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Die Bayerische Presse. Nr. 239. Würzburg, 5. Oktober 1850.

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[Spaltenumbruch] Mediatisirung der mittleren und kleinern deutschen
Staaten gethan. Die kurhessische Regierung wird
hoffentlich das Radowitz'sche Ansinnen gebührend
zurückgewiesen haben und einem Principe ent-
schlossen entgegengetreten sein, dessen Zulassung
die heillosesten Folgen für Deutschland haben, ja
dessen ganze Existenz in Frage stellen müßte.

Deutschland.

München, 3. Okt. Gestern Abend versam-
melten sich zahlreiche Personen im Bahnhofe, um
JJ. MM. König Ludwig und Königin Therese
bei ihrer Ankunft zu begrüßen. Auch der griechi-
sche Konsul und der Pope waren anwesend, um
den König Otto feierlich zu empfangen. Bekannt-
lich ist aber dieser Monarch von Augsburg aus
nach Hohenschwangau gereist. Den König Lud-
wig begleiteten enthusiastische Hoch bis zu seinem
Wagen und halten noch lange hinter ihm her.
Später begab sich eine Deputation des vereinigten
Bürger = und Künstler=Comites in den Wittels-
bacher Palast, um Se. Majestät zu befragen, ob
wegen des überaus ungünstigen Wetters das bevor-
stehende Fest nicht verschoben werden und welchen
Tag Se. Majestät hiezu bestimmen wolle. Der
König beliebte dies ganz dem Gutdünken des Co-
mites anheim zu geben und schickte zu diesem
Zwecke eigenes seinen Adjutanten nach dem Stu-
benvollbräu, wo in dem mittelalterlichen Saal
Künstler und Gewerbtreibende in großer Zahl ver-
sammelten waren, welche diese Nachricht mit Ju-
bel und donnernden Hoch's auf König Ludwig
hinnahmen. Der Adjutant Major v. Jeetze schloß
sich sodann der Gesellschaft an und theilte die
allgemeine Fröhlichkeit. So las man denn heute
in einem Plakate an den Straßenecken die freu-
dige Kunde, daß das Fest an dem nächsten von
guter Witterung begünstigten Tag, welcher noch
eigens bekannt gemacht werden soll, vor sich gehen
wird. Der Festzug wird hiedurch an Glanz nur
gewinnen, da einzelne Jnnungen mit ihren Rüst-
ungen ohnehin sich allzusehr beeilen mußten. Den
ganzen heutigen Tag über regnete es unaufhörlich,
wonach die Enthüllungsfeier wohl kaum vor Sams-
tog oder Sonntag ( versteht sich -- vor dem
landwirthschaftlichen Feste ) stattfinden wird. --
Das Fest=Comite der Künstler hat diesen Vor-
mittag Audienz bei Sr. Maj. dem König Lud-
wig gehabt, und bei dieser Gelegenheit ein Höchst-
demselben von den hiesigen Künstlern gewidmetes
und mit vielen Handzeichnungen geschmücktes Al-
bum überreicht, dessen Titelblatt eine ausgezeich-
nete kalligraphische Arbeit von Ferdinand Seitz
bildet.

   

Aus dem Landgerichte Straubing berichtet
die "Landshuter Zeitg." von Excessen durch junge
Bauernbursche, an deren Spitze der Sohn des
Gemeindevorstehers, die in Oberschneiding vor-
fielen und alles bisher in dieser Art Dagewesene
übertreffen. Die Geistlichkeit wurde auf die
herabwürdigendste Weise insultirt und bei den
armen Schulschwestern, die sich selbst zu erschei-
nen scheuten, Fenster, Läden und Thüren einge-
worfen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 30. Sept. Der brüderliche Empfang
der dem Hanauer Militär zu Theil geworden ist,
scheint seinen Zweck verfehlt zu haben. Man hört
von häufigen Reibereien dieser Soldaten mit den
Bürgern.

   

Kassel, 2. Okt. Die Einzeichnungen für das
Auszahlen der Gehalte an die Staatsdiener ha-
ben bereits die Summe von 45,000 Thlr. erreicht,
so daß das Bedürfniß übermäßig gedeckt ist und
die Auszahlung am 4. d. M. vor sich gehen kann
und wird. -- Den Offizieren ist gestern ihre Gage
von der Regierung ausgezahlt worden. -- Das
preußische Beobachtungskorps bei Warburg soll
bereits 12,000 Mann stark sein.

Kassel, 2. Oktober. Der wackere General v.
Haynau zeigt eine solche Thätigkeit und Energie,
verbunden mit Umsicht, daß man keinen Zweifel
hegen darf, er werde das ihm geschenkte Vertrauen
[Spaltenumbruch] glänzend rechtfertigen. Der Widerstand der hiesi-
gen Behörden ist übrigens noch nicht gebrochen;
dieselben wollen dem Vernehmen nach im passiven
Widerstande bis aufs Aeußerste verharren und die
hiesige Bürgergarde beabsichtigt, den Befehlen des
Korps=Kommandanten keine Folge zu leisten, da-
gegen aber ruhig die Waffen abzuliefern. Der
Burgergarden=Kommandeur Seidler befürchtete
heute in das Kastell gebracht zu werden, weil er
sich geweigert hatte, vor dem kommandirenden
General zu erscheinen, und ließ deßhalb eiligst in
der Stadt durch seine Trabanten nach einem No-
tar suchen, um einen Notariatsakt hierüber auf-
nehmen zu lassen. Ob der suspendirte Bürger-
meister Henkel auch bei diesem Vorfall wieder als
Notar fungirt hat, habe ich nicht erfahren.

