren. Wo sind die beim letzten böhmischen Aufstand Kompromittirten, welche festgesetzt waren, hingekommen? Im kaiserlichen Hoflager sind sie. (Hört, hört!) Der Redner schließt damit, daß er die Personalunion anempfiehlt, die auch das einzige sei, was die österreichische Dynastie retten kann.

Wiesner, von der außersten Linken, (gegen den Entwurf:) In dem Augenblicke, wo der Kampf der Reaktion gegen Wien, gegen die Freiheit tobt, in dem Augenblicke, wo, wie sie selbst sagen noch nichts entschieden ist, wollen wir hier ein Band losen, was Jahrhunderte geheiligt hat, das Band zwischen Oestreich und Deutschland. ‒ „Kein Oestreich, kein Preußen mehr!“ diesen Spruch scheint man umändern zu wollen in: „Kein Oestreich, sondern ein Preußen!“ ‒ (Beifall.) (Das Haus ist ungemein leer,) Ein neues freies Oestreich wird aus diesen Wirren auferstehen, die man den Heerd der Anarchie nennt, ein freies Oestreich, mit dem wir uns verbinden wollen. ‒ Oestreich hat sich schon aus kritischern Lagen gerettet als die gegenwärtige. ‒ Der Geist der Freiheit geht durch Oestreich, die Völker fühlen es, daß sie um jeden Preis zusammenhalten müssen. ‒ Nach den ungeheuren Verlusten, die Germania erlitten, Burgund, Lothringen, Elsaß, Holland etc., hat man noch den Muth, Deutsch-Oestreich in eine Position bringen zu wollen, die es von Deutschland lossagen soll. ‒ Die süddeutschen Provinzen werden es gewiß mit Oestreich halten. Höchstens das spezifische Preußenthum könnte dies nicht wollen. ‒ Jedes Sürrogat für die Vereinigung Oestreichs mit Deutschland, wie es das Minoritätserachten (S. oben ad §. 2) bietet, werden wir Oestreicher mit Stolz zurückweisen. ‒

Zum Schluß sagt Wiesner: „Meine Herren, Sie haben oft meiner Parthei den Vorwurf gemacht, daß sie aus Republikanern bestehe. Es ist wahr, es sitzen dort (nach links) Republikaner, und ich bin einer von ihnen, aber eben deswegen will ich nicht für eine Personalunion stimmen bei einer Verfassung, in der sie (die Personalunion) hoffentlich bald nutzlos sein wird. (Bravo links.)

Waiz, Professor aus Göttingen, hält einen langen Vortrag für den Paragraphen des Ausschusses. ‒ Er kennt nur eine Alternative: Die deutschen Lande Oestreichs entweder ganz bei Deutschland, oder gar nicht, d. h. ganz bei Oestreich als einen alleinstehenden Staat. ‒ Es werden sonst nie die Fälle fehlen, wo Oestreich in Conflikt geräth zwischen seinen Interessen und Deutschlands. Der Bau der deutschen Einheit würde ohne Oestreich ein leichter sein, aber ich glaube nicht, sagt Waiz, daß einer hier, der deswegen Oestreich wegwerfen will, weil mit ihm der Bau der deutschen Einheit schwieriger ist. (Bravo der Centren.)

von Wurth aus Oesterreich, (Unterstaatssekretär), gegen den Entwurf. Er kann sich nicht denken, daß es dazu kommt, daß man die Trennung von Oesterreich ausspricht. ‒ Wenn es je geschehen sollte, daß Oestereich in Trummer geht, dann würden sich slawische und magyarische Reiche bilden, welche Deutschland gefährden würden. ‒ Mit einigen Modifikationen könnten die deutschen Länder Oesterreichs in den deutschen Bund eintreten. ‒ Die Centralgewalt solle sich mit der österreichischen Regierung in's Einvernehmen setzen, (Gelächter) unter welchen Modifikationen Oesterreich in den deutschen Bund eintreten könne. (Links: Nein! Nein!).

Giskra für den Entwurf (Sensation.) Im Anfange des Verfassungsbaues tritt uns eine scharfe, kantige Ecke in den Weg ‒ Oesterreich! Diese Ecke muß weggerissen werden, unser Ausschuß hat es glücklich erkannt. ‒ (Bravo!) Keine historische Erinnerung ist stark genug, kein Habsburger Löwe, um das Entfalten des Banners zu verhindern, unter welches sich die erwachten Völker schaaren wollen. (Sehr gut! Bravo!) ‒ Man sehe Italien ‒ Ungarn! ‒) Unser Haus soll der Zukunft trotzen. Die Pfeiler der Vergangenheit werden es nicht tragen ‒ Welches politische Gewicht wiegt schwerer im Rath der Völker? ‒ Oesterreich oder Deutschland? Die Papierbesitzer freilich (die Metalliquisten!) (Gelächter), die freilich klammern sich fest an Oesterreich. ‒ (Sehr brav! Sehr gut!) Man sagt, das Gras werde in den Straßen von Wien wachsen ‒ wenn der Osten von Oesterreich losgerissen wird; ‒ meine Herren, auch in den Straßen von Rom ist das Gras gewachsen, und keine Macht der Erde konnte es hindern, weil der Geist der Zeit es mit sich brachte. ‒ (Sehr wahr!)

Giskra's Rede ist lang und glänzend, mit jener Kraft und Frische und Schnelligkeit, (welche die Stenographen in Verlegenheit setzt) vorgetragen, die dem Redner eigen ist. Das Haus horcht mit schärfster Spannung. Nur einzelne „Sehr gut! Sehr wahr!“ unterbrechen ihn. ‒ Er spricht vorzüglich für das Minoritätserachten zu §. 2. für die Wahrung und Berechtigung der Nationalitäten Deutsch-Oesterreich zu Deutschland. ‒ Ungarn und Italienern und Slaven ihr Recht!

Die österreichische Harlequinsjacke, die nur durch die vis inertiae der Völker bisher zusammengehalten, muß endlich und wird zerrissen werden. Wir wollen nicht durch Einverleibung aller bisherigen österreichschen Provinzen Deutschland mit aller Gewalt in Bürgerkrieg verwickeln Die Unhaltbarkeit, und den Unsinn der pragmatischen Sanktion weist Giskra treffend unter lautem Beifall nach. Hierauf folgt eine Rechtfertigung der ungarischen Erhebung und einige Worte zum Ruhme Kossuths, welche stürmischen Beifall der Linken und der Gallerien hervorrufen. Wenn die Regelung der Völker nach Nationalitäten durchgeführt wird, dann ist es nicht mehr möglich, was in diesem Augenblicke geschieht, daß ein Ban von Croatien mit seinen Horden von Croaten, Slaven und Pollaken, Bosniaken, und Gott weiß was für Landen und Gesindel, es wagt, auf deutschem Boeen die deutsche Freiheit zu unterdrücken. (Heißer Beifall!)

Ich muß mich endlos wundern, sagt Giskra, wie ein hochgestellter Beamter der Centralgewalt (Herr v. Würth) sich dahin aussprechen kann, man solle sich mit der österreichischen Regierung ins Einvernehmen setzen, unter welchen Modifikationen die deutschen Provinzen Oesterreich's in den deutschen Bund aufzunehmen sein. Meine Herren, frei sind wir hier zusammengetreten, und frei werden wir die Bestimmungen für unser Land treffen, und keinen König, keinen Kaiser, keinen Reichstag und keinen Landtag dazwischsn reden lassen (stürmisches Bravo.) Die deutschen Provinzen sollen und müssen bei Deutschland verbleiben, und wenn alle Kronen darüber verblassen und alle Throne zusammenstürzen! (Stürmischer und langanhaltender Beifall im linken Centrum, links und Gallerien.) Die Diskussion wird vertagt.

Vogt und Reitter aus Prag wollen in Folge der Wichtigkeit der österreichischen Ereignisse und des Hauptschlags, welcher sich in Wien jetzt vorbereitet, Morgen Sitzung halten. Soiron aber rückt mit seinem Verfassungsausschuß vor, welcher Zeit zu seinen Sitzungen haben müsse. Er dringt durch. Morgen ist keine Sitzung. Fortsetzung der Debatte Montag 9 Uhr. Wahrscheinlich dauert sie noch 2 Tage. Schluß heute 3 Uhr.

61 Wien, 17. Oktober.

Reichstagssitzung. Die von Borrosch zur Disziplinar-Verordnung für die mobile Garde beantragten §§ 7 und 8 werden berathen und angenommen. Schuselka fährt dabei fort, sich durch feig-eselhaftes Geschwätz zu verewigen. (Unterbrechung.)

