Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849.[Spaltenumbruch]
meinde zu dem Erlegen von 20,000 fl. C.-M. verpflichtet werde, falls einer Großbritannien. London, 29 März. Die Kunde von Radetzky's veni, vidi, vici in Ober-Italien, sowie Das "Olympic Theater" in London ist am 29 März Nachmittags Blätter aus der Capstadt reichen bis zum 25 Jan. Die Colonie ** Wir haben ein Londoner Abendblatt vom 30 März; aber es ist Frankreich. Paris, 30 März. Das Budget des Ministeriums des Ackerbaues wurde gestern in ei- [Spaltenumbruch]
meinde zu dem Erlegen von 20,000 fl. C.-M. verpflichtet werde, falls einer Großbritannien. London, 29 März. Die Kunde von Radetzky’s veni, vidi, vici in Ober-Italien, ſowie Das „Olympic Theater“ in London iſt am 29 März Nachmittags Blätter aus der Capſtadt reichen bis zum 25 Jan. Die Colonie ** Wir haben ein Londoner Abendblatt vom 30 März; aber es iſt Frankreich. Paris, 30 März. Das Budget des Miniſteriums des Ackerbaues wurde geſtern in ei- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="1423"/><cb/> meinde zu dem Erlegen von 20,000 fl. C.-M. verpflichtet werde, falls einer<lb/> aus ihrer Mitte als mit den Rebellen in Verbindung ſtehend verurtheilt<lb/> würde. Man glaubte anfangs dieſe Verordnung wäre nur eine Drohung,<lb/> denn wer würde den Unſchuldigen mit dem Schuldigen beſtrafen, und dieß<lb/> gerade ausnabmsweiſe bei einer Religionsgenoſſenſchaft die obendrein nicht<lb/> einmal die Macht in den Händen hat ihre Mitglieder polizeilich zu über-<lb/> wachen? Nichtsdeſtoweniger geſchah es heute daß, da zwei Juden wegen<lb/> Einverſtändniß mit den Ungarn zu mehrjährigem Kerker verurtheilt<lb/> wurden, die hieſige iſraelitiſche Gemeinde zur augenblicklichen Erlegung<lb/> von 40,000 fl. C.-M. (noch dazu ein Drittel in Silber!) angehalten wird.<lb/> Wenn ſich noch ein paar Dutzend ſolcher Auswürflinge in der hieſtgen Ge-<lb/> meinde finden ſollten, und man den gleichen Grundſatz gegen ſie in An-<lb/> wendung brächte, ſo würde den Iſraeliten in Peſth, ſo zahlreich ſie auch<lb/> ſind, nichts anderes erübrigen als den Bettelſtab zu ergreifen. Ein charak-<lb/> teriſtiſcher Zug des gegenwärtigen Kriegs in Ungarn iſt folgende That-<lb/> ſache. Während der junge Graf Eſterhazy ein Commando in der Feſtung<lb/> Komorn hat, und im Fall der Erſtürmung derſelben wahrſcheinlich den<lb/> Tod des Hochverräthers ſtirbt, hat der alte Graf Eſterhazy, Vater des-<lb/> ſelben, ſoeben den Belagerungstruppen vor Komorn 160 Eimer Wein ge-<lb/> ſchenkt um ſie zur Erſtürmung der Feſtung zu ermuntern!</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 29 März.</dateline><lb/> <p>Die Kunde von Radetzky’s <hi rendition="#aq">veni, vidi, vici</hi> in Ober-Italien, ſowie<lb/> von der Abdankung Karl Alberts zu Gunſten ſeines Hrn. Sohns, welcher<lb/> — S. Nr. 90 der Allgem. Ztg. — auf einem mit menſchlichen Lei-<lb/> chen beſäeten Schlachtfeld nur über ſeine verlornen Pferde klagte,<lb/> und damit der Welt ſich als einen Gecken angekündigt hat, iſt<lb/> am 28 März durch den elektriſchen Telegraphen nach England gelangt,<lb/> und beſchäftigt jetzt vorzugsweiſe die Aufmerkſamkeit, wie der politiſchen<lb/> Kreiſe in der Downing-Street und dem Weſtend, ſo der Geld- und Han-<lb/> delswelt in der Altſtadt. Zwar daß die Piemonteſen unterliegen würden,<lb/> war von allen mit dem Zuſtand und der Führung beider