Kassel, 2. Okt. Herr Seidler ist durch öf-
fentlichen Anschlag seiner Stelle als Bürgerwehr-
kommandeur entsetzt und der Fabrikant Eggena
an seiner Stelle ernannt. Herr v. Haynau hat
unter dem Militär eine lange Ansprache verthei-
len lassen.

Kassel, 3. Okt. Die "N. Hess. Ztg." be-
richtet Folgendes: Der nach der Erkrankung des
Hrn. Generalmajors v. Starck als Kommandant
von Kassel beauftragte Hr. Generalmajor v. Helm-
schwerd hat sich heute Morgen ebenfalls krank
melden lassen. Da Hr. v. Heimschwerd als Kom-
mandant das im heutigen Morgenblatt mitgetheilte
Schreiben des Herrn v. Haynau an den Regi-
mentskommandeur Seidler, sowie eine an den Ba-
taillonschef Eggena übermittelt hatte, so sind auch
an ihn heute Morgen die Erwiderungsschreiben
der Herren Seidler und Eggena abgegangen. Die
sog. "Ordre" an Hrn. Eggena, lautet wie folgt:
Ordre des Oberbefehlshabers. Nachdem der Re-
gimentskommandeur der hiesigen Bürgergarde, Hr.
Seidler, sich geweigert hat, meine durch die aller-
höchsten Verordnungen vom 7. u. 28. v. M. mir
beigelegte Autorität als Oberbefehlshaber anzuer-
kennen und meine Befehle zu vollstrecken, so wird
derselbe in Gemäßheit der §§ u. 6 der Ver-
ordnung vom 7. Sept. l. J., die Erklärung des
Kriegszustandes betreffend, und des § 4 der Ver-
ordnung vom 28. Sept. l. J., die weitere Er-
gänzung und Handhabung der angezogenen Ver-
ordnung betreffend, vorbehältlich weiterer Maßre-
geln, von seinen Funktionen als Regimentskom-
mandeur der hiesigen Bürgergarde suspendirt. Zu-
gleich wird in Gemäßheit des schon angezogenen
§ 6 der Kommandeur des ersten Bataillons der
hiesigen Bürgergarde, Herr Eggena, mit der Ver-
sehung der Stelle eines Regimentskommandeurs
bis auf weitere Verfügung beauftragt und hat
derselbe als solcher sich mit dem ganzen Offizier-
korps der hiesigen Bürgergarde morgen, Donners-
tag, den 3. d. M., Vormittags neun Uhr im
Schlosse Bellevue bei mir persönlich einzufinden.
Kassel, am 2. Okt. 1850. Der Oberbefehlshaber:
v. Haynau, Generallieutenant.

Dieser Ordre hat Eggena, einer der eifrigsten
Anhänger des ständischen Ausschusses, wie zu er-
warten war, nicht entsprochen, angeblich, weil die
"Beistimmung" des ständischen Ausschusses zu der
Einführung des Kriegszustandes nicht erfolgt sei.
Bekanntlich wird aber eine solche Beistimmung in
der Verfassung nirgends verlangt, sondern blos
eine Zuziehung, und diese hat der Ausschuß durch
sein Nichterscheinen selbst unmöglich gemacht. Die
Bürgergarde wird nun wohl aufgelöst und ent-
waffnet werden.

Herr, Seidler hat folgendes erwidert: Kassel,
2. Oct. 1850. Sr. Hochwohlgeboren dem Hrn.
Generalmajor v. Helmschwerd, einstweiligen Stadt-
kommandanten hiers. Ew. Hochwohlgeboren haben
mir ein vom Herrn Generallieutenant v. Haynau
vollzogenes Schreiben zugesendet, durch welches ich
von meiner Funktion als Regimentskommandeur
der Bürgergarde suspendirt werden sollte. Zu-
folge § 10 des Bürgergardengesetzes, das zur
Vollziehung der Verfassungs=Urkunde erlassen wurde,
müssen jedoch alle die Bürgergarde betreffenden
Anordnungen vom Ministerium des Jnnern er-
gehen, keinenfalls können nach Maßgabe dieses Ge-
setzes Suspensionen der Bürgergardenoffiziere durch
[Spaltenumbruch] Militärbefehlshaber erfolgen. Das in Rede steh-
ende Schreiben kündigt sich zwar als Vollziehung
der Verordnungen vom 7. und 28. v. M. an,
allein da deren Bestimmungen die Genehmigung
des landständischen Ausschusses nicht erhalten ha-
ben, so sind dieselben, insofern dadurch verfassungs-
mäßige Gesetze abgeändert werden sollen, selbst
verfassungswidrig. Jch vermag daher, ohne die
Verfassung zu verletzen, zu deren Aufrechthaltung
ich mit der Bürgergarde eifrige Mitwirkung an-
gelobt habe, eine Suspension von meiner Stelle
als Regiments=Commandeur nicht als gesetzlich
erfolgt zu betrachten. Der Regiments=Comman-
deur Seidler.

