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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 55. Rudolstadt, 18. Oktober 1847.

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Brasilien.

Rio de Janeiro, im Juni. Hier im Hafen sollen jetzt
200 Kolonisten ohne fernere Bestimmung sich aufhalten. Jhre Bitt-
schriften, auf kaiserl. Kosten nach Rio Grande do Sul geschafft zu
werden, waren bisher immer vergeblich, und zwar theils in Folge
der Berichte des Präsidenten jener Provinz, welcher sich vor der Ueber-
handnahme der Deutschen fürchtet, theils in Folge der Bestrebungen
von Saturnino und Veiga. Diese beiden sind vorzüglich bei einem
neuen brasilischen Kolonisationsproject interessirt, nach welchem bedeu-
tende Landeigner deutsche Einwanderer unter Erbleihverträgen auf ihre
Pflanzungen zu ziehen suchen, aber unter so nachtheiligen Bedingungen,
daß die Menschen vollkommen zu Leibeigenen werden.

Sinimbu meinte neulich, das Kolonisationswesen in Brasilien
könne am besten durch Privatpersonen betrieben werden, wodurch man
also keine selbstständigen kleinen Landbesitzer, sondern Leibeigene erhalten
würde. Und das ist es gerade, was man will.

Eine Anzahl dieser Auswanderer hatte ursprünglich die Ueber-
fahrt nach Rio Grande do Sul ausgemacht, wurde aber hier ohne
weiteres von den Schiffskapitänen gelandet. Von allen Mitteln ent-
blößt, waren die Menschen dem größten Elend preisgegeben, und wußten
sich nicht anders zu helfen, als beim Kaiser Petitionen um Weiter-
beförderung einzureichen. Herbergen für sie existirten nicht, da man
die 1845 in Praya Grande zur Aufnahme der Kolonisten für Pedro-
polis bestimmten Kasernen, in welchen jene so vieles Ungemach zu
erdulden hatten, für noch zu gut hielt, und fürchtete, sie würden sich
dort zu wohl befinden, und dann nicht schnell genug die Stadt ver-
lassen. Anfangs schliefen die Leute unter freiem Himmel oder in den
Wagenremisen und Ställen des kaiserlichen Palastes, hernach, wenig-
stens sehr viele, unter dem hölzernen Schuppen bei der Häusergruppe
des Hotel de Pharour. Aber wo sollten sie ihre Beköstigung her-
nehmen? Die wenigsten waren im Stande, sie sich zu verschaffen.

Endlich traf der Minister des Jnnern mit einem wohlhabenden
unternehmenden Mann, Jose Bernardino Aguiar, eine Ueberein-
kunft, nach welcher dieser die Beköstigung jener Kolonisten übernahm. Auch
schiffte er einige Hundert von ihnen nach Rio Grande und Santa
Catharina, wofür die Regierung Vorschuß leistete, dahingegen die
Kolonisten einen Contract unterschreiben mußten, in welchem sie sich
verpflichteten, innerhalb zwei Jahren 25 Milreis pr. Kopf als Schuld
zu entrichten. Jetzt aber sagt Aguiar, daß die Versendung auf kaiserl.
Vorschuß nach Santa Catharina und Rio Grande ein = für allemal
ganz aufgehört habe, und es ist deswegen nothwendig, daß man in
Deutschland den Wahn zerstöre, daß Einwanderer auf kaiserl. Kosten
von einem Hafen zum andern in die Kolonie geschafft würden, und
daß man ihnen dort Land schenke. Das eine ist so unrichtig wie
das andere, und daß es in diesem einzelnen Fall geschehen ist, ist eine
Ausnahme. Der Jrrthum aber hat schon Unheils genug angerichtet.
Aguiar behauptet, der Präsident von Santa Catharina habe geschrie-
ben: vorläufig könne er nicht mehr Kolonisten versorgen, und man
möge mit der Zusendung armer, unbemittelter einhalten, und der
Präsident von Rio Grande, Galvao, meint, bei S. Leopoldo seien
schon zu viel Deutsche; im vorigen Jahr allein seien 1500 hinzuge-
kommen. Der eigentlichste Grund aber, weßwegen man die Ein-
wanderer hier zurückhält, ist wohl, um die oben angeführten neuen
Kolonisationsplane zu fördern.