Armeen vertrauten<lb/> Militärs zuverſichtlich vorausgeſehen, aber die Schnelle der Entſcheidung<lb/> hat überraſcht. Die Sache ward im Beginn der <hi rendition="#g">Oberhausſitzung</hi> am<lb/> 29 März von Lord Brougham zur Sprache gebracht, welcher fragte ob<lb/> die Regierung dieſe Nachrichten erhalten habe. Wenn ſie gegründet ſeyen,<lb/> ſo habe die Vorſehung Europa mit einem Ergebniß begnadet welches kein<lb/> Menſch habe vorausſagen oder hoffen können. (Brougham iſt bekanntlich<lb/> ein Lord vom Civil.) Nun habe er aber gehört daß England und Frank-<lb/> reich entſchloſſen ſeyen ins Mittel zu treten, um die Integrität des König-<lb/> reichs Sardinien aufrechtzuhalten, während doch Marſchall Radetzky und<lb/> der Kaiſer von Oeſterreich ſelbſt erklärt daß ſie dieſe Integrität anzutaſten<lb/> durchaus nicht geſonnen ſeyen. Er (Brougham) könne dieſem Gerücht kei-<lb/> nen Glauben ſchenken; denn es klinge wie ein Pasquill gegen die genann-<lb/> ten Mächte, und wie ein Pasquill gegen Oeſterreich. Der Geheimeraths-<lb/> präſident Marquis v. <hi rendition="#g">Lansdowne</hi> ließ den letzten Punkt unbeantwortet,<lb/> und bemerkte nur: da die Regierung die Nachricht, deren Richtigkeit übri-<lb/> gens nicht zu bezweifeln, vorerſt nur durch den elektriſchen Telegraphen<lb/> erhalten, ſo könne er näheres darüber nicht mittheilen; indeſſen finde auch<lb/> er es erfreulich daß der Kampf ein deſinitiver geweſen. Auf eine Erin-<lb/> nerung des Grafen <hi rendition="#g">Aberdeen</hi> ſtellte der Miniſter die Vorlegung der un-<lb/> längſt verlangten Correſpondenzen über Nord-Italien nunmehr in baldige<lb/> Ausſicht. Obige Anfrage Broughams hängt, ſcheint es, mit der<lb/> Notiz im <hi rendition="#g">Standard</hi> zuſammen: „Wir haben von einem geſchätzten<lb/> Freund, der ſoeben von Paris kommt, folgende Mittheilung erhalten:<lb/> „„Der 82jährige Radetzky hat den europäiſchen Frieden gerettet! England<lb/> und Frankreich haben ihre vereinte Vermittelung angeboten um die In-<lb/> tegrität Sardiniens zu wahren; die öſterreichiſche Regierung hat<lb/> ſie durch ihre Repräſentanten in Turin und Paris angenommen,<lb/> da der Kaiſer von Oeſterreich keine Eroberung beabſichtigt.““ Sämmt-<lb/> liche Journale zollen dem greiſen Feldherrn die wohlverdiente Be-<lb/> wunderung. Hingegen hat die <hi rendition="#g">Times</hi> Berichte aus Ungarn,<lb/> welche ſich über die dortige Führung der öſterreichiſchen Truppen ſehr<lb/> mißbilligend ausſprechen. Die politiſche Sympathie einer gewiſſen Par-<lb/> tei, meint <hi rendition="#g">Daily News,</hi> habe dem Fürſten Windiſch-Grätz etwas gar<lb/> zu voreilig <hi rendition="#g">den</hi> Lorbeerkranz aufgeſetzt; eine von Studenten und Arbei-<lb/> tern ſchlechtvertheidigte Stadt zuſammenſchießen, und ein organiſirtes,<lb/> wohlgeführtes Kriegsheer ſieghaft im Felde beſtehen, das ſey eben zweier-<lb/> lei. Dasſelbe Blatt betrachtet die Zuſtände Frankreichs — deſſen Frie-<lb/> densliebe die conſervative Preſſe, gleich den Miniſtern im Parlament,<lb/> über alle Maßen lobt — mit beſorglichen Blicken. Der „Friedens-Na-<lb/> poleon“ Louis Bonaparte, meint <hi rendition="#g">Daily – News,</hi> ſpiele ein ebenſo ge-<lb/> fährliches wie egoiſtiſches Spiel. Der Kriegsklang ſeines Namens habe<lb/> ihn der Armee empfohlen und durch dieſe auf den Präſidentenſtuhl erhoben;<lb/> er ſey auf dem beſten Wege die