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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1437, Czernowitz, 27.10.1908.

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27. Oktober 1908. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch] druck zu verleihen, stimmen Redner und Genossen gegen
das Budget.

Finanzminister Dr. Kory-
towski
kam gestern hier an und nahm an den Beratungen
des Landtages teil.

In der heutigen Abendsitzung
sprachen noch mehrere ruthenische Abgeordnete in der Debatte
über das Budget, und zwar die Abgeordneten Dr. Korol
(Altruthene), Dr. Dudykiewicz (Altruthene) u. a. Sie
erklärten, ebenfalls gegen das Budget stimmen zu müssen,
um die gegenwärtig herrschenden Verhältnisse zu brandmarken.
-- Das "Slowo Polski" berichtet, daß die Session des
galizischen Landtages allem Erwarten nach bis
zum 4. oder 5. November währen dürfte, worauf der Land-
tag vertagt
werden soll.

Eine neue galizische christlich-soziale Ver-
einigung.

(Orig.-Korr.)

Eine neue
christlich-soziale Vereinigung
ist, wie der "Naprzod"
berichtet, in Krakau im Entstehen begriffen, an deren Spitze
der Abg. Staniszewski treten soll. Der Gedanke an die
Gründung dieser Vereinigung ist wegen der letzten Erfolge
der Juden im Gemeinderate aufgetaucht.

Parteisteuer.

Die ukrainischen Blätter ver-
öffentlichen einen Aufruf des ukrainischen Nationalkomitees
an das ukrainische Volk, wornach jeder Ukrainofile zugunsten
seiner Partei einen bestimmten Betrag je nach der Stellung,
die er in der Partei einnimmt, leisten soll.




Die Polen im Preußischen Landtag.

Wie der "Kurjer Lwowski"
meldet, beabsichtigt der Polenklub des preußischen Landtages,
betreffs des Verbotes, in Versammlungen nichtdeutsche
Sprachen zu benützen, in der nächsten Sitzung des Landtages
zu interpellieren.




Bunte Chronik.


Schiffsunglück.

(Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die
Hafenagentie von Zlarin telegraphiert: Der nach Triest
bestimmte, der Triesterrhede gehörige Dampfer "Emma" fuhr
beim Leuchtturm von Rozanik auf. Der Schaden ist
unbekannt. Die Besatzung wurde gerettet.




Die Pest.

(Priv.-Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Die Bubonenpestepidemie hat in Terceira (Azoren
Inseln) an Umfang zugenommen. Täglich kommen
durchschnittlich sieben Todesfälle vor.




Selbstmord des Vizepräsidenten Emmerich
von Latkoczy in Graz.

(Orig.-Ber.)

Der frühere Vize-
präsident des ungarischen Verwaltungsgerichtshofes in
Budapest, Emmerich von Latkoczy, gegen den bekanntlich
wegen Bestechungen die Strafanzeige erstattet wurde, hat sich
Samstag morgens in einer Grazer Heilanstalt erschossen.




Ueben den sensationellen Vorfall erhält die "Grazer
Tagespost" folgenden Bericht: Emmerich von Latkoczy hatte
Donnerstag abend Budapest verlassen und sich in Begleitung
seiner Tochter und seines Schwiegersohnes nach Graz begeben,
wo er Freitag Früh eintraf. Latkoczy befand sich begreif-
licherweise nach den Vorgängen in Budapest in großer Auf-
regung. Er suchte ein hiesiges Sanatorium auf, wo er mit
seiner Tochter verbleiben wollte. Latkoczy erklärte selbst, daß
sein Zustand äußerst bedenklich sei und einer Psychose gleich-
käme. Die Anstaltsleitung, der er sich unter seinem wahren
Namen zu erkennen gab und der er auch die bekannten Vor-
gänge in Budapest erzählte, erklärte jedoch, momentan keine
Räumlichkeiten in gewünschtem Maße zur Verfügung stellen
zu können, da alles besetzt sei. Latkoczy blieb dann trotzdem
bis gegen abend im Sanatorium und wurde von seinem
Schwiegersohne abgeholt. Er fuhr in Begleitung seiner
Tochter und seines Schwiegersahnes vom Sanatorium fort
und suchte nun eine andere Heilanstalt auf, wo er auch Auf-
nahme fand. Bei seinem Eintreffen dort schien er seinen
Gleichmut wieder gefunden zu haben, Er war munter und
guter Dinge. Der Eindruck der neuen Umgebung schien auf
ihn eine ungemein günstige, beruhigende Wirkung ausgeübt
zu haben. Er nahm mit gutem Appetit sein Abendessen zu
sich und begab sich dann, ohne irgend eine Aeußerung getan
zu haben, die auf sein Vorhaben hingedeutet hätte, scheinbar
in bester Laune nach seinem Schlafzimmer. Niemand hatte
[Spaltenumbruch] eine Ahnung, daß v. Latkoczy sein Leben enden wollte.
Im Laufe der Nacht, vielleicht auch gegen den Morgen, das
ließ sich nicht feststellen, da merkwürdigerweise niemand eine
Detonation gehört hatte, jagte sich v. Latkoczy aus einem
sechsläufig Revolver eine Kugel in rechte Schläfe. Er hatte
gut gezielt. Der Schußkanal führte direkt durch das Gehirn,
so daß nach äretlichem Befund der Tod sofort eingetreten sein
mußte. Der Schuß mußte offenbar mit ruhiger Hand abge-
geben worden sein. Der Selbstmord Latkoczys wurde zuerst
durch einen Diener der Anstalt entdeckt, der früh in das
Zimmer trat, um sich nach den Wünschen des Gastes zu
erkundigen. Da dem Eintretenden auf seinen Gruß keine
Antwort zuteil wurde, trat er an das Bett heran, um zu
sehen, ob der Ruhende noch schlafe; zu seinem Schrecken
gewahrte er, daß das Gesicht Leichenblässe zeigte und der
Kopf eine Schußwunde aufwies. Der Diener erstattete sofort
einem Anstaltsarzte Meldung von seiner furchtbaren Ent-
deckung. Der Arzt eilte sogleich in das Zimmer Latkoczy[s].
Der erste Blick auf den im Bette Liegenden brachte ihm
aber die Ueberzeugung, daß hier keine Hilfe mehr möglich
sei. Der Tod war bereits seit längerer Zeit eingetreten. Von
dem Vorfalle wurde sofort der Schwiegersohn des Dahin-
geschiedenen verständigt, der sodann die Familienangehörigen
benachrichtigte.




Die Vorgänge, die zum Sturze Emmerich von Lotkoczys
geführt haben, sind bekannt. Er verwertete seinen Ei[n]fluß
bei der Regierung für G[e]ld durch Erwirkung von Konz[e]ssionen,
insbesondere für Apotheken und Tabaktrafiken. Um ihn zu
überführen, wurde ihm eine Falle gestellt, in die er auch
ging. Es wurden ihm 60.000 Kronen als Vermittlungs-
honorar für die E[r]wirkung einer Apothekerkonzession ange-
boten. Er nahm das Geld tatsächlich gegen Bestätigung in
Empfang. Der Bestechung überwiesen, wurde er sofort aus
dem Staatsdienst ohne Pensionsanspruch entlassen. Am
17. d. publizierte das ungarische Amtsblatt seine Enthebung.
Die Enthüllungen seiner Handlungsweise veranlaßten ihn,
auch Budapest zu verlassen.




