Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite


Sophia, Name mehrer Fürstinen. - S., Gemahlin des byzant. Kaisers Justinus II. - S., Tochter des Thomas Paläologus, 1472 mit dem Czar Wasiljewitsch vermählt. - S., Alexiewna, geb. 1667, Peters I. Schwester, 1682 Regentin, 1689 von demselben in ein Kloster zu Moskau gesteckt, wo sie 1704 st. - S., Dorothea, geb. 1666, Erbtochter des Herzogs Wilhelm von Celle, 1682 mit dem hannöv. Erbprinzen, dem späteren König Georg I. von England vermählt, von ihm Mutter Georg II. von England und der S. Dorothea, der Gemahlin Friedrich Wilhelms I. von Preußen, Mutter Friedrichs II. Der damalige hannöv. Hof war sittenlos durch und durch, die Prinzessin wurde von ihrem Gemahle vernachlässigt, dann eines verbrecherischen Verhältnisses zu dem Grafen Philipp von Königsmark bezüchtigt; dieser wurde 1. Juli 1694 im Palaste getödtet, die Prinzessin aber auf Schloß Ahlden (daher Prinzessin von Ahlden) bis zu ihrem Tode (13. Nov. 1726) gefangen gehalten. - S., Dorothea Friederike, Tochter des Königs Maximilian I. von Bayern, geb. 27. Jan. 1805, vermählt dem Erzherzog Franz Karl 4. Nov. 1824, Mutter des Kaisers Franz Joseph I. von Oesterreich, der Erzherzoge Ferdinand Maximilian Joseph, geb. 6. Juli 1832, Karl Ludwig Joseph Maria, geb. 30. Juli 1833, der Erzherzogin Maria Anna Karolina Pia, geb. 2. Oct. 1835.


Sophienkirche, das merkwürdigste Gebäude Konstantinopels, im 6. Jahrh. durch die Baumeister Anthemius und Isidorus von Kaiser Justinian I. in Form eines griech. Kreuzes erbaut, mit einer auf 4 Säulen ruhenden, von 24 Fenstern erleuchteten Hauptkuppel, die flach gewölbt, elliptisch, 180' lang, 165' breit und 165 ' hoch ist, mit 2 Halb- und 6 Nebenkuppeln; die Kirche mißt innerhalb von Nord gen Süd 228', von Ost gen West 2521/2' hat 170 Säulen (8 von Porphyr aus Aurelians Sonnentempel zu Rom, 8 von grünem Jaspis aus dem ephesischen Dianentempel). Die Backsteinmauern sind mit Marmor bekleidet, der Fußboden mit Porphyr und Verdeantico, das Innere der Kuppel mit Mosaik; die Thüren sind bronzen mit Hautreliefs; die Gemälde sind von den Türken übertüncht worden. 1204 wurde die S. von den Kreuzfahrern geplündert, 1453 von den Türken zur Hauptmoschee gemacht und durch 4 Minarets verunstaltet.


Sophisma, Trugschluß, s. Schluß.


