Allgemeine Zeitung, Nr. 99, 9. April 1849.[Spaltenumbruch]
dessen noch nicht erreichen; General Hammerstein hat sich von Lemberg ^ Vom Gardasee, 3 April. Lombardische Emigranten, welche Oesterreichische Monarchie. Pesth, 4 April. Es scheint das die Entwickelung des großen *) Das steht mit den Meldungen des folgenden Briefs in Widerspruch.
[Spaltenumbruch]
deſſen noch nicht erreichen; General Hammerſtein hat ſich von Lemberg △ Vom Gardaſee, 3 April. Lombardiſche Emigranten, welche Oeſterreichiſche Monarchie. ∸ Peſth, 4 April. Es ſcheint das die Entwickelung des großen *) Das ſteht mit den Meldungen des folgenden Briefs in Widerſpruch.
<TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0005" n="1517"/><cb/> deſſen noch nicht erreichen; General Hammerſtein hat ſich von Lemberg<lb/> aus erſt den 1 April mit 10 Bataillonen gegen die ungariſche Gränze zu in<lb/> Bewegung geſetzt. Unterhalb Peſth haben die Operationen der Inſurgen-<lb/> ten plötzlich eine andere Richtung genommen: ſie ließen ein Beobachtungs-<lb/> corps gegen den Banus zurück, und wendeten ſich mit dem Gros der Vet-<lb/> ter- Damianichiſchen Abtheilung über Thereſtopel gegen die Serhen, die<lb/> ſchon früher in einer andern Gegend bei Despa und Gyala eine große<lb/> Niederlage erlitten, nahmen Verpaß und Zombor, ſo daß wenn der Ba-<lb/> nus dem General Theodorowich nicht ſchleunigſt zu Hülfe eilt, die ſoge-<lb/> nannte ſerbiſche Wojwodina bald in den Händen der Magyaren ſeyn könnte.<lb/> Die in einigen hieſigen Blättern verbreitete Nachricht daß der Banus ih-<lb/> nen wirklich nachgerückt und ſchon Szegedin beſetzt hätte, iſt ein noch nicht<lb/> beſtätigtes Gerücht, das etwas unwahrſcheinlich, da ſein Corps mit dem<lb/> des Grafen Schlick vereinigt dem Angriffe der Inſurgenten bei Gyöngyös<lb/> begegnen ſoll. Viel wahrſcheinlicher dünkt uns daß Feldmarſchall-Lieute-<lb/> nant Rukawina, der die willkürlichen Anmaßungen des ſerbiſchen Comité<lb/> kräftig zurückwies, mit den kaiſerlichen Truppen die Inſurgenten im Schach<lb/> halten oder zurückdrängen, und den Serben beweiſen wird daß ſie nur un-<lb/> ter kaiſerlichem Schutze dem Uebergewichte der Magyaren widerſtehen kön-<lb/> nen. Aus Siebenbürgen fehlen noch immer beſtimmte Nachrichten; ſo viel<lb/> iſt gewiß daß die in Wien als beſtimmt gegebene Nachricht, Bems Corps<lb/> wäre zerſprengt, fünf Officiere durch die Ruſſen aufgehängt, durchaus<lb/> falſch war, wie dieß in Ihrem Blatte vom 2 April, an welchem Tage hier<lb/> noch immer daran geglaubt wurde, ſehr richtig angezeigt war. Die kai-<lb/> ſerlichen Truppen, 20,200 Mann Infanterie und 3000 Mann Cavallerie<lb/> — die aber in vereinzelten Abtheilungen mit keinem Erfolge operiren<lb/> konnten — zogen ſich mit 30 Geſchützen aus Siebenbürgen in die Wala-<lb/> chei zurück, wohin auch die ruſſiſchen Hülfstruppen abmarſchirten. Bem<lb/> behielt einſtweilen die Oberhand, und ſoll ſich nun mit einem Theil ſeines<lb/> Corps gegen Temeswar im Banat wenden, um den anderſeitigen Angriff<lb/> der Inſurgenten gegen die Serben zu unterſtützen. Es iſt jedoch voraus-<lb/> zuſehen daß das in der Walachei nun vereinigte kaiſerliche