6 3/4 Uhr Abends Fortsetzung. Minister Krauß würdigt die Versammlung nicht mehr seiner Anwesenheit. Am Eingang des Reichstags stehen etwa 500 Frauen, die eine Adresse zur Aufrufung des Landsturms übergeben lassen. Auch auf den Galerien befinden sich viele Frauen.

Schuselka, als Berichterstatter des Ausschusses: Ich bin nicht im Stande, die neue Adresse an Se. Majestät vorzulesen, weil sich bei ihrer Debatte im Ausschusse Schwierigkeiten erhoben haben. Man beantragt dazu eine neue Proklamation an die Völker Oesterreich's und will, daß eine Abschrift davon der Adresse an Se. Majestät beigelegt werde. (Warum verfertigen die Schuselka-Genies nicht einige Dutzend Adressen an Gott und die Welt im Vorrath?) Wir wollen uns darin noch einmal über unser Verhalten aussprechen, weil wir allerorten vielfach verläumdet werden. Wir wollen den Völkern im Wesentlichen sagen: 1) warum wir

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sein, diese Frage nach den Grundsätzen der Politik und des Staatsrechts zu entscheiden, weil sie für uns zu wichtig sei. Wir müssen zuerst auf die Wiener Verträge zurückgehen; wir müssen alle Verpflichtungen halten, die diese Verträge uns auferlegten.</p>
          <p>Der Redner erzählt die Hergänge am Wiener Kongreß, wo man Anfangs Willens war, ein großes Polenreich zu bilden; wie Kaiser Alexander dafür schwärmte, wie dies aber unmöglich gemacht wurde. Ein freies unabhängiges Polen wieder herzustellen, dis war seit 1810 die einstimmige Meinung aller Großmächte. Als England und Frankreich die Unmöglichkeit sahen, bemühten sie sich, Preußen auf die Gefahren hinzuweisen, welche die gänzliche Vernichtung Polens haben würde. So in mehreren Noten des Jahres 1814. Der Art. 1 des Wiener Vertrages sicherte den Polen ihre politische Existenz. In der preußischen Redaktion ist davon abgewichen. Der Redner gibt eine sehr vollständige stundenlange Kritik der Wiener Verträge von 1815, welche auf das Großherzogthum Posen Bezug haben. &#x2012; Im vollen Widerspruch mit den Besitznahmepatenten steht der Huldigungseid des Großherzogthums. Ich kann mir diesen Eid nicht erklären. Und wie ist mit den früheren Verträgen der Bericht des Oberpräsidenten Flotwell vom 15. Mai 1841 vereinbar?</p>
          <p>Ich halte die Trennung der beiden Nationalitäten für eine Unmöglichkeit, weil sie schon so miteinander verwachsen sind, daß eine Trennung, ohne Ungerechtigkeit nicht mehr möglich ist. Aber auch im Interesse unserer Sicherheit ist die Demarkation zu verwerfen. Unsere erste Vertheidigungslinie gegen Osten bildet die Weichsel, die zweite die Oder. Die Festung Posen die nothwendige Verbindung. Gegen die Amendements von Geßler und Auerswald muß ich mich ganz entschieden erklären. Der Beschluß der Frankfurter Versammlung kann uns hier nicht vorgreifen. Gewiß ist die Frage wegen des Großherzothums eine &#x201E;innere&#x201C; und unsere Zustimmung also erforderlich. Ich glaube indeß nicht, daß schon heute die Zeit, die Frage wegen der Demarkation zu verhandeln. Es kann uns ganz gleichgültig sein, ob ein Theil unseres Landes zu Deutschland gehört oder nicht. Wir wollen nur Gerechtigkeit für Polen und müssen deshalb auch unsere Verpflichtungen erfüllen, abgesehen von allen Sympathieen. In einem besondern Gesetze müssen wir die Rechte der Polen feststellen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Geßler,</hi> Nach der poetischen Auffassung, mit welcher die beiden Redner diese Frage aufgefaßt, sehe ich mich genöthigt, zur Prosa zurückzukehren. Jene wollen diese Frage jetzt ungelöst lassen und den Status que von 1815 erhalten, ich will aber die endliche Lösung. Die deutsche Bevölkerung des Großherzogthums befindet sich in einer unglücklichen Lage. Sie will von ihren Nachbarn, die gezeigt haben, daß sie es nicht gut mit ihr meinen, getrennt sein. Dieser zweifelhaften Lage muß aber ein Ende gemacht werden. Diese Versammlung hat noch nichts dafür gethan. Die zur Untersuchung der posenschen Angelegenheiten niedergesetzte Kommission hat bis jetzt noch kein Zeichen ihrer Wirksamkeit gegeben. Sie haben vom letzten Redner, einem Mitgliede dieser Kommission, gehört, wie sie über die deutsche und polnische Bevölkerung denken. Andere Mitglieder dieser Kommission haben auch ihre Aeußerungen auf dieser Tribüne fallen lassen, welche keinesfalls die deutsche Bevolkerung zufriedenstellen können. Sogar ist von dieser Kommission darauf angetragen, daß die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung Hinsichts der Demarkationslinie nicht anzuerkennen. Können solche Ansichten die deutsche Bevölkerung beruhigen? Sehen wir nicht aus den Amendements der polnischen Abgeordneten, was ihr Zweck eigentlich ist? Um die Rechte der deutschen Bevölkerung zu wahren, stelle ich daher folgendes Amendement: 1) Bei der Einleitung einzuschalten hinter: &#x201E;Völker&#x201C; die Worte: &#x201E;für die zu Deutschland gehörigen Landestheile.&#x201C; 2) Bei § 1 hinzuzufügen: für die nicht zu Deutschland gehörigen Theile des Großherzogthums Posen wird die Vereinbarung einer besondern Verfassung vorbehalten. Um dieses Amendement zu begründen geht er auf die Vorfälle des Frühjahrs im Großherzogthum zurück und setzt den Konflikt der deutschen und polnischen Bevölkerung und das Nähere über die Festsetzung der Demarkationslinie auseinander. Wir Deutsche in der Provinz Posen halten unsere Nationalität so lange für gefährdet, als die polnische Bevölkerung noch aufstehen kann und sagen, dieser Boden ist polnisch, wir wollen Euch allenfalls polnische Schutzverwandte im Lande behalten. Machen Sie es nicht wie in Oestreich, stellen Sie vielmehr mit der deutschen Nationalversammlung endlich die Theilung fest.</p>
          <p>Diese Rede ruft einige Berichtigungen von verschiedenen Seiten hervor. Zwei Mitglieder der Kommission beklagen sich über die Ausdrücke des Abg. Geßler. Auch einige polnische Abgeordnete verwahren sich gegen die ihnen untergeschobenen Absichten.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Wachsmuth:</hi> Die Verfassungskommission ist von dem ursprünglichen Regierungsentwurfe, welcher auch nur von dem zu Deutschland gehörigen Landestheile spricht, deshalb abgegangen, weil sie nicht eingesehen, warum nicht alle Landestheile der preußischen Monarchie an unserer Verfassung Theil nehmen, warum der polnische Theil davon ausgeschlossen bleiben solle. Ob eine Demarkationslinie festgestellt wird oder nicht, bleibt hier ganz ohne Einfluß. Unsere polnischen Brüder werden bei der Berathung der Verfassung schon am geeigneten Orte für die Sicherstellung ihrer Nationalität Sorge tragen. Ich halte es für meine Pflicht, mit Gut und Blut wieder gut zu machen, welches unsere Väter der polnischen Nation zugefügt haben.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Auerswald:</hi> Ich glaube nicht, daß der Gegenstand, worüber wir heute berathen, noch ferner ausgesetzt werden kann, wenn wir die Schwierigkeiten nicht vermehren wollen. In der Verfassung muß die Linie genau begränzt sein, für welchen Kreis sie gelten solle. Wir sind wohl alle darüber einig, daß wir nur eine Verfassung für ein deutsches Land machen wollen. Wir müssen dies genau bezeichnen. Würden wir heute schon eine Verfassung des deutschen Reichs vor uns liegen haben, so würden wir gewiß darüber bald einverstanden sein, daß in einem deutschen Lande kein fremdes Gebiet eingeschlossen werden könne. &#x2012; Die Zeit liegt noch nicht ferne uns, wo durch unbestimmte Ausdrücke die Flamme des Zwietrachts empor loderte; vermeiden wir daher gleiche Unbestimmtheiten. Wir sind mit Gut und Blut, alle, so weit wir Deutsche sind, verpflichtet, für die deutsche Grenze zu wachen. Vergeblich berufen wir uns auf eine vergangene Zeit. Wir können auf die Vergangenheit nicht zurückkommen. Der Redner spricht noch gegen alle eingereichte Amendements und empfiehlt das seinige, statt der Worte: &#x201E;in ihrem gegenwärtigen Umfange&#x201C; die Worte: &#x201E;so weit sie zu Deutschland gehören&#x201C; aufzunehmen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Pockzywnicki.