Sophistik, die, bezeichnet nicht sowohl ein philosophisches System oder eine bestimmte philosophische Schule im alten Hellas als diejenige Zeitrichtung, welche in Athen zur Zeit des peloponnes. Krieges herrschend wurde, sich am füglichsten mit der französ. Aufklärung des 18. Jahrh. vergleichen läßt und Vertreter und Anhänger nicht nur unter allen Arten von Schriftstellern, sondern in allen Classen der Gesellschaft fand. Schon ehe es Sophisten gab, hatte der Geist der Zeit an allem Bestehenden, vor allem an der alten Volksreligion und an den öffentlichen Zuständen gerüttelt, die Sophisten aber wurden nur der geistige Ausdruck ihrer Zeit und der Haltlosigkeit derselben. Sie erklärten den Menschen und zwar den einzelnen empirischen Menschen als das Maß aller Dinge, mit andern Worten: jeder Einzelne habe das Recht, seine Vernunft oder Einsicht zur Richterin alles Bestehenden zu machen u. jede Lehre der Religion, jedes Gesetz u. s. f. nur dann als wahr und recht gelten zu lassen, wenn seine Vernunft Ja dazu sage. An Leuten, welche ihre Einsicht u. die Sprache ihrer Leidenschaften für unfehlbare Wahrheit hielten, hatte es niemals gemangelt, durch die Sophisten kam es jetzt dahin, daß der mundfertigste Schwätzer auch zugleich als der größte Philosoph gelten wollte und vielfach galt. Die Ueberredungskunst galt als das non plus ultra aller Weisheit; der eine eiferte dem Hippias nach, der stets etwas Neues sagen wollte, der andere brüstete sich damit, über jede beliebige Sache ohne weiteres Studium und ohne Sachkenntniß sofort eine Rede aus dem Stegreif loslassen zu können, der dritte suchte zu glänzen, indem er über das Salz und noch geringfügigere Dinge wohlgesetzte Reden hielt, der höchste Triumph des Sophisten aber lag in der Fertigkeit, etwas


Sophia, Name mehrer Fürstinen. – S., Gemahlin des byzant. Kaisers Justinus II. – S., Tochter des Thomas Paläologus, 1472 mit dem Czar Wasiljewitsch vermählt. – S., Alexiewna, geb. 1667, Peters I. Schwester, 1682 Regentin, 1689 von demselben in ein Kloster zu Moskau gesteckt, wo sie 1704 st. – S., Dorothea, geb. 1666, Erbtochter des Herzogs Wilhelm von Celle, 1682 mit dem hannöv. Erbprinzen, dem späteren König Georg I. von England vermählt, von ihm Mutter Georg II. von England und der S. Dorothea, der Gemahlin Friedrich Wilhelms I. von Preußen, Mutter Friedrichs II. Der damalige hannöv. Hof war sittenlos durch und durch, die Prinzessin wurde von ihrem Gemahle vernachlässigt, dann eines verbrecherischen Verhältnisses zu dem Grafen Philipp von Königsmark bezüchtigt; dieser wurde 1. Juli 1694 im Palaste getödtet, die Prinzessin aber auf Schloß Ahlden (daher Prinzessin von Ahlden) bis zu ihrem Tode (13. Nov. 1726) gefangen gehalten. – S., Dorothea Friederike, Tochter des Königs Maximilian I. von Bayern, geb. 27. Jan. 1805, vermählt dem Erzherzog Franz Karl 4. Nov. 1824, Mutter des Kaisers Franz Joseph I. von Oesterreich, der Erzherzoge Ferdinand Maximilian Joseph, geb. 6. Juli 1832, Karl Ludwig Joseph Maria, geb. 30. Juli 1833, der Erzherzogin Maria Anna Karolina Pia, geb. 2. Oct. 1835.


Sophienkirche, das merkwürdigste Gebäude Konstantinopels, im 6. Jahrh. durch die Baumeister Anthemius und Isidorus von Kaiser Justinian I. in Form eines griech. Kreuzes erbaut, mit einer auf 4 Säulen ruhenden, von 24 Fenstern erleuchteten Hauptkuppel, die flach gewölbt, elliptisch, 180' lang, 165' breit und 165 ' hoch ist, mit 2 Halb- und 6 Nebenkuppeln; die Kirche mißt innerhalb von Nord gen Süd 228', von Ost gen West 2521/2' hat 170 Säulen (8 von Porphyr aus Aurelians Sonnentempel zu Rom, 8 von grünem Jaspis aus dem ephesischen Dianentempel). Die Backsteinmauern sind mit Marmor bekleidet, der Fußboden mit Porphyr und Verdeantico, das Innere der Kuppel mit Mosaik; die Thüren sind bronzen mit Hautreliefs; die Gemälde sind von den Türken übertüncht worden. 1204 wurde die S. von den Kreuzfahrern geplündert, 1453 von den Türken zur Hauptmoschee gemacht und durch 4 Minarets verunstaltet.


Sophisma, Trugschluß, s. Schluß.