Corps die Of-<lb/> fenſive ergreifen und Siebenbürgen neuerdings beſetzen wird. Von den<lb/> Ruſſen hört man daß ſie über Novoſzelze, Cſernowitz, Biſtria an die<lb/> Gränze Siebenbürgens von der Klauſenburger Seite her marſchiren, welche<lb/> Nachricht vermuthlich Anlaß gab zu dem erwähnten Gerücht, Klauſen-<lb/> burg wäre von den Ruſſen beſetzt, was ſich noch nicht beſtätigte. Je-<lb/> denfalls iſt das ephemere Uebergewicht Bems in Siebenbürgen von<lb/> kurzer Dauer, doch finden auch die ihm zugeſchriebenen Grauſamkeiten<lb/> keinen Glauben mehr, ja er ſoll Disciplin und Ordnung nach Mög-<lb/> lichkeit aufrechterhalten. Komorn wird noch immer ſtark beſchoſſen,<lb/> und man glaubt an eine baldige Uebergabe der Feſtung, wenn die<lb/> Beſatzung jeder Hoffnung auf Entſatz ſich beraubt ſehen wird. Uebrigens<lb/> haben wir hier keine ſichern Berichte über den Kriegsſchauplatz in Ungarn,<lb/> und ſo wie wir die intereſſanteſten Details über unſere Armee in Italien<lb/> aus der Allg. Ztg. ſchöpfen, eben ſo erfahren wir auch die Kriegsbewegun-<lb/> gen in Ungarn klarer und umſtändlicher durch Ihr Blatt. Die Urſache<lb/> liegt wohl weniger in dem Mangel an Bulletins, welche der Wißbegierde<lb/> des Publicums natürlicherweiſe in dieſem Maße nicht entſprechen können,<lb/> als in der Sorgloſigkeit der hieſigen Zeitungs-Redactionen, welche ſich<lb/> bei den betreffenden Abtheilungen der ungariſchen Armee keine Correſpon-<lb/> denten zu verſchaffen wiſſen (nicht auch im Wiener Belagerungsſtand?)</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>△ <hi rendition="#b">Vom Gardaſee,</hi> 3 April.</dateline><lb/> <p>Lombardiſche Emigranten, welche<lb/> vor drei Wochen aus löblicher Vorſicht ihr truppenverwaistes Vaterland<lb/> verließen um unter uns ein Aſyl zu ſuchen, ſind von dem verwunderlich<lb/> kurzen zweiten Act ihres Befreiungskrieges nicht wenig überraſcht. Aus<lb/> den eingeſchmuggelten Zeitungen und andern „ganz verläßlichen“ Quellen<lb/> wußten ſie doch genau daß 160,000 Piemonteſen unter dem berufenen<lb/> Skartozy (ſo wird bequemlichkeitshalber Chrzanowsky genannt) am Ticino<lb/> ſtanden, ſie wußten daß die ganze Lombardei „wie ein Mann“ ſich erheben,<lb/> daß der venezianiſche Löwe endlich ans Land ſchwimmen und nach alter<lb/> Gewohnheit grimmig brüllen würde. Sie waren des Sieges gewiß —<lb/> und nun! Wie iſt das zugegangen? Der bewußte „Verrath“ muß wieder<lb/> alle Räthſel löſen. Die Hoffnung dieſer guten Leute iſt jedoch unverwüſt-<lb/> lich; ſie erwarten jetzt ihre Rettung von der liguriſchen Republik, als<lb/> wenn nicht gerade in Piemont eher als anderswo mit dem Königthum der<lb/> beſſere Theil der Armee vom Platze wiche, als wenn in Italien überhaupt<lb/> die Kriegsluſt anderswo als im Munde der Republikenmacher zu finden<lb/> wäre! Dieſelben Emigranten ſtaunen nebenbei höchlich über den kecken,<lb/> herausfordernden Ton in den hieſigen Kaffeebuden, in gewiſſen Kreiſen<lb/> und in mancher ſüdtiroliſchen Zeitung. Solche Worte ſeyen nicht einmal<lb/> im wahren Italien, kaum in Genua und Livorno, an der Tagesordnung.