Die rumänischen Chautants.

Aus Bukarest wird uns berichtet: Im Hinblick darauf,
daß sich in den sogenannten Varieteetheatern immer
wieder Skandale ereignen, hat die Polizei angeordnet, daß
die Vortragenden, sowohl die Männer als auch die Frauen,
nicht mehr mit dem Teller herumgehen dürfen, um den
Lohn für ihre Künste einzuheimsen; sondern daß jeder Gast
einen Leu Eintrittsgebühr zahlen muß. Des weiteren
ist es den Priestern und besonders den Priesterinnen der
hochgeschürzten Kunst verboten, mit den Gästen an einem
Tisch zu sitzen und mit ihnen zu zechen. Zum Schluß wird
angeordnet, daß alle diese Lokale um 1 Uhr nachts ge-
schlossen werden müssen.




[Ein Slowackidenkmal in Lemberg.]

Aus
Lemberg wird uns berichtet: Heute erschien in den
polnischen Blättern ein Aufruf ans polnische Volk, anläßlich
der 100. Wiederkehr des Geburtstages des zweitgrößten
polnischen Dichters, Slowacki, zum Bau eines Denkmals
für denselben nach Kräften beizusteuern.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Vollversammlung des Czernowitzer
kaufmännischen Vereines.

Samstag um 4 Uhr nachm. fand eine Vollversammlung
der Mitglieder des Czernowitzer kaufmännischen Vereines
statt, zu welcher auch sämtliche Mitglieder des kaufmännischen
Gremiums Gruppe I geladen waren. Außer den zahlreich
erschienen Kaufleuten, bemerkte man unter den Anwesenden
die Herren Reichsratsabgeordneten Dr. Straucher, die
Kammeräte kais. Rat Goldlust, Zentner und Picker,
Bankdirektor kais. Rat Kindler, Kozower und Groß-
industriellen Jakob Hecht. Der Vorsitzende, Herr Handels-
kammerpräsident und Landtagsabg. Wilhelm Tittinger,
begrüßte die zahlreich erschienenen Kaufleute und insbesondere
den Abgeordneten der Stadt Czernowitz, Herrn Dr. Straucher.
Derselbe erteilte hierauf dem Sekretär Mittelmann das
Wort zur Erstattung der auf der Tagesordnung stehenden
Referate. Der Genannte besprach nunmehr eingehend über das
Konsumvereinswesen in der Bukowina, sowie über die durch das
selbe der Kaufmannschaft verursachten Schäden und die nationale
Begrenzung der Konsumvereine in der Bukowina.

Ueber dieses Thema sprachen dann die Herren Kammer-
räte Goldlust und Bankdirektor Kindler. Kammerat
Goldlust verwies auf die bevorstehende neue Novellierung
des Gesetzes vom 9. April 1873, Reichs-Ges.-Blatt Nr. 70
über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und be-
richtete über eine Reihe von Bestimmungen, welche bei der
neuen Novellierung zu Gunsten der Kaufmannschaft im
Parlamente vorgelegt wurden. Der Sekretär berichtet sodann
über das Insormationswesen in der Bukowina, sowie über
die Stellungnahme des kaufmännischen Vereines im Jahre
1903. Der Genannte weist auf Grund einer Reihe von Tat-
sachen nach, daß mit den Informationen in der Bukowina
und namentlich in Czernowitz zum Schaden der Kaufmanschaft
von nichtautorisierten Personen sehr viel Unfug getrieben wird.
Zu diesem Thema sprachen die Herren: Abgeordneter Wilhelm
[Spaltenumbruch] Tittinger, Direktor Kindler und Reichsratsabgeordneter
Dr. Straucher, welcher eine gründliche Regelung dieser so
wichtigen Frage fordert. Redner ist der Ansicht, daß die Zu-
hilfenahme der Kammer ganz überflüssig ist, daß der kauf-
männische Verein in dieser Frage selbständig vorgehen solle
und in Einvernahme mit den maßgebenden kaufmännischen
Korporationen in Wien einen Modus zur strengen Regelung
dieser A[n]gelegenheit finden könnte. Eine in diesem Sinne be-
antragte Resolution gelangt zur einstimmigen Annahme. Sodann
berichtete der Referent über die g[e]plante Erhöhung des
Frachtbriefstempels sowie der Frachtentarife auf
den k. k. Staatsbahnen und beantragte die Ueberreichung
einer Protesteingabe an das Handelsministerium.

Kais. Rat Goldlust beantragt eine Debatte über in
die Details der geplanten Frachtenerhöhungen. Es entspinnt
sich eine lebhafte Diskuision, an der sich die Herren Direktor
Kindler, Goldlust, Feuerwerk, Hecht u. s. w.
beteiligen. Schließlich wurde dem Antrage des Referenten auf
Uebermittlung einer Protestnote an das Hand lsministerium
zugestimmt. Hierauf erstattete Herr Mittelmann ein
längeres Referat über die Eskomptierung offener Buch-
forderungen und deren Wichtigkeit für den kausmännischen
Mittelstand.

Zu diesem Thema sprechen die Herren Kammerrat
Zentner, Direktor Kindler und Herman Bianovici.
Dr. Straucher wies die Organisation des Kredites im Handels-
und Gewerbestande in der Bukowina nach und fand mit
seinen sehr interessanten Ausführungen reichlichen Beifall.
Kammerrat Zentner betonte abermals die Wichtigkeit der
Errichtung einer kaufmännischen Bank und
bedauerte, daß dieses Projekt bis nunzu nicht zustande kam.
Eine diesbezügliche Anfrage richtet gleichzeitig Herr Fuhrmann
an den Vorsitzenden. Der Vorsitzende, Herr Abgeordneter
Tittinger, sowie Abgeordneter Dr. Straucher stimmen
der Tatsache zu, daß die Begeisterung bei Gründung ähnlicher
Kreditinstitute bis zum Geldgeben sehr groß ist, wenn aber
die Einzahlungen erfolgen sollen, ziehen sich alle zurück.
Redner habe diesbezügliche Erfahrungen bei Gründung der
jüdischen Genossenschaftsbank gemacht, und liegen beim
Genannten noch heute ganze Stöße von Zuschriften wegen
Ernennung von Bankzensoren, Revisoren, Liquidatoren, Mäkler,
Diener, Aushilfsbeamten u. s. w. -- Die vom Referenten
vorgelegte Resolution, der kaufmännische Verein werde ermächtigt
mit den einzelnen Bankinstituten, die sich mit der Eskomp-
tierung von offenen Buchforderungen beschäftigen, in Verbindung
zu setzen und die Errichtung einer Filiale in Czernowitz zu
ermöglichen, wurde einstimmig angenommen.