Sophistik, die, bezeichnet nicht sowohl ein philosophisches System oder eine bestimmte philosophische Schule im alten Hellas als diejenige Zeitrichtung, welche in Athen zur Zeit des peloponnes. Krieges herrschend wurde, sich am füglichsten mit der französ. Aufklärung des 18. Jahrh. vergleichen läßt und Vertreter und Anhänger nicht nur unter allen Arten von Schriftstellern, sondern in allen Classen der Gesellschaft fand. Schon ehe es Sophisten gab, hatte der Geist der Zeit an allem Bestehenden, vor allem an der alten Volksreligion und an den öffentlichen Zuständen gerüttelt, die Sophisten aber wurden nur der geistige Ausdruck ihrer Zeit und der Haltlosigkeit derselben. Sie erklärten den Menschen und zwar den einzelnen empirischen Menschen als das Maß aller Dinge, mit andern Worten: jeder Einzelne habe das Recht, seine Vernunft oder Einsicht zur Richterin alles Bestehenden zu machen u. jede Lehre der Religion, jedes Gesetz u. s. f. nur dann als wahr und recht gelten zu lassen, wenn seine Vernunft Ja dazu sage. An Leuten, welche ihre Einsicht u. die Sprache ihrer Leidenschaften für unfehlbare Wahrheit hielten, hatte es niemals gemangelt, durch die Sophisten kam es jetzt dahin, daß der mundfertigste Schwätzer auch zugleich als der größte Philosoph gelten wollte und vielfach galt. Die Ueberredungskunst galt als das non plus ultra aller Weisheit; der eine eiferte dem Hippias nach, der stets etwas Neues sagen wollte, der andere brüstete sich damit, über jede beliebige Sache ohne weiteres Studium und ohne Sachkenntniß sofort eine Rede aus dem Stegreif loslassen zu können, der dritte suchte zu glänzen, indem er über das Salz und noch geringfügigere Dinge wohlgesetzte Reden hielt, der höchste Triumph des Sophisten aber lag in der Fertigkeit, etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0254" n="253"/>
          </p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Sophia</hi>, Name mehrer Fürstinen. &#x2013; S., Gemahlin des byzant. Kaisers Justinus II. &#x2013; S., Tochter des Thomas Paläologus, 1472 mit dem Czar Wasiljewitsch vermählt. &#x2013; S., <hi rendition="#g">Alexiewna</hi>, geb. 1667, Peters I. Schwester, 1682 Regentin, 1689 von demselben in ein Kloster zu Moskau gesteckt, wo sie 1704 st. &#x2013; S., <hi rendition="#g">Dorothea</hi>, geb. 1666, Erbtochter des Herzogs Wilhelm von Celle, 1682 mit dem hannöv. Erbprinzen, dem späteren König Georg I. von England vermählt, von ihm Mutter Georg II. von England und der S. Dorothea, der Gemahlin Friedrich Wilhelms I. von Preußen, Mutter Friedrichs II. Der damalige hannöv. Hof war sittenlos durch und durch, die Prinzessin wurde von ihrem Gemahle vernachlässigt, dann eines verbrecherischen Verhältnisses zu dem Grafen Philipp von Königsmark bezüchtigt; dieser wurde 1. Juli 1694 im Palaste getödtet, die Prinzessin aber auf Schloß Ahlden (daher Prinzessin von Ahlden) bis zu ihrem Tode (13. Nov. 1726) gefangen gehalten. &#x2013; S., <hi rendition="#g">Dorothea Friederike</hi>, Tochter des Königs Maximilian I. von Bayern, geb. 27. Jan. 1805, vermählt dem Erzherzog Franz Karl 4. Nov. 1824, Mutter des Kaisers Franz Joseph I. von Oesterreich, der Erzherzoge Ferdinand Maximilian Joseph, geb. 6. Juli 1832, Karl Ludwig Joseph Maria, geb. 30. Juli 1833, der Erzherzogin Maria Anna Karolina Pia, geb. 2. Oct. 1835.