</hi> Die staatsrechtlichen Verhältnisse des Großherzogthums Posen sind bereits vom Abg. Ahrens so gründlich dargelegt worden, daß ich mich aller Gründe, die aus den Wiener Verträgen herzuleiten seien, enthalten kann. Meiner Ansicht nach, welche ich durch Verträge nachweisen will, existirt nur eine Personal-Union zwischen dem Großherzogthum und dem übrigen Staate. Ich will aber auf diesen Grund verzichten, da die Real-Union seit 1820 faktisch in Kraft war. Auch ich bin der Ansicht, daß das Prinzip der Nationalität sich in ganz Europa Bahn brechen und daß eine Zeit kommen wird, wo alle Nationalitäten sich zu einem Staate einigen werden. &#x2012; Der Redner kommt auf die falschen Gründe, die für eine Theilung hervorgerufen sind, und beweist, daß sogar in dem Theile des Großherzogthums, welches zu Deutschland geschlagen werden solle, die polnische Bevölkerung die Majorität habe. Hierauf kommt der Redner auf einen Bericht des Generals Pfuel, als damaligen Pacifikator des Großherzogthums zu sprechen, welcher dem damaligen Ministerium den Rath gibt, da sich die Polen keine Demarkationslinie gefallen lassen wollen, das ganze Großherzogthum nach und nach zu germanisiren. Er glaube wohl, daß der Hr. v. Pfuel jetzt anderer Ansicht sein könne, aber man sieht doch was möglich sei. (Der Minister-Präsident verwahrt sich gegen die angegebene Aeußerung, welche nur in einem Privatschreiben enthalten sei, und ist erstaunt, sie veröffentlicht zu sehen.) Der Redner hebt die Zukunft des der Demarkationslinie zu unterwerfenden Theiles des Großherzogthums hervor, wenn dieser Theil nicht zum preußischen Staatsgebiet zugehören würde. In diesem polnischen Theile würden sich alsdann der Heerd aller polnischen Emigranten und Flüchtlinge anderer Länder zusammenfinden. Würde Rußland dazu stillschweigen? Es würde dieses kleine polnische Reich besetzen, wenn es aber zum preußischen Staatsgebiet gehöre, würde Rußland dies unmöglich sein.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Bauer.</hi> (Krotoschin.) Zum dritten Male kommt die polnische Frage in unsrer Mitte zur Sprache, und zum drittenmal sind alle Leidenschaften entflammt. Man wirft den Preußen noch immer die Theilung Polen's vor; aber dieses Verbrechen ist gesühnt durch alle die Wohlthaten, welche den Polen von Preußen gewährt wurden. Hier handelt es sich aber um unsere deutsche Brüder, welche sich theils erst in der neuesten Zeit im Großherzogthume niedergelassen haben; sie wollen Deutsche bleiben, sie wollen ihre Nationalität nicht aufgeben und nicht unter der Herrschaft der Polen stehen. Das unabhängige Polen hat keine weitere Aufgabe, als sich die Gränzprovinzen so schnell wie möglich anzueignen. &#x2012; Worauf beruhen denn die Forderungen auf Absonderung des Großherzogthums Posen? Sie beruhen auf den Wiener Verträgen, auf den Versprechungen des März, und wir haben gehört, wie unsicher dieser Grund ist.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Moritz:</hi> Ich glaube, wir sind von der ursprünglichen Debatte abgewichen. Der Artikel 1 handelt nur vom preußischen Staatsgebiet. Ueberall spricht die Verfassung nur von Preußen. Wer sich also für keinen Preußen hält, der ist der Verfassung nicht unterworfen. Wir müßten dann neben den Rechten der Preußen auch noch die Rechte der Polen feststellen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Lisiecki</hi> beschränkt sich nur darauf, mehrere von dem Redner vorgebrachte Thatsachen zu berichtigen. Besonders nimmt er auf die vom Abgeordneten Geßler gemachte Aeußerung Bezug, daß die Polen den Status quo von 1815 wollten und er von 1848. Ja, wir wollen den Status quo von 1815, da sah es noch anders im Großherzogthume aus. Seitdem hat ein Flottwell alles zu germanisiren gesucht. Man hat die Provinz mit deutschen Beamten überschwemmt, welche aber wahrlich nicht die Blüthe Deutschlands waren. Man will durch die Demarkationslinie, die ich eine satanische Erfindung nennen möchte, uns ganz abtrennen. Man gibt diesen Strich Landes verloren. Man wünscht uns darin alles Gute. Aber ist es möglich, daß wir uns darin absondern können? Beschließen Sie immerhin die Aufnahme des einen Theils in Deutschland, die Herzen der Polen, die in diesem Theile wohnen, können Sie nie zu deutschen machen.</p>
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          <p>Die Ungarn haben die österreichische Grenze überschritten mit einer Macht von 100,000 Mann (??) und stehen nur eine Stunde von Auersperg's Lager. (?) 6-7000 Mann Gratzer Nationalgarde haben sich durch die feindliche Armee durchgeschlagen und sind in Wien angekommen. Bei Prerau sollen die Garden des Kaisers von der Nationalgarde entwaffnet sein.</p>
          <p>Ich theile diese Nachrichten mit, ohne für ihre Wahrheit bürgen zu wollen, obgleich wir in einer Zeit der Wunder leben.</p>
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          <p>Vor der Tagesordnung interpellirt <hi rendition="#g">v. Maifeld:</hi> Warum Baden einzig unter allen deutschen Ländern den Parlamentsmitgliedern keine Portofreiheit bewilligt? und ob das Reichsministerium der Badischen Regierung mittheilen wolle, daß ihr dies übel ansteht? (Große Heiterkeit).</p>
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          <p>§ 3. &#x201E;Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personal-Union zu ordnen.&#x201C;</p>
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          <p>Die zahlreichen Amendements folgen bei den Abstimmungen. Die Diskussion über §. 2 bis 4 wird beschlossen.</p>
          <p>Es erhebt sich eine äußerst komische Debatte über die Einschreibungen der Redner, welche heute früh in etwas wilder und illegaler Weise vorgenommen zu sein scheinen. Die Zahl der Redner, welche theils für, theils wider den Entwurf des Verfassungsausschusses zu sprechen, eingeschrieben sind, beträgt mindestens <hi rendition="#g">Sechszig!!</hi> </p>
          <p>Die Diskussion, welche wohl heute kaum geschlossen werden dürfte, und aus der ich Ihnen natürlich nur das hervorstechendste mittheilen werde, bewegt sich vorzüglich um Vereinigung mit Oesterreich zu einem deutschen Reiche, oder theilweiser Lostrennung von demselben. Sie sehen aber, daß der Ausschuß in seiner Majorität diesmal im Sinne der Linken sich ausgesprochen, d. h. nach dem Prinzip der Nationalitäten</p>
          <p>Die Diskussion beginnt mit <hi rendition="#g">Fritsch</hi> (aus Oesterreich), welcher sich gegen den Entwurf ausspricht. Er will ganz Oesterreich mit Deutschland zu einem Reiche verbinden. Im entgegengesetzten Falle würde Deutschland sich schwächen, Oesterreich zerfallen, zum Theil russisch, zum Theil slawisch werden. Der Redner spricht sehr lange und sehr undeutlich, wird durch &#x201E;Schluß!&#x201C; unterbrochen, meint aber unter Heiterkeit, &#x201E;er habe noch gar nicht lange gesprochen;&#x201C; und fährt fort!</p>