Wegen der vorgerückten Zeit beantragte sodann Herr
Nestl die letzten 2 Punkte der Tagesordnung, Handlungs-
gehilfengesetz und Handelsvertrag mit Rumänien, von der
Tagesordnung abzusetzen, und zum Zwecke der Erledigung
dieser 2 Punkte eine eigene Versammlung einzuberufen. Herr
Schnapp protestiert gegen die Abstellung dieser 2 wichtigen
Punkte. Nachdem aber Abgeordneter Dr. Straucher die Ansicht
ausspricht, daß es nicht angeht, so wichtige Referate schablon-
mäßig zu behandeln, wurde der Antrag auf Vertagung
einstimmig beschloßen. Es gelangte nunmehr der letzte Punkt
der Tagesordnung, Stellungnahme zu den bevorstehenden
Handelskammerwahlen, zur Verhandlung. Zu diesem Punkte
sprach der Sekretär Mittelmann, welcher auf die Notwendigkeit
einer Einigung der gesamten Kaufmannschaft hinwies und
die ablehnende Haltung der kaufmännischen Gremien Gruppe II.
und III. bedauerte. Redner ist der Ansicht, daß die Forderung
der Kaufmannschaft und sämtlicher Ladenbesitzer auf Delegierung
eines Mitgliedes in die Handelskammer vollkommen be-
rechtigt ist. Namens der kaufmännischen Gremien Gruppe II.
und III. erwiderten hierauf die Herren Feuerwerk und
Haß. Herr Abgeordneter Dr. St[r]aucher besprach nunmehr
ausführlich die bevorstehenden Kammerwahlen, sowie Stellung-
nahme der Christlichsozialen, wies auf die ungemein wichtige
Position im Landtage hin, erörterte auch ausführlich die
Agenden des Kammerbu[r]eaus, sowie der einzelnen Kammer-
beamten (Zwischenrufe: "Die Kammersekretäre sind fort auf
Reisen oder gehen spazieren!") und ist der Ansicht, daß j[e]der
Kammer-Kandidat vorerst dem Handels- oder Gewerbestande
sein Programm vorzulegen verpfl[i]chtet ist. Im selben Sinne
sprechen auch Herr B. Baltinester und Kammerrat
Picker. Der Vorsitzende, Herr Abgeordneter Wilhelm
Tittinger, gibt die Erklärung ab, daß bei den bevor-
stehenden Handelskammerwahlen gewiß die maßgebenden
Ansichten des Abgeordneten Dr. Straucher gehört werden
und daß in seinem Sinne und mit seinem Einverständnisse
auch diese Angelegenheiten durchgeführt werden. Ein Antrag
des Herrn Nestl, am 31. d. M. im jüdischen Nationalhause
eine größere Versammlung sämtlicher Handels- und Gewerbe-
treibenden von Czernowitz zur Stellungnahme dieser Frage
einzuberufen, konnte nicht zur Abstimmung gelangen, nachdem
viele der Anwesenden den Saal verlassen hatten.




Einiges über Direktor Kahlert und
Professor Reichel.

Sechsundvierzig -- sage und schreibe: 46 Jahre sind
es, daß ich, mit dem Lehrbriefe der Reife versehen, das
damals nur vierundfünfzig, sage und schreibe: 54 Jahre alte
k. k. Obergymnasium von Czernowitz verließ, um in Wien
die akademische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Daß ich der
jubilierenden Unterrichtsanstalt noch heute in Treue zugetan
bin, ist mehr selbstverständlich als lobesam. Schon die un-
auslöschlichen Erinnerungen an die bunten Erlebnisse, vorzugs-
weise jedoch an die Lehrer und Erzieher, die an mir herum-
gebosselt haben, halten das Gefühl der Dankbarkeit und
Anhänglichkeit in mir lebendig.

Bis zum Jahre 1859 war Friedrich Kahlert Direktor
des Gymnasiums, wie es scheint, nur in provisoscher Eigenschaft,
denn er wurde an das Wiener akademische Gymnasium nicht
mit dem Range eines Direktors, sondern mit jenem eines
Professors versetzt. Er verkörperte tatsächlich das absolutistische

27. Oktober 1908. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch] druck zu verleihen, ſtimmen Redner und Genoſſen gegen
das Budget.

Finanzminiſter Dr. Kory-
towski
kam geſtern hier an und nahm an den Beratungen
des Landtages teil.

In der heutigen Abendſitzung
ſprachen noch mehrere rutheniſche Abgeordnete in der Debatte
über das Budget, und zwar die Abgeordneten Dr. Korol
(Altruthene), Dr. Dudykiewicz (Altruthene) u. a. Sie
erklärten, ebenfalls gegen das Budget ſtimmen zu müſſen,
um die gegenwärtig herrſchenden Verhältniſſe zu brandmarken.
— Das „Slowo Polski“ berichtet, daß die Seſſion des
galiziſchen Landtages allem Erwarten nach bis
zum 4. oder 5. November währen dürfte, worauf der Land-
tag vertagt
werden ſoll.

Eine neue galiziſche chriſtlich-ſoziale Ver-
einigung.

(Orig.-Korr.)

Eine neue
chriſtlich-ſoziale Vereinigung
iſt, wie der „Naprzod“
berichtet, in Krakau im Entſtehen begriffen, an deren Spitze
der Abg. Staniszewski treten ſoll. Der Gedanke an die
Gründung dieſer Vereinigung iſt wegen der letzten Erfolge
der Juden im Gemeinderate aufgetaucht.

Parteiſteuer.

Die ukrainiſchen Blätter ver-
öffentlichen einen Aufruf des ukrainiſchen Nationalkomitees
an das ukrainiſche Volk, wornach jeder Ukrainofile zugunſten
ſeiner Partei einen beſtimmten Betrag je nach der Stellung,
die er in der Partei einnimmt, leiſten ſoll.




Die Polen im Preußiſchen Landtag.

Wie der „Kurjer Lwowski“
meldet, beabſichtigt der Polenklub des preußiſchen Landtages,
betreffs des Verbotes, in Verſammlungen nichtdeutſche
Sprachen zu benützen, in der nächſten Sitzung des Landtages
zu interpellieren.




Bunte Chronik.


Schiffsunglück.

(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die
Hafenagentie von Zlarin telegraphiert: Der nach Trieſt
beſtimmte, der Trieſterrhede gehörige Dampfer „Emma“ fuhr
beim Leuchtturm von Rozanik auf. Der Schaden iſt
unbekannt. Die Beſatzung wurde gerettet.




Die Peſt.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Die Bubonenpeſtepidemie hat in Terceira (Azoren
Inſeln) an Umfang zugenommen. Täglich kommen
durchſchnittlich ſieben Todesfälle vor.




Selbſtmord des Vizepräſidenten Emmerich
von Latkoczy in Graz.

(Orig.-Ber.)

Der frühere Vize-
präſident des ungariſchen Verwaltungsgerichtshofes in
Budapeſt, Emmerich von Latkoczy, gegen den bekanntlich
wegen Beſtechungen die Strafanzeige erſtattet wurde, hat ſich
Samſtag morgens in einer Grazer Heilanſtalt erſchoſſen.