Die Erwiederung des Herrn Eggena lautet
wie folgt: An kurfürstl. Commandantur der Re-
sidenz zu Kassel. Ew. Hochwohlgeboren haben
mir ein von Herrn G. L. v. Haynau vollzoge-
nes Schreiben zugesendet, wodurch der Regiments-
commandeur der Bürgergarde von seinen Funktio-
nen suspendirt und ich mit Versehung seiner
Stelle beauftragt werden soll. Zufolge § 10
des zur Vollziehung der Verfassungsurkunde er-
lassenen Bürgergardegesetzes müssen alle die Bür-
gergarde betreffenden Anordnungen, namentlich in
Beziehung auf die dadurch festgestellten organische
Verhältnisse, vom Ministerium des Jnnern er-
gehen. Keinen Falls können, nach Maßgabe die-
ses, bis jetzt nicht abgeänderten Gesetzes, Sus-
pensionen, Ernennungen oder sonstige Beauf-
tragungen von Offizieren der Bürgergarde durch
Militärbefehlshaber giltig erfolgen. Das in
Rede stehende Schreiben kündigt sich zwar als
Vollziehung der Verordnung vom 27. an. Hier-
durch werden aber die obigen Einwürfe nicht be-
seitigt, da die Verordnungen die Beistimmung
des bleibenden landständischen Ausschusses nicht
erhalten haben, und also, in so fern dadurch ver-
fassungsmäßige Gesetze abgeändert werden sollen,
selbst verfassungswidrig sind. Jch vermag daher,
ohne die Verfassung zu verletzen, zu deren Auf-
rechthaltung die Bürgergarde eifrige Mitwirkung
angelobt hat, die mir zugedachten Funktionen
eben so wenig zu übernehmen, als es mir ge-
stattet ist, eine Suspension des Regimentscom-
mandeur als gesetzlich erfolgt anzuerkennen. Jch
beehre mich, dieses Ew. Hochwohlgeb. in Erwi-
derung der geehrten Mittheilung vom 2. Okto-
ber zu Nr. 241 gehorsamst anzuzeigen. Der
Bataillons=Commandeur: Eggena. -- Dem Ver-
nehmen nach ist heute Morgen ein Offizier vom
Stabe des General Haynau mit Courierpferden
nach Hannover abgegangen.

Kassel, 4. Okt. Am 4. Okt. 10 Uhr Mor-
gens haben sämmtliche Truppen kriegsgerüstet und
im Marschanzuge auf dem Friedrichsplatze zu er-
scheinen; im ersten Treffen steht die Jnfanterie in
Angriffscolonnen mit vorgezogenen Teten, das
Jägerbataillon auf dem rechten, das Schützenba-
taillon auf dem linken Flügel; dieses Treffen be-
fehligt der Generalmajor v. Urff, Kommandeur
der ersten Jnfanteriebrigade. Jm 2. Treffen steht
das Artillerieregiment mit abgeprotzten Geschützen,
sowie die Pionniere und Handwerker=Compagnie.
Jm 3. Treffen steht die Kavallerie in Divisions-
colonnen mit Eskadrons.

Hanau, 4. Okt. Der königl. preußische
Generallieutenant v. Brese ist gestern in Wil-
helmsbad angekommen und überbrachte ein eigen-
händiges Schreiben des Königs an Se. königl.
Hoheit den Kurfürsten. Jn diesem Schreiben
wird, wie man hört, die Ansicht ausgesprochen,
daß der König von Preußen einen großen Werth
auf eine gütliche Schlichtung der kurhessischen
Wirren lege, jedoch nur in so weit, als
die Autorität der Regierung in keiner
Weise compromittirt würde.
An ein Ein-
schreiten preußischer Truppen in Kurhessen zum
Zweck der Legalisirung ständischer Umtriebe, wäre
nach dieser, unmittelbar von dem Jnhaber der
höchsten Macht in Preußen ausgegangenen Er-
klärung nicht mehr zu denken und alle die zahl-
reichen Berliner Correspondenzen und telegraphi-
chen Nachrichten, welche das Gegentheil hiervon
meldeten, haben, wie schon so oft, auch dieses

[Spaltenumbruch] Mediatisirung der mittleren und kleinern deutschen
Staaten gethan. Die kurhessische Regierung wird
hoffentlich das Radowitz'sche Ansinnen gebührend
zurückgewiesen haben und einem Principe ent-
schlossen entgegengetreten sein, dessen Zulassung
die heillosesten Folgen für Deutschland haben, ja
dessen ganze Existenz in Frage stellen müßte.

Deutschland.