          <p><hi rendition="#g">Eisenmann,</hi> dessen Rede mit tiefer Stille und gespannter Aufmerksamkeit gehürt wird, sagt u. a.: Als im Frühjahr Oesterreich aufwachte und den Frühling der Völker auf die würdigste Weise mitfeierte, wee hätte es da für möglich gehalten, daß je in der Paulskirche die Frage entstehen könnte, ob Oesterreich deutsch sein solle oder nicht? (Bravo!) Die deutsche Einheit geht mir über Alles. Hier berathen Deutsche, keine Slaven. Wenn in Wien die Demokratie siegen würde, sollte es mir leid thun (?), aber wenn die Camarilla siegte, dann meine Herren, würde ich nicht mehr länger hier sitzen wollen! (Bravo!) Was die Ungarn anlangt, diese hätten seit Jahrhunderten gegen die pragmatische Sanktion gekämpft. Diese käme ihm vor wie der Hut eines Taschenspielers, man könne ihn drehen und wenden wie man wolle. (Heiterkeit.) Wie perfid sei das Verfahren Oesterreichs gegen Ungarn gewesen? Erst habe man Jellachich desavouirt. Später habe man deutlich sehen lassen, was man mit ihm beabsichtige. Falsche Handbillette habe die Camarilla den Kaiser an Jellachich schreiben lassen. Wer könne einer so treulosen Regierung trauen? In der ungarischen Angelegenheit seien die meisten deutschen Zeitungen an die österreichische Camarilla verkauft (Bravo! Hört!); z. B. die Ober-Postamts-Zeitung! (Großer Beifall links. Gelächter. Schmerling scheint emsig in ein Zeitungsblatt vertieft.) Was sei es für eine gränzenlose Unverschämtheit von einem Blatte, sogar den Zug des Croaten Jellachich gegen die Freiheit der Wiener zu rechtfertigen. (Energisches Bravo.) Ungarn ist überdem ein ganz loyales Land, will gar keine Republik, will sogar einen Theil der österreichischen Staatsschuld übernehmen. Er erinnert an das ungarische Moriamur pro rege nostro Maria Theresia. Die Ungarn sind bereit, den Reichstag in Wien als vermittelnde Korporation anzunehmen.</p>
          <p>Läßt der Redner die Gründe folgen, weshalb er gegen eine österreichische Föderativmonarchie ist. Ich hoffe, sagt er, unsere Verfassung soll so ausfallen, daß kein Nachbarstaat dadurch verletzt wird. Die Hauptsache aber ist, daß keiner von den Hiersitzenden das Recht hat, durch sein heutiges Votum 7 Millionen Deutsche aus dem deutschen Staatenverband herauszureißen. Die Konsequenzen dieser Lostrennung führen zum Bürgerkrieg, rother Republik (puh!) etc. Es giebt in Oesterreich gescheidte Leute. (Heiterkeit. Schmerling klatscht mit Distinktion), welche wohl wissen, daß es zu keinem Flintenschuß in Wien gekommen sein würde, wenn nicht Ungarn hätte sollen unterdrückt werden. Wenn Metternich noch da wäre, wäre es nicht dahin gekommen. (Heiterkeit.) Erringen Sie zuerst die deutsche Einheit, das Uebrige wird sich finden. (Langer Beifall.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Arend</hi> aus Oesterreich hält unter Beifall von rechts und den Centren eine lange, glänzende Rede im entgegengesetzten Sinne als der Entwurf. Er schließt, man solle Deutschlands schönste Perle, &#x201E;Oesterreich,&#x201C; nicht fallen lassen. Seine Rede geht natürlich gegen den Entwurf.</p>
          <p><hi rendition="#g">Reitter</hi> aus Böhmen ist für den Entwurf. Wie oben bemerkt, ist diesmal der größte Theil der Linken für die Fassung des Entwurfs (wie oben). Der Redner zeigt der Versammlung an, daß die Deutschen in Böhmen bereits ernstlich gefährdet sind. (Links: Hört!) Dafür haben wir taube Ohren. Wo sind die beim letzten böhmischen Aufstand Kompromittirten, welche festgesetzt waren, hingekommen? Im kaiserlichen Hoflager sind sie. (Hört, hört!) Der Redner schließt damit, daß er die Personalunion anempfiehlt, die auch das einzige sei, was die österreichische Dynastie retten kann.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wiesner,</hi> von der außersten Linken, (gegen den Entwurf:) In dem Augenblicke, wo der Kampf der Reaktion gegen Wien, gegen die Freiheit tobt, in dem Augenblicke, wo, wie sie selbst sagen noch nichts entschieden ist, wollen wir hier ein Band losen, was Jahrhunderte geheiligt hat, das Band zwischen Oestreich und Deutschland. &#x2012; &#x201E;Kein Oestreich, kein Preußen mehr!&#x201C; diesen Spruch scheint man umändern zu wollen in: &#x201E;Kein Oestreich, sondern ein Preußen!&#x201C; &#x2012; (Beifall.) (Das Haus ist ungemein leer,) Ein neues freies Oestreich wird aus diesen Wirren auferstehen, die man den Heerd der Anarchie nennt, ein freies Oestreich, mit dem wir uns verbinden wollen. &#x2012; Oestreich hat sich schon aus kritischern Lagen gerettet als die gegenwärtige. &#x2012; Der Geist der Freiheit geht durch Oestreich, die Völker fühlen es, daß sie um jeden Preis zusammenhalten müssen. &#x2012; Nach den ungeheuren Verlusten, die Germania erlitten, Burgund, Lothringen, Elsaß, Holland etc., hat man noch den Muth, Deutsch-Oestreich in eine Position bringen zu wollen, die es von Deutschland lossagen soll. &#x2012; Die süddeutschen Provinzen werden es gewiß mit Oestreich halten. Höchstens das spezifische Preußenthum könnte dies nicht wollen. &#x2012; Jedes Sürrogat für die Vereinigung Oestreichs mit Deutschland, wie es das Minoritätserachten (S. oben ad §. 2) bietet, werden wir Oestreicher mit Stolz zurückweisen. &#x2012;</p>
          <p>Zum Schluß sagt Wiesner: &#x201E;Meine Herren, Sie haben oft meiner Parthei den Vorwurf gemacht, daß sie aus Republikanern bestehe. Es ist wahr, es sitzen dort (nach links) Republikaner, und ich bin einer von ihnen, aber eben deswegen will ich nicht für eine Personalunion stimmen bei einer Verfassung, in der sie (die Personalunion) hoffentlich bald nutzlos sein wird. (Bravo links.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Waiz,</hi> Professor aus Göttingen, hält einen langen Vortrag für den Paragraphen des Ausschusses. &#x2012; Er kennt nur eine Alternative: Die deutschen Lande Oestreichs entweder ganz bei Deutschland, oder gar nicht, d. h. ganz bei Oestreich als einen alleinstehenden Staat. &#x2012; Es werden sonst nie die Fälle fehlen, wo Oestreich in Conflikt geräth zwischen seinen Interessen und Deutschlands. Der Bau der deutschen Einheit würde ohne Oestreich ein leichter sein, aber ich glaube nicht, sagt Waiz, daß einer hier, der deswegen Oestreich wegwerfen will, weil mit ihm der Bau der deutschen Einheit schwieriger ist. (Bravo der Centren.)</p>
          <p><hi rendition="#g">von Wurth</hi> aus Oesterreich, (Unterstaatssekretär), gegen den Entwurf. Er kann sich nicht denken, daß es dazu kommt, daß man die Trennung von Oesterreich ausspricht. &#x2012; Wenn es je geschehen sollte, daß Oestereich in Trummer geht, dann würden sich slawische und magyarische Reiche bilden, welche Deutschland gefährden würden. &#x2012; Mit einigen Modifikationen könnten die deutschen Länder Oesterreichs in den deutschen Bund eintreten. &#x2012; Die Centralgewalt solle sich mit der österreichischen Regierung in's Einvernehmen setzen, (Gelächter) unter welchen Modifikationen Oesterreich in den deutschen Bund eintreten könne. (Links: Nein! Nein!).</p>
          <p><hi rendition="#g">Giskra</hi> für den Entwurf (Sensation.) Im Anfange des Verfassungsbaues tritt uns eine scharfe, kantige Ecke in den Weg &#x2012; Oesterreich! Diese Ecke muß weggerissen werden, unser Ausschuß hat es glücklich erkannt. &#x2012; (Bravo!) Keine historische Erinnerung ist stark genug, kein Habsburger Löwe, um das Entfalten <hi rendition="#g">des</hi> Banners zu verhindern, unter welches sich die erwachten Völker schaaren wollen. (Sehr gut! Bravo!) &#x2012; Man sehe Italien &#x2012; Ungarn! &#x2012;) Unser Haus soll der Zukunft trotzen. Die Pfeiler der Vergangenheit werden es nicht tragen &#x2012; Welches politische Gewicht wiegt schwerer im Rath der Völker? &#x2012; Oesterreich oder Deutschland? Die Papierbesitzer freilich (die Metalliquisten!) (Gelächter), die freilich klammern sich fest an Oesterreich. &#x2012; (Sehr brav! Sehr gut!) Man sagt, das Gras werde in den Straßen von Wien wachsen &#x2012; wenn der Osten von Oesterreich losgerissen wird; &#x2012; meine Herren, auch in den Straßen von Rom ist das Gras gewachsen, und keine Macht der Erde konnte es hindern, weil der Geist der Zeit es mit sich brachte. &#x2012; (Sehr wahr!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Giskra's</hi> Rede ist lang und glänzend, mit jener Kraft und Frische und Schnelligkeit, (welche die Stenographen in Verlegenheit setzt) vorgetragen, die dem Redner eigen ist. Das Haus horcht mit schärfster Spannung. Nur einzelne &#x201E;Sehr gut! Sehr wahr!&#x201C; unterbrechen ihn. &#x2012; Er spricht vorzüglich für das Minoritätserachten zu §. 2. für die Wahrung und Berechtigung der Nationalitäten Deutsch-Oesterreich zu Deutschland. &#x2012; Ungarn und Italienern und Slaven ihr Recht!</p>
