Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 23. Rudolstadt, 5. Juni 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] nicht auf etwaige Pferdediebe zu schießen, indem sie moralisch
verantwortlich sein wollten, daß jedes Pferd, welches in ihrem
Gebiet gestohlen würde, redlich zurückgegeben werden solle. Marsch-
weite 8 Meilen.

Am 8. hatten wir vor, die Comanchen = Stadt zu erreichen,
welche 4 Leguas oder 12 M. entfernt sein sollte. Fünfmal kamen
wir, stets die Granit=Mauern zur linken Seite lassend, über fließende
Quellen und Bäche. Rechts hatten wir eine Hügelreihe. So
ritten wir mit unserer Begleitung wildaussehender Krieger eilfertig
durch den weiten Posteichenwald. Wir mochten ungefähr 10 M.
zurückgelegt haben, als sich die Gegend gänzlich verflachte und
wir auf einem einzelnen, nicht weit entfernten spitzen Hügel einen
Trupp Jndianer uns erwarten sahen. Sie schwenkten eine colossale
weiße Fahne. Ein Spiegel blitzte in der Sonne. Etwa 100
Mann, sowohl Männer als Weiber bewegten sich unruhig um
die Standarte. Der General = Commissair war vorausgeeilt und
um seine Person hatte sich eine Art Leibgarde gebildet. Jch konnte
eines etwas schwerfälligen Maulthieres wegen den raschen Reitern
nicht folgen. Jch sah noch, wie die Comanches sich in Schlacht-
ordnung aufreihten, wobei, wie ich später erfuhr, die Weiber den
linken, die Männer den rechten Flügel bildeten. Bald verdeckte
mir ein Gehölz den Anblick und plötzlich hörte ich viele Flinten-
schüsse rasch auf einander folgen. Während ich mein Reitthier
zur möglichsten Eile antrieb, durchkreuzten mancherlei Gedanken
mir den Kopf. Jch gedachte der sprüchwörtlich gewordenen Treu-
brüchigkeit, Habsucht, Feigheit und Blutgier dieser wildesten ame-
rikanischen Völkerschaft. Wieder hörte ich einzelne Schüsse kurz
nach einander fallen. Jn diesem Augenblicke öffnete sich die Aus-
sicht, und ich sah einen bunten Haufen von indianischen Kriegern,
welche händeschüttelnd den Vortrab unserer Gesellschaft umringten.
So sah ich denn, daß Alles Friede, Freude und eitel Freund-
schaft war. Es wurden wiederholt Freundschafts = Versicherungen
von beiden Seiten gegeben. Die Masse des Comanchen=Trupps
nahm unsern Vortrab in die Mitte, und jauchzend und gallopirend
ging es ihrer Stadt entgegen. Der Fluß ist ungefähr 5 M.
von dem Spitzberge entfernt, wo die Fahne aufgepflanzt war.
Je mehr wir dem San Sabafluß uns näherten, um so reicher
wurde der Boden, um so schöner das Thal, obgleich der Eichen-
wald sich immer mehr lichtete. Auf eine Weite von ein oder zwei
Büchsenschüssen bietet die Flußgegend des San Saba eine Weide
dar, deren Anblick inmitten des Winters dem Beschauer unver-
geßlich bleiben muß. Einzelne Lebenseichen von kräftigem Wuchs
und wenige Muskitgehölze zieren den herrlichen völlig flachen
Plan am rechten Flußufer, wo das fußhohe saftige, meist grüne
Muskitgras so dicht steht, daß man nirgendwo die allenthalben
kohlschwarze, mit etwas Sand vermischte Dammerde, das Fett
und die Ueppigkett des ganzen reichen Flußgebiets in sich ver-
einigend, durchschimmern sehen kann. Einen reicheren Boden kann
Texas und nicht die westliche Halbkugel nicht aufweisen. Der
nahe Abhang des Flußufers ist reich an einigen guten Holzarten,
worunter sich besonders die schlanken Ulmen auszeichnen. Auf
dem nördlichen Ufer, etwas abwärts, lag in einer Biegung des
[Spaltenumbruch] Flusses, in einem gewählten Platze, mit Lebenseichen freundlich
durchzogen und eingefaßt, die sogenannte "Stadt der Comanches".