Die Werber gehen nun täglich unter den hier noch anwesenden Kolo-
nisten umher, und suchen ihnen erklärlich zu machen: daß sich ihre
Schuld an die Regierung mit jedem Tage vergrößere, daß, wenn sie
sich nicht bald entschlössen, ihre Erbleihe = ( Leibeigenschafts = ) Contracte
zu unterzeichnen, die Regierung sie auf Jlha das Cobras ( unmittelbar
bei, eigentlich ein Theil Rio's ) mit den Sträflingen ihre contrahirte
Schuld als Steinhauer würde abverdienen lassen; wenn sie dagegen auf
den Pflanzungen arbeiten wollten, so würde man jene Schuld übernehmen.

[Spaltenumbruch]

Das Thermometer steigt jetzt auf 30° im Schatten, und die
Unglücklichen, welche kein Mittel besitzen, in ein kühleres, ihnen passen-
deres Klima zu ziehen, worauf sie gerechnet hatten, bereuen es bitter,
hierher gekommen zu sein, ihr letztes Hab und Gut zu Geld gemacht
zu haben, um die Ueberfahrt bezahlen zu können.

Auf Jlha das Cobras liegen seit vier Monaten gegen 80 Per-
sonen, welche auf günstige Antwort auf ihre Bittschriften harren. Sie
wären gern auf kaiserliche Kosten nach Rio Grande zu ihren Ver-
wandten gereist, wohin sie eigentlich auch ihre Ueberfahrt ausbedungen
hatten, und wohin später Angelangte befördert wurden. Jetzt, die
Hoffnung aufgebend, wollten sie nach Pedropolis, erhielten aber zur
Antwort: sie seien mehr an Kostgeld schuldig, als sie abverdient hätten.
Hoffentlich gelingt es mir, über deren Rechnungsverhältniß Näheres
zu erfahren; doch muß man bei solchen Forschungen sehr vorsichtig
zu Werke gehen, denn dergleichen wird eben so übel genommen, als
wenn man den heimlich eingeführten Negern sagen wollte, daß sie
gesetzlich frei seien, und nur durch falsche Documente in der Sclaverei
gehalten würden. Die Leute arbeiten jetzt auf der Jlha das Cobras
im Schatten; die Speculanten gedenken sie so nach und nach zu accli-
matisiren, und dann auf ihre Zuckerfelder zu versetzen. Die Menschen
werden dadurch zeitlebens unglücklich.

Einige Kostgänger, welche die Geduld verloren, zu warten, bis
sie auf kaiserliche Kosten reisen könnten, und welche im Besitz einiger
Geldmittel waren, hatten sich ohne Vorwissen Aguiars Kolonistenpässe,
ein Visum ihrer Antwerpener brasilischen Consulatspässe, zu verschaffen
gewußt, und waren plötzlich nach Rio Grande do Sul abgefahren,
ohne weder ihre Atzung zu bezahlen, noch einen Schuldcontract unter-
zeichnet zu haben. Aguiar beschuldigte nun die übrigen Kolonisten,
daß sie es absichtlich unterlassen hätten, ihm hiervon Anzeige zu machen,
und um den Schaden einigermaßen wieder einzubringen, entzog er
ihnen einen ganzen Tag die Beköstigung. Die Menschen mußten
bei schwerer Arbeit hungern. Bei Cantagallo soll ein Pflanzer seine
weißen Leibeigenen mit Peitschenhieben und schlechter als Negersclaven
behandeln.

Menschenverkauf.
( Leuchtthurm. )

Es klingt, erzählt der Zuschauer, wie ein wüstes Mährchen
aus dem vorigen Jahrhundert zu uns herüber, welches meldet, man
habe Tausende junger, kräftiger deutscher Männer nach Amerika ver-
kauft, um dort auf blutigen Schlachtfeldern fremde Sachen für frem-
des Geld zu verfechten. Dieses Mährchen ist wieder Wirklichkeit ge-
worden im vorigen Jahre, in Oberhessen, im Kreisbezirke des Kreis-
raths Spanner, dessen Kreissecretair Herr v. Zangen war. Es sind
dort 500 Menschen nach Amerika verkauft worden, nicht junge kräf-
tige Männer, wie zur Zeit des amerikanischen Krieges, sondern Wei-
ber und Greise, Kranke und Schwache, Säuglinge an der Mutter
Brust wurden verkauft, und der schöne Mainstrom hat die Flüche und
Verwünschungen der Scheidenden mit hinabgetragen auf seinen blauen
Wellen zu dem freien deutschen Rhein.

