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Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849.

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Beilage zu Nr. 93 der Allgemeinen Zeitung vom 3 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Oeffentliche Sitzung der königlichen Akademie der
Wissenschaften in München zur Feier ihres Stiftungs-
tages.

Die königl. Akademie der Wissenschaften,
am 28 März des Jahres 1759 gegründet, feierte heute ihren neunzig-
jährigen Stiftungstag durch eine öffentliche Sitzung, welcher der neu-
ernannte Minister des Innern für Cultus und Unterricht Hr. v. Ringel-
mann nebst seinen Räthen, sowie ein zahlreiches Publicum beiwohnte.
Die Sitzung wurde mit einem Vortrage des zeitigen Vorstandes (Friedr.
Thiersch) eröffnet, der bei Verhinderung des Vorstandes in seinem Namen
von Hrn. v. Martius gehalten wurde.

Es wurde zu Anfang bemerkt: die Akademie habe seit ihrer Stiftung
unter vielem Wechsel und nicht ohne Kampf und Gefahr, aber im Innern
sich immer gleich und klar, bestanden. Es werde darum, und weil es
überhaupt erfreulich und nutzbar sey wichtige Dinge bei ihrem Ursprung
zu betrachten, und an ihrer ersten Entfaltung ihre Natur zu erkennen
nicht außer der Zeit oder der Feier des Tages ferner geachtet werden
aus den vorliegenden akademischen Urkunden und Correspondenzen jener
Zeit möglichst genau und mit Anführung der Worte selbst nachzuweisen
unter welchen Umständen sie gegründet wurde, und was sie gleich anfangs
gewesen ist und gewollt hat. Schon am 22 October des Jahres 1758
hatte sich Lori, der eigentliche Gründer und Beleber der Akademie, dessen
Bildniß darum auch aus der Reihe der übrigen hervorgenommen war,
und von Kränzen umgeben in der decorirten Tribüne prangte, mit mehre-
ren Freunden zu jenem Zweck zusammengethan, um, was auf dem Gebiet
der Bildung und Wissenschaft für Bayern ersprießlich sey, anfangs aus
Furcht vor mächtigen Gegnern im geheim zu berathen. Lori selbst ver-
gleicht darum in einem Brief an Gottsched sich und seine Freunde mit den
Gründern der schweizerischen Freiheit, welche sich auf dem Rütli zur Be-
freiung ihres Vaterlandes von fremder Gewaltherrschaft verbunden hat-
ten. Es wird hierauf nachgewiesen wie, ungeachtet manches erfreulichen
was zu jener Zeit im Staat und in den Wissenschaften geschah, gleichwohl
alles was auf eigentliche Bildung und wissenschaftliche Entwicklung be-
züglich war, sich in einem traurigen Verkommniß fand. Lori erklärte:
alle Wege auf denen man die Jugend führe seyen Abwege von der Wissen-
schaft, und glücklich wer am Ende seiner Studien das Gefühl geretiet habe
oder neu gewinne daß er wie jener gute Prälat Amort v. Polling, der
Stifter des Parnassus Boicus, von vorn anfangen müsse um etwas zu
lernen.