Da ich, wie bereits gesagt, dem Vortrab nicht folgen konnte,
war ich zurückgeblieben und nebst einem der Schonies, der seine
Pferde trieb, mitten unter einen Trupp Comanches gerathen, die
habsüchtige Blicke auf die Säcke warfen, womit ein paar Maul-
thiere behängt waren, die zu unserer Gesellschaft gehörten. Einen
Augenblick nur, wo ich in jeder Richtung von ihnen eingeschlossen
war und die Schonies vielleicht 1 Meile Vorsprung gewonnen
hatten, fühlte ich, daß ihre Gesellschaft etwas Unheimliches hat,
um so mehr, da sie kein Spanisch zu verstehen vorgaben. Am
Abhange des Flußthals übersah ich die Gegend, sah einen Trupp
Weißer auf der andern Seite des Flusses, um die weißen, mit
gegerbten Büffelfellen überzogenen Hütten oder Zelte der Jndianer.
Wie ich später hörte, mochten ungefähr 60 Hütten auf dem Platze
stehen. Jn nordwestlicher Richtung zog eine Hügelreihe meine
Aufmerksamkeit in Anspruch, deren malerische Umrisse mich an
einzelne Schweizer=Panorama's erinnerten. Wie sehr bedauerte ich
es nicht, des Zeichnens unkundig zu sein! Jch ritt bis an die
Furth, wo ich die Schonies wieder einholte, und besah mir das
schöne Gewässer, welches an dieser Stelle eine auffallende Aehnlich-
keit mit dem Comalflusse hatte, jedoch etwas bedeutender war.
Lorenzo kam einen Augenblick nachher zu mir auf das rechte
Ufer zurück und sagte mir, er solle die Wagen auf die andere
Seite des Flusses hinüberbringen. Er fand jedoch keine fahrbare
Furth, wegen der steilen Auffahrten und des vielen Holzes, be-
auftragte einen Comanchen, dieß der "Rothen Sonne", wie unser
Anführer genannt wurde, mitzutheilen, und ritt selbst den Wagen
entgegen, um diese herbeizuholen und auf dem rechten Ufer ein
Lager aufzusuchen. Es dauerte etwa 1 Stunde bis die Wagen
erschienen, bei denen man die übertriebensten Besorgnisse wegen
des vielen Schießens am Spitzberge gehegt hatte. Das Lager
wurde an der Furth bezogen, und es dauerte nicht lange, als
Hr. v. M. mit einem großen Schwarm Comanches, Männer,
Weiber, Kinder und Greise, hinter sich her, erschien. Jetzt ging
es an die Bewirthung dieser wilden Truppe, welche einen ent-
setzlichen Heißhunger, besonders nach Brod an den Tag legte.
Der Häuptling des Orts hielt eine lange Rede, voll des Lobes
auf die "rothe Sonne", deren Gast er wurde. -- Marschweite
15 M. Von dem Llano beträgt die Entfernung 36 M., von
Friedrichsburg 77 M.

Am 9. ward gerastet. Die Nacht war sehr kalt; auch heute
hatten wir die ganze Zeit wieder Comanchen = Besuch. Mehrere
Male im Laufe des Tages hielt der Häuptling seine Stoßreden,
wie es mir schien, um die Leute zur Ordnung zu erhalten, denen
später einige Geschenke gemacht wurden, was sie jedoch nicht ab-
hielt, eine Anzahl Kleinigkeiten zu stehlen, welche zum Theil später
wiedergebracht wurden. Nahe an 1000 Pferde sahen wir heute
auf die Weide treiben, welche bei dem guten Futter im wahren
Sinne gemästet erschienen. Jn der That ist Pferdefleisch ihr
liebstes Essen. Kaum 800 Schritt vom Lager fand ich beim
Suchen meines Maulthiers eine Heerde von Pekaris oder wilden

[Spaltenumbruch] nicht auf etwaige Pferdediebe zu schießen, indem sie moralisch
verantwortlich sein wollten, daß jedes Pferd, welches in ihrem
Gebiet gestohlen würde, redlich zurückgegeben werden solle. Marsch-
weite 8 Meilen.