Es lag noch im vorigen Jahre ein kleines Dörfchen in Ober-
hessen, dessen Ländereien rings umgeben waren von den Besitzungen
des Grafen von Jsenburg. Se. Erlaucht wünschten sich zu arrondiren,
und es ward deßhalb, ob mit oder ohne sein Wissen weiß ich nicht,
der Gedanke angeregt, die kleine Gemeinde möge ihr Besitzthum ver-
kaufen und auswandern. Einem sehr einflußreichen Manne des Be-
zirks ward eine bedeutende Summe geboten, wenn er das Geschäft
fertig brächte und diese wurde später auch wirklich ausgezahlt. Es
wurden demnach einige Schreier für das Project gewonnen, die dann
nach und nach Manche zu sich hinüberbrachten. Allein ein Theil der
Gemeinde war nicht zu bewegen, den Heerd der Väter zu verlassen.

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Brasilien.

Rio de Janeiro, im Juni. Hier im Hafen sollen jetzt
200 Kolonisten ohne fernere Bestimmung sich aufhalten. Jhre Bitt-
schriften, auf kaiserl. Kosten nach Rio Grande do Sul geschafft zu
werden, waren bisher immer vergeblich, und zwar theils in Folge
der Berichte des Präsidenten jener Provinz, welcher sich vor der Ueber-
handnahme der Deutschen fürchtet, theils in Folge der Bestrebungen
von Saturnino und Veiga. Diese beiden sind vorzüglich bei einem
neuen brasilischen Kolonisationsproject interessirt, nach welchem bedeu-
tende Landeigner deutsche Einwanderer unter Erbleihverträgen auf ihre
Pflanzungen zu ziehen suchen, aber unter so nachtheiligen Bedingungen,
daß die Menschen vollkommen zu Leibeigenen werden.

Sinimbu meinte neulich, das Kolonisationswesen in Brasilien
könne am besten durch Privatpersonen betrieben werden, wodurch man
also keine selbstständigen kleinen Landbesitzer, sondern Leibeigene erhalten
würde. Und das ist es gerade, was man will.

Eine Anzahl dieser Auswanderer hatte ursprünglich die Ueber-
fahrt nach Rio Grande do Sul ausgemacht, wurde aber hier ohne
weiteres von den Schiffskapitänen gelandet. Von allen Mitteln ent-
blößt, waren die Menschen dem größten Elend preisgegeben, und wußten
sich nicht anders zu helfen, als beim Kaiser Petitionen um Weiter-
beförderung einzureichen. Herbergen für sie existirten nicht, da man
die 1845 in Praya Grande zur Aufnahme der Kolonisten für Pedro-
polis bestimmten Kasernen, in welchen jene so vieles Ungemach zu
erdulden hatten, für noch zu gut hielt, und fürchtete, sie würden sich
dort zu wohl befinden, und dann nicht schnell genug die Stadt ver-
lassen. Anfangs schliefen die Leute unter freiem Himmel oder in den
Wagenremisen und Ställen des kaiserlichen Palastes, hernach, wenig-
stens sehr viele, unter dem hölzernen Schuppen bei der Häusergruppe
des Hotel de Pharour. Aber wo sollten sie ihre Beköstigung her-
nehmen? Die wenigsten waren im Stande, sie sich zu verschaffen.

Endlich traf der Minister des Jnnern mit einem wohlhabenden
unternehmenden Mann, Jose Bernardino Aguiar, eine Ueberein-
kunft, nach welcher dieser die Beköstigung jener Kolonisten übernahm. Auch
schiffte er einige Hundert von ihnen nach Rio Grande und Santa
Catharina, wofür die Regierung Vorschuß leistete, dahingegen die
Kolonisten einen Contract unterschreiben mußten, in welchem sie sich
verpflichteten, innerhalb zwei Jahren 25 Milreis pr. Kopf als Schuld
zu entrichten. Jetzt aber sagt Aguiar, daß die Versendung auf kaiserl.
Vorschuß nach Santa Catharina und Rio Grande ein = für allemal
ganz aufgehört habe, und es ist deswegen nothwendig, daß man in
Deutschland den Wahn zerstöre, daß Einwanderer auf kaiserl. Kosten
von einem Hafen zum andern in die Kolonie geschafft würden, und
daß man ihnen dort Land schenke. Das eine ist so unrichtig wie
das andere, und daß es in diesem einzelnen Fall geschehen ist, ist eine
Ausnahme. Der Jrrthum aber hat schon Unheils genug angerichtet.
Aguiar behauptet, der Präsident von Santa Catharina habe geschrie-
ben: vorläufig könne er nicht mehr Kolonisten versorgen, und man
möge mit der Zusendung armer, unbemittelter einhalten, und der
Präsident von Rio Grande, Galvao, meint, bei S. Leopoldo seien
schon zu viel Deutsche; im vorigen Jahr allein seien 1500 hinzuge-
kommen. Der eigentlichste Grund aber, weßwegen man die Ein-
wanderer hier zurückhält, ist wohl, um die oben angeführten neuen
Kolonisationsplane zu fördern.