Zuneigung der Armee zu verſcherzen, und<lb/><cb/> wie lange noch werde das ſtolze Frankreich eine Politik ertragen welche<lb/> ihm in den jetzigen Weltereigniſſen dieſe demüthige Rolle anweiſe? —<lb/> Die Kunde von der Kaiſerwahl in Frankfurt war, ſcheint es, bis zum<lb/> 29 März noch nicht nach London gelangt; wenigſtens finden wir in den<lb/> uns vorliegenden Zeitungen nichts davon erwähnt. Indeſſen nannte die-<lb/> ſer Tage das <hi rendition="#g">Chronicle,</hi> bei Beſprechung des Welcker’ſchen Antrags, die<lb/> Kaiſerkrone, welche dem König von Preußen angeboten werden ſollte,<lb/> eine Krone von vergoldetem Lebkuchen <hi rendition="#aq">(of gilt gingerbread),</hi> und das deut-<lb/> ſche Reich ſelbſt eine Seifenblaſe <hi rendition="#aq">(a bubble empire).</hi> Kein Heil für<lb/> Deutſchland als in der Bundesverfaſſung von 1815!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Das „Olympic Theater“ in London iſt am 29 März Nachmittags<lb/> abgebrannt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Blätter aus der <hi rendition="#g">Capſtadt</hi> reichen bis zum 25 Jan. Die Colonie<lb/> war unter ihrem Statthalter Sir Henry Smith vollkommen ruhig; die<lb/> Kaffern wie die holländiſchen Boeren ſcheinen ſich in die Umſtände zu fügen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>** Wir haben ein Londoner Abendblatt vom 30 März; aber es iſt<lb/> ganz leer an Neuigkeiten. Die <hi rendition="#g">Unterhausſitzung</hi> vom 29 März war<lb/> ausgefüllt mit einer Verhandlung über die irländiſchen Sparbanken. Hr.<lb/><hi rendition="#g">Reynolds,</hi> Mitglied für die Stadt Dublin, beantragte einen Unter-<lb/> ſuchungsausſchuß darüber, welcher mit 51 gegen 48 Stimmen bewilligt<lb/> wurde. Die iriſche Auswanderung iſt in vollem Gang.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 30 März.</dateline><lb/> <p>Das Budget des Miniſteriums des Ackerbaues wurde geſtern in <hi rendition="#g">ei-<lb/> ner</hi> Sitzung erledigt. Es erlitt auch einige Verkürzungen, kam aber im<lb/> ganzen leidlich weg. Der beträchtlichſte Abzug beſtand in 300,000 Fr.<lb/> von der Summe von 2,745,000 Fr. Für Verbeſſerung des landwirthſchaft-<lb/> lichen Unterrichts zur Ausführung des Decrets vom 3 Oct. Der Finanz-<lb/> ausſchuß hatte eine Reduction von 1,400,000 Fr. vorgeſchlagen, wodurch<lb/> jene ganze Reform wieder vertagt worden wäre. So hatte er auch an<lb/> den Zuſchuß von 639,000 Fr. Für die Nationalmanufacturen von Sevres,<lb/> der Gobelins und von Beauvais die Hand gelegt, um ihn um 100,000<lb/> Fr. zu ſchmälern, er hatte vorgeſchlagen, wie das J. <hi rendition="#g">des Débats</hi> ſpot-<lb/> tet, die Manufactur von Sevres in eine Töpferfabrik, und die Gobelins-<lb/> manufactur in eine Färberei zu verwandeln, die Verſammlung ging je-<lb/> doch auf dieſe kärgliche Art von Sparſamkeit nicht ein. Gegen Ende der<lb/> Sitzung kündigte Hr. J. <hi rendition="#g">Favre</hi> an daß der Ausſchuß für die auswärtige<lb/> Politik ſich verſammelt habe um über die italieniſchen Angelegenheiten zu<lb/> Rath zu gehen, und daß er im Einvernehmen mit den Miniſtern beauftragt<lb/> ſey die Ausſchußanträge der Verſammlung morgen mitzutheilen. Sie<lb/> lauten wie folgt: „Die Nationalverſammlung, eifrig bedacht die Erhaltung<lb/> der zwei größten Intereſſen zu ſichern die ihr anvertraut ſind, die Würde<lb/> Frankreichs und den Beſtand des