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Sophienkirche</hi>, das merkwürdigste Gebäude Konstantinopels, im 6. Jahrh. durch die Baumeister Anthemius und Isidorus von Kaiser Justinian I. in Form eines griech. Kreuzes erbaut, mit einer auf 4 Säulen ruhenden, von 24 Fenstern erleuchteten Hauptkuppel, die flach gewölbt, elliptisch, 180' lang, 165' breit und 165 ' hoch ist, mit 2 Halb- und 6 Nebenkuppeln; die Kirche mißt innerhalb von Nord gen Süd 228', von Ost gen West 252<hi rendition="#sup">1</hi>/<hi rendition="#sub">2</hi>' hat 170 Säulen (8 von Porphyr aus Aurelians Sonnentempel zu Rom, 8 von grünem Jaspis aus dem ephesischen Dianentempel). Die Backsteinmauern sind mit Marmor bekleidet, der Fußboden mit Porphyr und Verdeantico, das Innere der Kuppel mit Mosaik; die Thüren sind bronzen mit Hautreliefs; die Gemälde sind von den Türken übertüncht worden. 1204 wurde die S. von den Kreuzfahrern geplündert, 1453 von den Türken zur Hauptmoschee gemacht und durch 4 Minarets verunstaltet.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Sophisma</hi>, Trugschluß, s. Schluß.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Sophistik</hi>, die, bezeichnet nicht sowohl ein philosophisches System oder eine bestimmte philosophische Schule im alten Hellas als diejenige Zeitrichtung, welche in Athen zur Zeit des peloponnes. Krieges herrschend wurde, sich am füglichsten mit der französ. Aufklärung des 18. Jahrh. vergleichen läßt und Vertreter und Anhänger nicht nur unter allen Arten von Schriftstellern, sondern in allen Classen der Gesellschaft fand. Schon ehe es <hi rendition="#g">Sophisten</hi> gab, hatte der Geist der Zeit an allem Bestehenden, vor allem an der alten Volksreligion und an den öffentlichen Zuständen gerüttelt, die Sophisten aber wurden nur der geistige Ausdruck ihrer Zeit und der Haltlosigkeit derselben. Sie erklärten den Menschen und zwar den einzelnen empirischen Menschen als <hi rendition="#g">das Maß aller Dinge</hi>, mit andern Worten: jeder Einzelne habe das Recht, seine Vernunft oder Einsicht zur Richterin alles Bestehenden zu machen u. jede Lehre der Religion, jedes Gesetz u. s. f. nur dann als wahr und recht gelten zu lassen, wenn seine Vernunft Ja dazu sage. An Leuten, welche ihre Einsicht u. die Sprache ihrer Leidenschaften für unfehlbare Wahrheit hielten, hatte es niemals gemangelt, durch die Sophisten kam es jetzt dahin, daß der mundfertigste Schwätzer auch zugleich als der größte Philosoph gelten wollte und vielfach galt. Die Ueberredungskunst galt als das <hi rendition="#i">non plus ultra</hi> aller Weisheit; der eine eiferte dem Hippias nach, der stets etwas Neues sagen wollte, der andere brüstete sich damit, über jede beliebige Sache ohne weiteres Studium und ohne Sachkenntniß sofort eine Rede aus dem Stegreif loslassen zu können, der dritte suchte zu glänzen, indem er über das Salz und noch geringfügigere Dinge wohlgesetzte Reden hielt, der höchste Triumph des Sophisten aber lag in der Fertigkeit, etwas
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0254] Sophia, Name mehrer Fürstinen. – S., Gemahlin des byzant. Kaisers Justinus II. – S., Tochter des Thomas Paläologus, 1472 mit dem Czar Wasiljewitsch vermählt. – S., Alexiewna, geb. 1667, Peters I. Schwester, 1682 Regentin, 1689 von demselben in ein Kloster zu Moskau gesteckt, wo sie 1704 st. – S., Dorothea, geb. 1666, Erbtochter des Herzogs Wilhelm von Celle, 1682 mit dem hannöv. Erbprinzen, dem späteren König Georg I. von England vermählt, von ihm Mutter Georg II. von England und der S. Dorothea, der Gemahlin Friedrich Wilhelms I. von Preußen, Mutter Friedrichs II. Der damalige hannöv. Hof war sittenlos durch und durch, die Prinzessin wurde von ihrem Gemahle vernachlässigt, dann eines verbrecherischen Verhältnisses