Am 8. hatten wir vor, die Comanchen = Stadt zu erreichen,
welche 4 Leguas oder 12 M. entfernt sein sollte. Fünfmal kamen
wir, stets die Granit=Mauern zur linken Seite lassend, über fließende
Quellen und Bäche. Rechts hatten wir eine Hügelreihe. So
ritten wir mit unserer Begleitung wildaussehender Krieger eilfertig
durch den weiten Posteichenwald. Wir mochten ungefähr 10 M.
zurückgelegt haben, als sich die Gegend gänzlich verflachte und
wir auf einem einzelnen, nicht weit entfernten spitzen Hügel einen
Trupp Jndianer uns erwarten sahen. Sie schwenkten eine colossale
weiße Fahne. Ein Spiegel blitzte in der Sonne. Etwa 100
Mann, sowohl Männer als Weiber bewegten sich unruhig um
die Standarte. Der General = Commissair war vorausgeeilt und
um seine Person hatte sich eine Art Leibgarde gebildet. Jch konnte
eines etwas schwerfälligen Maulthieres wegen den raschen Reitern
nicht folgen. Jch sah noch, wie die Comanches sich in Schlacht-
ordnung aufreihten, wobei, wie ich später erfuhr, die Weiber den
linken, die Männer den rechten Flügel bildeten. Bald verdeckte
mir ein Gehölz den Anblick und plötzlich hörte ich viele Flinten-
schüsse rasch auf einander folgen. Während ich mein Reitthier
zur möglichsten Eile antrieb, durchkreuzten mancherlei Gedanken
mir den Kopf. Jch gedachte der sprüchwörtlich gewordenen Treu-
brüchigkeit, Habsucht, Feigheit und Blutgier dieser wildesten ame-
rikanischen Völkerschaft. Wieder hörte ich einzelne Schüsse kurz
nach einander fallen. Jn diesem Augenblicke öffnete sich die Aus-
sicht, und ich sah einen bunten Haufen von indianischen Kriegern,
welche händeschüttelnd den Vortrab unserer Gesellschaft umringten.
So sah ich denn, daß Alles Friede, Freude und eitel Freund-
schaft war. Es wurden wiederholt Freundschafts = Versicherungen
von beiden Seiten gegeben. Die Masse des Comanchen=Trupps
nahm unsern Vortrab in die Mitte, und jauchzend und gallopirend
ging es ihrer Stadt entgegen. Der Fluß ist ungefähr 5 M.
von dem Spitzberge entfernt, wo die Fahne aufgepflanzt war.
Je mehr wir dem San Sabafluß uns näherten, um so reicher
wurde der Boden, um so schöner das Thal, obgleich der Eichen-
wald sich immer mehr lichtete. Auf eine Weite von ein oder zwei
Büchsenschüssen bietet die Flußgegend des San Saba eine Weide
dar, deren Anblick inmitten des Winters dem Beschauer unver-
geßlich bleiben muß. Einzelne Lebenseichen von kräftigem Wuchs
und wenige Muskitgehölze zieren den herrlichen völlig flachen
Plan am rechten Flußufer, wo das fußhohe saftige, meist grüne
Muskitgras so dicht steht, daß man nirgendwo die allenthalben
kohlschwarze, mit etwas Sand vermischte Dammerde, das Fett
und die Ueppigkett des ganzen reichen Flußgebiets in sich ver-
einigend, durchschimmern sehen kann. Einen reicheren Boden kann
Texas und nicht die westliche Halbkugel nicht aufweisen. Der
nahe Abhang des Flußufers ist reich an einigen guten Holzarten,
worunter sich besonders die schlanken Ulmen auszeichnen. Auf
dem nördlichen Ufer, etwas abwärts, lag in einer Biegung des
[Spaltenumbruch] Flusses, in einem gewählten Platze, mit Lebenseichen freundlich
durchzogen und eingefaßt, die sogenannte „Stadt der Comanches“.