auf die Achtung der Nationalitäten ge-<lb/> gründeten Friedens, der Sprache des Hrn. Präſidenten des Miniſterraths<lb/> in der Sitzung vom 28 März ſich beigeſellend, übrigens der Regierung des<lb/> Präſidenten der Republik vertrauend, erklärt daß wenn zu beſſerer Wahrung<lb/> der Integrität des piemonteſiſchen Gebiets und zu beſſerer Schirmung der<lb/> Intereſſen und der Ehre Frankreichs die vollziehende Gewalt glaubte die<lb/> Unterhandlungen durch die theil- und zeitweiſe Beſetzung irgendeines<lb/> Punkts von <hi rendition="#g">Oberitalien</hi> unterſtützen zu ſollen, ſie in der National-<lb/> verſammlung die aufrichtigſte und vollſte Mitwirkung finden werde.“ In<lb/> dieſer Faſſung hatte der Ausſchuß mit 24 gegen 14 Stimmen die Anträge<lb/> genehmigt, und heute kamen ſie zur Verhandlung. Zuerſt führte Hr.<lb/><hi rendition="#g">Bixio</hi> für den Ausſchuß das Wort, und zwar in einer Art die einem<lb/> Theil nicht nur der Verſammlung ſondern des Ausſchuſſes zu ſtark war,<lb/> wenn er unter anderm ſagte: „das Intereſſe Piemonts iſt das Intereſſe<lb/> Frankreichs geworden, ſeine Niederlage iſt die Niederlage Frankreichs.“<lb/> Hr. <hi rendition="#g">Molé</hi>, Mitglied des Ausſchuſſes, erklärte dieſer Bericht ſey nicht<lb/> vom Ausſchuß genehmigt, <hi rendition="#g">ihm</hi> wenigſtens fremd. Der Miniſter der<lb/> auswärtigen Angelegenheiten, Hr. <hi rendition="#g">Drouyn de Lhuys,</hi> gab nun Er-<lb/> läuterungen über die Sachlage in Piemont, namentlich aus einer Depeſche<lb/> des Hrn. Bois-le-Comte vom 26 März die Nachricht daß das öſterreichiſche<lb/> Heer die Seſia nicht überſchreiten werde, aus einer zweiten vom 27 daß<lb/> ein Waffenſtillſtand abgeſchloſſen ſey bis zum Zuſtandekommen des Frie-<lb/> dens, daß Aleſſandria eine gemiſchte Beſatzung erhalten, die lombardi-<lb/> ſchen Corps aufgelöst, Toscana geräumt, das piemontefiſche Heer vermin-<lb/> dert werden ſolle. Die Ausſchußanträge, verſicherte er, nehme die Regie-<lb/> rung an. Schon habe ſie den Ausdruck ihrer Beſorgniſſe nach Wien über-<lb/> macht und zur Antwort erhalten Oeſterreich wolle von Piemont nichts<lb/> losreißen, es dehne ſeine Anſprüche nicht über die durch die Verträge<lb/> (links: von 1815! Gelächter) feſtgeſetzten Gränzen, und verlange nur die<lb/> Kriegskoſten. Hr. <hi rendition="#g">Billaut</hi> fand dieſe Aufſchlüſſe nicht befriedigend:<lb/> jüngſt noch, erinnerte er, habe es ſich um eine Vermittlung Frankreichs<lb/> und Englands gehandelt um die Befreiung Italiens zu ſichern, jetzt, wie<lb/> es ſcheine, bloß für Oeſterreich um die Wiedereinnahme ſeiner italieniſchen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1423/0007]
meinde zu dem Erlegen von 20,000 fl. C.-M. verpflichtet werde, falls einer
aus ihrer Mitte als mit den Rebellen in Verbindung ſtehend verurtheilt
würde. Man glaubte anfangs dieſe Verordnung wäre nur eine Drohung,
denn wer würde den Unſchuldigen mit dem Schuldigen beſtrafen, und dieß
gerade ausnabmsweiſe bei einer Religionsgenoſſenſchaft die obendrein nicht
einmal die Macht in den Händen hat ihre Mitglieder polizeilich zu über-
wachen? Nichtsdeſtoweniger geſchah es heute daß, da zwei Juden wegen
Einverſtändniß mit den Ungarn zu mehrjährigem Kerker verurtheilt
wurden, die hieſige iſraelitiſche Gemeinde zur augenblicklichen Erlegung
von 40,000 fl. C.-M. (noch dazu ein Drittel in Silber!) angehalten wird.