München, 3. Okt. Gestern Abend versam-
melten sich zahlreiche Personen im Bahnhofe, um
JJ. MM. König Ludwig und Königin Therese
bei ihrer Ankunft zu begrüßen. Auch der griechi-
sche Konsul und der Pope waren anwesend, um
den König Otto feierlich zu empfangen. Bekannt-
lich ist aber dieser Monarch von Augsburg aus
nach Hohenschwangau gereist. Den König Lud-
wig begleiteten enthusiastische Hoch bis zu seinem
Wagen und halten noch lange hinter ihm her.
Später begab sich eine Deputation des vereinigten
Bürger = und Künstler=Comites in den Wittels-
bacher Palast, um Se. Majestät zu befragen, ob
wegen des überaus ungünstigen Wetters das bevor-
stehende Fest nicht verschoben werden und welchen
Tag Se. Majestät hiezu bestimmen wolle. Der
König beliebte dies ganz dem Gutdünken des Co-
mites anheim zu geben und schickte zu diesem
Zwecke eigenes seinen Adjutanten nach dem Stu-
benvollbräu, wo in dem mittelalterlichen Saal
Künstler und Gewerbtreibende in großer Zahl ver-
sammelten waren, welche diese Nachricht mit Ju-
bel und donnernden Hoch's auf König Ludwig
hinnahmen. Der Adjutant Major v. Jeetze schloß
sich sodann der Gesellschaft an und theilte die
allgemeine Fröhlichkeit. So las man denn heute
in einem Plakate an den Straßenecken die freu-
dige Kunde, daß das Fest an dem nächsten von
guter Witterung begünstigten Tag, welcher noch
eigens bekannt gemacht werden soll, vor sich gehen
wird. Der Festzug wird hiedurch an Glanz nur
gewinnen, da einzelne Jnnungen mit ihren Rüst-
ungen ohnehin sich allzusehr beeilen mußten. Den
ganzen heutigen Tag über regnete es unaufhörlich,
wonach die Enthüllungsfeier wohl kaum vor Sams-
tog oder Sonntag ( versteht sich -- vor dem
landwirthschaftlichen Feste ) stattfinden wird. --
Das Fest=Comite der Künstler hat diesen Vor-
mittag Audienz bei Sr. Maj. dem König Lud-
wig gehabt, und bei dieser Gelegenheit ein Höchst-
demselben von den hiesigen Künstlern gewidmetes
und mit vielen Handzeichnungen geschmücktes Al-
bum überreicht, dessen Titelblatt eine ausgezeich-
nete kalligraphische Arbeit von Ferdinand Seitz
bildet.

   

Aus dem Landgerichte Straubing berichtet
die „Landshuter Zeitg.“ von Excessen durch junge
Bauernbursche, an deren Spitze der Sohn des
Gemeindevorstehers, die in Oberschneiding vor-
fielen und alles bisher in dieser Art Dagewesene
übertreffen. Die Geistlichkeit wurde auf die
herabwürdigendste Weise insultirt und bei den
armen Schulschwestern, die sich selbst zu erschei-
nen scheuten, Fenster, Läden und Thüren einge-
worfen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 30. Sept. Der brüderliche Empfang
der dem Hanauer Militär zu Theil geworden ist,
scheint seinen Zweck verfehlt zu haben. Man hört
von häufigen Reibereien dieser Soldaten mit den
Bürgern.

   

Kassel, 2. Okt. Die Einzeichnungen für das
Auszahlen der Gehalte an die Staatsdiener ha-
ben bereits die Summe von 45,000 Thlr. erreicht,
so daß das Bedürfniß übermäßig gedeckt ist und
die Auszahlung am 4. d. M. vor sich gehen kann
und wird. -- Den Offizieren ist gestern ihre Gage
von der Regierung ausgezahlt worden. -- Das
preußische Beobachtungskorps bei Warburg soll
bereits 12,000 Mann stark sein.

Kassel, 2. Oktober. Der wackere General v.
Haynau zeigt eine solche Thätigkeit und Energie,
verbunden mit Umsicht, daß man keinen Zweifel
hegen darf, er werde das ihm geschenkte Vertrauen
[Spaltenumbruch] glänzend rechtfertigen. Der Widerstand der hiesi-
gen Behörden ist übrigens noch nicht gebrochen;
dieselben wollen dem Vernehmen nach im passiven
Widerstande bis aufs Aeußerste verharren und die
hiesige Bürgergarde beabsichtigt, den Befehlen des
Korps=Kommandanten keine Folge zu leisten, da-
gegen aber ruhig die Waffen abzuliefern. Der
Burgergarden=Kommandeur Seidler befürchtete
heute in das Kastell gebracht zu werden, weil er
sich geweigert hatte, vor dem kommandirenden
General zu erscheinen, und ließ deßhalb eiligst in
der Stadt durch seine Trabanten nach einem No-
tar suchen, um einen Notariatsakt hierüber auf-
nehmen zu lassen. Ob der suspendirte Bürger-
meister Henkel auch bei diesem Vorfall wieder als
Notar fungirt hat, habe ich nicht erfahren.