Dieser Verfall wird dann im einzelnen nachgewiesen und als vorzüg-
lichster Urheber desselben der mächtige Orden der Jesuiten bezeichnet, der
seit Wilhelm IV den Hof und die Schulen beherrscht hatte, und fort-
dauernd alles argwöhnisch beobachtete und nachdrücklich befehdete was
seinem Reich und seinem Einfluß Gefahr drohte. Es war darum auch
nothwendig sie von der Akademie entfernt zu halten, während man bei
weiterem Ausbreiten des Unternehmens Gelehrte aller Lande und jeglicher
Confession in die Gesellschaft aufnahm. Sie werden, schrieb Lori an
Kennedy, unsere Feinde, aber nicht unsere Mitglieder seyn. Auch dem
Anfinnen, welches an den Kurfürsten gebracht wurde, daß die Schriften
der Akademiker der Censur des Ordens in Ingolstadt unterliegen sollten,
wurde glücklich vereitelt, und auch Kennedy billigte daß auf diese Weise
contra altare erreicht wurde. Auch nur einige Jesuiten, damals in die
Akademie aufgenommen, würden nach dem Geist ihres Ordens gesucht
haben sie zu beherrschen und ihre Zwecke zu vereiteln, die eben dahin
gingen das Neue und Belebende der Wissenschaften, welches außer Bayern
sich geltend gemacht hatte, für das Land zu gewinnen und gegen die ver-
altete Schulweisheit und Barberei, wie Lori sagt, in den Kampf zu füh-
ren. Um aber die Gelegenheiten hartnäckiger Fehde, der man mit ihnen
und ihren Anhängern entgegensah, möglichst zu vermindern, wurde be-
schlossen alles auf Politik, Theologie und Kirchenthum Bezügliche in die
Sphäre der akademischen Thätigkeit nicht aufzunehmen, und dieses auf
Erforschung und Reinigung der deutschen Sprache und Veredlung des
Geschmacks, auf Geschichte, besonders auf historische Kunde von Bayern
und seiner reichen Geschichtsquellen, auf Topographie, Geographie und
Alterthümer des Landes und auf Pflege der Naturwissenschaften zu lenken,
besonders insofern sie für Ackerbau und Gewerbe sich nützlich erwiesen.
Als die im Verborgenen eingeleitete Gesellschaft weit genug gediehen war
und auch nicht wenige des Adels, die dem Hofe nahe standen, unter ihnen
den Hrn. v. Kreittmayer, für ihre Zwecke gewonnen hatte, ließ sie ihre
Satzungen an den Kurfürsten bringen, und dieser trug kein Bedenken sie
nach reiflicher Erwägung an seinem Geburtstag rasch zu unterzeichnen,
[Spaltenumbruch] und sofort die Errichtung einer Akademie der Wissenschaften zu allgemeiner
Ueberraschung verkündigen zu lassen. Die Freude darüber verbreitete sich
über alle deutschen Länder, und Gottsched wünscht Bayern auch darum
Glück zur Erscheinung der Akademie, die ihn, mehr als irgendein Komet
hätte thun können, mit der größten Verwunderung erfüllt, ja fast erschreckt
hätte, weil nun die deutschen Musen und Wissenschaften, wenn sie aus
dem Norden durch Stürme vertrieben würden, im Süden von Deutsch-
land eine neue Heimath finden könnten, in welche sie sich zurückzuziehen
vermöchten.

Auch dieß erregt seine Bewunderung daß man in Bayern mit dieser
Sache so rasch und so entschieden zu Stande gekommen, während man in
Sachsen um eine ähnliche Anstalt seit zwanzig Jahren und darüber petitionirt,
aber nichts erreicht habe. Die Rede schließt wie folgt: Der Wunsch und
die Hoffnung welche Gottsched hegt auch in Sachsen, und zumal in Dres-
den, eine ähnliche Anstalt wissenschaftlicher Forschung gegründet zu sehen,
ist erst vor einigen Jahren durch die königl. sächfische Gesellschaft der
Wissenschaften zu Leipzig in eine theilweise Erfüllung gegangen, obgleich
ein üppiger und prachtliebender Hof dort über große Mittel gebot, und es
seitens der Bevölkerung so wenig als in Bayern an Bereitwilligkeit
und Talenten gefehlt hätte mit der neuen Anstalt und mit den kurz vorher
in Berlin und Göttingen gegründeten in Wetteifer zu treten. Auch im
südlichen Deutschland fand das Beispiel keine Nachahmung, und die schon
von Leibnitz so warm empfohlene Gründung einer kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften zu Wien konnte daselbst, trotz des Reichsthums wissen-
schaftlicher Mittel und Kräfte, unter der Regierung einer Maria Theresta
so wenig als unter Joseph des gewünschten Erfolges sich erfreuen; erst
unserer Zeit war es vorbehalten die einer solchen Schöpfung dort ent-
gegenstehenden Bedenklichkeiten und Hindernisse zu besiegen, und wir be-
trachten es als ein günstiges Ereigniß daß unsere Akademie bei ihrer 90-
jährigen Stiftungsfeier die Errichtung einer Schwester-Anstalt in Wien
begrüßen und ihr ausdrücken kann mit welcher Freude wir auf ihre Ein-
ladung vom 22 Febr. 1849 mit derselben in Verbindung und in Gemein-
schaft der Studien treten, nicht ohne den herzlichsten Wunsch daß es ihr
gelingen möge die Ehre und den Nutzen deutscher Wissenschaft aus den
reichen Quellen über welche sie gebietet, und mit den bewährten Kräften
die sie in sich vereinigt, über alle dem kaiserlichen Scepter unterworfenen
bildungsfähigen Völker auszubreiten.

