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Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914.

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3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Ein Muster schlichter und klarer Darstellung ist ein Vortrag
des Historikers Ed. Meyer, Deutschland und der Krieg (Kriegsschrif-
ten des Kaiser-Wilhelm-Dank). Aber auch da stutzt man plötzlich.
Nach Meyer will Rußland die Herrschaft des Slawentums in Europa
aufrichten und Deutschland kämpft "für die Rettung der Zivilisation
vor der Ueberflutung durch die slawischen Horden."

Aber der Panslawismus war ja immer nur eine Maske, hinter
der sich der Panrussismus d. h. der russische Imperialismus verbarg.
Die slawischen Kulturvölker, vor allem die Polen, waren und sind
den Russen fremd, ja feind. Man erzählt, daß auch die Tschechen jetzt
die Wacht am Rhein singen: Das Gespenst des russischen Panslawis-
mus ist verschwunden. Schon ein Held und Märtyrer aus der Zeit
der Freiheitskriege hat den Zaren den Erben der persischen Groß-
könige genannt und ein moderner Schriftsteller meint, der russische
Panslawismus wolle die Rache nehmen für die Schlacht bei Mara-
thon. Das trifft ins Schwarze. Unter den Gefangenen Hindenburgs
und Auffenbergs befindet sich ein stattlicher Prozentsatz von Basch-
kiren, Kirgisen und Angehörigen mandschurischer Amurstämme.

An derselben Stelle versagt die ergreifende Ansprache "Nach
Erklärung der Mobilmachung", die Ernst Tröltsch (ein geborener
Augsburger) Anfang August in Heidelberg gehalten hat. Auch hier
hätten die Sätze, die vom Losbrechen des Slawentums reden, gerade
mit Rücksicht auf unsere Bundesgenossen zurückhaltender gestaltet
werden müssen, Sonst spricht gerade in dieser Rede eines Theologen
jene deutsche Gesinnung, die nicht von heute und gestern stammt,
sondern in der Gedankenwelt Schleiermachers, Arndts und Fichtes
ihre Wurzeln hat.

Der Franzose singt: le jour de gloire est arrive, der Eng-
länder rule Britannia. Dort Revanche und Prestige, hier das
British Empire als Ideal.

Bei der vaterländischen Feier des Leibregiments -- und wie
oft! -- würden zum Schluß die "Wacht am Rhein" und "Deutsch-
land, Deutschland über alles" gesungen. Treffender kann man den
Gegensatz der Völker nicht versinnbildlichen. Der Geist, der in
diesen Liedern weht, muß die Aufklärungsschriften inspirieren. Der
kann niemand verletzen, wenn man nicht das gefühlsbetonte "über
alles" ins politische sopra tutti umbildet, wie es in Italien ge-
schehen soll. Und dieser Geist spricht doch aus manchen Erscheinun-
gen des Tages, z. B. aus jener nationalen Kundgebung, die vor
kurzem von München aus in die Welt gegangen ist. Freilich, die
besten Aufklärungsmittel sind die Weißbücher und Kriegsdepeschen.
Die Tatsachen.

Und nun gehe jeder an die Arbeit! Was ihr tun wollt, das tut
bald! Jeder, der Bekannten im Ausland Aufklärungen zukommen
läßt, jeder, der sich den Zugang zu einer italienischen, rumänischen,
griechischen Zeitung eröffnet, jeder, der den genannten Geschäfts-
stellen geeignete Auslandadressen mitteilt, trägt sein Scherflein bei
für diesen geistigen Kriegsschatz.

Dem Feind!
Ein allgemeines Brausen geht durch das deutsche Land,
Das donnernd widerhallet bis an den Meeresstrand;
Voll Niedertracht und Tücke ist Deutschland jetzt umstellt,
Drum Zorn und Wut und Rache aus allen Kehlen gellt!
Es zieht auch jeder gerne zu Kampf und Sieg hinaus,
Wenn auch voll Schmerz und Trauer vereinsamt steht
sein haus.
Doch gilt es jetzt zu zeigen, was Deutschlands Macht
vermag --
Nacht soll den Feinden werden -- und uns ein heller Tag!
Wohl sind der Feinde viele und Mördern sind sie gleich,
Sie kennen keine Schonung, kein Elend macht sie weich,
Nur Grausamkeit und härte ist dieser Horden Art --
Doch uns'rer Söhne Arme sind furchtbar stark und hart!
Die Feinde werden zittern vor Deutschlands Macht
und Wucht,
Sie werden lernen müssen der Deutschen Art und Zucht;
Wir werden ihnen zeigen vom Gletscher bis zum Belt
Daß Deutschland niemand fürchtet als Gott in dieser Welt!
[Spaltenumbruch]
Von unseren Hochschulen