Kassel, 2. Okt. Herr Seidler ist durch öf-
fentlichen Anschlag seiner Stelle als Bürgerwehr-
kommandeur entsetzt und der Fabrikant Eggena
an seiner Stelle ernannt. Herr v. Haynau hat
unter dem Militär eine lange Ansprache verthei-
len lassen.

Kassel, 3. Okt. Die „N. Hess. Ztg.“ be-
richtet Folgendes: Der nach der Erkrankung des
Hrn. Generalmajors v. Starck als Kommandant
von Kassel beauftragte Hr. Generalmajor v. Helm-
schwerd hat sich heute Morgen ebenfalls krank
melden lassen. Da Hr. v. Heimschwerd als Kom-
mandant das im heutigen Morgenblatt mitgetheilte
Schreiben des Herrn v. Haynau an den Regi-
mentskommandeur Seidler, sowie eine an den Ba-
taillonschef Eggena übermittelt hatte, so sind auch
an ihn heute Morgen die Erwiderungsschreiben
der Herren Seidler und Eggena abgegangen. Die
sog. „Ordre“ an Hrn. Eggena, lautet wie folgt:
Ordre des Oberbefehlshabers. Nachdem der Re-
gimentskommandeur der hiesigen Bürgergarde, Hr.
Seidler, sich geweigert hat, meine durch die aller-
höchsten Verordnungen vom 7. u. 28. v. M. mir
beigelegte Autorität als Oberbefehlshaber anzuer-
kennen und meine Befehle zu vollstrecken, so wird
derselbe in Gemäßheit der §§ u. 6 der Ver-
ordnung vom 7. Sept. l. J., die Erklärung des
Kriegszustandes betreffend, und des § 4 der Ver-
ordnung vom 28. Sept. l. J., die weitere Er-
gänzung und Handhabung der angezogenen Ver-
ordnung betreffend, vorbehältlich weiterer Maßre-
geln, von seinen Funktionen als Regimentskom-
mandeur der hiesigen Bürgergarde suspendirt. Zu-
gleich wird in Gemäßheit des schon angezogenen
§ 6 der Kommandeur des ersten Bataillons der
hiesigen Bürgergarde, Herr Eggena, mit der Ver-
sehung der Stelle eines Regimentskommandeurs
bis auf weitere Verfügung beauftragt und hat
derselbe als solcher sich mit dem ganzen Offizier-
korps der hiesigen Bürgergarde morgen, Donners-
tag, den 3. d. M., Vormittags neun Uhr im
Schlosse Bellevue bei mir persönlich einzufinden.
Kassel, am 2. Okt. 1850. Der Oberbefehlshaber:
v. Haynau, Generallieutenant.

Dieser Ordre hat Eggena, einer der eifrigsten
Anhänger des ständischen Ausschusses, wie zu er-
warten war, nicht entsprochen, angeblich, weil die
„Beistimmung“ des ständischen Ausschusses zu der
Einführung des Kriegszustandes nicht erfolgt sei.
Bekanntlich wird aber eine solche Beistimmung in
der Verfassung nirgends verlangt, sondern blos
eine Zuziehung, und diese hat der Ausschuß durch
sein Nichterscheinen selbst unmöglich gemacht. Die
Bürgergarde wird nun wohl aufgelöst und ent-
waffnet werden.

Herr, Seidler hat folgendes erwidert: Kassel,
2. Oct. 1850. Sr. Hochwohlgeboren dem Hrn.
Generalmajor v. Helmschwerd, einstweiligen Stadt-
kommandanten hiers. Ew. Hochwohlgeboren haben
mir ein vom Herrn Generallieutenant v. Haynau
vollzogenes Schreiben zugesendet, durch welches ich
von meiner Funktion als Regimentskommandeur
der Bürgergarde suspendirt werden sollte. Zu-
folge § 10 des Bürgergardengesetzes, das zur
Vollziehung der Verfassungs=Urkunde erlassen wurde,
müssen jedoch alle die Bürgergarde betreffenden
Anordnungen vom Ministerium des Jnnern er-
gehen, keinenfalls können nach Maßgabe dieses Ge-
setzes Suspensionen der Bürgergardenoffiziere durch
[Spaltenumbruch] Militärbefehlshaber erfolgen. Das in Rede steh-
ende Schreiben kündigt sich zwar als Vollziehung
der Verordnungen vom 7. und 28. v. M. an,
allein da deren Bestimmungen die Genehmigung
des landständischen Ausschusses nicht erhalten ha-
ben, so sind dieselben, insofern dadurch verfassungs-
mäßige Gesetze abgeändert werden sollen, selbst
verfassungswidrig. Jch vermag daher, ohne die
Verfassung zu verletzen, zu deren Aufrechthaltung
ich mit der Bürgergarde eifrige Mitwirkung an-
gelobt habe, eine Suspension von meiner Stelle
als Regiments=Commandeur nicht als gesetzlich
erfolgt zu betrachten. Der Regiments=Comman-
deur Seidler.