zu dem Grafen Philipp von Königsmark bezüchtigt; dieser wurde 1. Juli 1694 im Palaste getödtet, die Prinzessin aber auf Schloß Ahlden (daher Prinzessin von Ahlden) bis zu ihrem Tode (13. Nov. 1726) gefangen gehalten. – S., Dorothea Friederike, Tochter des Königs Maximilian I. von Bayern, geb. 27. Jan. 1805, vermählt dem Erzherzog Franz Karl 4. Nov. 1824, Mutter des Kaisers Franz Joseph I. von Oesterreich, der Erzherzoge Ferdinand Maximilian Joseph, geb. 6. Juli 1832, Karl Ludwig Joseph Maria, geb. 30. Juli 1833, der Erzherzogin Maria Anna Karolina Pia, geb. 2. Oct. 1835. Sophienkirche, das merkwürdigste Gebäude Konstantinopels, im 6. Jahrh. durch die Baumeister Anthemius und Isidorus von Kaiser Justinian I. in Form eines griech. Kreuzes erbaut, mit einer auf 4 Säulen ruhenden, von 24 Fenstern erleuchteten Hauptkuppel, die flach gewölbt, elliptisch, 180' lang, 165' breit und 165 ' hoch ist, mit 2 Halb- und 6 Nebenkuppeln; die Kirche mißt innerhalb von Nord gen Süd 228', von Ost gen West 2521/2' hat 170 Säulen (8 von Porphyr aus Aurelians Sonnentempel zu Rom, 8 von grünem Jaspis aus dem ephesischen Dianentempel). Die Backsteinmauern sind mit Marmor bekleidet, der Fußboden mit Porphyr und Verdeantico, das Innere der Kuppel mit Mosaik; die Thüren sind bronzen mit Hautreliefs; die Gemälde sind von den Türken übertüncht worden. 1204 wurde die S. von den Kreuzfahrern geplündert, 1453 von den Türken zur Hauptmoschee gemacht und durch 4 Minarets verunstaltet. Sophisma, Trugschluß, s. Schluß. Sophistik, die, bezeichnet nicht sowohl ein philosophisches System oder eine bestimmte philosophische Schule im alten Hellas als diejenige Zeitrichtung, welche in Athen zur Zeit des peloponnes. Krieges herrschend wurde, sich am füglichsten mit der französ. Aufklärung des 18. Jahrh. vergleichen läßt und Vertreter und Anhänger nicht nur unter allen Arten von Schriftstellern, sondern in allen Classen der Gesellschaft fand. Schon ehe es Sophisten gab, hatte der Geist der Zeit an allem Bestehenden, vor allem an der alten Volksreligion und an den öffentlichen Zuständen gerüttelt, die Sophisten aber wurden nur der geistige Ausdruck ihrer Zeit und der Haltlosigkeit derselben. Sie erklärten den Menschen und zwar den einzelnen empirischen Menschen als das Maß aller Dinge, mit andern Worten: jeder Einzelne habe das Recht, seine Vernunft oder Einsicht zur Richterin alles Bestehenden zu machen u. jede Lehre der Religion, jedes Gesetz u. s. f. nur dann als wahr und recht gelten zu lassen, wenn seine Vernunft Ja dazu sage. An Leuten, welche ihre Einsicht u. die Sprache ihrer Leidenschaften für unfehlbare Wahrheit hielten, hatte es niemals gemangelt, durch die Sophisten kam es jetzt dahin, daß der mundfertigste Schwätzer auch zugleich als der größte Philosoph gelten wollte und vielfach galt. Die Ueberredungskunst galt als das non plus ultra aller Weisheit; der eine eiferte dem Hippias nach, der stets etwas Neues sagen wollte, der andere brüstete sich damit, über jede beliebige Sache ohne weiteres Studium und ohne Sachkenntniß sofort eine Rede aus dem Stegreif loslassen zu können, der dritte suchte zu glänzen, indem er über das Salz und noch geringfügigere Dinge wohlgesetzte Reden hielt, der höchste Triumph des Sophisten aber lag in der Fertigkeit, etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-08-19T11:47:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-08-19T11:47:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/254
Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/254>, abgerufen am 03.12.2024.