<lb/> Nun, man weiß daß Neubekehrte orthodoxer ſind und feindlicher geſinnt<lb/> gegen Glaubensgenoſſen von ehedem als alte Chriſten; wir müſſen eben<lb/> unſere neophytiſchen Sporen verdienen. Etwas wundert uns ſelbſt, näm-<lb/><cb/> lich wie da und dort kluge Menſchen mit Gefahren zwecklos ſpielen kön-<lb/> nen. Der Soldat muß ſeit einem Jahr vielen Schimpf und Hohn ver-<lb/> ſchlucken, beſonders in Italien. Nun denkt er, es ſey genug und die Zeit<lb/> der Vergeltung gekommen. Die hyperboliſchen Parodien lombardo-<lb/> venezianiſchen Deutſchenhaſſes auf tiroliſchem Grund und Boden, wo der-<lb/> ſelbe durchaus keine Wurzel hat, ſind offenbar Ausflüſſe reiner Verſtan-<lb/> desabweſenheit. Wenn gewiſſe nun ſchon veraltete Vivats und patriotiſche<lb/> Geſänge dem deutſchen Wehrmann, der noch dazu wenig welſch verſteht,<lb/> um die Ohren ſummen, wenn er gewiſſe ihm werthe Namen unglimpflich<lb/> nennen hört, wenn er ſteht daß Gymnaſtaſten und ſchmucke Helden von<lb/> der Elle die Siegesbulletins des tapfern Marſchalls zerreißen und mit<lb/> Füßen treten, wenn er ſieht wie gewiſſe Damen, deren lange Jugend mit<lb/> deutſchen Porte-épées vielfältig durchwebt iſt, von ihren Fenſtern auf die<lb/> Uniform des Kaiſers ſpucken, ſo denkt er, wenn auch irrthümlich, doch<lb/> logiſch, er ſey in einem rebelliſchen Lande, und handelt darnach. Dieſer Leicht-<lb/> ſinn und dieſe Komödien könnten ſowohl den Schauſpielern als der ganzen<lb/> Bevölkerung theuer zu ſtehen kommen; denn das <hi rendition="#aq">regimen gladii curvi</hi><lb/> bringt bekanntlich vieles Unerquickliche mit ſich. Wir wollen daher die-<lb/> jenigen Herren welche mittelſt ihrer Puppen und der bleiernen Gutten-<lb/> bergiſchen Truppe ſo luſtige Stücke aufzuführen lieben, anmit freundlich<lb/> angegangen haben die Sache auf einmal von der ernſten Seite zu betrach-<lb/> ten, und ſich und ihrem Nächſten Unglück zu erſparen. Für die Gazzetta<lb/> di Trento kommt die Warnung freilich um einige Tage zu ſpät. In ihrem<lb/> Blatt vom 28 März, wo das Armeebulletin von Veſpolate officiell ver-<lb/> öffentlicht wird, iſt unter der Rubrik Italia, angeblich aus dem Corriere<lb/> mercantile, die Nachricht zu leſen: Radetzky habe einen Waffenſtillſtand von<lb/> 40 Tagen und dafür die Räumung der Herzogthümer angetragen, jedoch<lb/> zur Antwort erhalten nicht ein Augenblick ſey ihm gewährt (<hi rendition="#aq">che nem-<lb/> meno un istante gli verrebbe concesso</hi>). Das Officiercorps in Trient,<lb/> welches nicht zu ahnen ſcheint daß ſich die Gazzetta di Trento die Auf-<lb/> gabe geſtellt hat die italieniſche Sache auf das perfideſte lächerlich zu<lb/> machen, verfügte ſich zum Redacteur, Hrn. Perini, und erſuchte ihn das<lb/> Blatt woraus er dieſe Nachricht gezogen, gefälligſt vorzuzeigen. Der arme<lb/> Mann wurde nun zu dem Geſtändniß gedrängt daß dieſelbe in ſeinem Gar-<lb/> ten gewachſen ſey. Zur Vereinfachung der ökonomiſchen Manipulation<lb/> führt nämlich Hr. Perini, mit dem Geiſt der italieniſchen Zeitungsblätter<lb/> wohlbekannt, dieſelben redend an ohne ſie zu halten, beiläufig wie Titus<lb/> Livius ſeine geſchichtlichen Perſonen, und trifft wunderbar richtig ihren<lb/> Ton, wie