Wenn ſich noch ein paar Dutzend ſolcher Auswürflinge in der hieſtgen Ge-
meinde finden ſollten, und man den gleichen Grundſatz gegen ſie in An-
wendung brächte, ſo würde den Iſraeliten in Peſth, ſo zahlreich ſie auch
ſind, nichts anderes erübrigen als den Bettelſtab zu ergreifen. Ein charak-
teriſtiſcher Zug des gegenwärtigen Kriegs in Ungarn iſt folgende That-
ſache. Während der junge Graf Eſterhazy ein Commando in der Feſtung
Komorn hat, und im Fall der Erſtürmung derſelben wahrſcheinlich den
Tod des Hochverräthers ſtirbt, hat der alte Graf Eſterhazy, Vater des-
ſelben, ſoeben den Belagerungstruppen vor Komorn 160 Eimer Wein ge-
ſchenkt um ſie zur Erſtürmung der Feſtung zu ermuntern!
Großbritannien.
London, 29 März.
Die Kunde von Radetzky’s veni, vidi, vici in Ober-Italien, ſowie
von der Abdankung Karl Alberts zu Gunſten ſeines Hrn. Sohns, welcher
— S. Nr. 90 der Allgem. Ztg. — auf einem mit menſchlichen Lei-
chen beſäeten Schlachtfeld nur über ſeine verlornen Pferde klagte,
und damit der Welt ſich als einen Gecken angekündigt hat, iſt
am 28 März durch den elektriſchen Telegraphen nach England gelangt,
und beſchäftigt jetzt vorzugsweiſe die Aufmerkſamkeit, wie der politiſchen
Kreiſe in der Downing-Street und dem Weſtend, ſo der Geld- und Han-
delswelt in der Altſtadt. Zwar daß die Piemonteſen unterliegen würden,
war von allen mit dem Zuſtand und der Führung beider Armeen vertrauten
Militärs zuverſichtlich vorausgeſehen, aber die Schnelle der Entſcheidung
hat überraſcht. Die Sache ward im Beginn der Oberhausſitzung am
29 März von Lord Brougham zur Sprache gebracht, welcher fragte ob
die Regierung dieſe Nachrichten erhalten habe. Wenn ſie gegründet ſeyen,
ſo habe die Vorſehung Europa mit einem Ergebniß begnadet welches kein
Menſch habe vorausſagen oder hoffen können. (Brougham iſt bekanntlich
ein Lord vom Civil.) Nun habe er aber gehört daß England und Frank-
reich entſchloſſen ſeyen ins Mittel zu treten, um die Integrität des König-
reichs Sardinien aufrechtzuhalten, während doch Marſchall Radetzky und
der Kaiſer von Oeſterreich ſelbſt erklärt daß ſie dieſe Integrität anzutaſten
durchaus nicht geſonnen ſeyen. Er (Brougham) könne dieſem Gerücht kei-
nen Glauben ſchenken; denn es klinge wie ein Pasquill gegen die genann-
ten Mächte, und wie ein Pasquill gegen Oeſterreich. Der Geheimeraths-
präſident Marquis v. Lansdowne ließ den letzten Punkt unbeantwortet,
und bemerkte nur: da die Regierung die Nachricht, deren Richtigkeit übri-
gens nicht zu bezweifeln, vorerſt nur durch den elektriſchen Telegraphen
erhalten, ſo könne er näheres darüber nicht mittheilen; indeſſen finde auch
er es erfreulich daß der Kampf ein deſinitiver geweſen. Auf eine Erin-
nerung des Grafen Aberdeen ſtellte der Miniſter die Vorlegung der un-
längſt verlangten Correſpondenzen über Nord-Italien nunmehr in baldige
Ausſicht. Obige Anfrage Broughams hängt, ſcheint es, mit der