Da ich, wie bereits gesagt, dem Vortrab nicht folgen konnte,
war ich zurückgeblieben und nebst einem der Schonies, der seine
Pferde trieb, mitten unter einen Trupp Comanches gerathen, die
habsüchtige Blicke auf die Säcke warfen, womit ein paar Maul-
thiere behängt waren, die zu unserer Gesellschaft gehörten. Einen
Augenblick nur, wo ich in jeder Richtung von ihnen eingeschlossen
war und die Schonies vielleicht 1 Meile Vorsprung gewonnen
hatten, fühlte ich, daß ihre Gesellschaft etwas Unheimliches hat,
um so mehr, da sie kein Spanisch zu verstehen vorgaben. Am
Abhange des Flußthals übersah ich die Gegend, sah einen Trupp
Weißer auf der andern Seite des Flusses, um die weißen, mit
gegerbten Büffelfellen überzogenen Hütten oder Zelte der Jndianer.
Wie ich später hörte, mochten ungefähr 60 Hütten auf dem Platze
stehen. Jn nordwestlicher Richtung zog eine Hügelreihe meine
Aufmerksamkeit in Anspruch, deren malerische Umrisse mich an
einzelne Schweizer=Panorama's erinnerten. Wie sehr bedauerte ich
es nicht, des Zeichnens unkundig zu sein! Jch ritt bis an die
Furth, wo ich die Schonies wieder einholte, und besah mir das
schöne Gewässer, welches an dieser Stelle eine auffallende Aehnlich-
keit mit dem Comalflusse hatte, jedoch etwas bedeutender war.
Lorenzo kam einen Augenblick nachher zu mir auf das rechte
Ufer zurück und sagte mir, er solle die Wagen auf die andere
Seite des Flusses hinüberbringen. Er fand jedoch keine fahrbare
Furth, wegen der steilen Auffahrten und des vielen Holzes, be-
auftragte einen Comanchen, dieß der „Rothen Sonne“, wie unser
Anführer genannt wurde, mitzutheilen, und ritt selbst den Wagen
entgegen, um diese herbeizuholen und auf dem rechten Ufer ein
Lager aufzusuchen. Es dauerte etwa 1 Stunde bis die Wagen
erschienen, bei denen man die übertriebensten Besorgnisse wegen
des vielen Schießens am Spitzberge gehegt hatte. Das Lager
wurde an der Furth bezogen, und es dauerte nicht lange, als
Hr. v. M. mit einem großen Schwarm Comanches, Männer,
Weiber, Kinder und Greise, hinter sich her, erschien. Jetzt ging
es an die Bewirthung dieser wilden Truppe, welche einen ent-
setzlichen Heißhunger, besonders nach Brod an den Tag legte.
Der Häuptling des Orts hielt eine lange Rede, voll des Lobes
auf die „rothe Sonne“, deren Gast er wurde. -- Marschweite
15 M. Von dem Llano beträgt die Entfernung 36 M., von
Friedrichsburg 77 M.

Am 9. ward gerastet. Die Nacht war sehr kalt; auch heute
hatten wir die ganze Zeit wieder Comanchen = Besuch. Mehrere
Male im Laufe des Tages hielt der Häuptling seine Stoßreden,
wie es mir schien, um die Leute zur Ordnung zu erhalten, denen
später einige Geschenke gemacht wurden, was sie jedoch nicht ab-
hielt, eine Anzahl Kleinigkeiten zu stehlen, welche zum Theil später
wiedergebracht wurden. Nahe an 1000 Pferde sahen wir heute
auf die Weide treiben, welche bei dem guten Futter im wahren
Sinne gemästet erschienen. Jn der That ist Pferdefleisch ihr
liebstes Essen. Kaum 800 Schritt vom Lager fand ich beim
Suchen meines Maulthiers eine Heerde von Pekaris oder wilden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFinancialNews">
        <div type="jFinancialNews">
          <p><pb facs="#f0002"/><cb n="355"/>
nicht auf etwaige Pferdediebe zu schießen, indem sie moralisch<lb/>
verantwortlich sein wollten, daß jedes Pferd, welches in ihrem<lb/>
Gebiet gestohlen würde, redlich zurückgegeben werden solle. Marsch-<lb/>