Figura zeigt. Seine Reue über den leichtfertigen Scherz mit<lb/> dem Feldmarſchall ſchien aber aufrichtig; denn er fiel vor dem Beſuch auf<lb/> beide Kniee und bat weinend um Verzeihung, auch enthält das folgende<lb/> Blatt ſeiner Zeitung eine feierliche Abbitte. Für aufmerkſame Leſer der<lb/> Gazzetta di Trento iſt es übrigens unnöthig zu ſagen (was alle Welt weiß)<lb/> daß der Redacteur und ſein Mitarbeiter, ein unglückliches Brüderpaar, von<lb/> jeher an ſtillem Wahnſinn litten. Eben fällt uns das neue Gemeinde-<lb/> geſetz in die Hand. Demſelben Genialität, Freiſinnigkeit und Vollendung<lb/> abzuſprechen, man mag es von der rechten oder von der linken Seite be-<lb/> trachten, wäre abgeſchmackt. Praktiker wollen den Zeitpunkt zu einem<lb/> gründlichen Umwühlen der Gemeindeverhältniſſe nicht beſonders geeignet<lb/> finden, und ſtellen die Ausführbarkeit dieſes Geſetzes in Oeſterreich, wie es<lb/> jetzt iſt, entſchieden in Abrede. Bedenken erregt allerdings daß es die<lb/> kleinen Gemeinden fortbeſtehen läßt, und ihnen eine Autonomie zuweist<lb/> die ſie nicht verlangen und die ſie gar nicht handhaben können, und daß es<lb/> im allgemeinen eine vollendete Ausbildung der Gemeindebürger vorausſetzt,<lb/> wozu bisher nicht einmal Anfänge vorliegen. Die alte Verfaſſung unter-<lb/> wirft die Gemeinden der bureaukratiſchen Freundſchaft bis zu ihren gering-<lb/> ſten Lebensäußerungen, die neue überläßt ſie ganz ſich ſelbſt. Emancipa-<lb/> tion und Reform iſt nöthig, der Sprung aber von der Laufbank auf das<lb/> Seil durch ein Geſetz ohne Halsbrechen nicht denkbar. 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Seit mehrern Tagen<lb/> iſt die öſterreichiſche Armee in vollem Rückzug, alle Stellungen an und in<lb/> der Nähe der Theiß wurden aufgegeben und den Ungarn überlaſſen<note place="foot" n="*)">Das ſteht mit den Meldungen des folgenden Briefs in Widerſpruch.</note>, und<lb/> nach mehrern Gefechten, wobei Schlick bei Gyöngyös über einen doppelt<lb/> überlegenen Feind den Sieg davon getragen haben ſoll, concentrirten ſich<lb/> die Oeſterreicher bei Kerepes, vier Stunden von Peſth, woſelbſt es heut<lb/> oder morgen zu einem Haupttreffen kommen dürfte. Fürſt Windiſch-<lb/> Grätz iſt geſtern perſönlich zur Armee abgegangen. Man behauptet daß<lb/> der Rückzug der öſterreichiſchen Armee bloß in „ſtrategiſcher Rückſicht“ ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1517/0005]
deſſen noch nicht erreichen; General Hammerſtein hat ſich von Lemberg
aus erſt den 1 April mit 10 Bataillonen gegen die ungariſche Gränze zu in
Bewegung geſetzt. Unterhalb Peſth haben die Operationen der Inſurgen-
ten plötzlich eine andere Richtung genommen: ſie ließen ein Beobachtungs-
corps gegen den Banus zurück, und wendeten ſich mit dem Gros der Vet-
ter- Damianichiſchen Abtheilung über Thereſtopel gegen die Serhen, die
ſchon früher in einer andern Gegend bei Despa und Gyala eine große
Niederlage erlitten, nahmen Verpaß und Zombor, ſo daß wenn der Ba-
nus dem General Theodorowich nicht ſchleunigſt zu Hülfe eilt, die ſoge-
nannte ſerbiſche Wojwodina bald in den Händen der Magyaren ſeyn könnte.