Ueben den ſenſationellen Vorfall erhält die „Grazer
Tagespoſt“ folgenden Bericht: Emmerich von Latkoczy hatte
Donnerſtag abend Budapeſt verlaſſen und ſich in Begleitung
ſeiner Tochter und ſeines Schwiegerſohnes nach Graz begeben,
wo er Freitag Früh eintraf. Latkoczy befand ſich begreif-
licherweiſe nach den Vorgängen in Budapeſt in großer Auf-
regung. Er ſuchte ein hieſiges Sanatorium auf, wo er mit
ſeiner Tochter verbleiben wollte. Latkoczy erklärte ſelbſt, daß
ſein Zuſtand äußerſt bedenklich ſei und einer Pſychoſe gleich-
käme. Die Anſtaltsleitung, der er ſich unter ſeinem wahren
Namen zu erkennen gab und der er auch die bekannten Vor-
gänge in Budapeſt erzählte, erklärte jedoch, momentan keine
Räumlichkeiten in gewünſchtem Maße zur Verfügung ſtellen
zu können, da alles beſetzt ſei. Latkoczy blieb dann trotzdem
bis gegen abend im Sanatorium und wurde von ſeinem
Schwiegerſohne abgeholt. Er fuhr in Begleitung ſeiner
Tochter und ſeines Schwiegerſahnes vom Sanatorium fort
und ſuchte nun eine andere Heilanſtalt auf, wo er auch Auf-
nahme fand. Bei ſeinem Eintreffen dort ſchien er ſeinen
Gleichmut wieder gefunden zu haben, Er war munter und
guter Dinge. Der Eindruck der neuen Umgebung ſchien auf
ihn eine ungemein günſtige, beruhigende Wirkung ausgeübt
zu haben. Er nahm mit gutem Appetit ſein Abendeſſen zu
ſich und begab ſich dann, ohne irgend eine Aeußerung getan
zu haben, die auf ſein Vorhaben hingedeutet hätte, ſcheinbar
in beſter Laune nach ſeinem Schlafzimmer. Niemand hatte
[Spaltenumbruch] eine Ahnung, daß v. Latkoczy ſein Leben enden wollte.
Im Laufe der Nacht, vielleicht auch gegen den Morgen, das
ließ ſich nicht feſtſtellen, da merkwürdigerweiſe niemand eine
Detonation gehört hatte, jagte ſich v. Latkoczy aus einem
ſechsläufig Revolver eine Kugel in rechte Schläfe. Er hatte
gut gezielt. Der Schußkanal führte direkt durch das Gehirn,
ſo daß nach äretlichem Befund der Tod ſofort eingetreten ſein
mußte. Der Schuß mußte offenbar mit ruhiger Hand abge-
geben worden ſein. Der Selbſtmord Latkoczys wurde zuerſt
durch einen Diener der Anſtalt entdeckt, der früh in das
Zimmer trat, um ſich nach den Wünſchen des Gaſtes zu
erkundigen. Da dem Eintretenden auf ſeinen Gruß keine
Antwort zuteil wurde, trat er an das Bett heran, um zu
ſehen, ob der Ruhende noch ſchlafe; zu ſeinem Schrecken
gewahrte er, daß das Geſicht Leichenbläſſe zeigte und der
Kopf eine Schußwunde aufwies. Der Diener erſtattete ſofort
einem Anſtaltsarzte Meldung von ſeiner furchtbaren Ent-
deckung. Der Arzt eilte ſogleich in das Zimmer Latkoczy[ſ].
Der erſte Blick auf den im Bette Liegenden brachte ihm
aber die Ueberzeugung, daß hier keine Hilfe mehr möglich
ſei. Der Tod war bereits ſeit längerer Zeit eingetreten. Von
dem Vorfalle wurde ſofort der Schwiegerſohn des Dahin-
geſchiedenen verſtändigt, der ſodann die Familienangehörigen
benachrichtigte.




Die Vorgänge, die zum Sturze Emmerich von Lotkoczys
geführt haben, ſind bekannt. Er verwertete ſeinen Ei[n]fluß
bei der Regierung für G[e]ld durch Erwirkung von Konz[e]ſſionen,
insbeſondere für Apotheken und Tabaktrafiken. Um ihn zu
überführen, wurde ihm eine Falle geſtellt, in die er auch
ging. Es wurden ihm 60.000 Kronen als Vermittlungs-
honorar für die E[r]wirkung einer Apothekerkonzeſſion ange-
boten. Er nahm das Geld tatſächlich gegen Beſtätigung in
Empfang. Der Beſtechung überwieſen, wurde er ſofort aus
dem Staatsdienſt ohne Penſionsanſpruch entlaſſen. Am
17. d. publizierte das ungariſche Amtsblatt ſeine Enthebung.
Die Enthüllungen ſeiner Handlungsweiſe veranlaßten ihn,
auch Budapeſt zu verlaſſen.




Die rumäniſchen Chautants.

Aus Bukareſt wird uns berichtet: Im Hinblick darauf,
daß ſich in den ſogenannten Varieteetheatern immer
wieder Skandale ereignen, hat die Polizei angeordnet, daß
die Vortragenden, ſowohl die Männer als auch die Frauen,
nicht mehr mit dem Teller herumgehen dürfen, um den
Lohn für ihre Künſte einzuheimſen; ſondern daß jeder Gaſt
einen Leu Eintrittsgebühr zahlen muß. Des weiteren
iſt es den Prieſtern und beſonders den Prieſterinnen der
hochgeſchürzten Kunſt verboten, mit den Gäſten an einem
Tiſch zu ſitzen und mit ihnen zu zechen. Zum Schluß wird
angeordnet, daß alle dieſe Lokale um 1 Uhr nachts ge-
ſchloſſen werden müſſen.




[Ein Slowackidenkmal in Lemberg.]

Aus
Lemberg wird uns berichtet: Heute erſchien in den
polniſchen Blättern ein Aufruf ans polniſche Volk, anläßlich
der 100. Wiederkehr des Geburtstages des zweitgrößten
polniſchen Dichters, Slowacki, zum Bau eines Denkmals
für denſelben nach Kräften beizuſteuern.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Vollverſammlung des Czernowitzer
kaufmänniſchen Vereines.

Samſtag um 4 Uhr nachm. fand eine Vollverſammlung
der Mitglieder des Czernowitzer kaufmänniſchen Vereines
ſtatt, zu welcher auch ſämtliche Mitglieder des kaufmänniſchen
Gremiums Gruppe I geladen waren. Außer den zahlreich
erſchienen Kaufleuten, bemerkte man unter den Anweſenden
die Herren Reichsratsabgeordneten Dr. Straucher, die
Kammeräte kaiſ. Rat Goldluſt, Zentner und Picker,
Bankdirektor kaiſ. Rat Kindler, Kozower und Groß-
induſtriellen Jakob Hecht. Der Vorſitzende, Herr Handels-
kammerpräſident und Landtagsabg. Wilhelm Tittinger,
begrüßte die zahlreich erſchienenen Kaufleute und insbeſondere
den Abgeordneten der Stadt Czernowitz, Herrn Dr. Straucher.
Derſelbe erteilte hierauf dem Sekretär Mittelmann das
Wort zur Erſtattung der auf der Tagesordnung ſtehenden
Referate. Der Genannte beſprach nunmehr eingehend über das
Konſumvereinsweſen in der Bukowina, ſowie über die durch das
ſelbe der Kaufmannſchaft verurſachten Schäden und die nationale
Begrenzung der Konſumvereine in der Bukowina.