Unsere Akademie hat übrigens das Ziel welches ihr gleich bei der
Gründung gestellt wurde, unter keinem Wechsel der Zeiten, der Form und
der Verhältnisse aus den Augen verloren. Noch jetzo bestrebt sie sich in
ihrer ersten Classe deutsche Sprache und Litteratur, und in Verbindung
damit die classische und orientalische Litteratur und was auf Unterricht
und Schulen sich bezieht nach Kräften zu fördern. In ihrer historischen
Classe verfolgt sie mit gleichem Eifer durch Fortsetzung des Nationalwerks
der Monumenta Boica, denen sich die Regesta rerum Boica um Auto-
grapha,
von Lang gegründet und von Max Baron v. Freyberg bis zum
neunten Bande -- bis in das Jahr 1407 -- fortgesetzt, anschließen, und durch
Vorbereitung eines alle, auch die kleinsten Ortschaften umfassenden histo-
risch-topographischen Lexikons, die historische Kunde des Vaterlandes nach
allen Seiten hin zu befördern, während die mathematisch-physicalische
Classe bemüht ist neben dem Betrieb und der Bereicherung der ihr ver-
trauten Wissenschaften, die naturwissenschaftliche Erforschung des König-
reichs endlich zum Ziele zu führen. Die Akademie sucht durch diese und
ähnliche Arbeiten sich, als die Vertreterin freier und höhergehender Wissen-
schaften, des Vertrauens würdig zu erweisen mit welchem sie von der Na-
tion und der Regierung sich umgeben sieht, und zufolge von welchem es
auch im letzten Jahre geschehen ist daß sie seitens der Regierung über Er-
findungen und Unternehmungen welche mit den Wissenschaften verkehren,
wiederholt zu Gutachten aufgefordert wurde.

Noch zuletzt ward ihr der Auftrag über das beste System einer das
ganze Land umfassenden Anlage eines elektromagnetischen Telegraphen
Bericht zu erstatten, der am 15 Dec. abgegangen ist.

Zugleich ist sie durch die enge Verbindung der größtentheils von ihr
gegründeten wissenschaftlichen Anstalten des Staats in dem Falle zur Be-
reicherung, Vermehrung und Führung derselben beizutragen und durch
ihre Mitglieder belebend in den reichen Unterricht der Universität einzu-
greifen, welche durch die materiellen und doctrinellen Kräfte der Akademie
allein sich zum Range einer der ersten wissenschaftlichen Lehranstalten von
Deutschland erheben konnte.

Die weitere Entwicklung dieser Thätigkeit ist von der Vermehrung
der Mittel, von der Erweiterung der physikalischen und botanischen Anstalt
und von der Gründung einer physiologischen abhängig -- Anstalten über

Beilage zu Nr. 93 der Allgemeinen Zeitung vom 3 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Oeffentliche Sitzung der königlichen Akademie der
Wiſſenſchaften in München zur Feier ihres Stiftungs-
tages.

Die königl. Akademie der Wiſſenſchaften,
am 28 März des Jahres 1759 gegründet, feierte heute ihren neunzig-
jährigen Stiftungstag durch eine öffentliche Sitzung, welcher der neu-
ernannte Miniſter des Innern für Cultus und Unterricht Hr. v. Ringel-
mann nebſt ſeinen Räthen, ſowie ein zahlreiches Publicum beiwohnte.
Die Sitzung wurde mit einem Vortrage des zeitigen Vorſtandes (Friedr.
Thierſch) eröffnet, der bei Verhinderung des Vorſtandes in ſeinem Namen
von Hrn. v. Martius gehalten wurde.