Die in einigen hieſigen Blättern verbreitete Nachricht daß der Banus ih-
nen wirklich nachgerückt und ſchon Szegedin beſetzt hätte, iſt ein noch nicht
beſtätigtes Gerücht, das etwas unwahrſcheinlich, da ſein Corps mit dem
des Grafen Schlick vereinigt dem Angriffe der Inſurgenten bei Gyöngyös
begegnen ſoll. Viel wahrſcheinlicher dünkt uns daß Feldmarſchall-Lieute-
nant Rukawina, der die willkürlichen Anmaßungen des ſerbiſchen Comité
kräftig zurückwies, mit den kaiſerlichen Truppen die Inſurgenten im Schach
halten oder zurückdrängen, und den Serben beweiſen wird daß ſie nur un-
ter kaiſerlichem Schutze dem Uebergewichte der Magyaren widerſtehen kön-
nen. Aus Siebenbürgen fehlen noch immer beſtimmte Nachrichten; ſo viel
iſt gewiß daß die in Wien als beſtimmt gegebene Nachricht, Bems Corps
wäre zerſprengt, fünf Officiere durch die Ruſſen aufgehängt, durchaus
falſch war, wie dieß in Ihrem Blatte vom 2 April, an welchem Tage hier
noch immer daran geglaubt wurde, ſehr richtig angezeigt war. Die kai-
ſerlichen Truppen, 20,200 Mann Infanterie und 3000 Mann Cavallerie
— die aber in vereinzelten Abtheilungen mit keinem Erfolge operiren
konnten — zogen ſich mit 30 Geſchützen aus Siebenbürgen in die Wala-
chei zurück, wohin auch die ruſſiſchen Hülfstruppen abmarſchirten. Bem
behielt einſtweilen die Oberhand, und ſoll ſich nun mit einem Theil ſeines
Corps gegen Temeswar im Banat wenden, um den anderſeitigen Angriff
der Inſurgenten gegen die Serben zu unterſtützen. Es iſt jedoch voraus-
zuſehen daß das in der Walachei nun vereinigte kaiſerliche Corps die Of-
fenſive ergreifen und Siebenbürgen neuerdings beſetzen wird. Von den
Ruſſen hört man daß ſie über Novoſzelze, Cſernowitz, Biſtria an die
Gränze Siebenbürgens von der Klauſenburger Seite her marſchiren, welche
Nachricht vermuthlich Anlaß gab zu dem erwähnten Gerücht, Klauſen-
burg wäre von den Ruſſen beſetzt, was ſich noch nicht beſtätigte. Je-
denfalls iſt das ephemere Uebergewicht Bems in Siebenbürgen von
kurzer Dauer, doch finden auch die ihm zugeſchriebenen Grauſamkeiten
keinen Glauben mehr, ja er ſoll Disciplin und Ordnung nach Mög-
lichkeit aufrechterhalten. Komorn wird noch immer ſtark beſchoſſen,
und man glaubt an eine baldige Uebergabe der Feſtung, wenn die
Beſatzung jeder Hoffnung auf Entſatz ſich beraubt ſehen wird. Uebrigens
haben wir hier keine ſichern Berichte über den Kriegsſchauplatz in Ungarn,
und ſo wie wir die intereſſanteſten Details über unſere Armee in Italien
aus der Allg. Ztg. ſchöpfen, eben ſo erfahren wir auch die Kriegsbewegun-
gen in Ungarn klarer und umſtändlicher durch Ihr Blatt. Die Urſache
liegt wohl weniger in dem Mangel an Bulletins, welche der Wißbegierde
des Publicums natürlicherweiſe in dieſem Maße nicht entſprechen können,
als in der Sorgloſigkeit der hieſigen Zeitungs-Redactionen, welche ſich
bei den betreffenden Abtheilungen der ungariſchen Armee keine Correſpon-
denten zu verſchaffen wiſſen (nicht auch im Wiener Belagerungsſtand?)
△ Vom Gardaſee, 3 April.