          <p>Die österreichische Harlequinsjacke, die nur durch die vis inertiae der Völker bisher zusammengehalten, muß endlich und wird zerrissen werden. Wir wollen nicht durch Einverleibung aller bisherigen österreichschen Provinzen Deutschland mit aller Gewalt in Bürgerkrieg verwickeln Die Unhaltbarkeit, und den Unsinn der pragmatischen Sanktion weist Giskra treffend unter lautem Beifall nach. Hierauf folgt eine Rechtfertigung der ungarischen Erhebung und einige Worte zum Ruhme Kossuths, welche stürmischen Beifall der Linken und der Gallerien hervorrufen. Wenn die Regelung der Völker nach Nationalitäten durchgeführt wird, dann ist es nicht mehr möglich, was in diesem Augenblicke geschieht, daß ein Ban von Croatien mit seinen Horden von Croaten, Slaven und Pollaken, Bosniaken, und Gott weiß was für Landen und Gesindel, es wagt, auf deutschem Boeen die deutsche Freiheit zu unterdrücken. (Heißer Beifall!)</p>
          <p>Ich muß mich endlos wundern, sagt Giskra, wie ein hochgestellter Beamter der Centralgewalt (Herr v. Würth) sich dahin aussprechen kann, man solle sich mit der österreichischen Regierung ins Einvernehmen setzen, unter welchen Modifikationen die deutschen Provinzen Oesterreich's in den deutschen Bund aufzunehmen sein. Meine Herren, frei sind wir hier zusammengetreten, und frei werden wir die Bestimmungen für unser Land treffen, und keinen König, keinen Kaiser, keinen Reichstag und keinen Landtag dazwischsn reden lassen (stürmisches Bravo.) Die deutschen Provinzen sollen und müssen bei Deutschland verbleiben, und wenn alle Kronen darüber verblassen und alle Throne zusammenstürzen! (Stürmischer und langanhaltender Beifall im linken Centrum, links und Gallerien.) Die Diskussion wird vertagt.</p>
          <p>Vogt und Reitter aus Prag wollen in Folge der Wichtigkeit der österreichischen Ereignisse und des Hauptschlags, welcher sich in Wien jetzt vorbereitet, Morgen Sitzung halten. Soiron aber rückt mit seinem Verfassungsausschuß vor, welcher Zeit zu seinen Sitzungen haben müsse. Er dringt durch. Morgen ist keine Sitzung. Fortsetzung der Debatte Montag 9 Uhr. Wahrscheinlich dauert sie noch 2 Tage. Schluß heute 3 Uhr.</p>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 17. Oktober.</head>
          <p>Reichstagssitzung. Die von Borrosch zur Disziplinar-Verordnung für die mobile Garde beantragten §§ 7 und 8 werden berathen und angenommen. Schuselka fährt dabei fort, sich durch feig-eselhaftes Geschwätz zu verewigen. (Unterbrechung.)</p>
          <p>6 3/4 Uhr Abends Fortsetzung. Minister Krauß würdigt die Versammlung nicht mehr seiner Anwesenheit. Am Eingang des Reichstags stehen etwa 500 Frauen, die eine Adresse zur Aufrufung des Landsturms übergeben lassen. Auch auf den Galerien befinden sich viele Frauen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka,</hi> als Berichterstatter des Ausschusses: Ich bin nicht im Stande, die neue Adresse an Se. Majestät vorzulesen, weil sich bei ihrer Debatte im Ausschusse Schwierigkeiten erhoben haben. Man beantragt dazu eine neue Proklamation an die Völker Oesterreich's und will, daß eine Abschrift davon der Adresse an Se. Majestät beigelegt werde. (Warum verfertigen die Schuselka-Genies nicht einige Dutzend Adressen an Gott und die Welt im Vorrath?) Wir wollen uns darin noch einmal über unser Verhalten aussprechen, weil wir allerorten vielfach verläumdet werden. Wir wollen den Völkern im Wesentlichen sagen: 1) warum wir
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</TEI>
[0622/0002] sein, diese Frage nach den Grundsätzen der Politik und des Staatsrechts zu entscheiden, weil sie für uns zu wichtig sei. Wir müssen zuerst auf die Wiener Verträge zurückgehen; wir müssen alle Verpflichtungen halten, die diese Verträge uns auferlegten. Der Redner erzählt die Hergänge am Wiener Kongreß, wo man Anfangs Willens war, ein großes Polenreich zu bilden; wie Kaiser Alexander dafür schwärmte, wie dies aber unmöglich gemacht wurde. Ein freies unabhängiges Polen wieder herzustellen, dis war seit 1810 die einstimmige Meinung aller Großmächte. Als England und Frankreich die Unmöglichkeit sahen, bemühten sie sich, Preußen auf die Gefahren hinzuweisen, welche die gänzliche Vernichtung Polens haben würde. So in mehreren Noten des Jahres 1814. Der Art. 1 des Wiener Vertrages sicherte den Polen ihre politische Existenz. In der preußischen Redaktion ist davon abgewichen. Der Redner gibt eine sehr vollständige stundenlange Kritik der Wiener Verträge von 1815, welche auf das Großherzogthum Posen Bezug haben. ‒ Im vollen Widerspruch mit den Besitznahmepatenten steht der Huldigungseid des Großherzogthums. Ich kann mir diesen Eid nicht erklären. Und wie ist mit den früheren Verträgen der Bericht des Oberpräsidenten Flotwell vom 15. Mai 1841 vereinbar? Ich halte die Trennung der beiden Nationalitäten für eine Unmöglichkeit, weil sie schon so miteinander verwachsen sind, daß eine Trennung, ohne Ungerechtigkeit nicht mehr möglich ist. Aber auch im Interesse unserer Sicherheit ist die Demarkation zu verwerfen. Unsere erste Vertheidigungslinie gegen Osten bildet die Weichsel, die zweite die Oder. Die Festung Posen die nothwendige Verbindung. Gegen die Amendements von Geßler und Auerswald muß ich mich ganz entschieden erklären. Der Beschluß der Frankfurter Versammlung kann uns hier nicht vorgreifen. Gewiß ist die Frage wegen des Großherzothums eine „innere“ und unsere Zustimmung also erforderlich. Ich glaube indeß nicht, daß schon heute die Zeit, die Frage wegen der Demarkation zu verhandeln. Es kann uns ganz gleichgültig sein, ob ein Theil unseres Landes zu Deutschland gehört oder nicht. Wir wollen nur Gerechtigkeit für Polen und müssen deshalb auch unsere Verpflichtungen erfüllen, abgesehen von allen Sympathieen. In einem besondern Gesetze müssen wir die Rechte der Polen feststellen. Abg. Geßler, Nach der poetischen Auffassung, mit welcher die beiden Redner diese Frage aufgefaßt, sehe ich mich genöthigt, zur Prosa zurückzukehren. Jene wollen diese Frage jetzt ungelöst lassen und den Status que von 1815 erhalten, ich will aber die endliche Lösung. Die deutsche Bevölkerung des Großherzogthums befindet sich in einer unglücklichen Lage. Sie will von ihren Nachbarn, die gezeigt haben, daß sie es nicht gut mit ihr meinen, getrennt sein. Dieser zweifelhaften Lage muß aber ein Ende gemacht werden. Diese Versammlung hat noch nichts dafür gethan. Die zur Untersuchung der posenschen Angelegenheiten niedergesetzte Kommission hat bis jetzt noch kein Zeichen ihrer Wirksamkeit gegeben. Sie haben vom letzten Redner, einem Mitgliede dieser Kommission, gehört, wie sie über die deutsche und polnische Bevölkerung denken. Andere Mitglieder dieser Kommission haben auch ihre Aeußerungen auf dieser Tribüne fallen lassen, welche keinesfalls die deutsche Bevolkerung zufriedenstellen können. Sogar ist von dieser Kommission darauf angetragen, daß die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung Hinsichts der Demarkationslinie nicht anzuerkennen. Können solche Ansichten die deutsche Bevölkerung beruhigen? Sehen wir nicht aus den Amendements der polnischen Abgeordneten, was ihr Zweck eigentlich ist? Um die Rechte der deutschen Bevölkerung zu wahren, stelle ich daher folgendes Amendement: 1) Bei der Einleitung einzuschalten hinter: „Völker“ die Worte: „für die zu Deutschland gehörigen Landestheile.