Die Werber gehen nun täglich unter den hier noch anwesenden Kolo-
nisten umher, und suchen ihnen erklärlich zu machen: daß sich ihre
Schuld an die Regierung mit jedem Tage vergrößere, daß, wenn sie
sich nicht bald entschlössen, ihre Erbleihe = ( Leibeigenschafts = ) Contracte
zu unterzeichnen, die Regierung sie auf Jlha das Cobras ( unmittelbar
bei, eigentlich ein Theil Rio's ) mit den Sträflingen ihre contrahirte
Schuld als Steinhauer würde abverdienen lassen; wenn sie dagegen auf
den Pflanzungen arbeiten wollten, so würde man jene Schuld übernehmen.

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Das Thermometer steigt jetzt auf 30° im Schatten, und die
Unglücklichen, welche kein Mittel besitzen, in ein kühleres, ihnen passen-
deres Klima zu ziehen, worauf sie gerechnet hatten, bereuen es bitter,
hierher gekommen zu sein, ihr letztes Hab und Gut zu Geld gemacht
zu haben, um die Ueberfahrt bezahlen zu können.

Auf Jlha das Cobras liegen seit vier Monaten gegen 80 Per-
sonen, welche auf günstige Antwort auf ihre Bittschriften harren. Sie
wären gern auf kaiserliche Kosten nach Rio Grande zu ihren Ver-
wandten gereist, wohin sie eigentlich auch ihre Ueberfahrt ausbedungen
hatten, und wohin später Angelangte befördert wurden. Jetzt, die
Hoffnung aufgebend, wollten sie nach Pedropolis, erhielten aber zur
Antwort: sie seien mehr an Kostgeld schuldig, als sie abverdient hätten.
Hoffentlich gelingt es mir, über deren Rechnungsverhältniß Näheres
zu erfahren; doch muß man bei solchen Forschungen sehr vorsichtig
zu Werke gehen, denn dergleichen wird eben so übel genommen, als
wenn man den heimlich eingeführten Negern sagen wollte, daß sie
gesetzlich frei seien, und nur durch falsche Documente in der Sclaverei
gehalten würden. Die Leute arbeiten jetzt auf der Jlha das Cobras
im Schatten; die Speculanten gedenken sie so nach und nach zu accli-
matisiren, und dann auf ihre Zuckerfelder zu versetzen. Die Menschen
werden dadurch zeitlebens unglücklich.

Einige Kostgänger, welche die Geduld verloren, zu warten, bis
sie auf kaiserliche Kosten reisen könnten, und welche im Besitz einiger
Geldmittel waren, hatten sich ohne Vorwissen Aguiars Kolonistenpässe,
ein Visum ihrer Antwerpener brasilischen Consulatspässe, zu verschaffen
gewußt, und waren plötzlich nach Rio Grande do Sul abgefahren,
ohne weder ihre Atzung zu bezahlen, noch einen Schuldcontract unter-
zeichnet zu haben. Aguiar beschuldigte nun die übrigen Kolonisten,
daß sie es absichtlich unterlassen hätten, ihm hiervon Anzeige zu machen,
und um den Schaden einigermaßen wieder einzubringen, entzog er
ihnen einen ganzen Tag die Beköstigung. Die Menschen mußten
bei schwerer Arbeit hungern. Bei Cantagallo soll ein Pflanzer seine
weißen Leibeigenen mit Peitschenhieben und schlechter als Negersclaven
behandeln.