Lombardiſche Emigranten, welche
vor drei Wochen aus löblicher Vorſicht ihr truppenverwaistes Vaterland
verließen um unter uns ein Aſyl zu ſuchen, ſind von dem verwunderlich
kurzen zweiten Act ihres Befreiungskrieges nicht wenig überraſcht. Aus
den eingeſchmuggelten Zeitungen und andern „ganz verläßlichen“ Quellen
wußten ſie doch genau daß 160,000 Piemonteſen unter dem berufenen
Skartozy (ſo wird bequemlichkeitshalber Chrzanowsky genannt) am Ticino
ſtanden, ſie wußten daß die ganze Lombardei „wie ein Mann“ ſich erheben,
daß der venezianiſche Löwe endlich ans Land ſchwimmen und nach alter
Gewohnheit grimmig brüllen würde. Sie waren des Sieges gewiß —
und nun! Wie iſt das zugegangen? Der bewußte „Verrath“ muß wieder
alle Räthſel löſen. Die Hoffnung dieſer guten Leute iſt jedoch unverwüſt-
lich; ſie erwarten jetzt ihre Rettung von der liguriſchen Republik, als
wenn nicht gerade in Piemont eher als anderswo mit dem Königthum der
beſſere Theil der Armee vom Platze wiche, als wenn in Italien überhaupt
die Kriegsluſt anderswo als im Munde der Republikenmacher zu finden
wäre! Dieſelben Emigranten ſtaunen nebenbei höchlich über den kecken,
herausfordernden Ton in den hieſigen Kaffeebuden, in gewiſſen Kreiſen
und in mancher ſüdtiroliſchen Zeitung. Solche Worte ſeyen nicht einmal
im wahren Italien, kaum in Genua und Livorno, an der Tagesordnung.
Nun, man weiß daß Neubekehrte orthodoxer ſind und feindlicher geſinnt
gegen Glaubensgenoſſen von ehedem als alte Chriſten; wir müſſen eben
unſere neophytiſchen Sporen verdienen. Etwas wundert uns ſelbſt, näm-
lich wie da und dort kluge Menſchen mit Gefahren zwecklos ſpielen kön-
nen. Der Soldat muß ſeit einem Jahr vielen Schimpf und Hohn ver-
ſchlucken, beſonders in Italien. Nun denkt er, es ſey genug und die Zeit
der Vergeltung gekommen. Die hyperboliſchen Parodien lombardo-
venezianiſchen Deutſchenhaſſes auf tiroliſchem Grund und Boden, wo der-
ſelbe durchaus keine Wurzel hat, ſind offenbar Ausflüſſe reiner Verſtan-
desabweſenheit. Wenn gewiſſe nun ſchon veraltete Vivats und patriotiſche
Geſänge dem deutſchen Wehrmann, der noch dazu wenig welſch verſteht,
um die Ohren ſummen, wenn er gewiſſe ihm werthe Namen unglimpflich
nennen hört, wenn er ſteht daß Gymnaſtaſten und ſchmucke Helden von
der Elle die Siegesbulletins des tapfern Marſchalls zerreißen und mit
Füßen treten, wenn er ſieht wie gewiſſe Damen, deren lange Jugend mit
deutſchen Porte-épées vielfältig durchwebt iſt, von ihren Fenſtern auf die
Uniform des Kaiſers ſpucken, ſo denkt er, wenn auch irrthümlich, doch
logiſch, er ſey in einem rebelliſchen Lande, und handelt darnach. Dieſer Leicht-
ſinn und dieſe Komödien könnten ſowohl den Schauſpielern als der ganzen
Bevölkerung theuer zu ſtehen kommen; denn das regimen gladii curvi
bringt bekanntlich vieles Unerquickliche mit ſich. Wir wollen daher die-
jenigen Herren welche mittelſt ihrer Puppen und der bleiernen Gutten-
bergiſchen Truppe ſo luſtige Stücke aufzuführen lieben, anmit freundlich
angegangen haben die Sache auf einmal von der ernſten Seite zu betrach-
ten, und ſich und ihrem Nächſten Unglück zu erſparen. Für die Gazzetta
di Trento kommt die Warnung freilich um einige Tage zu ſpät. In ihrem
Blatt vom 28 März, wo das Armeebulletin von Veſpolate officiell ver-
öffentlicht wird, iſt unter der Rubrik Italia, angeblich aus dem Corriere
mercantile, die Nachricht zu leſen: Radetzky habe einen Waffenſtillſtand von