“ 2) Bei § 1 hinzuzufügen: für die nicht zu Deutschland gehörigen Theile des Großherzogthums Posen wird die Vereinbarung einer besondern Verfassung vorbehalten. Um dieses Amendement zu begründen geht er auf die Vorfälle des Frühjahrs im Großherzogthum zurück und setzt den Konflikt der deutschen und polnischen Bevölkerung und das Nähere über die Festsetzung der Demarkationslinie auseinander. Wir Deutsche in der Provinz Posen halten unsere Nationalität so lange für gefährdet, als die polnische Bevölkerung noch aufstehen kann und sagen, dieser Boden ist polnisch, wir wollen Euch allenfalls polnische Schutzverwandte im Lande behalten. Machen Sie es nicht wie in Oestreich, stellen Sie vielmehr mit der deutschen Nationalversammlung endlich die Theilung fest. Diese Rede ruft einige Berichtigungen von verschiedenen Seiten hervor. Zwei Mitglieder der Kommission beklagen sich über die Ausdrücke des Abg. Geßler. Auch einige polnische Abgeordnete verwahren sich gegen die ihnen untergeschobenen Absichten. Abg. Wachsmuth: Die Verfassungskommission ist von dem ursprünglichen Regierungsentwurfe, welcher auch nur von dem zu Deutschland gehörigen Landestheile spricht, deshalb abgegangen, weil sie nicht eingesehen, warum nicht alle Landestheile der preußischen Monarchie an unserer Verfassung Theil nehmen, warum der polnische Theil davon ausgeschlossen bleiben solle. Ob eine Demarkationslinie festgestellt wird oder nicht, bleibt hier ganz ohne Einfluß. Unsere polnischen Brüder werden bei der Berathung der Verfassung schon am geeigneten Orte für die Sicherstellung ihrer Nationalität Sorge tragen. Ich halte es für meine Pflicht, mit Gut und Blut wieder gut zu machen, welches unsere Väter der polnischen Nation zugefügt haben. Abg. v. Auerswald: Ich glaube nicht, daß der Gegenstand, worüber wir heute berathen, noch ferner ausgesetzt werden kann, wenn wir die Schwierigkeiten nicht vermehren wollen. In der Verfassung muß die Linie genau begränzt sein, für welchen Kreis sie gelten solle. Wir sind wohl alle darüber einig, daß wir nur eine Verfassung für ein deutsches Land machen wollen. Wir müssen dies genau bezeichnen. Würden wir heute schon eine Verfassung des deutschen Reichs vor uns liegen haben, so würden wir gewiß darüber bald einverstanden sein, daß in einem deutschen Lande kein fremdes Gebiet eingeschlossen werden könne. ‒ Die Zeit liegt noch nicht ferne uns, wo durch unbestimmte Ausdrücke die Flamme des Zwietrachts empor loderte; vermeiden wir daher gleiche Unbestimmtheiten. Wir sind mit Gut und Blut, alle, so weit wir Deutsche sind, verpflichtet, für die deutsche Grenze zu wachen. Vergeblich berufen wir uns auf eine vergangene Zeit. Wir können auf die Vergangenheit nicht zurückkommen. Der Redner spricht noch gegen alle eingereichte Amendements und empfiehlt das seinige, statt der Worte: „in ihrem gegenwärtigen Umfange“ die Worte: „so weit sie zu Deutschland gehören“ aufzunehmen. Abg. Pockzywnicki. Die staatsrechtlichen Verhältnisse des Großherzogthums Posen sind bereits vom Abg. Ahrens so gründlich dargelegt worden, daß ich mich aller Gründe, die aus den Wiener Verträgen herzuleiten seien, enthalten kann. Meiner Ansicht nach, welche ich durch Verträge nachweisen will, existirt nur eine Personal-Union zwischen dem Großherzogthum und dem übrigen Staate. Ich will aber auf diesen Grund verzichten, da die Real-Union seit 1820 faktisch in Kraft war. Auch ich bin der Ansicht, daß das Prinzip der Nationalität sich in ganz Europa Bahn brechen und daß eine Zeit kommen wird, wo alle Nationalitäten sich zu einem Staate einigen werden. ‒ Der Redner kommt auf die falschen Gründe, die für eine Theilung hervorgerufen sind, und beweist, daß sogar in dem Theile des Großherzogthums, welches zu Deutschland geschlagen werden solle, die polnische Bevölkerung die Majorität habe. Hierauf kommt der Redner auf einen Bericht des Generals Pfuel, als damaligen Pacifikator des Großherzogthums zu sprechen, welcher dem damaligen Ministerium den Rath gibt, da sich die Polen keine Demarkationslinie gefallen lassen wollen, das ganze Großherzogthum nach und nach zu germanisiren. Er glaube wohl, daß der Hr. v. Pfuel jetzt anderer Ansicht sein könne, aber man sieht doch was möglich sei. (Der Minister-Präsident verwahrt sich gegen die angegebene Aeußerung, welche nur in einem Privatschreiben enthalten sei, und ist erstaunt, sie veröffentlicht zu sehen.) Der Redner hebt die Zukunft des der Demarkationslinie zu unterwerfenden Theiles des Großherzogthums hervor, wenn dieser Theil nicht zum preußischen Staatsgebiet zugehören würde. In diesem polnischen Theile würden sich alsdann der Heerd aller polnischen Emigranten und Flüchtlinge anderer Länder zusammenfinden. Würde Rußland dazu stillschweigen? Es würde dieses kleine polnische Reich besetzen, wenn es aber zum preußischen Staatsgebiet gehöre, würde Rußland dies unmöglich sein. Abg. Bauer. (Krotoschin.) Zum dritten Male kommt die polnische Frage in unsrer Mitte zur Sprache, und zum drittenmal sind alle Leidenschaften entflammt. Man wirft den Preußen noch immer die Theilung Polen's vor; aber dieses Verbrechen ist gesühnt durch alle die Wohlthaten, welche den Polen von Preußen gewährt wurden. Hier handelt es sich aber um unsere deutsche Brüder, welche sich theils erst in der neuesten Zeit im Großherzogthume niedergelassen haben; sie wollen Deutsche bleiben, sie wollen ihre Nationalität nicht aufgeben und nicht unter der Herrschaft der Polen stehen. Das unabhängige Polen hat keine weitere Aufgabe, als sich die Gränzprovinzen so schnell wie möglich anzueignen. ‒ Worauf beruhen denn die Forderungen auf Absonderung des Großherzogthums Posen? Sie beruhen auf den Wiener Verträgen, auf den Versprechungen des März, und wir haben gehört, wie unsicher dieser Grund ist. Abg. Moritz: Ich glaube, wir sind von der ursprünglichen Debatte abgewichen. Der Artikel 1 handelt nur vom preußischen Staatsgebiet. Ueberall spricht die Verfassung nur von Preußen. Wer sich also für keinen Preußen hält, der ist der Verfassung nicht unterworfen. Wir müßten dann neben den Rechten der Preußen auch noch die Rechte der Polen feststellen. Abg. v. Lisiecki beschränkt sich nur darauf, mehrere von dem Redner vorgebrachte Thatsachen zu berichtigen. Besonders nimmt er auf die vom Abgeordneten Geßler gemachte Aeußerung Bezug, daß die Polen den Status quo von 1815 wollten und er von 1848. Ja, wir wollen den Status quo von 1815, da sah es noch anders im Großherzogthume aus. Seitdem hat ein Flottwell alles zu germanisiren gesucht. Man hat die Provinz mit deutschen Beamten überschwemmt, welche aber wahrlich nicht die Blüthe Deutschlands waren. Man will durch die Demarkationslinie, die ich eine satanische Erfindung nennen möchte, uns ganz abtrennen. Man gibt diesen Strich Landes verloren. Man wünscht uns darin alles Gute. Aber ist es möglich, daß wir uns darin absondern können? Beschließen Sie immerhin die Aufnahme des einen Theils in Deutschland, die Herzen der Polen, die in diesem Theile wohnen, können Sie nie zu deutschen machen. Um 2 Uhr wird die Sitzung aufgehoben und die Debatte vertagt. 