Ueber dieſes Thema ſprachen dann die Herren Kammer-
räte Goldluſt und Bankdirektor Kindler. Kammerat
Goldluſt verwies auf die bevorſtehende neue Novellierung
des Geſetzes vom 9. April 1873, Reichs-Geſ.-Blatt Nr. 70
über die Erwerbs- und Wirtſchaftsgenoſſenſchaften und be-
richtete über eine Reihe von Beſtimmungen, welche bei der
neuen Novellierung zu Gunſten der Kaufmannſchaft im
Parlamente vorgelegt wurden. Der Sekretär berichtet ſodann
über das Inſormationsweſen in der Bukowina, ſowie über
die Stellungnahme des kaufmänniſchen Vereines im Jahre
1903. Der Genannte weiſt auf Grund einer Reihe von Tat-
ſachen nach, daß mit den Informationen in der Bukowina
und namentlich in Czernowitz zum Schaden der Kaufmanſchaft
von nichtautoriſierten Perſonen ſehr viel Unfug getrieben wird.
Zu dieſem Thema ſprachen die Herren: Abgeordneter Wilhelm
[Spaltenumbruch] Tittinger, Direktor Kindler und Reichsratsabgeordneter
Dr. Straucher, welcher eine gründliche Regelung dieſer ſo
wichtigen Frage fordert. Redner iſt der Anſicht, daß die Zu-
hilfenahme der Kammer ganz überflüſſig iſt, daß der kauf-
männiſche Verein in dieſer Frage ſelbſtändig vorgehen ſolle
und in Einvernahme mit den maßgebenden kaufmänniſchen
Korporationen in Wien einen Modus zur ſtrengen Regelung
dieſer A[n]gelegenheit finden könnte. Eine in dieſem Sinne be-
antragte Reſolution gelangt zur einſtimmigen Annahme. Sodann
berichtete der Referent über die g[e]plante Erhöhung des
Frachtbriefſtempels ſowie der Frachtentarife auf
den k. k. Staatsbahnen und beantragte die Ueberreichung
einer Proteſteingabe an das Handelsminiſterium.

Kaiſ. Rat Goldluſt beantragt eine Debatte über in
die Details der geplanten Frachtenerhöhungen. Es entſpinnt
ſich eine lebhafte Diskuiſion, an der ſich die Herren Direktor
Kindler, Goldluſt, Feuerwerk, Hecht u. ſ. w.
beteiligen. Schließlich wurde dem Antrage des Referenten auf
Uebermittlung einer Proteſtnote an das Hand lsminiſterium
zugeſtimmt. Hierauf erſtattete Herr Mittelmann ein
längeres Referat über die Eskomptierung offener Buch-
forderungen und deren Wichtigkeit für den kauſmänniſchen
Mittelſtand.

Zu dieſem Thema ſprechen die Herren Kammerrat
Zentner, Direktor Kindler und Herman Bianovici.
Dr. Straucher wies die Organiſation des Kredites im Handels-
und Gewerbeſtande in der Bukowina nach und fand mit
ſeinen ſehr intereſſanten Ausführungen reichlichen Beifall.
Kammerrat Zentner betonte abermals die Wichtigkeit der
Errichtung einer kaufmänniſchen Bank und
bedauerte, daß dieſes Projekt bis nunzu nicht zuſtande kam.
Eine diesbezügliche Anfrage richtet gleichzeitig Herr Fuhrmann
an den Vorſitzenden. Der Vorſitzende, Herr Abgeordneter
Tittinger, ſowie Abgeordneter Dr. Straucher ſtimmen
der Tatſache zu, daß die Begeiſterung bei Gründung ähnlicher
Kreditinſtitute bis zum Geldgeben ſehr groß iſt, wenn aber
die Einzahlungen erfolgen ſollen, ziehen ſich alle zurück.
Redner habe diesbezügliche Erfahrungen bei Gründung der
jüdiſchen Genoſſenſchaftsbank gemacht, und liegen beim
Genannten noch heute ganze Stöße von Zuſchriften wegen
Ernennung von Bankzenſoren, Reviſoren, Liquidatoren, Mäkler,
Diener, Aushilfsbeamten u. ſ. w. — Die vom Referenten
vorgelegte Reſolution, der kaufmänniſche Verein werde ermächtigt
mit den einzelnen Bankinſtituten, die ſich mit der Eskomp-
tierung von offenen Buchforderungen beſchäftigen, in Verbindung
zu ſetzen und die Errichtung einer Filiale in Czernowitz zu
ermöglichen, wurde einſtimmig angenommen.

Wegen der vorgerückten Zeit beantragte ſodann Herr
Neſtl die letzten 2 Punkte der Tagesordnung, Handlungs-
gehilfengeſetz und Handelsvertrag mit Rumänien, von der
Tagesordnung abzuſetzen, und zum Zwecke der Erledigung
dieſer 2 Punkte eine eigene Verſammlung einzuberufen. Herr
Schnapp proteſtiert gegen die Abſtellung dieſer 2 wichtigen
Punkte. Nachdem aber Abgeordneter Dr. Straucher die Anſicht
ausſpricht, daß es nicht angeht, ſo wichtige Referate ſchablon-
mäßig zu behandeln, wurde der Antrag auf Vertagung
einſtimmig beſchloßen. Es gelangte nunmehr der letzte Punkt
der Tagesordnung, Stellungnahme zu den bevorſtehenden
Handelskammerwahlen, zur Verhandlung. Zu dieſem Punkte
ſprach der Sekretär Mittelmann, welcher auf die Notwendigkeit
einer Einigung der geſamten Kaufmannſchaft hinwies und
die ablehnende Haltung der kaufmänniſchen Gremien Gruppe II.
und III. bedauerte. Redner iſt der Anſicht, daß die Forderung
der Kaufmannſchaft und ſämtlicher Ladenbeſitzer auf Delegierung
eines Mitgliedes in die Handelskammer vollkommen be-
rechtigt iſt. Namens der kaufmänniſchen Gremien Gruppe II.
und III. erwiderten hierauf die Herren Feuerwerk und
Haß. Herr Abgeordneter Dr. St[r]aucher beſprach nunmehr
ausführlich die bevorſtehenden Kammerwahlen, ſowie Stellung-
nahme der Chriſtlichſozialen, wies auf die ungemein wichtige
Poſition im Landtage hin, erörterte auch ausführlich die
Agenden des Kammerbu[r]eaus, ſowie der einzelnen Kammer-
beamten (Zwiſchenrufe: „Die Kammerſekretäre ſind fort auf
Reiſen oder gehen ſpazieren!“) und iſt der Anſicht, daß j[e]der
Kammer-Kandidat vorerſt dem Handels- oder Gewerbeſtande
ſein Programm vorzulegen verpfl[i]chtet iſt. Im ſelben Sinne
ſprechen auch Herr B. Baltineſter und Kammerrat
Picker. Der Vorſitzende, Herr Abgeordneter Wilhelm
Tittinger, gibt die Erklärung ab, daß bei den bevor-
ſtehenden Handelskammerwahlen gewiß die maßgebenden
Anſichten des Abgeordneten Dr. Straucher gehört werden
und daß in ſeinem Sinne und mit ſeinem Einverſtändniſſe
auch dieſe Angelegenheiten durchgeführt werden. Ein Antrag
des Herrn Neſtl, am 31. d. M. im jüdiſchen Nationalhauſe
eine größere Verſammlung ſämtlicher Handels- und Gewerbe-
treibenden von Czernowitz zur Stellungnahme dieſer Frage
einzuberufen, konnte nicht zur Abſtimmung gelangen, nachdem
viele der Anweſenden den Saal verlaſſen hatten.