Notiz im Standard zuſammen: „Wir haben von einem geſchätzten
Freund, der ſoeben von Paris kommt, folgende Mittheilung erhalten:
„„Der 82jährige Radetzky hat den europäiſchen Frieden gerettet! England
und Frankreich haben ihre vereinte Vermittelung angeboten um die In-
tegrität Sardiniens zu wahren; die öſterreichiſche Regierung hat
ſie durch ihre Repräſentanten in Turin und Paris angenommen,
da der Kaiſer von Oeſterreich keine Eroberung beabſichtigt.““ Sämmt-
liche Journale zollen dem greiſen Feldherrn die wohlverdiente Be-
wunderung. Hingegen hat die Times Berichte aus Ungarn,
welche ſich über die dortige Führung der öſterreichiſchen Truppen ſehr
mißbilligend ausſprechen. Die politiſche Sympathie einer gewiſſen Par-
tei, meint Daily News, habe dem Fürſten Windiſch-Grätz etwas gar
zu voreilig den Lorbeerkranz aufgeſetzt; eine von Studenten und Arbei-
tern ſchlechtvertheidigte Stadt zuſammenſchießen, und ein organiſirtes,
wohlgeführtes Kriegsheer ſieghaft im Felde beſtehen, das ſey eben zweier-
lei. Dasſelbe Blatt betrachtet die Zuſtände Frankreichs — deſſen Frie-
densliebe die conſervative Preſſe, gleich den Miniſtern im Parlament,
über alle Maßen lobt — mit beſorglichen Blicken. Der „Friedens-Na-
poleon“ Louis Bonaparte, meint Daily – News, ſpiele ein ebenſo ge-
fährliches wie egoiſtiſches Spiel. Der Kriegsklang ſeines Namens habe
ihn der Armee empfohlen und durch dieſe auf den Präſidentenſtuhl erhoben;
er ſey auf dem beſten Wege die Zuneigung der Armee zu verſcherzen, und
wie lange noch werde das ſtolze Frankreich eine Politik ertragen welche
ihm in den jetzigen Weltereigniſſen dieſe demüthige Rolle anweiſe? —
Die Kunde von der Kaiſerwahl in Frankfurt war, ſcheint es, bis zum
29 März noch nicht nach London gelangt; wenigſtens finden wir in den
uns vorliegenden Zeitungen nichts davon erwähnt. Indeſſen nannte die-
ſer Tage das Chronicle, bei Beſprechung des Welcker’ſchen Antrags, die
Kaiſerkrone, welche dem König von Preußen angeboten werden ſollte,
eine Krone von vergoldetem Lebkuchen (of gilt gingerbread), und das deut-
ſche Reich ſelbſt eine Seifenblaſe (a bubble empire). Kein Heil für
Deutſchland als in der Bundesverfaſſung von 1815!
Das „Olympic Theater“ in London iſt am 29 März Nachmittags
abgebrannt.
Blätter aus der Capſtadt reichen bis zum 25 Jan. Die Colonie
war unter ihrem Statthalter Sir Henry Smith vollkommen ruhig; die
Kaffern wie die holländiſchen Boeren ſcheinen ſich in die Umſtände zu fügen.
** Wir haben ein Londoner Abendblatt vom 30 März; aber es iſt
ganz leer an Neuigkeiten. Die Unterhausſitzung vom 29 März war
ausgefüllt mit einer Verhandlung über die irländiſchen Sparbanken. Hr.
Reynolds, Mitglied für die Stadt Dublin, beantragte einen Unter-
ſuchungsausſchuß darüber, welcher mit 51 gegen 48 Stimmen bewilligt
wurde. Die iriſche Auswanderung iſt in vollem Gang.
Frankreich.
Paris, 30 März.