weite 8 Meilen.</p><lb/>
          <p>Am 8. hatten wir vor, die Comanchen = Stadt zu erreichen,<lb/>
welche 4 Leguas oder 12 M. entfernt sein sollte. Fünfmal kamen<lb/>
wir, stets die Granit=Mauern zur linken Seite lassend, über fließende<lb/>
Quellen und Bäche. Rechts hatten wir eine Hügelreihe. So<lb/>
ritten wir mit unserer Begleitung wildaussehender Krieger eilfertig<lb/>
durch den weiten Posteichenwald. Wir mochten ungefähr 10 M.<lb/>
zurückgelegt haben, als sich die Gegend gänzlich verflachte und<lb/>
wir auf einem einzelnen, nicht weit entfernten spitzen Hügel einen<lb/>
Trupp Jndianer uns erwarten sahen. Sie schwenkten eine colossale<lb/>
weiße Fahne. Ein Spiegel blitzte in der Sonne. Etwa 100<lb/>
Mann, sowohl Männer als Weiber bewegten sich unruhig um<lb/>
die Standarte. Der General = Commissair war vorausgeeilt und<lb/>
um seine Person hatte sich eine Art Leibgarde gebildet. Jch konnte<lb/>
eines etwas schwerfälligen Maulthieres wegen den raschen Reitern<lb/>
nicht folgen. Jch sah noch, wie die Comanches sich in Schlacht-<lb/>
ordnung aufreihten, wobei, wie ich später erfuhr, die Weiber den<lb/>
linken, die Männer den rechten Flügel bildeten. Bald verdeckte<lb/>
mir ein Gehölz den Anblick und plötzlich hörte ich viele Flinten-<lb/>
schüsse rasch auf einander folgen. Während ich mein Reitthier<lb/>
zur möglichsten Eile antrieb, durchkreuzten mancherlei Gedanken<lb/>
mir den Kopf. Jch gedachte der sprüchwörtlich gewordenen Treu-<lb/>
brüchigkeit, Habsucht, Feigheit und Blutgier dieser wildesten ame-<lb/>
rikanischen Völkerschaft. Wieder hörte ich einzelne Schüsse kurz<lb/>
nach einander fallen. Jn diesem Augenblicke öffnete sich die Aus-<lb/>
sicht, und ich sah einen bunten Haufen von indianischen Kriegern,<lb/>
welche händeschüttelnd den Vortrab unserer Gesellschaft umringten.<lb/>
So sah ich denn, daß Alles Friede, Freude und eitel Freund-<lb/>
schaft war. Es wurden wiederholt Freundschafts = Versicherungen<lb/>
von beiden Seiten gegeben. Die Masse des Comanchen=Trupps<lb/>
nahm unsern Vortrab in die Mitte, und jauchzend und gallopirend<lb/>
ging es ihrer Stadt entgegen. Der Fluß ist ungefähr 5 M.<lb/>
von dem Spitzberge entfernt, wo die Fahne aufgepflanzt war.<lb/>
Je mehr wir dem San Sabafluß uns näherten, um so reicher<lb/>
wurde der Boden, um so schöner das Thal, obgleich der Eichen-<lb/>
wald sich immer mehr lichtete. Auf eine Weite von ein oder zwei<lb/>
Büchsenschüssen bietet die Flußgegend des San Saba eine Weide<lb/>
dar, deren Anblick inmitten des Winters dem Beschauer unver-<lb/>
geßlich bleiben muß. Einzelne Lebenseichen von kräftigem Wuchs<lb/>
und wenige Muskitgehölze zieren den herrlichen völlig flachen<lb/>
Plan am rechten Flußufer, wo das fußhohe saftige, meist grüne<lb/>
Muskitgras so dicht steht, daß man nirgendwo die allenthalben<lb/>
kohlschwarze, mit etwas Sand vermischte Dammerde, das Fett<lb/>
und die Ueppigkett des ganzen reichen Flußgebiets in sich ver-<lb/>
einigend, durchschimmern sehen kann. Einen reicheren Boden kann<lb/>
Texas und nicht die westliche Halbkugel nicht aufweisen. Der<lb/>
nahe Abhang des Flußufers ist reich an einigen guten Holzarten,<lb/>
worunter sich besonders die schlanken Ulmen auszeichnen. Auf<lb/>
dem nördlichen Ufer, etwas abwärts, lag in einer Biegung des<lb/><cb n="356"/>
Flusses, in einem gewählten Platze, mit Lebenseichen freundlich<lb/>