126 Breslau, 18. Oktbr. Der Wiener Postzug, der um 3 1/2 Uhr Nachmittags ankommen sollte, kam erst 4 3/4 Uhr an. Reisende, die den 17. Abends Wien verließen, erzählen folgendes: Die Ungarn haben die österreichische Grenze überschritten mit einer Macht von 100,000 Mann (??) und stehen nur eine Stunde von Auersperg's Lager. (?) 6-7000 Mann Gratzer Nationalgarde haben sich durch die feindliche Armee durchgeschlagen und sind in Wien angekommen. Bei Prerau sollen die Garden des Kaisers von der Nationalgarde entwaffnet sein. Ich theile diese Nachrichten mit, ohne für ihre Wahrheit bürgen zu wollen, obgleich wir in einer Zeit der Wunder leben. !!! Frankfurt, 20. Okt. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Verfassungsentwurfs. §. 2, 3 und 4. Vor der Tagesordnung interpellirt v. Maifeld: Warum Baden einzig unter allen deutschen Ländern den Parlamentsmitgliedern keine Portofreiheit bewilligt? und ob das Reichsministerium der Badischen Regierung mittheilen wolle, daß ihr dies übel ansteht? (Große Heiterkeit). Folgen Flottenbeiträge. Tagesordnung: Berathung über den Verfassungsentwurf. §. 2. „Kein Theil des deutschen Reiches darf mit nicht deutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein.“ Minoritätserachten. Zusatz: „Insofern die eigenthümlichen Verhältnisse Oesterreichs die Ausführung dieses §. 2 und der daraus abgeleiteten Paragraphen hinsichtlich desselben nicht zulassen, soll die angestrebte Einheit und Macht Deutschlands im größtmöglichsten Maße durch den innigsten Anschluß Oesterreichs an Deutschland im Wege des völkerrechtlichen Bündnisses zwischen der Reichsgewalt und der österreichischen Regierung, erzielt werden. (Mühlfeldt, Detmold, Rothenhahn, Lassaulx). § 3. „Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personal-Union zu ordnen.“ §. 4. „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nichtdeutschen Lande in dem Verhältniß der Personal-Union steht, muß entweder in einem deutschen Lande residiren oder in demselben eine Regentschaft niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen“ Minoritätserachten: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nichtdeutschen Lande durch Personal-Union verbunden ist, darf nichtdeutsche Truppen in seine Länder nicht verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt.“ (Schüler, Blum, Wiegard). Die zahlreichen Amendements folgen bei den Abstimmungen. Die Diskussion über §. 2 bis 4 wird beschlossen. Es erhebt sich eine äußerst komische Debatte über die Einschreibungen der Redner, welche heute früh in etwas wilder und illegaler Weise vorgenommen zu sein scheinen. Die Zahl der Redner, welche theils für, theils wider den Entwurf des Verfassungsausschusses zu sprechen, eingeschrieben sind, beträgt mindestens Sechszig!! Die Diskussion, welche wohl heute kaum geschlossen werden dürfte, und aus der ich Ihnen natürlich nur das hervorstechendste mittheilen werde, bewegt sich vorzüglich um Vereinigung mit Oesterreich zu einem deutschen Reiche, oder theilweiser Lostrennung von demselben. Sie sehen aber, daß der Ausschuß in seiner Majorität diesmal im Sinne der Linken sich ausgesprochen, d. h. nach dem Prinzip der Nationalitäten Die Diskussion beginnt mit Fritsch (aus Oesterreich), welcher sich gegen den Entwurf ausspricht. Er will ganz Oesterreich mit Deutschland zu einem Reiche verbinden. Im entgegengesetzten Falle würde Deutschland sich schwächen, Oesterreich zerfallen, zum Theil russisch, zum Theil slawisch werden. Der Redner spricht sehr lange und sehr undeutlich, wird durch „Schluß!“ unterbrochen, meint aber unter Heiterkeit, „er habe noch gar nicht lange gesprochen;“ und fährt fort! Eisenmann, dessen Rede mit tiefer Stille und gespannter Aufmerksamkeit gehürt wird, sagt u. a.: Als im Frühjahr Oesterreich aufwachte und den Frühling der Völker auf die würdigste Weise mitfeierte, wee hätte es da für möglich gehalten, daß je in der Paulskirche die Frage entstehen könnte, ob Oesterreich deutsch sein solle oder nicht? (Bravo!) Die deutsche Einheit geht mir über Alles. Hier berathen Deutsche, keine Slaven. Wenn in Wien die Demokratie siegen würde, sollte es mir leid thun (?), aber wenn die Camarilla siegte, dann meine Herren, würde ich nicht mehr länger hier sitzen wollen! (Bravo!) Was die Ungarn anlangt, diese hätten seit Jahrhunderten gegen die pragmatische Sanktion gekämpft. Diese käme ihm vor wie der Hut eines Taschenspielers, man könne ihn drehen und wenden wie man wolle. (Heiterkeit.) Wie perfid sei das Verfahren Oesterreichs gegen Ungarn gewesen? Erst habe man Jellachich desavouirt. Später habe man deutlich sehen lassen, was man mit ihm beabsichtige. Falsche Handbillette habe die Camarilla den Kaiser an Jellachich schreiben lassen. Wer könne einer so treulosen Regierung trauen? In der ungarischen Angelegenheit seien die meisten deutschen Zeitungen an die österreichische Camarilla verkauft (Bravo! Hört!); z. B. die Ober-Postamts-Zeitung! (Großer Beifall links. Gelächter. Schmerling scheint emsig in ein Zeitungsblatt vertieft.) Was sei es für eine gränzenlose Unverschämtheit von einem Blatte, sogar den Zug des Croaten Jellachich gegen die Freiheit der Wiener zu rechtfertigen. (Energisches Bravo.) Ungarn ist überdem ein ganz loyales Land, will gar keine Republik, will sogar einen Theil der österreichischen Staatsschuld übernehmen. Er erinnert an das ungarische Moriamur pro rege nostro Maria Theresia. Die Ungarn sind bereit, den Reichstag in Wien als vermittelnde Korporation anzunehmen. Läßt der Redner die Gründe folgen, weshalb er gegen eine österreichische Föderativmonarchie ist. Ich hoffe, sagt er, unsere Verfassung soll so ausfallen, daß kein Nachbarstaat dadurch verletzt wird. Die Hauptsache aber ist, daß keiner von den Hiersitzenden das Recht hat, durch sein heutiges Votum 7 Millionen Deutsche aus dem deutschen Staatenverband herauszureißen. Die Konsequenzen dieser Lostrennung führen zum Bürgerkrieg, rother Republik (puh!) etc. Es giebt in Oesterreich gescheidte Leute. (Heiterkeit. Schmerling klatscht mit Distinktion), welche wohl wissen, daß es zu keinem Flintenschuß in Wien gekommen sein würde, wenn nicht Ungarn hätte sollen unterdrückt werden. Wenn Metternich noch da wäre, wäre es nicht dahin gekommen. (Heiterkeit.) Erringen Sie zuerst die deutsche Einheit, das Uebrige wird sich finden. (Langer Beifall.) Arend aus Oesterreich hält unter Beifall von rechts und den Centren eine lange, glänzende Rede im entgegengesetzten Sinne als der Entwurf. Er schließt, man solle Deutschlands schönste Perle, „Oesterreich,“ nicht fallen lassen. Seine Rede geht natürlich gegen den Entwurf. Reitter aus Böhmen ist für den Entwurf. Wie oben bemerkt, ist diesmal der größte Theil der Linken für die Fassung des Entwurfs (wie oben). Der Redner zeigt der Versammlung an, daß die Deutschen in Böhmen bereits ernstlich gefährdet sind. (Links: Hört!) Dafür haben wir taube Ohren. Wo sind die beim letzten böhmischen Aufstand Kompromittirten, welche festgesetzt waren, hingekommen? Im kaiserlichen Hoflager sind sie. (Hört, hört!) Der Redner schließt damit, daß er die Personalunion anempfiehlt, die auch das einzige sei, was die österreichische Dynastie retten kann. Wiesner, von der außersten Linken, (gegen den Entwurf:) In dem Augenblicke, wo der Kampf der Reaktion gegen Wien, gegen die Freiheit tobt, in dem Augenblicke, wo, wie sie selbst sagen noch nichts entschieden ist, wollen wir hier ein Band losen, was Jahrhunderte geheiligt hat, das Band zwischen Oestreich und Deutschland. ‒ „Kein Oestreich, kein Preußen mehr!