Es wurde zu Anfang bemerkt: die Akademie habe ſeit ihrer Stiftung
unter vielem Wechſel und nicht ohne Kampf und Gefahr, aber im Innern
ſich immer gleich und klar, beſtanden. Es werde darum, und weil es
überhaupt erfreulich und nutzbar ſey wichtige Dinge bei ihrem Urſprung
zu betrachten, und an ihrer erſten Entfaltung ihre Natur zu erkennen
nicht außer der Zeit oder der Feier des Tages ferner geachtet werden
aus den vorliegenden akademiſchen Urkunden und Correſpondenzen jener
Zeit möglichſt genau und mit Anführung der Worte ſelbſt nachzuweiſen
unter welchen Umſtänden ſie gegründet wurde, und was ſie gleich anfangs
geweſen iſt und gewollt hat. Schon am 22 October des Jahres 1758
hatte ſich Lori, der eigentliche Gründer und Beleber der Akademie, deſſen
Bildniß darum auch aus der Reihe der übrigen hervorgenommen war,
und von Kränzen umgeben in der decorirten Tribüne prangte, mit mehre-
ren Freunden zu jenem Zweck zuſammengethan, um, was auf dem Gebiet
der Bildung und Wiſſenſchaft für Bayern erſprießlich ſey, anfangs aus
Furcht vor mächtigen Gegnern im geheim zu berathen. Lori ſelbſt ver-
gleicht darum in einem Brief an Gottſched ſich und ſeine Freunde mit den
Gründern der ſchweizeriſchen Freiheit, welche ſich auf dem Rütli zur Be-
freiung ihres Vaterlandes von fremder Gewaltherrſchaft verbunden hat-
ten. Es wird hierauf nachgewieſen wie, ungeachtet manches erfreulichen
was zu jener Zeit im Staat und in den Wiſſenſchaften geſchah, gleichwohl
alles was auf eigentliche Bildung und wiſſenſchaftliche Entwicklung be-
züglich war, ſich in einem traurigen Verkommniß fand. Lori erklärte:
alle Wege auf denen man die Jugend führe ſeyen Abwege von der Wiſſen-
ſchaft, und glücklich wer am Ende ſeiner Studien das Gefühl geretiet habe
oder neu gewinne daß er wie jener gute Prälat Amort v. Polling, der
Stifter des Parnassus Boicus, von vorn anfangen müſſe um etwas zu
lernen.

Dieſer Verfall wird dann im einzelnen nachgewieſen und als vorzüg-
lichſter Urheber desſelben der mächtige Orden der Jeſuiten bezeichnet, der
ſeit Wilhelm IV den Hof und die Schulen beherrſcht hatte, und fort-
dauernd alles argwöhniſch beobachtete und nachdrücklich befehdete was
ſeinem Reich und ſeinem Einfluß Gefahr drohte. Es war darum auch
nothwendig ſie von der Akademie entfernt zu halten, während man bei
weiterem Ausbreiten des Unternehmens Gelehrte aller Lande und jeglicher
Confeſſion in die Geſellſchaft aufnahm. Sie werden, ſchrieb Lori an
Kennedy, unſere Feinde, aber nicht unſere Mitglieder ſeyn. Auch dem
Anfinnen, welches an den Kurfürſten gebracht wurde, daß die Schriften
der Akademiker der Cenſur des Ordens in Ingolſtadt unterliegen ſollten,
wurde glücklich vereitelt, und auch Kennedy billigte daß auf dieſe Weiſe
contra altare erreicht wurde. Auch nur einige Jeſuiten, damals in die
Akademie aufgenommen, würden nach dem Geiſt ihres Ordens geſucht
haben ſie zu beherrſchen und ihre Zwecke zu vereiteln, die eben dahin
gingen das Neue und Belebende der Wiſſenſchaften, welches außer Bayern
ſich geltend gemacht hatte, für das Land zu gewinnen und gegen die ver-
altete Schulweisheit und Barberei, wie Lori ſagt, in den Kampf zu füh-
ren. Um aber die Gelegenheiten hartnäckiger Fehde, der man mit ihnen
und ihren Anhängern entgegenſah, möglichſt zu vermindern, wurde be-
ſchloſſen alles auf Politik, Theologie und Kirchenthum Bezügliche in die
Sphäre der akademiſchen Thätigkeit nicht aufzunehmen, und dieſes auf
Erforſchung und Reinigung der deutſchen Sprache und Veredlung des
Geſchmacks, auf Geſchichte, beſonders auf hiſtoriſche Kunde von Bayern
und ſeiner reichen Geſchichtsquellen, auf Topographie, Geographie und
Alterthümer des Landes und auf Pflege der Naturwiſſenſchaften zu lenken,
beſonders inſofern ſie für Ackerbau und Gewerbe ſich nützlich erwieſen.
Als die im Verborgenen eingeleitete Geſellſchaft weit genug gediehen war
und auch nicht wenige des Adels, die dem Hofe nahe ſtanden, unter ihnen
den Hrn. v. Kreittmayer, für ihre Zwecke gewonnen hatte, ließ ſie ihre
Satzungen an den Kurfürſten bringen, und dieſer trug kein Bedenken ſie
nach reiflicher Erwägung an ſeinem Geburtstag raſch zu unterzeichnen,
[Spaltenumbruch] und ſofort die Errichtung einer Akademie der Wiſſenſchaften zu allgemeiner
Ueberraſchung verkündigen zu laſſen. Die Freude darüber verbreitete ſich
über alle deutſchen Länder, und Gottſched wünſcht Bayern auch darum
Glück zur Erſcheinung der Akademie, die ihn, mehr als irgendein Komet
hätte thun können, mit der größten Verwunderung erfüllt, ja faſt erſchreckt
hätte, weil nun die deutſchen Muſen und Wiſſenſchaften, wenn ſie aus
dem Norden durch Stürme vertrieben würden, im Süden von Deutſch-
land eine neue Heimath finden könnten, in welche ſie ſich zurückzuziehen
vermöchten.