Die Erwiederung des Herrn Eggena lautet
wie folgt: An kurfürstl. Commandantur der Re-
sidenz zu Kassel. Ew. Hochwohlgeboren haben
mir ein von Herrn G. L. v. Haynau vollzoge-
nes Schreiben zugesendet, wodurch der Regiments-
commandeur der Bürgergarde von seinen Funktio-
nen suspendirt und ich mit Versehung seiner
Stelle beauftragt werden soll. Zufolge § 10
des zur Vollziehung der Verfassungsurkunde er-
lassenen Bürgergardegesetzes müssen alle die Bür-
gergarde betreffenden Anordnungen, namentlich in
Beziehung auf die dadurch festgestellten organische
Verhältnisse, vom Ministerium des Jnnern er-
gehen. Keinen Falls können, nach Maßgabe die-
ses, bis jetzt nicht abgeänderten Gesetzes, Sus-
pensionen, Ernennungen oder sonstige Beauf-
tragungen von Offizieren der Bürgergarde durch
Militärbefehlshaber giltig erfolgen. Das in
Rede stehende Schreiben kündigt sich zwar als
Vollziehung der Verordnung vom 27. an. Hier-
durch werden aber die obigen Einwürfe nicht be-
seitigt, da die Verordnungen die Beistimmung
des bleibenden landständischen Ausschusses nicht
erhalten haben, und also, in so fern dadurch ver-
fassungsmäßige Gesetze abgeändert werden sollen,
selbst verfassungswidrig sind. Jch vermag daher,
ohne die Verfassung zu verletzen, zu deren Auf-
rechthaltung die Bürgergarde eifrige Mitwirkung
angelobt hat, die mir zugedachten Funktionen
eben so wenig zu übernehmen, als es mir ge-
stattet ist, eine Suspension des Regimentscom-
mandeur als gesetzlich erfolgt anzuerkennen. Jch
beehre mich, dieses Ew. Hochwohlgeb. in Erwi-
derung der geehrten Mittheilung vom 2. Okto-
ber zu Nr. 241 gehorsamst anzuzeigen. Der
Bataillons=Commandeur: Eggena. -- Dem Ver-
nehmen nach ist heute Morgen ein Offizier vom
Stabe des General Haynau mit Courierpferden
nach Hannover abgegangen.

Kassel, 4. Okt. Am 4. Okt. 10 Uhr Mor-
gens haben sämmtliche Truppen kriegsgerüstet und
im Marschanzuge auf dem Friedrichsplatze zu er-
scheinen; im ersten Treffen steht die Jnfanterie in
Angriffscolonnen mit vorgezogenen Teten, das
Jägerbataillon auf dem rechten, das Schützenba-
taillon auf dem linken Flügel; dieses Treffen be-
fehligt der Generalmajor v. Urff, Kommandeur
der ersten Jnfanteriebrigade. Jm 2. Treffen steht
das Artillerieregiment mit abgeprotzten Geschützen,
sowie die Pionniere und Handwerker=Compagnie.
Jm 3. Treffen steht die Kavallerie in Divisions-
colonnen mit Eskadrons.

Hanau, 4. Okt. Der königl. preußische
Generallieutenant v. Brese ist gestern in Wil-
helmsbad angekommen und überbrachte ein eigen-
händiges Schreiben des Königs an Se. königl.
Hoheit den Kurfürsten. Jn diesem Schreiben
wird, wie man hört, die Ansicht ausgesprochen,
daß der König von Preußen einen großen Werth
auf eine gütliche Schlichtung der kurhessischen
Wirren lege, jedoch nur in so weit, als
die Autorität der Regierung in keiner
Weise compromittirt würde.
An ein Ein-
schreiten preußischer Truppen in Kurhessen zum
Zweck der Legalisirung ständischer Umtriebe, wäre
nach dieser, unmittelbar von dem Jnhaber der
höchsten Macht in Preußen ausgegangenen Er-
klärung nicht mehr zu denken und alle die zahl-
reichen Berliner Correspondenzen und telegraphi-
chen Nachrichten, welche das Gegentheil hiervon
meldeten, haben, wie schon so oft, auch dieses