durchzogen und eingefaßt, die sogenannte &#x201E;Stadt der Comanches&#x201C;.<lb/>
Da ich, wie bereits gesagt, dem Vortrab nicht folgen konnte,<lb/>
war ich zurückgeblieben und nebst einem der Schonies, der seine<lb/>
Pferde trieb, mitten unter einen Trupp Comanches gerathen, die<lb/>
habsüchtige Blicke auf die Säcke warfen, womit ein paar Maul-<lb/>
thiere behängt waren, die zu unserer Gesellschaft gehörten. Einen<lb/>
Augenblick nur, wo ich in jeder Richtung von ihnen eingeschlossen<lb/>
war und die Schonies vielleicht 1 Meile Vorsprung gewonnen<lb/>
hatten, fühlte ich, daß ihre Gesellschaft etwas Unheimliches hat,<lb/>
um so mehr, da sie kein Spanisch zu verstehen vorgaben. Am<lb/>
Abhange des Flußthals übersah ich die Gegend, sah einen Trupp<lb/>
Weißer auf der andern Seite des Flusses, um die weißen, mit<lb/>
gegerbten Büffelfellen überzogenen Hütten oder Zelte der Jndianer.<lb/>
Wie ich später hörte, mochten ungefähr 60 Hütten auf dem Platze<lb/>
stehen. Jn nordwestlicher Richtung zog eine Hügelreihe meine<lb/>
Aufmerksamkeit in Anspruch, deren malerische Umrisse mich an<lb/>
einzelne Schweizer=Panorama's erinnerten. Wie sehr bedauerte ich<lb/>
es nicht, des Zeichnens unkundig zu sein! Jch ritt bis an die<lb/>
Furth, wo ich die Schonies wieder einholte, und besah mir das<lb/>
schöne Gewässer, welches an dieser Stelle eine auffallende Aehnlich-<lb/>
keit mit dem Comalflusse hatte, jedoch etwas bedeutender war.<lb/><hi rendition="#g">Lorenzo</hi> kam einen Augenblick nachher zu mir auf das rechte<lb/>
Ufer zurück und sagte mir, er solle die Wagen auf die andere<lb/>
Seite des Flusses hinüberbringen. Er fand jedoch keine fahrbare<lb/>
Furth, wegen der steilen Auffahrten und des vielen Holzes, be-<lb/>
auftragte einen Comanchen, dieß der &#x201E;Rothen Sonne&#x201C;, wie unser<lb/>
Anführer genannt wurde, mitzutheilen, und ritt selbst den Wagen<lb/>
entgegen, um diese herbeizuholen und auf dem rechten Ufer ein<lb/>
Lager aufzusuchen. Es dauerte etwa 1 Stunde bis die Wagen<lb/>
erschienen, bei denen man die übertriebensten Besorgnisse wegen<lb/>
des vielen Schießens am Spitzberge gehegt hatte. Das Lager<lb/>
wurde an der Furth bezogen, und es dauerte nicht lange, als<lb/>
Hr. v. M. mit einem großen Schwarm Comanches, Männer,<lb/>
Weiber, Kinder und Greise, hinter sich her, erschien. Jetzt ging<lb/>
es an die Bewirthung dieser wilden Truppe, welche einen ent-<lb/>
setzlichen Heißhunger, besonders nach Brod an den Tag legte.<lb/>
Der Häuptling des Orts hielt eine lange Rede, voll des Lobes<lb/>
auf die &#x201E;rothe Sonne&#x201C;, deren Gast er wurde. -- Marschweite<lb/>
15 M. Von dem <hi rendition="#g">Llano</hi> beträgt die Entfernung 36 M., von<lb/><hi rendition="#g">Friedrichsburg</hi> 77 M.</p><lb/>
          <p>Am 9. ward gerastet. Die Nacht war sehr kalt; auch heute<lb/>
hatten wir die ganze Zeit wieder Comanchen = Besuch. Mehrere<lb/>
Male im Laufe des Tages hielt der Häuptling seine Stoßreden,<lb/>
wie es mir schien, um die Leute zur Ordnung zu erhalten, denen<lb/>
später einige Geschenke gemacht wurden, was sie jedoch nicht ab-<lb/>
hielt, eine Anzahl Kleinigkeiten zu stehlen, welche zum Theil später<lb/>
wiedergebracht wurden. Nahe an 1000 Pferde sahen wir heute<lb/>
auf die Weide treiben, welche bei dem guten Futter im wahren<lb/>
Sinne gemästet erschienen. Jn der That ist Pferdefleisch ihr<lb/>
liebstes Essen. Kaum 800 Schritt vom Lager fand ich beim<lb/>