Auch dieß erregt ſeine Bewunderung daß man in Bayern mit dieſer
Sache ſo raſch und ſo entſchieden zu Stande gekommen, während man in
Sachſen um eine ähnliche Anſtalt ſeit zwanzig Jahren und darüber petitionirt,
aber nichts erreicht habe. Die Rede ſchließt wie folgt: Der Wunſch und
die Hoffnung welche Gottſched hegt auch in Sachſen, und zumal in Dres-
den, eine ähnliche Anſtalt wiſſenſchaftlicher Forſchung gegründet zu ſehen,
iſt erſt vor einigen Jahren durch die königl. ſächfiſche Geſellſchaft der
Wiſſenſchaften zu Leipzig in eine theilweiſe Erfüllung gegangen, obgleich
ein üppiger und prachtliebender Hof dort über große Mittel gebot, und es
ſeitens der Bevölkerung ſo wenig als in Bayern an Bereitwilligkeit
und Talenten gefehlt hätte mit der neuen Anſtalt und mit den kurz vorher
in Berlin und Göttingen gegründeten in Wetteifer zu treten. Auch im
ſüdlichen Deutſchland fand das Beiſpiel keine Nachahmung, und die ſchon
von Leibnitz ſo warm empfohlene Gründung einer kaiſerlichen Akademie
der Wiſſenſchaften zu Wien konnte daſelbſt, trotz des Reichsthums wiſſen-
ſchaftlicher Mittel und Kräfte, unter der Regierung einer Maria Thereſta
ſo wenig als unter Joſeph des gewünſchten Erfolges ſich erfreuen; erſt
unſerer Zeit war es vorbehalten die einer ſolchen Schöpfung dort ent-
gegenſtehenden Bedenklichkeiten und Hinderniſſe zu beſiegen, und wir be-
trachten es als ein günſtiges Ereigniß daß unſere Akademie bei ihrer 90-
jährigen Stiftungsfeier die Errichtung einer Schweſter-Anſtalt in Wien
begrüßen und ihr ausdrücken kann mit welcher Freude wir auf ihre Ein-
ladung vom 22 Febr. 1849 mit derſelben in Verbindung und in Gemein-
ſchaft der Studien treten, nicht ohne den herzlichſten Wunſch daß es ihr
gelingen möge die Ehre und den Nutzen deutſcher Wiſſenſchaft aus den
reichen Quellen über welche ſie gebietet, und mit den bewährten Kräften
die ſie in ſich vereinigt, über alle dem kaiſerlichen Scepter unterworfenen
bildungsfähigen Völker auszubreiten.

Unſere Akademie hat übrigens das Ziel welches ihr gleich bei der
Gründung geſtellt wurde, unter keinem Wechſel der Zeiten, der Form und
der Verhältniſſe aus den Augen verloren. Noch jetzo beſtrebt ſie ſich in
ihrer erſten Claſſe deutſche Sprache und Litteratur, und in Verbindung
damit die claſſiſche und orientaliſche Litteratur und was auf Unterricht
und Schulen ſich bezieht nach Kräften zu fördern. In ihrer hiſtoriſchen
Claſſe verfolgt ſie mit gleichem Eifer durch Fortſetzung des Nationalwerks
der Monumenta Boica, denen ſich die Regesta rerum Boica um Auto-
grapha,
von Lang gegründet und von Max Baron v. Freyberg bis zum
neunten Bande — bis in das Jahr 1407 — fortgeſetzt, anſchließen, und durch
Vorbereitung eines alle, auch die kleinſten Ortſchaften umfaſſenden hiſto-
riſch-topographiſchen Lexikons, die hiſtoriſche Kunde des Vaterlandes nach
allen Seiten hin zu befördern, während die mathematiſch-phyſicaliſche
Claſſe bemüht iſt neben dem Betrieb und der Bereicherung der ihr ver-
trauten Wiſſenſchaften, die naturwiſſenſchaftliche Erforſchung des König-
reichs endlich zum Ziele zu führen. Die Akademie ſucht durch dieſe und
ähnliche Arbeiten ſich, als die Vertreterin freier und höhergehender Wiſſen-
ſchaften, des Vertrauens würdig zu erweiſen mit welchem ſie von der Na-
tion und der Regierung ſich umgeben ſieht, und zufolge von welchem es
auch im letzten Jahre geſchehen iſt daß ſie ſeitens der Regierung über Er-
findungen und Unternehmungen welche mit den Wiſſenſchaften verkehren,
wiederholt zu Gutachten aufgefordert wurde.