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[0002] Mediatisirung der mittleren und kleinern deutschen Staaten gethan. Die kurhessische Regierung wird hoffentlich das Radowitz'sche Ansinnen gebührend zurückgewiesen haben und einem Principe ent- schlossen entgegengetreten sein, dessen Zulassung die heillosesten Folgen für Deutschland haben, ja dessen ganze Existenz in Frage stellen müßte. Deutschland. München, 3. Okt. Gestern Abend versam- melten sich zahlreiche Personen im Bahnhofe, um JJ. MM. König Ludwig und Königin Therese bei ihrer Ankunft zu begrüßen. Auch der griechi- sche Konsul und der Pope waren anwesend, um den König Otto feierlich zu empfangen. Bekannt- lich ist aber dieser Monarch von Augsburg aus nach Hohenschwangau gereist. Den König Lud- wig begleiteten enthusiastische Hoch bis zu seinem Wagen und halten noch lange hinter ihm her. Später begab sich eine Deputation des vereinigten Bürger = und Künstler=Comites in den Wittels- bacher Palast, um Se. Majestät zu befragen, ob wegen des überaus ungünstigen Wetters das bevor- stehende Fest nicht verschoben werden und welchen Tag Se. Majestät hiezu bestimmen wolle. Der König beliebte dies ganz dem Gutdünken des Co- mites anheim zu geben und schickte zu diesem Zwecke eigenes seinen Adjutanten nach dem Stu- benvollbräu, wo in dem mittelalterlichen Saal Künstler und Gewerbtreibende in großer Zahl ver- sammelten waren, welche diese Nachricht mit Ju- bel und donnernden Hoch's auf König Ludwig hinnahmen. Der Adjutant Major v. Jeetze schloß sich sodann der Gesellschaft an und theilte die allgemeine Fröhlichkeit. So las man denn heute in einem Plakate an den Straßenecken die freu- dige Kunde, daß das Fest an dem nächsten von guter Witterung begünstigten Tag, welcher noch eigens bekannt gemacht werden soll, vor sich gehen wird. Der Festzug wird hiedurch an Glanz nur gewinnen, da einzelne Jnnungen mit ihren Rüst- ungen ohnehin sich allzusehr beeilen mußten. Den ganzen heutigen Tag über regnete es unaufhörlich, wonach die Enthüllungsfeier wohl kaum vor Sams- tog oder Sonntag ( versteht sich -- vor dem landwirthschaftlichen Feste ) stattfinden wird. -- Das Fest=Comite der Künstler hat diesen Vor- mittag Audienz bei Sr. Maj. dem König Lud- wig gehabt, und bei dieser Gelegenheit ein Höchst- demselben von den hiesigen Künstlern gewidmetes und mit vielen Handzeichnungen geschmücktes Al- bum überreicht, dessen Titelblatt eine ausgezeich- nete kalligraphische Arbeit von Ferdinand Seitz bildet. ( A. Ab=Z. ) Aus dem Landgerichte Straubing berichtet die „Landshuter Zeitg.“ von Excessen durch junge Bauernbursche, an deren Spitze der Sohn des Gemeindevorstehers, die in Oberschneiding vor- fielen und alles bisher in dieser Art Dagewesene übertreffen. Die Geistlichkeit wurde auf die herabwürdigendste Weise insultirt und bei den armen Schulschwestern, die sich selbst zu erschei- nen scheuten, Fenster, Läden und Thüren einge- worfen. Die Ereignisse in Kurhessen. Kassel, 30. Sept. Der brüderliche Empfang der dem Hanauer Militär zu Theil geworden ist, scheint seinen Zweck verfehlt zu haben. Man hört von häufigen Reibereien dieser Soldaten mit den Bürgern. ( Hornisse. ) Kassel, 2. Okt. Die Einzeichnungen für das Auszahlen der Gehalte an die Staatsdiener ha- ben bereits die Summe von 45,000 Thlr. erreicht, so daß das Bedürfniß übermäßig gedeckt ist und die Auszahlung am 4. d. M. vor sich gehen kann und wird. -- Den Offizieren ist gestern ihre Gage von der Regierung ausgezahlt worden. -- Das preußische Beobachtungskorps bei Warburg soll bereits 12,000 Mann stark sein. Kassel, 2. Oktober. Der wackere General v. Haynau zeigt eine solche Thätigkeit und Energie, verbunden mit Umsicht, daß man keinen Zweifel hegen darf, er werde das ihm geschenkte Vertrauen glänzend rechtfertigen. Der Widerstand der hiesi- gen Behörden ist übrigens noch nicht gebrochen; dieselben wollen dem Vernehmen nach im passiven Widerstande bis aufs Aeußerste verharren und die hiesige Bürgergarde beabsichtigt, den Befehlen des Korps=Kommandanten keine Folge zu leisten, da- gegen aber ruhig die Waffen abzuliefern. Der Burgergarden=Kommandeur Seidler befürchtete heute in das Kastell gebracht zu werden, weil er sich geweigert hatte, vor dem kommandirenden General zu erscheinen, und ließ deßhalb eiligst in der Stadt durch seine Trabanten nach einem No- tar suchen, um einen Notariatsakt hierüber auf- nehmen zu lassen. Ob der suspendirte Bürger- meister Henkel auch bei diesem Vorfall wieder als Notar fungirt hat, habe ich nicht erfahren. Kassel, 2. Okt. Herr Seidler ist durch öf- fentlichen Anschlag seiner Stelle als Bürgerwehr- kommandeur entsetzt und der Fabrikant Eggena an seiner Stelle ernannt. Herr v. Haynau hat unter dem Militär eine lange Ansprache verthei- len lassen. Kassel, 3. Okt. Die „N. Hess. Ztg.