Suchen meines Maulthiers eine Heerde von Pekaris oder wilden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0002] nicht auf etwaige Pferdediebe zu schießen, indem sie moralisch verantwortlich sein wollten, daß jedes Pferd, welches in ihrem Gebiet gestohlen würde, redlich zurückgegeben werden solle. Marsch- weite 8 Meilen. Am 8. hatten wir vor, die Comanchen = Stadt zu erreichen, welche 4 Leguas oder 12 M. entfernt sein sollte. Fünfmal kamen wir, stets die Granit=Mauern zur linken Seite lassend, über fließende Quellen und Bäche. Rechts hatten wir eine Hügelreihe. So ritten wir mit unserer Begleitung wildaussehender Krieger eilfertig durch den weiten Posteichenwald. Wir mochten ungefähr 10 M. zurückgelegt haben, als sich die Gegend gänzlich verflachte und wir auf einem einzelnen, nicht weit entfernten spitzen Hügel einen Trupp Jndianer uns erwarten sahen. Sie schwenkten eine colossale weiße Fahne. Ein Spiegel blitzte in der Sonne. Etwa 100 Mann, sowohl Männer als Weiber bewegten sich unruhig um die Standarte. Der General = Commissair war vorausgeeilt und um seine Person hatte sich eine Art Leibgarde gebildet. Jch konnte eines etwas schwerfälligen Maulthieres wegen den raschen Reitern nicht folgen. Jch sah noch, wie die Comanches sich in Schlacht- ordnung aufreihten, wobei, wie ich später erfuhr, die Weiber den linken, die Männer den rechten Flügel bildeten. Bald verdeckte mir ein Gehölz den Anblick und plötzlich hörte ich viele Flinten- schüsse rasch auf einander folgen. Während ich mein Reitthier zur möglichsten Eile antrieb, durchkreuzten mancherlei Gedanken mir den Kopf. Jch gedachte der sprüchwörtlich gewordenen Treu- brüchigkeit, Habsucht, Feigheit und Blutgier dieser wildesten ame- rikanischen Völkerschaft. Wieder hörte ich einzelne Schüsse kurz nach einander fallen. Jn diesem Augenblicke öffnete sich die Aus- sicht, und ich sah einen bunten Haufen von indianischen Kriegern, welche händeschüttelnd den Vortrab unserer Gesellschaft umringten. So sah ich denn, daß Alles Friede, Freude und eitel Freund- schaft war. Es wurden wiederholt Freundschafts = Versicherungen von beiden Seiten gegeben. Die Masse des Comanchen=Trupps nahm unsern Vortrab in die Mitte, und jauchzend und gallopirend ging es ihrer Stadt entgegen. Der Fluß ist ungefähr 5 M. von dem Spitzberge entfernt, wo die Fahne aufgepflanzt war. Je mehr wir dem San Sabafluß uns näherten, um so reicher wurde der Boden, um so schöner das Thal, obgleich der Eichen- wald sich immer mehr lichtete. Auf eine Weite von ein oder zwei Büchsenschüssen bietet die Flußgegend des San Saba eine Weide dar, deren Anblick inmitten des Winters dem Beschauer unver- geßlich bleiben muß. Einzelne Lebenseichen von kräftigem Wuchs und wenige Muskitgehölze zieren den herrlichen völlig flachen Plan am rechten Flußufer, wo das fußhohe saftige, meist grüne Muskitgras so dicht steht, daß man nirgendwo die allenthalben kohlschwarze, mit etwas Sand vermischte Dammerde, das Fett und die Ueppigkett des ganzen reichen Flußgebiets in sich ver- einigend, durchschimmern sehen kann. Einen reicheren Boden kann Texas und nicht die westliche Halbkugel nicht aufweisen. Der nahe Abhang des Flußufers ist reich an einigen guten Holzarten, worunter sich besonders die schlanken Ulmen auszeichnen. Auf dem nördlichen Ufer, etwas abwärts, lag in einer Biegung des Flusses, in einem gewählten Platze, mit Lebenseichen freundlich