Noch zuletzt ward ihr der Auftrag über das beſte Syſtem einer das
ganze Land umfaſſenden Anlage eines elektromagnetiſchen Telegraphen
Bericht zu erſtatten, der am 15 Dec. abgegangen iſt.

Zugleich iſt ſie durch die enge Verbindung der größtentheils von ihr
gegründeten wiſſenſchaftlichen Anſtalten des Staats in dem Falle zur Be-
reicherung, Vermehrung und Führung derſelben beizutragen und durch
ihre Mitglieder belebend in den reichen Unterricht der Univerſität einzu-
greifen, welche durch die materiellen und doctrinellen Kräfte der Akademie
allein ſich zum Range einer der erſten wiſſenſchaftlichen Lehranſtalten von
Deutſchland erheben konnte.

Die weitere Entwicklung dieſer Thätigkeit iſt von der Vermehrung
der Mittel, von der Erweiterung der phyſikaliſchen und botaniſchen Anſtalt
und von der Gründung einer phyſiologiſchen abhängig — Anſtalten über

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[0009] Beilage zu Nr. 93 der Allgemeinen Zeitung vom 3 April 1849. Oeffentliche Sitzung der königlichen Akademie der Wiſſenſchaften in München zur Feier ihres Stiftungs- tages. * München, 28 März. Die königl. Akademie der Wiſſenſchaften, am 28 März des Jahres 1759 gegründet, feierte heute ihren neunzig- jährigen Stiftungstag durch eine öffentliche Sitzung, welcher der neu- ernannte Miniſter des Innern für Cultus und Unterricht Hr. v. Ringel- mann nebſt ſeinen Räthen, ſowie ein zahlreiches Publicum beiwohnte. Die Sitzung wurde mit einem Vortrage des zeitigen Vorſtandes (Friedr. Thierſch) eröffnet, der bei Verhinderung des Vorſtandes in ſeinem Namen von Hrn. v. Martius gehalten wurde. Es wurde zu Anfang bemerkt: die Akademie habe ſeit ihrer Stiftung unter vielem Wechſel und nicht ohne Kampf und Gefahr, aber im Innern ſich immer gleich und klar, beſtanden. Es werde darum, und weil es überhaupt erfreulich und nutzbar ſey wichtige Dinge bei ihrem Urſprung zu betrachten, und an ihrer erſten Entfaltung ihre Natur zu erkennen nicht außer der Zeit oder der Feier des Tages ferner geachtet werden aus den vorliegenden akademiſchen Urkunden und Correſpondenzen jener Zeit möglichſt genau und mit Anführung der Worte ſelbſt nachzuweiſen unter welchen Umſtänden ſie gegründet wurde, und was ſie gleich anfangs geweſen iſt und gewollt hat. Schon am 22 October des Jahres 1758 hatte ſich Lori, der eigentliche Gründer und Beleber der Akademie, deſſen Bildniß darum auch aus der Reihe der übrigen hervorgenommen war, und von Kränzen umgeben in der decorirten Tribüne prangte, mit mehre- ren Freunden zu jenem Zweck zuſammengethan, um, was auf dem Gebiet der Bildung und Wiſſenſchaft für Bayern erſprießlich ſey, anfangs aus Furcht vor mächtigen Gegnern im geheim zu berathen. Lori ſelbſt ver- gleicht darum in einem Brief an Gottſched ſich und ſeine Freunde mit den Gründern der ſchweizeriſchen Freiheit, welche ſich auf dem Rütli zur Be- freiung ihres Vaterlandes von fremder Gewaltherrſchaft verbunden hat- ten. Es wird hierauf nachgewieſen wie, ungeachtet manches erfreulichen was zu jener Zeit im Staat und in den Wiſſenſchaften geſchah, gleichwohl alles was auf eigentliche Bildung und wiſſenſchaftliche Entwicklung be- züglich war, ſich in einem traurigen Verkommniß fand. Lori erklärte: alle Wege auf denen man die Jugend führe ſeyen Abwege von der Wiſſen- ſchaft, und glücklich wer am Ende ſeiner Studien das Gefühl geretiet habe oder neu gewinne daß er wie jener gute Prälat Amort v. Polling, der Stifter des Parnassus Boicus, von vorn anfangen müſſe um etwas zu lernen. Dieſer Verfall wird dann im einzelnen nachgewieſen und als vorzüg- lichſter Urheber desſelben der mächtige Orden