Das Budget des Miniſteriums des Ackerbaues wurde geſtern in ei-
ner Sitzung erledigt. Es erlitt auch einige Verkürzungen, kam aber im
ganzen leidlich weg. Der beträchtlichſte Abzug beſtand in 300,000 Fr.
von der Summe von 2,745,000 Fr. Für Verbeſſerung des landwirthſchaft-
lichen Unterrichts zur Ausführung des Decrets vom 3 Oct. Der Finanz-
ausſchuß hatte eine Reduction von 1,400,000 Fr. vorgeſchlagen, wodurch
jene ganze Reform wieder vertagt worden wäre. So hatte er auch an
den Zuſchuß von 639,000 Fr. Für die Nationalmanufacturen von Sevres,
der Gobelins und von Beauvais die Hand gelegt, um ihn um 100,000
Fr. zu ſchmälern, er hatte vorgeſchlagen, wie das J. des Débats ſpot-
tet, die Manufactur von Sevres in eine Töpferfabrik, und die Gobelins-
manufactur in eine Färberei zu verwandeln, die Verſammlung ging je-
doch auf dieſe kärgliche Art von Sparſamkeit nicht ein. Gegen Ende der
Sitzung kündigte Hr. J. Favre an daß der Ausſchuß für die auswärtige
Politik ſich verſammelt habe um über die italieniſchen Angelegenheiten zu
Rath zu gehen, und daß er im Einvernehmen mit den Miniſtern beauftragt
ſey die Ausſchußanträge der Verſammlung morgen mitzutheilen. Sie
lauten wie folgt: „Die Nationalverſammlung, eifrig bedacht die Erhaltung
der zwei größten Intereſſen zu ſichern die ihr anvertraut ſind, die Würde
Frankreichs und den Beſtand des auf die Achtung der Nationalitäten ge-
gründeten Friedens, der Sprache des Hrn. Präſidenten des Miniſterraths
in der Sitzung vom 28 März ſich beigeſellend, übrigens der Regierung des
Präſidenten der Republik vertrauend, erklärt daß wenn zu beſſerer Wahrung
der Integrität des piemonteſiſchen Gebiets und zu beſſerer Schirmung der
Intereſſen und der Ehre Frankreichs die vollziehende Gewalt glaubte die
Unterhandlungen durch die theil- und zeitweiſe Beſetzung irgendeines
Punkts von Oberitalien unterſtützen zu ſollen, ſie in der National-
verſammlung die aufrichtigſte und vollſte Mitwirkung finden werde.“ In
dieſer Faſſung hatte der Ausſchuß mit 24 gegen 14 Stimmen die Anträge
genehmigt, und heute kamen ſie zur Verhandlung. Zuerſt führte Hr.
Bixio für den Ausſchuß das Wort, und zwar in einer Art die einem
Theil nicht nur der Verſammlung ſondern des Ausſchuſſes zu ſtark war,
wenn er unter anderm ſagte: „das Intereſſe Piemonts iſt das Intereſſe
Frankreichs geworden, ſeine Niederlage iſt die Niederlage Frankreichs.“
Hr. Molé, Mitglied des Ausſchuſſes, erklärte dieſer Bericht ſey nicht
vom Ausſchuß genehmigt, ihm wenigſtens fremd. Der Miniſter der
auswärtigen Angelegenheiten, Hr. Drouyn de Lhuys, gab nun Er-
läuterungen über die Sachlage in Piemont, namentlich aus einer Depeſche
des Hrn. Bois-le-Comte vom 26 März die Nachricht daß das öſterreichiſche
Heer die Seſia nicht überſchreiten werde, aus einer zweiten vom 27 daß
ein Waffenſtillſtand abgeſchloſſen ſey bis zum Zuſtandekommen des Frie-
dens, daß Aleſſandria eine gemiſchte Beſatzung erhalten, die lombardi-
ſchen Corps aufgelöst, Toscana geräumt, das piemontefiſche Heer vermin-
dert werden ſolle. Die Ausſchußanträge, verſicherte er, nehme die Regie-
rung an. Schon habe ſie den Ausdruck ihrer Beſorgniſſe nach Wien über-
macht und zur Antwort erhalten Oeſterreich wolle von Piemont nichts
losreißen, es dehne ſeine Anſprüche nicht über die durch die Verträge
(links: von 1815! Gelächter) feſtgeſetzten Gränzen, und verlange nur die
Kriegskoſten. Hr. Billaut fand dieſe Aufſchlüſſe nicht befriedigend:
jüngſt noch, erinnerte er, habe es ſich um eine Vermittlung Frankreichs
und Englands gehandelt um die Befreiung Italiens zu ſichern, jetzt, wie
es ſcheine, bloß für Oeſterreich um die Wiedereinnahme ſeiner italieniſchen
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(2021-08-16T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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