“ be- richtet Folgendes: Der nach der Erkrankung des Hrn. Generalmajors v. Starck als Kommandant von Kassel beauftragte Hr. Generalmajor v. Helm- schwerd hat sich heute Morgen ebenfalls krank melden lassen. Da Hr. v. Heimschwerd als Kom- mandant das im heutigen Morgenblatt mitgetheilte Schreiben des Herrn v. Haynau an den Regi- mentskommandeur Seidler, sowie eine an den Ba- taillonschef Eggena übermittelt hatte, so sind auch an ihn heute Morgen die Erwiderungsschreiben der Herren Seidler und Eggena abgegangen. Die sog. „Ordre“ an Hrn. Eggena, lautet wie folgt: Ordre des Oberbefehlshabers. Nachdem der Re- gimentskommandeur der hiesigen Bürgergarde, Hr. Seidler, sich geweigert hat, meine durch die aller- höchsten Verordnungen vom 7. u. 28. v. M. mir beigelegte Autorität als Oberbefehlshaber anzuer- kennen und meine Befehle zu vollstrecken, so wird derselbe in Gemäßheit der §§ u. 6 der Ver- ordnung vom 7. Sept. l. 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Dieser Ordre hat Eggena, einer der eifrigsten Anhänger des ständischen Ausschusses, wie zu er- warten war, nicht entsprochen, angeblich, weil die „Beistimmung“ des ständischen Ausschusses zu der Einführung des Kriegszustandes nicht erfolgt sei. Bekanntlich wird aber eine solche Beistimmung in der Verfassung nirgends verlangt, sondern blos eine Zuziehung, und diese hat der Ausschuß durch sein Nichterscheinen selbst unmöglich gemacht. Die Bürgergarde wird nun wohl aufgelöst und ent- waffnet werden. Herr, Seidler hat folgendes erwidert: Kassel, 2. Oct. 1850. Sr. Hochwohlgeboren dem Hrn. Generalmajor v. Helmschwerd, einstweiligen Stadt- kommandanten hiers. Ew. Hochwohlgeboren haben mir ein vom Herrn Generallieutenant v. Haynau vollzogenes Schreiben zugesendet, durch welches ich von meiner Funktion als Regimentskommandeur der Bürgergarde suspendirt werden sollte. Zu- folge § 10 des Bürgergardengesetzes, das zur Vollziehung der Verfassungs=Urkunde erlassen wurde, müssen jedoch alle die Bürgergarde betreffenden Anordnungen vom Ministerium des Jnnern er- gehen, keinenfalls können nach Maßgabe dieses Ge- setzes Suspensionen der Bürgergardenoffiziere durch Militärbefehlshaber erfolgen. Das in Rede steh- ende Schreiben kündigt sich zwar als Vollziehung der Verordnungen vom 7. und 28. v. M. an, allein da deren Bestimmungen die Genehmigung des landständischen Ausschusses nicht erhalten ha- ben, so sind dieselben, insofern dadurch verfassungs- mäßige Gesetze abgeändert werden sollen, selbst verfassungswidrig. Jch vermag daher, ohne die Verfassung zu verletzen, zu deren Aufrechthaltung ich mit der Bürgergarde eifrige Mitwirkung an- gelobt habe, eine Suspension von meiner Stelle als Regiments=Commandeur nicht als gesetzlich erfolgt zu betrachten. Der Regiments=Comman- deur Seidler. Die Erwiederung des Herrn Eggena lautet wie folgt: An kurfürstl. 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Hier- durch werden aber die obigen Einwürfe nicht be- seitigt, da die Verordnungen die Beistimmung des bleibenden landständischen Ausschusses nicht erhalten haben, und also, in so fern dadurch ver- fassungsmäßige Gesetze abgeändert werden sollen, selbst verfassungswidrig sind. Jch vermag daher, ohne die Verfassung zu verletzen, zu deren Auf- rechthaltung die Bürgergarde eifrige Mitwirkung angelobt hat, die mir zugedachten Funktionen eben so wenig zu übernehmen, als es mir ge- stattet ist, eine Suspension des Regimentscom- mandeur als gesetzlich erfolgt anzuerkennen. Jch beehre mich, dieses Ew. Hochwohlgeb. in Erwi- derung der geehrten Mittheilung vom 2. Okto- ber zu Nr. 241 gehorsamst anzuzeigen. Der Bataillons=Commandeur: Eggena. -- Dem Ver- nehmen nach ist heute Morgen ein Offizier vom Stabe des General Haynau mit Courierpferden nach Hannover abgegangen. Kassel, 4. Okt. Am 4. 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Jn diesem Schreiben wird, wie man hört, die Ansicht ausgesprochen, daß der König von Preußen einen großen Werth auf eine gütliche Schlichtung der kurhessischen Wirren lege, jedoch nur in so weit, als die Autorität der Regierung in keiner Weise compromittirt würde. An ein Ein- schreiten preußischer Truppen in Kurhessen zum Zweck der Legalisirung ständischer Umtriebe, wäre nach dieser, unmittelbar von dem Jnhaber der höchsten Macht in Preußen ausgegangenen Er- klärung nicht mehr zu denken und alle die zahl- reichen Berliner Correspondenzen und telegraphi- chen Nachrichten, welche das Gegentheil hiervon meldeten, haben, wie schon so oft, auch dieses

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 239. Würzburg, 5. Oktober 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische239_1850/2>, abgerufen am 26.04.2024.