der Jeſuiten bezeichnet, der ſeit Wilhelm IV den Hof und die Schulen beherrſcht hatte, und fort- dauernd alles argwöhniſch beobachtete und nachdrücklich befehdete was ſeinem Reich und ſeinem Einfluß Gefahr drohte. Es war darum auch nothwendig ſie von der Akademie entfernt zu halten, während man bei weiterem Ausbreiten des Unternehmens Gelehrte aller Lande und jeglicher Confeſſion in die Geſellſchaft aufnahm. Sie werden, ſchrieb Lori an Kennedy, unſere Feinde, aber nicht unſere Mitglieder ſeyn. Auch dem Anfinnen, welches an den Kurfürſten gebracht wurde, daß die Schriften der Akademiker der Cenſur des Ordens in Ingolſtadt unterliegen ſollten, wurde glücklich vereitelt, und auch Kennedy billigte daß auf dieſe Weiſe contra altare erreicht wurde. Auch nur einige Jeſuiten, damals in die Akademie aufgenommen, würden nach dem Geiſt ihres Ordens geſucht haben ſie zu beherrſchen und ihre Zwecke zu vereiteln, die eben dahin gingen das Neue und Belebende der Wiſſenſchaften, welches außer Bayern ſich geltend gemacht hatte, für das Land zu gewinnen und gegen die ver- altete Schulweisheit und Barberei, wie Lori ſagt, in den Kampf zu füh- ren. Um aber die Gelegenheiten hartnäckiger Fehde, der man mit ihnen und ihren Anhängern entgegenſah, möglichſt zu vermindern, wurde be- ſchloſſen alles auf Politik, Theologie und Kirchenthum Bezügliche in die Sphäre der akademiſchen Thätigkeit nicht aufzunehmen, und dieſes auf Erforſchung und Reinigung der deutſchen Sprache und Veredlung des Geſchmacks, auf Geſchichte, beſonders auf hiſtoriſche Kunde von Bayern und ſeiner reichen Geſchichtsquellen, auf Topographie, Geographie und Alterthümer des Landes und auf Pflege der Naturwiſſenſchaften zu lenken, beſonders inſofern ſie für Ackerbau und Gewerbe ſich nützlich erwieſen. Als die im Verborgenen eingeleitete Geſellſchaft weit genug gediehen war und auch nicht wenige des Adels, die dem Hofe nahe ſtanden, unter ihnen den Hrn. v. Kreittmayer, für ihre Zwecke gewonnen hatte, ließ ſie ihre Satzungen an den Kurfürſten bringen, und dieſer trug kein Bedenken ſie nach reiflicher Erwägung an ſeinem Geburtstag raſch zu unterzeichnen, und ſofort die Errichtung einer Akademie der Wiſſenſchaften zu allgemeiner Ueberraſchung verkündigen zu laſſen. Die Freude darüber verbreitete ſich über alle deutſchen Länder, und Gottſched wünſcht Bayern auch darum Glück zur Erſcheinung der Akademie, die ihn, mehr als irgendein Komet hätte thun können, mit der größten Verwunderung erfüllt, ja faſt erſchreckt hätte, weil nun die deutſchen Muſen und Wiſſenſchaften, wenn ſie aus dem Norden durch Stürme vertrieben würden, im Süden von Deutſch- land eine neue Heimath finden könnten, in welche ſie ſich zurückzuziehen vermöchten. Auch dieß erregt ſeine Bewunderung daß man in Bayern mit dieſer Sache ſo raſch und ſo entſchieden zu Stande gekommen, während man in Sachſen um eine ähnliche Anſtalt ſeit zwanzig Jahren und darüber petitionirt, aber nichts erreicht habe. Die Rede ſchließt wie folgt: Der Wunſch und die Hoffnung welche Gottſched hegt auch in Sachſen, und zumal in Dres- den, eine ähnliche Anſtalt wiſſenſchaftlicher Forſchung gegründet zu ſehen, iſt erſt vor einigen Jahren durch die königl. ſächfiſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Leipzig in eine theilweiſe Erfüllung gegangen, obgleich ein üppiger und prachtliebender Hof dort über große Mittel gebot, und es ſeitens der Bevölkerung ſo wenig als in Bayern an Bereitwilligkeit und Talenten gefehlt hätte mit der neuen Anſtalt und mit den kurz vorher in Berlin und Göttingen gegründeten in Wetteifer zu treten. Auch im ſüdlichen Deutſchland