Einiges über Direktor Kahlert und
Profeſſor Reichel.

Sechsundvierzig — ſage und ſchreibe: 46 Jahre ſind
es, daß ich, mit dem Lehrbriefe der Reife verſehen, das
damals nur vierundfünfzig, ſage und ſchreibe: 54 Jahre alte
k. k. Obergymnaſium von Czernowitz verließ, um in Wien
die akademiſche Staatsbürgerſchaft zu erlangen. Daß ich der
jubilierenden Unterrichtsanſtalt noch heute in Treue zugetan
bin, iſt mehr ſelbſtverſtändlich als lobeſam. Schon die un-
auslöſchlichen Erinnerungen an die bunten Erlebniſſe, vorzugs-
weiſe jedoch an die Lehrer und Erzieher, die an mir herum-
geboſſelt haben, halten das Gefühl der Dankbarkeit und
Anhänglichkeit in mir lebendig.

Bis zum Jahre 1859 war Friedrich Kahlert Direktor
des Gymnaſiums, wie es ſcheint, nur in proviſoſcher Eigenſchaft,
denn er wurde an das Wiener akademiſche Gymnaſium nicht
mit dem Range eines Direktors, ſondern mit jenem eines
Profeſſors verſetzt. Er verkörperte tatſächlich das abſolutiſtiſche