Menschenverkauf.
( Leuchtthurm. )

Es klingt, erzählt der Zuschauer, wie ein wüstes Mährchen
aus dem vorigen Jahrhundert zu uns herüber, welches meldet, man
habe Tausende junger, kräftiger deutscher Männer nach Amerika ver-
kauft, um dort auf blutigen Schlachtfeldern fremde Sachen für frem-
des Geld zu verfechten. Dieses Mährchen ist wieder Wirklichkeit ge-
worden im vorigen Jahre, in Oberhessen, im Kreisbezirke des Kreis-
raths Spanner, dessen Kreissecretair Herr v. Zangen war. Es sind
dort 500 Menschen nach Amerika verkauft worden, nicht junge kräf-
tige Männer, wie zur Zeit des amerikanischen Krieges, sondern Wei-
ber und Greise, Kranke und Schwache, Säuglinge an der Mutter
Brust wurden verkauft, und der schöne Mainstrom hat die Flüche und
Verwünschungen der Scheidenden mit hinabgetragen auf seinen blauen
Wellen zu dem freien deutschen Rhein.

Es lag noch im vorigen Jahre ein kleines Dörfchen in Ober-
hessen, dessen Ländereien rings umgeben waren von den Besitzungen
des Grafen von Jsenburg. Se. Erlaucht wünschten sich zu arrondiren,
und es ward deßhalb, ob mit oder ohne sein Wissen weiß ich nicht,
der Gedanke angeregt, die kleine Gemeinde möge ihr Besitzthum ver-
kaufen und auswandern. Einem sehr einflußreichen Manne des Be-
zirks ward eine bedeutende Summe geboten, wenn er das Geschäft
fertig brächte und diese wurde später auch wirklich ausgezahlt. Es
wurden demnach einige Schreier für das Project gewonnen, die dann
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Eine Anzahl dieser Auswanderer hatte ursprünglich die Ueber- fahrt nach Rio Grande do Sul ausgemacht, wurde aber hier ohne weiteres von den Schiffskapitänen gelandet. Von allen Mitteln ent- blößt, waren die Menschen dem größten Elend preisgegeben, und wußten sich nicht anders zu helfen, als beim Kaiser Petitionen um Weiter- beförderung einzureichen. Herbergen für sie existirten nicht, da man die 1845 in Praya Grande zur Aufnahme der Kolonisten für Pedro- polis bestimmten Kasernen, in welchen jene so vieles Ungemach zu erdulden hatten, für noch zu gut hielt, und fürchtete, sie würden sich dort zu wohl befinden, und dann nicht schnell genug die Stadt ver- lassen. Anfangs schliefen die Leute unter freiem Himmel oder in den Wagenremisen und Ställen des kaiserlichen Palastes, hernach, wenig- stens sehr viele, unter dem hölzernen Schuppen bei der Häusergruppe des Hotel de Pharour. Aber wo sollten sie ihre Beköstigung her- nehmen? Die wenigsten waren im Stande, sie sich zu verschaffen. 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Aguiar behauptet, der Präsident von Santa Catharina habe geschrie- ben: vorläufig könne er nicht mehr Kolonisten versorgen, und man möge mit der Zusendung armer, unbemittelter einhalten, und der Präsident von Rio Grande, Galvao, meint, bei S. Leopoldo seien schon zu viel Deutsche; im vorigen Jahr allein seien 1500 hinzuge- kommen. Der eigentlichste Grund aber, weßwegen man die Ein- wanderer hier zurückhält, ist wohl, um die oben angeführten neuen Kolonisationsplane zu fördern. Die Werber gehen nun täglich unter den hier noch anwesenden Kolo- nisten umher, und suchen ihnen erklärlich zu machen: daß sich ihre Schuld an die Regierung mit jedem Tage vergrößere, daß, wenn sie sich nicht bald entschlössen, ihre Erbleihe = ( Leibeigenschafts = ) Contracte zu unterzeichnen, die Regierung sie auf Jlha das Cobras ( unmittelbar bei, eigentlich ein Theil Rio's ) mit den Sträflingen ihre contrahirte Schuld als Steinhauer würde abverdienen lassen; wenn sie dagegen auf den Pflanzungen arbeiten wollten, so würde man jene Schuld übernehmen. Das Thermometer steigt jetzt auf 30° im Schatten, und die Unglücklichen, welche kein Mittel besitzen, in ein kühleres, ihnen passen- deres Klima zu ziehen, worauf sie gerechnet