fand das Beiſpiel keine Nachahmung, und die ſchon von Leibnitz ſo warm empfohlene Gründung einer kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften zu Wien konnte daſelbſt, trotz des Reichsthums wiſſen- ſchaftlicher Mittel und Kräfte, unter der Regierung einer Maria Thereſta ſo wenig als unter Joſeph des gewünſchten Erfolges ſich erfreuen; erſt unſerer Zeit war es vorbehalten die einer ſolchen Schöpfung dort ent- gegenſtehenden Bedenklichkeiten und Hinderniſſe zu beſiegen, und wir be- trachten es als ein günſtiges Ereigniß daß unſere Akademie bei ihrer 90- jährigen Stiftungsfeier die Errichtung einer Schweſter-Anſtalt in Wien begrüßen und ihr ausdrücken kann mit welcher Freude wir auf ihre Ein- ladung vom 22 Febr. 1849 mit derſelben in Verbindung und in Gemein- ſchaft der Studien treten, nicht ohne den herzlichſten Wunſch daß es ihr gelingen möge die Ehre und den Nutzen deutſcher Wiſſenſchaft aus den reichen Quellen über welche ſie gebietet, und mit den bewährten Kräften die ſie in ſich vereinigt, über alle dem kaiſerlichen Scepter unterworfenen bildungsfähigen Völker auszubreiten. Unſere Akademie hat übrigens das Ziel welches ihr gleich bei der Gründung geſtellt wurde, unter keinem Wechſel der Zeiten, der Form und der Verhältniſſe aus den Augen verloren. Noch jetzo beſtrebt ſie ſich in ihrer erſten Claſſe deutſche Sprache und Litteratur, und in Verbindung damit die claſſiſche und orientaliſche Litteratur und was auf Unterricht und Schulen ſich bezieht nach Kräften zu fördern. In ihrer hiſtoriſchen Claſſe verfolgt ſie mit gleichem Eifer durch Fortſetzung des Nationalwerks der Monumenta Boica, denen ſich die Regesta rerum Boica um Auto- grapha, von Lang gegründet und von Max Baron v. Freyberg bis zum neunten Bande — bis in das Jahr 1407 — fortgeſetzt, anſchließen, und durch Vorbereitung eines alle, auch die kleinſten Ortſchaften umfaſſenden hiſto- riſch-topographiſchen Lexikons, die hiſtoriſche Kunde des Vaterlandes nach allen Seiten hin zu befördern, während die mathematiſch-phyſicaliſche Claſſe bemüht iſt neben dem Betrieb und der Bereicherung der ihr ver- trauten Wiſſenſchaften, die naturwiſſenſchaftliche Erforſchung des König- reichs endlich zum Ziele zu führen. Die Akademie ſucht durch dieſe und ähnliche Arbeiten ſich, als die Vertreterin freier und höhergehender Wiſſen- ſchaften, des Vertrauens würdig zu erweiſen mit welchem ſie von der Na- tion und der Regierung ſich umgeben ſieht, und zufolge von welchem es auch im letzten Jahre geſchehen iſt daß ſie ſeitens der Regierung über Er- findungen und Unternehmungen welche mit den Wiſſenſchaften verkehren, wiederholt zu Gutachten aufgefordert wurde. Noch zuletzt ward ihr der Auftrag über das beſte Syſtem einer das ganze Land umfaſſenden Anlage eines elektromagnetiſchen Telegraphen Bericht zu erſtatten, der am 15 Dec. abgegangen iſt. Zugleich iſt ſie durch die enge Verbindung der größtentheils von ihr gegründeten wiſſenſchaftlichen Anſtalten des Staats in dem Falle zur Be- reicherung, Vermehrung und Führung derſelben beizutragen und durch ihre Mitglieder belebend in den reichen Unterricht der Univerſität einzu- greifen, welche durch die materiellen und doctrinellen Kräfte der Akademie allein ſich zum Range einer der erſten wiſſenſchaftlichen Lehranſtalten von Deutſchland erheben konnte. Die weitere Entwicklung dieſer Thätigkeit iſt von der Vermehrung der Mittel, von der Erweiterung der phyſikaliſchen und botaniſchen Anſtalt und von der Gründung einer phyſiologiſchen abhängig — Anſtalten über

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine93_1849/9>, abgerufen am 21.11.2024.