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[3/0003] 27. Oktober 1908. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. druck zu verleihen, ſtimmen Redner und Genoſſen gegen das Budget. Lemberg, 25. Oktober. Finanzminiſter Dr. Kory- towski kam geſtern hier an und nahm an den Beratungen des Landtages teil. Lemberg, 24. Oktober. In der heutigen Abendſitzung ſprachen noch mehrere rutheniſche Abgeordnete in der Debatte über das Budget, und zwar die Abgeordneten Dr. Korol (Altruthene), Dr. Dudykiewicz (Altruthene) u. a. Sie erklärten, ebenfalls gegen das Budget ſtimmen zu müſſen, um die gegenwärtig herrſchenden Verhältniſſe zu brandmarken. — Das „Slowo Polski“ berichtet, daß die Seſſion des galiziſchen Landtages allem Erwarten nach bis zum 4. oder 5. November währen dürfte, worauf der Land- tag vertagt werden ſoll. Eine neue galiziſche chriſtlich-ſoziale Ver- einigung. Krakau, 26. Oktober. (Orig.-Korr.) Eine neue chriſtlich-ſoziale Vereinigung iſt, wie der „Naprzod“ berichtet, in Krakau im Entſtehen begriffen, an deren Spitze der Abg. Staniszewski treten ſoll. Der Gedanke an die Gründung dieſer Vereinigung iſt wegen der letzten Erfolge der Juden im Gemeinderate aufgetaucht. Parteiſteuer. Lemberg, 26. Oktober. Die ukrainiſchen Blätter ver- öffentlichen einen Aufruf des ukrainiſchen Nationalkomitees an das ukrainiſche Volk, wornach jeder Ukrainofile zugunſten ſeiner Partei einen beſtimmten Betrag je nach der Stellung, die er in der Partei einnimmt, leiſten ſoll. Die Polen im Preußiſchen Landtag. Lemberg, 26. Oktober. Wie der „Kurjer Lwowski“ meldet, beabſichtigt der Polenklub des preußiſchen Landtages, betreffs des Verbotes, in Verſammlungen nichtdeutſche Sprachen zu benützen, in der nächſten Sitzung des Landtages zu interpellieren. Bunte Chronik. Cernowitz, 26. Oktober. Schiffsunglück. Zara, 26. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Hafenagentie von Zlarin telegraphiert: Der nach Trieſt beſtimmte, der Trieſterrhede gehörige Dampfer „Emma“ fuhr beim Leuchtturm von Rozanik auf. Der Schaden iſt unbekannt. Die Beſatzung wurde gerettet. Die Peſt. Liſſabon, 26. Oktober. (Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Bubonenpeſtepidemie hat in Terceira (Azoren Inſeln) an Umfang zugenommen. Täglich kommen durchſchnittlich ſieben Todesfälle vor. Selbſtmord des Vizepräſidenten Emmerich von Latkoczy in Graz. Graz, 25. Oktober. (Orig.-Ber.) Der frühere Vize- präſident des ungariſchen Verwaltungsgerichtshofes in Budapeſt, Emmerich von Latkoczy, gegen den bekanntlich wegen Beſtechungen die Strafanzeige erſtattet wurde, hat ſich Samſtag morgens in einer Grazer Heilanſtalt erſchoſſen. Ueben den ſenſationellen Vorfall erhält die „Grazer Tagespoſt“ folgenden Bericht: Emmerich von Latkoczy hatte Donnerſtag abend Budapeſt verlaſſen und ſich in Begleitung ſeiner Tochter und ſeines Schwiegerſohnes nach Graz begeben, wo er Freitag Früh eintraf. Latkoczy befand ſich begreif- licherweiſe nach den Vorgängen in Budapeſt in großer Auf- regung. Er ſuchte ein hieſiges Sanatorium auf, wo er mit ſeiner Tochter verbleiben wollte. Latkoczy erklärte ſelbſt, daß ſein Zuſtand äußerſt bedenklich ſei und einer Pſychoſe gleich- käme. Die Anſtaltsleitung, der er ſich unter ſeinem wahren Namen zu erkennen gab und der er auch die bekannten Vor- gänge in Budapeſt erzählte, erklärte jedoch, momentan keine Räumlichkeiten in gewünſchtem Maße zur Verfügung ſtellen zu können, da alles beſetzt ſei. Latkoczy blieb dann trotzdem bis gegen abend im Sanatorium und wurde von ſeinem Schwiegerſohne abgeholt. Er fuhr in Begleitung ſeiner Tochter und ſeines Schwiegerſahnes vom Sanatorium fort und ſuchte nun eine andere Heilanſtalt auf, wo er auch Auf- nahme fand. Bei ſeinem Eintreffen dort ſchien er ſeinen Gleichmut wieder gefunden zu haben, Er war munter und guter Dinge. Der Eindruck der neuen Umgebung ſchien auf ihn eine ungemein günſtige, beruhigende Wirkung ausgeübt zu haben. Er nahm mit gutem Appetit ſein Abendeſſen zu ſich und begab ſich dann, ohne irgend eine Aeußerung getan zu haben, die auf ſein Vorhaben hingedeutet hätte, ſcheinbar in beſter Laune nach ſeinem Schlafzimmer. Niemand hatte eine Ahnung, daß v. Latkoczy ſein Leben enden wollte. Im Laufe der Nacht, vielleicht auch gegen den Morgen, das ließ ſich nicht feſtſtellen, da merkwürdigerweiſe niemand eine Detonation gehört hatte, jagte ſich v. Latkoczy aus einem ſechsläufig Revolver eine Kugel in rechte Schläfe. Er hatte gut gezielt. Der Schußkanal führte direkt durch das Gehirn, ſo daß nach äretlichem Befund der Tod ſofort eingetreten ſein mußte. Der Schuß mußte offenbar mit ruhiger Hand abge- geben worden ſein. Der Selbſtmord Latkoczys wurde zuerſt durch einen Diener der Anſtalt entdeckt, der früh in das Zimmer trat, um ſich nach den Wünſchen des Gaſtes zu erkundigen. Da dem Eintretenden auf ſeinen Gruß keine Antwort zuteil wurde, trat er an das Bett heran, um zu ſehen, ob der Ruhende noch ſchlafe; zu ſeinem Schrecken gewahrte er, daß das Geſicht Leichenbläſſe zeigte und der Kopf eine Schußwunde aufwies. Der Diener erſtattete ſofort einem Anſtaltsarzte Meldung von ſeiner furchtbaren Ent- deckung. Der Arzt eilte ſogleich in das Zimmer Latkoczyſ. Der erſte Blick auf den im Bette Liegenden brachte ihm aber die Ueberzeugung, daß hier keine Hilfe mehr möglich ſei. Der Tod war bereits ſeit längerer Zeit eingetreten. Von dem Vorfalle wurde ſofort der Schwiegerſohn des Dahin- geſchiedenen verſtändigt, der ſodann die Familienangehörigen benachrichtigte. Die Vorgänge, die zum Sturze Emmerich von Lotkoczys geführt haben, ſind bekannt. Er verwertete ſeinen Einfluß bei der Regierung für Geld durch Erwirkung von Konzeſſionen, insbeſondere für Apotheken und Tabaktrafiken. Um ihn zu überführen, wurde ihm eine Falle geſtellt, in die er auch ging. Es wurden ihm 60.000 Kronen als Vermittlungs- honorar für die Erwirkung einer Apothekerkonzeſſion ange- boten. Er nahm das Geld tatſächlich gegen Beſtätigung in Empfang. Der Beſtechung überwieſen, wurde er ſofort aus dem Staatsdienſt ohne Penſionsanſpruch entlaſſen. Am 17. d. publizierte das ungariſche Amtsblatt ſeine Enthebung. Die Enthüllungen ſeiner Handlungsweiſe veranlaßten ihn, auch Budapeſt zu verlaſſen. Die rumäniſchen Chautants. Aus Bukareſt wird uns berichtet: Im Hinblick darauf, daß ſich in den ſogenannten Varieteetheatern immer wieder Skandale ereignen, hat die Polizei angeordnet, daß die Vortragenden, ſowohl die Männer als auch die Frauen, nicht mehr mit dem Teller herumgehen dürfen, um den Lohn für ihre Künſte einzuheimſen; ſondern daß jeder Gaſt einen Leu Eintrittsgebühr zahlen muß. Des weiteren iſt es den Prieſtern und beſonders den Prieſterinnen der hochgeſchürzten Kunſt verboten, mit den Gäſten an einem Tiſch zu ſitzen und mit ihnen zu zechen. Zum Schluß wird angeordnet, daß alle dieſe Lokale um 1 Uhr nachts ge- ſchloſſen werden müſſen. [Ein Slowackidenkmal in Lemberg.] Aus Lemberg wird uns berichtet: Heute erſchien in den polniſchen Blättern ein Aufruf ans polniſche Volk, anläßlich der 100. Wiederkehr des Geburtstages des zweitgrößten polniſchen Dichters, Slowacki, zum Bau eines Denkmals für denſelben nach Kräften beizuſteuern. Czernowitzer Angelegenheiten. Czernowitz, 26. Oktober. Vollverſammlung des Czernowitzer kaufmänniſchen Vereines. Samſtag um 4 Uhr nachm. fand eine Vollverſammlung der Mitglieder des Czernowitzer kaufmänniſchen Vereines ſtatt, zu welcher auch ſämtliche Mitglieder des kaufmänniſchen Gremiums Gruppe I geladen waren. Außer den zahlreich erſchienen Kaufleuten, bemerkte man unter den Anweſenden die Herren Reichsratsabgeordneten Dr. Straucher, die Kammeräte kaiſ. Rat Goldluſt, Zentner und Picker, Bankdirektor kaiſ. Rat Kindler, Kozower und Groß- induſtriellen Jakob Hecht. Der Vorſitzende, Herr Handels- kammerpräſident und Landtagsabg. Wilhelm Tittinger, begrüßte die zahlreich erſchienenen Kaufleute und insbeſondere den Abgeordneten der Stadt Czernowitz, Herrn Dr. Straucher. Derſelbe erteilte hierauf dem Sekretär Mittelmann das Wort zur Erſtattung der auf der Tagesordnung ſtehenden Referate. Der Genannte beſprach nunmehr eingehend über das Konſumvereinsweſen in der Bukowina, ſowie über die durch das ſelbe der Kaufmannſchaft verurſachten Schäden und die nationale Begrenzung der Konſumvereine in der Bukowina. Ueber dieſes Thema ſprachen dann die Herren Kammer- räte Goldluſt und Bankdirektor Kindler. Kammerat Goldluſt verwies auf die bevorſtehende neue Novellierung des Geſetzes vom 9. April 1873, Reichs-Geſ.