“ diesen Spruch scheint man umändern zu wollen in: „Kein Oestreich, sondern ein Preußen!“ ‒ (Beifall.) (Das Haus ist ungemein leer,) Ein neues freies Oestreich wird aus diesen Wirren auferstehen, die man den Heerd der Anarchie nennt, ein freies Oestreich, mit dem wir uns verbinden wollen. ‒ Oestreich hat sich schon aus kritischern Lagen gerettet als die gegenwärtige. ‒ Der Geist der Freiheit geht durch Oestreich, die Völker fühlen es, daß sie um jeden Preis zusammenhalten müssen. ‒ Nach den ungeheuren Verlusten, die Germania erlitten, Burgund, Lothringen, Elsaß, Holland etc., hat man noch den Muth, Deutsch-Oestreich in eine Position bringen zu wollen, die es von Deutschland lossagen soll. ‒ Die süddeutschen Provinzen werden es gewiß mit Oestreich halten. Höchstens das spezifische Preußenthum könnte dies nicht wollen. ‒ Jedes Sürrogat für die Vereinigung Oestreichs mit Deutschland, wie es das Minoritätserachten (S. oben ad §. 2) bietet, werden wir Oestreicher mit Stolz zurückweisen. ‒ Zum Schluß sagt Wiesner: „Meine Herren, Sie haben oft meiner Parthei den Vorwurf gemacht, daß sie aus Republikanern bestehe. Es ist wahr, es sitzen dort (nach links) Republikaner, und ich bin einer von ihnen, aber eben deswegen will ich nicht für eine Personalunion stimmen bei einer Verfassung, in der sie (die Personalunion) hoffentlich bald nutzlos sein wird. (Bravo links.) Waiz, Professor aus Göttingen, hält einen langen Vortrag für den Paragraphen des Ausschusses. ‒ Er kennt nur eine Alternative: Die deutschen Lande Oestreichs entweder ganz bei Deutschland, oder gar nicht, d. h. ganz bei Oestreich als einen alleinstehenden Staat. ‒ Es werden sonst nie die Fälle fehlen, wo Oestreich in Conflikt geräth zwischen seinen Interessen und Deutschlands. Der Bau der deutschen Einheit würde ohne Oestreich ein leichter sein, aber ich glaube nicht, sagt Waiz, daß einer hier, der deswegen Oestreich wegwerfen will, weil mit ihm der Bau der deutschen Einheit schwieriger ist. (Bravo der Centren.) von Wurth aus Oesterreich, (Unterstaatssekretär), gegen den Entwurf. Er kann sich nicht denken, daß es dazu kommt, daß man die Trennung von Oesterreich ausspricht. ‒ Wenn es je geschehen sollte, daß Oestereich in Trummer geht, dann würden sich slawische und magyarische Reiche bilden, welche Deutschland gefährden würden. ‒ Mit einigen Modifikationen könnten die deutschen Länder Oesterreichs in den deutschen Bund eintreten. ‒ Die Centralgewalt solle sich mit der österreichischen Regierung in's Einvernehmen setzen, (Gelächter) unter welchen Modifikationen Oesterreich in den deutschen Bund eintreten könne. (Links: Nein! Nein!). Giskra für den Entwurf (Sensation.) Im Anfange des Verfassungsbaues tritt uns eine scharfe, kantige Ecke in den Weg ‒ Oesterreich! Diese Ecke muß weggerissen werden, unser Ausschuß hat es glücklich erkannt. ‒ (Bravo!) Keine historische Erinnerung ist stark genug, kein Habsburger Löwe, um das Entfalten des Banners zu verhindern, unter welches sich die erwachten Völker schaaren wollen. (Sehr gut! Bravo!) ‒ Man sehe Italien ‒ Ungarn! ‒) Unser Haus soll der Zukunft trotzen. Die Pfeiler der Vergangenheit werden es nicht tragen ‒ Welches politische Gewicht wiegt schwerer im Rath der Völker? ‒ Oesterreich oder Deutschland? Die Papierbesitzer freilich (die Metalliquisten!) (Gelächter), die freilich klammern sich fest an Oesterreich. ‒ (Sehr brav! Sehr gut!) Man sagt, das Gras werde in den Straßen von Wien wachsen ‒ wenn der Osten von Oesterreich losgerissen wird; ‒ meine Herren, auch in den Straßen von Rom ist das Gras gewachsen, und keine Macht der Erde konnte es hindern, weil der Geist der Zeit es mit sich brachte. ‒ (Sehr wahr!) Giskra's Rede ist lang und glänzend, mit jener Kraft und Frische und Schnelligkeit, (welche die Stenographen in Verlegenheit setzt) vorgetragen, die dem Redner eigen ist. Das Haus horcht mit schärfster Spannung. Nur einzelne „Sehr gut! Sehr wahr!“ unterbrechen ihn. ‒ Er spricht vorzüglich für das Minoritätserachten zu §. 2. für die Wahrung und Berechtigung der Nationalitäten Deutsch-Oesterreich zu Deutschland. ‒ Ungarn und Italienern und Slaven ihr Recht! Die österreichische Harlequinsjacke, die nur durch die vis inertiae der Völker bisher zusammengehalten, muß endlich und wird zerrissen werden. Wir wollen nicht durch Einverleibung aller bisherigen österreichschen Provinzen Deutschland mit aller Gewalt in Bürgerkrieg verwickeln Die Unhaltbarkeit, und den Unsinn der pragmatischen Sanktion weist Giskra treffend unter lautem Beifall nach. Hierauf folgt eine Rechtfertigung der ungarischen Erhebung und einige Worte zum Ruhme Kossuths, welche stürmischen Beifall der Linken und der Gallerien hervorrufen. Wenn die Regelung der Völker nach Nationalitäten durchgeführt wird, dann ist es nicht mehr möglich, was in diesem Augenblicke geschieht, daß ein Ban von Croatien mit seinen Horden von Croaten, Slaven und Pollaken, Bosniaken, und Gott weiß was für Landen und Gesindel, es wagt, auf deutschem Boeen die deutsche Freiheit zu unterdrücken. (Heißer Beifall!) Ich muß mich endlos wundern, sagt Giskra, wie ein hochgestellter Beamter der Centralgewalt (Herr v. Würth) sich dahin aussprechen kann, man solle sich mit der österreichischen Regierung ins Einvernehmen setzen, unter welchen Modifikationen die deutschen Provinzen Oesterreich's in den deutschen Bund aufzunehmen sein. Meine Herren, frei sind wir hier zusammengetreten, und frei werden wir die Bestimmungen für unser Land treffen, und keinen König, keinen Kaiser, keinen Reichstag und keinen Landtag dazwischsn reden lassen (stürmisches Bravo.) Die deutschen Provinzen sollen und müssen bei Deutschland verbleiben, und wenn alle Kronen darüber verblassen und alle Throne zusammenstürzen! (Stürmischer und langanhaltender Beifall im linken Centrum, links und Gallerien.) Die Diskussion wird vertagt. Vogt und Reitter aus Prag wollen in Folge der Wichtigkeit der österreichischen Ereignisse und des Hauptschlags, welcher sich in Wien jetzt vorbereitet, Morgen Sitzung halten. Soiron aber rückt mit seinem Verfassungsausschuß vor, welcher Zeit zu seinen Sitzungen haben müsse. Er dringt durch. Morgen ist keine Sitzung. Fortsetzung der Debatte Montag 9 Uhr. Wahrscheinlich dauert sie noch 2 Tage. Schluß heute 3 Uhr. 61 Wien, 17. Oktober. Reichstagssitzung. Die von Borrosch zur Disziplinar-Verordnung für die mobile Garde beantragten §§ 7 und 8 werden berathen und angenommen. Schuselka fährt dabei fort, sich durch feig-eselhaftes Geschwätz zu verewigen. (Unterbrechung.) 6 3/4 Uhr Abends Fortsetzung. Minister Krauß würdigt die Versammlung nicht mehr seiner Anwesenheit. Am Eingang des Reichstags stehen etwa 500 Frauen, die eine Adresse zur Aufrufung des Landsturms übergeben lassen. Auch auf den Galerien befinden sich viele Frauen. Schuselka, als Berichterstatter des Ausschusses: Ich bin nicht im Stande, die neue Adresse an Se. Majestät vorzulesen, weil sich bei ihrer Debatte im Ausschusse Schwierigkeiten erhoben haben. Man beantragt dazu eine neue Proklamation an die Völker Oesterreich's und will, daß eine Abschrift davon der Adresse an Se. Majestät beigelegt werde. (Warum verfertigen die Schuselka-Genies nicht einige Dutzend Adressen an Gott und die Welt im Vorrath?) Wir wollen uns darin noch einmal über unser Verhalten aussprechen, weil wir allerorten vielfach verläumdet werden. Wir wollen den Völkern im Wesentlichen sagen: 1) warum wir

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 123. Köln, 22. Oktober 1848. Zweite Ausgabe, S. 0622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz123ii_1848/2>, abgerufen am 26.04.2024.