durchzogen und eingefaßt, die sogenannte „Stadt der Comanches“. Da ich, wie bereits gesagt, dem Vortrab nicht folgen konnte, war ich zurückgeblieben und nebst einem der Schonies, der seine Pferde trieb, mitten unter einen Trupp Comanches gerathen, die habsüchtige Blicke auf die Säcke warfen, womit ein paar Maul- thiere behängt waren, die zu unserer Gesellschaft gehörten. Einen Augenblick nur, wo ich in jeder Richtung von ihnen eingeschlossen war und die Schonies vielleicht 1 Meile Vorsprung gewonnen hatten, fühlte ich, daß ihre Gesellschaft etwas Unheimliches hat, um so mehr, da sie kein Spanisch zu verstehen vorgaben. Am Abhange des Flußthals übersah ich die Gegend, sah einen Trupp Weißer auf der andern Seite des Flusses, um die weißen, mit gegerbten Büffelfellen überzogenen Hütten oder Zelte der Jndianer. Wie ich später hörte, mochten ungefähr 60 Hütten auf dem Platze stehen. Jn nordwestlicher Richtung zog eine Hügelreihe meine Aufmerksamkeit in Anspruch, deren malerische Umrisse mich an einzelne Schweizer=Panorama's erinnerten. Wie sehr bedauerte ich es nicht, des Zeichnens unkundig zu sein! Jch ritt bis an die Furth, wo ich die Schonies wieder einholte, und besah mir das schöne Gewässer, welches an dieser Stelle eine auffallende Aehnlich- keit mit dem Comalflusse hatte, jedoch etwas bedeutender war. Lorenzo kam einen Augenblick nachher zu mir auf das rechte Ufer zurück und sagte mir, er solle die Wagen auf die andere Seite des Flusses hinüberbringen. Er fand jedoch keine fahrbare Furth, wegen der steilen Auffahrten und des vielen Holzes, be- auftragte einen Comanchen, dieß der „Rothen Sonne“, wie unser Anführer genannt wurde, mitzutheilen, und ritt selbst den Wagen entgegen, um diese herbeizuholen und auf dem rechten Ufer ein Lager aufzusuchen. Es dauerte etwa 1 Stunde bis die Wagen erschienen, bei denen man die übertriebensten Besorgnisse wegen des vielen Schießens am Spitzberge gehegt hatte. Das Lager wurde an der Furth bezogen, und es dauerte nicht lange, als Hr. v. M. mit einem großen Schwarm Comanches, Männer, Weiber, Kinder und Greise, hinter sich her, erschien. Jetzt ging es an die Bewirthung dieser wilden Truppe, welche einen ent- setzlichen Heißhunger, besonders nach Brod an den Tag legte. Der Häuptling des Orts hielt eine lange Rede, voll des Lobes auf die „rothe Sonne“, deren Gast er wurde. -- Marschweite 15 M. Von dem Llano beträgt die Entfernung 36 M., von Friedrichsburg 77 M. Am 9. ward gerastet. Die Nacht war sehr kalt; auch heute hatten wir die ganze Zeit wieder Comanchen = Besuch. Mehrere Male im Laufe des Tages hielt der Häuptling seine Stoßreden, wie es mir schien, um die Leute zur Ordnung zu erhalten, denen später einige Geschenke gemacht wurden, was sie jedoch nicht ab- hielt, eine Anzahl Kleinigkeiten zu stehlen, welche zum Theil später wiedergebracht wurden. Nahe an 1000 Pferde sahen wir heute auf die Weide treiben, welche bei dem guten Futter im wahren Sinne gemästet erschienen. Jn der That ist Pferdefleisch ihr liebstes Essen. Kaum 800 Schritt vom Lager fand ich beim Suchen meines Maulthiers eine Heerde von Pekaris oder wilden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer23_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer23_1848/2
Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 23. Rudolstadt, 5. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer23_1848/2>, abgerufen am 26.04.2024.