-Blatt Nr. 70 über die Erwerbs- und Wirtſchaftsgenoſſenſchaften und be- richtete über eine Reihe von Beſtimmungen, welche bei der neuen Novellierung zu Gunſten der Kaufmannſchaft im Parlamente vorgelegt wurden. Der Sekretär berichtet ſodann über das Inſormationsweſen in der Bukowina, ſowie über die Stellungnahme des kaufmänniſchen Vereines im Jahre 1903. Der Genannte weiſt auf Grund einer Reihe von Tat- ſachen nach, daß mit den Informationen in der Bukowina und namentlich in Czernowitz zum Schaden der Kaufmanſchaft von nichtautoriſierten Perſonen ſehr viel Unfug getrieben wird. Zu dieſem Thema ſprachen die Herren: Abgeordneter Wilhelm Tittinger, Direktor Kindler und Reichsratsabgeordneter Dr. Straucher, welcher eine gründliche Regelung dieſer ſo wichtigen Frage fordert. Redner iſt der Anſicht, daß die Zu- hilfenahme der Kammer ganz überflüſſig iſt, daß der kauf- männiſche Verein in dieſer Frage ſelbſtändig vorgehen ſolle und in Einvernahme mit den maßgebenden kaufmänniſchen Korporationen in Wien einen Modus zur ſtrengen Regelung dieſer Angelegenheit finden könnte. Eine in dieſem Sinne be- antragte Reſolution gelangt zur einſtimmigen Annahme. Sodann berichtete der Referent über die geplante Erhöhung des Frachtbriefſtempels ſowie der Frachtentarife auf den k. k. Staatsbahnen und beantragte die Ueberreichung einer Proteſteingabe an das Handelsminiſterium. Kaiſ. Rat Goldluſt beantragt eine Debatte über in die Details der geplanten Frachtenerhöhungen. Es entſpinnt ſich eine lebhafte Diskuiſion, an der ſich die Herren Direktor Kindler, Goldluſt, Feuerwerk, Hecht u. ſ. w. beteiligen. Schließlich wurde dem Antrage des Referenten auf Uebermittlung einer Proteſtnote an das Hand lsminiſterium zugeſtimmt. Hierauf erſtattete Herr Mittelmann ein längeres Referat über die Eskomptierung offener Buch- forderungen und deren Wichtigkeit für den kauſmänniſchen Mittelſtand. Zu dieſem Thema ſprechen die Herren Kammerrat Zentner, Direktor Kindler und Herman Bianovici. Dr. Straucher wies die Organiſation des Kredites im Handels- und Gewerbeſtande in der Bukowina nach und fand mit ſeinen ſehr intereſſanten Ausführungen reichlichen Beifall. Kammerrat Zentner betonte abermals die Wichtigkeit der Errichtung einer kaufmänniſchen Bank und bedauerte, daß dieſes Projekt bis nunzu nicht zuſtande kam. Eine diesbezügliche Anfrage richtet gleichzeitig Herr Fuhrmann an den Vorſitzenden. Der Vorſitzende, Herr Abgeordneter Tittinger, ſowie Abgeordneter Dr. Straucher ſtimmen der Tatſache zu, daß die Begeiſterung bei Gründung ähnlicher Kreditinſtitute bis zum Geldgeben ſehr groß iſt, wenn aber die Einzahlungen erfolgen ſollen, ziehen ſich alle zurück. Redner habe diesbezügliche Erfahrungen bei Gründung der jüdiſchen Genoſſenſchaftsbank gemacht, und liegen beim Genannten noch heute ganze Stöße von Zuſchriften wegen Ernennung von Bankzenſoren, Reviſoren, Liquidatoren, Mäkler, Diener, Aushilfsbeamten u. ſ. w. — Die vom Referenten vorgelegte Reſolution, der kaufmänniſche Verein werde ermächtigt mit den einzelnen Bankinſtituten, die ſich mit der Eskomp- tierung von offenen Buchforderungen beſchäftigen, in Verbindung zu ſetzen und die Errichtung einer Filiale in Czernowitz zu ermöglichen, wurde einſtimmig angenommen. Wegen der vorgerückten Zeit beantragte ſodann Herr Neſtl die letzten 2 Punkte der Tagesordnung, Handlungs- gehilfengeſetz und Handelsvertrag mit Rumänien, von der Tagesordnung abzuſetzen, und zum Zwecke der Erledigung dieſer 2 Punkte eine eigene Verſammlung einzuberufen. Herr Schnapp proteſtiert gegen die Abſtellung dieſer 2 wichtigen Punkte. Nachdem aber Abgeordneter Dr. Straucher die Anſicht ausſpricht, daß es nicht angeht, ſo wichtige Referate ſchablon- mäßig zu behandeln, wurde der Antrag auf Vertagung einſtimmig beſchloßen. Es gelangte nunmehr der letzte Punkt der Tagesordnung, Stellungnahme zu den bevorſtehenden Handelskammerwahlen, zur Verhandlung. Zu dieſem Punkte ſprach der Sekretär Mittelmann, welcher auf die Notwendigkeit einer Einigung der geſamten Kaufmannſchaft hinwies und die ablehnende Haltung der kaufmänniſchen Gremien Gruppe II. und III. bedauerte. Redner iſt der Anſicht, daß die Forderung der Kaufmannſchaft und ſämtlicher Ladenbeſitzer auf Delegierung eines Mitgliedes in die Handelskammer vollkommen be- rechtigt iſt. Namens der kaufmänniſchen Gremien Gruppe II. und III. erwiderten hierauf die Herren Feuerwerk und Haß. Herr Abgeordneter Dr. Straucher beſprach nunmehr ausführlich die bevorſtehenden Kammerwahlen, ſowie Stellung- nahme der Chriſtlichſozialen, wies auf die ungemein wichtige Poſition im Landtage hin, erörterte auch ausführlich die Agenden des Kammerbureaus, ſowie der einzelnen Kammer- beamten (Zwiſchenrufe: „Die Kammerſekretäre ſind fort auf Reiſen oder gehen ſpazieren!“) und iſt der Anſicht, daß jeder Kammer-Kandidat vorerſt dem Handels- oder Gewerbeſtande ſein Programm vorzulegen verpflichtet iſt. Im ſelben Sinne ſprechen auch Herr B. Baltineſter und Kammerrat Picker. Der Vorſitzende, Herr Abgeordneter Wilhelm Tittinger, gibt die Erklärung ab, daß bei den bevor- ſtehenden Handelskammerwahlen gewiß die maßgebenden Anſichten des Abgeordneten Dr. Straucher gehört werden und daß in ſeinem Sinne und mit ſeinem Einverſtändniſſe auch dieſe Angelegenheiten durchgeführt werden. Ein Antrag des Herrn Neſtl, am 31. d. M. im jüdiſchen Nationalhauſe eine größere Verſammlung ſämtlicher Handels- und Gewerbe- treibenden von Czernowitz zur Stellungnahme dieſer Frage einzuberufen, konnte nicht zur Abſtimmung gelangen, nachdem viele der Anweſenden den Saal verlaſſen hatten. Einiges über Direktor Kahlert und Profeſſor Reichel. Von Dr. Max Goldenberg. Sechsundvierzig — ſage und ſchreibe: 46 Jahre ſind es, daß ich, mit dem Lehrbriefe der Reife verſehen, das damals nur vierundfünfzig, ſage und ſchreibe: 54 Jahre alte k. k. Obergymnaſium von Czernowitz verließ, um in Wien die akademiſche Staatsbürgerſchaft zu erlangen. Daß ich der jubilierenden Unterrichtsanſtalt noch heute in Treue zugetan bin, iſt mehr ſelbſtverſtändlich als lobeſam. Schon die un- auslöſchlichen Erinnerungen an die bunten Erlebniſſe, vorzugs- weiſe jedoch an die Lehrer und Erzieher, die an mir herum- geboſſelt haben, halten das Gefühl der Dankbarkeit und Anhänglichkeit in mir lebendig. Bis zum Jahre 1859 war Friedrich Kahlert Direktor des Gymnaſiums, wie es ſcheint, nur in proviſoſcher Eigenſchaft, denn er wurde an das Wiener akademiſche Gymnaſium nicht mit dem Range eines Direktors, ſondern mit jenem eines Profeſſors verſetzt. Er verkörperte tatſächlich das abſolutiſtiſche

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1437, Czernowitz, 27.10.1908, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1437_1908/3>, abgerufen am 26.04.2024.