hatten, bereuen es bitter, hierher gekommen zu sein, ihr letztes Hab und Gut zu Geld gemacht zu haben, um die Ueberfahrt bezahlen zu können. Auf Jlha das Cobras liegen seit vier Monaten gegen 80 Per- sonen, welche auf günstige Antwort auf ihre Bittschriften harren. Sie wären gern auf kaiserliche Kosten nach Rio Grande zu ihren Ver- wandten gereist, wohin sie eigentlich auch ihre Ueberfahrt ausbedungen hatten, und wohin später Angelangte befördert wurden. Jetzt, die Hoffnung aufgebend, wollten sie nach Pedropolis, erhielten aber zur Antwort: sie seien mehr an Kostgeld schuldig, als sie abverdient hätten. Hoffentlich gelingt es mir, über deren Rechnungsverhältniß Näheres zu erfahren; doch muß man bei solchen Forschungen sehr vorsichtig zu Werke gehen, denn dergleichen wird eben so übel genommen, als wenn man den heimlich eingeführten Negern sagen wollte, daß sie gesetzlich frei seien, und nur durch falsche Documente in der Sclaverei gehalten würden. Die Leute arbeiten jetzt auf der Jlha das Cobras im Schatten; die Speculanten gedenken sie so nach und nach zu accli- matisiren, und dann auf ihre Zuckerfelder zu versetzen. Die Menschen werden dadurch zeitlebens unglücklich. Einige Kostgänger, welche die Geduld verloren, zu warten, bis sie auf kaiserliche Kosten reisen könnten, und welche im Besitz einiger Geldmittel waren, hatten sich ohne Vorwissen Aguiars Kolonistenpässe, ein Visum ihrer Antwerpener brasilischen Consulatspässe, zu verschaffen gewußt, und waren plötzlich nach Rio Grande do Sul abgefahren, ohne weder ihre Atzung zu bezahlen, noch einen Schuldcontract unter- zeichnet zu haben. Aguiar beschuldigte nun die übrigen Kolonisten, daß sie es absichtlich unterlassen hätten, ihm hiervon Anzeige zu machen, und um den Schaden einigermaßen wieder einzubringen, entzog er ihnen einen ganzen Tag die Beköstigung. Die Menschen mußten bei schwerer Arbeit hungern. Bei Cantagallo soll ein Pflanzer seine weißen Leibeigenen mit Peitschenhieben und schlechter als Negersclaven behandeln. Menschenverkauf. ( Leuchtthurm. ) Es klingt, erzählt der Zuschauer, wie ein wüstes Mährchen aus dem vorigen Jahrhundert zu uns herüber, welches meldet, man habe Tausende junger, kräftiger deutscher Männer nach Amerika ver- kauft, um dort auf blutigen Schlachtfeldern fremde Sachen für frem- des Geld zu verfechten. Dieses Mährchen ist wieder Wirklichkeit ge- worden im vorigen Jahre, in Oberhessen, im Kreisbezirke des Kreis- raths Spanner, dessen Kreissecretair Herr v. Zangen war. Es sind dort 500 Menschen nach Amerika verkauft worden, nicht junge kräf- tige Männer, wie zur Zeit des amerikanischen Krieges, sondern Wei- ber und Greise, Kranke und Schwache, Säuglinge an der Mutter Brust wurden verkauft, und der schöne Mainstrom hat die Flüche und Verwünschungen der Scheidenden mit hinabgetragen auf seinen blauen Wellen zu dem freien deutschen Rhein. Es lag noch im vorigen Jahre ein kleines Dörfchen in Ober- hessen, dessen Ländereien rings umgeben waren von den Besitzungen des Grafen von Jsenburg. Se. Erlaucht wünschten sich zu arrondiren, und es ward deßhalb, ob mit oder ohne sein Wissen weiß ich nicht, der Gedanke angeregt, die kleine Gemeinde möge ihr Besitzthum ver- kaufen und auswandern. Einem sehr einflußreichen Manne des Be- zirks ward eine bedeutende Summe geboten, wenn er das Geschäft fertig brächte und diese wurde später auch wirklich ausgezahlt. Es wurden demnach einige Schreier für das Project gewonnen, die dann nach und nach Manche zu sich hinüberbrachten. Allein ein Theil der Gemeinde war nicht zu bewegen, den Heerd der Väter zu verlassen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 55. Rudolstadt, 18. Oktober 1847, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer55_1847/6>, abgerufen am 27.04.2024.