40 Tagen und dafür die Räumung der Herzogthümer angetragen, jedoch
zur Antwort erhalten nicht ein Augenblick ſey ihm gewährt (che nem-
meno un istante gli verrebbe concesso). Das Officiercorps in Trient,
welches nicht zu ahnen ſcheint daß ſich die Gazzetta di Trento die Auf-
gabe geſtellt hat die italieniſche Sache auf das perfideſte lächerlich zu
machen, verfügte ſich zum Redacteur, Hrn. Perini, und erſuchte ihn das
Blatt woraus er dieſe Nachricht gezogen, gefälligſt vorzuzeigen. Der arme
Mann wurde nun zu dem Geſtändniß gedrängt daß dieſelbe in ſeinem Gar-
ten gewachſen ſey. Zur Vereinfachung der ökonomiſchen Manipulation
führt nämlich Hr. Perini, mit dem Geiſt der italieniſchen Zeitungsblätter
wohlbekannt, dieſelben redend an ohne ſie zu halten, beiläufig wie Titus
Livius ſeine geſchichtlichen Perſonen, und trifft wunderbar richtig ihren
Ton, wie Figura zeigt. Seine Reue über den leichtfertigen Scherz mit
dem Feldmarſchall ſchien aber aufrichtig; denn er fiel vor dem Beſuch auf
beide Kniee und bat weinend um Verzeihung, auch enthält das folgende
Blatt ſeiner Zeitung eine feierliche Abbitte. Für aufmerkſame Leſer der
Gazzetta di Trento iſt es übrigens unnöthig zu ſagen (was alle Welt weiß)
daß der Redacteur und ſein Mitarbeiter, ein unglückliches Brüderpaar, von
jeher an ſtillem Wahnſinn litten. Eben fällt uns das neue Gemeinde-
geſetz in die Hand. Demſelben Genialität, Freiſinnigkeit und Vollendung
abzuſprechen, man mag es von der rechten oder von der linken Seite be-
trachten, wäre abgeſchmackt. Praktiker wollen den Zeitpunkt zu einem
gründlichen Umwühlen der Gemeindeverhältniſſe nicht beſonders geeignet
finden, und ſtellen die Ausführbarkeit dieſes Geſetzes in Oeſterreich, wie es
jetzt iſt, entſchieden in Abrede. Bedenken erregt allerdings daß es die
kleinen Gemeinden fortbeſtehen läßt, und ihnen eine Autonomie zuweist
die ſie nicht verlangen und die ſie gar nicht handhaben können, und daß es
im allgemeinen eine vollendete Ausbildung der Gemeindebürger vorausſetzt,
wozu bisher nicht einmal Anfänge vorliegen. Die alte Verfaſſung unter-
wirft die Gemeinden der bureaukratiſchen Freundſchaft bis zu ihren gering-
ſten Lebensäußerungen, die neue überläßt ſie ganz ſich ſelbſt. Emancipa-
tion und Reform iſt nöthig, der Sprung aber von der Laufbank auf das
Seil durch ein Geſetz ohne Halsbrechen nicht denkbar. Mit dem Worte
fiat lux wird es im Jahr 1849, wenigſtens in Oeſterreich, noch nicht Tag.
Oeſterreichiſche Monarchie.
∸ Peſth, 4 April.
Es ſcheint das die Entwickelung des großen
Kriegsdramas in Ungarn in der Nähe von Peſth ſtattfinden werde, wenig-
ſtens ſprechen dafür alle Anzeichen die wir haben. Seit mehrern Tagen
iſt die öſterreichiſche Armee in vollem Rückzug, alle Stellungen an und in
der Nähe der Theiß wurden aufgegeben und den Ungarn überlaſſen *), und
nach mehrern Gefechten, wobei Schlick bei Gyöngyös über einen doppelt
überlegenen Feind den Sieg davon getragen haben ſoll, concentrirten ſich
die Oeſterreicher bei Kerepes, vier Stunden von Peſth, woſelbſt es heut
oder morgen zu einem Haupttreffen kommen dürfte. Fürſt Windiſch-
Grätz iſt geſtern perſönlich zur Armee abgegangen. Man behauptet daß
der Rückzug der öſterreichiſchen Armee bloß in „ſtrategiſcher Rückſicht“ ge-
*) Das ſteht mit den Meldungen des folgenden Briefs in Widerſpruch.
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(2022-09-09T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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