Der Vertreter der alten Geschichte an unserer Uni-
versität Geh. Hofrat Professor Dr. Robert v. Pöhlmann,
Sekretär der historischen Klasse der kgl. bayer. Akademie der Wissen-
schaften, ist nach längerem schweren Leiden gestorben. Mit ihm
ist einer der bedeutendsten Gelehrten Münchens dahingegangen.
Pöhlmann, der ein Alter von 62 Jahren erreichte, war ein ge-
borener Nürnberger. Die akademische Laufbahn begann er nach
ausgedehnten Studienreisen in Italien 1879 in Erlangen, wo er im
Jahre 1884 zum a. o. Professor und zwei Jahre später zum Ordi-
narius vorrückte. Seit 1901 lehrt er in München. Von Pöhlmann
haben wir eine Reihe vortrefflicher, kenntnisreicher und glänzend
geschriebener Werke. Wir nennen: Wirschaftspolitik der Floren-
tiner Renaissance (1878), Hellenische Anschauungen über den Zu-
sammenhang von Natur und Geschichte (1879), Die Anfänge Roms
(1880), Die Uebervölkerung der antiken Großstädte (1884), Aus
Altertum und Gegenwart (2 Bände, vollendet 1911), ferner die
Werke: Grundriß der griechischen Geschiche und Quellenkunde, Ge-
schichte der römischen Kaiserzeit und des Untergangs der antiken
Welt, Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der
antiken Welt.

Handel und Industrie
Wirtschaftliche Dokumente.

Der im gewissen Sinne gefährlichste, weil widerstandsfähige
Feind Deutschlands ist England. Seine Niederlage, gleich-
viel in welcher Form sie auch in die Erscheinung treten wird, ist
dann auch das erstrebenswerteste Ziel des großen Kampfes, den
Deutschland führt. Dieser Kampf ist indessen mehr wirtschaft-
licher
als militärischer Natur. Von einem Vergleiche der Armeen
kann überhaupt nicht gesprochen werden und was die maritimen
Kräfte betrifft, so ist unsrerseits auf europäischem Gebiete nach den
bisherigen Erfolgen eine Gleichwertigkeit als berechtigt anzusehen.
Unsere Kolonien allerdings sind im Augenblicke im Besitze des Geg-
ners, allein hierüber wird ja zu anderer Zeit und an anderem Orte
entschieden werden.

Wichtiger als all dies ist jedoch der wirtschaftliche Kampf,
denn gerade dieses Gebiet war es, auf dem England seine jahr-
zehntelang fortgesetzt erlittenen Niederlagen mit einem Gewalt-
streich
ausgleichen wollte. "Carthaginem (-- der deutsche Han-
del --) esse delendam." Das war das Auf und Nieder der politi-
schen Weisheit englischer Staatslenker. Und so berührten denn in
der Tat in unseren Tagen weder die Niederlagen englischer Truppen,
noch die der "Verbündeten", das englische Volk so sehr, als die Ver-
luste von englischen Schiffen der Marine und des Handels. Und
grotesk ist geradezu die Furcht der angeblich alle Meere beherr-
schenden englischen Marine mitsamt der französischen vor Verlusten,
die sie in einer Seeschlacht treffen könnten.

Doch auch die "Flotte" sollte nicht die Hauptkraft Englands
darstellen, das war nach dortiger Auffassung dem Pfund Sterling,
der Geldmacht vorbehalten. Darauf bezog sich das prahlerische
Wort des Maulhelden Churchill "und wenn der Krieg zwanzig Jahre
dauern sollte, wir halten ihn aus".

Neben dem politischen Untergange Deutschlands sollte es wirt-
schaftlich,
und sei es auch mit Dum-Dum-Geschossen, geradezu
umgebracht werden, seine Flagge aus den Meeren verschwinden,
und seine Bevölkerung arbeitslos, brotlos werden.

Da fielen nun an dem selben Tage, da deutsche Ge-
schosse in Festungen Rußlands, Belgiens und Frank-
reichs
verderbenbringend wirkten, wirtschaftliche Bomben
in die Londoner City -- eine Auslassung des Präsidenten der Deut-
schen Reichsbank Herrn von Havenstein und eine solche des
Direktors der Deutschen Bank, Herrn Dr. Helfferich.

Der Reichsbankpräsident gab einen Ueberblick über den wirt-
schaftlichen Verlauf der ersten beiden Kriegsmonate; er war in der
Lage auch einen Ausblick in die Zukunft zu bieten, vor dem den
Feinden Hören und Sehen vergehen wird, und der sie vielleicht mit
dazu veranlassen könnte, die Kriegsdauer von 20 Jahren doch etwas
abzukürzen. Havenstein konstatierte, daß der deutsche Geldmarkt
bisher am besten von allen Ländern abgeschnitten hat. Die seit

3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Ein Muſter ſchlichter und klarer Darſtellung iſt ein Vortrag
des Hiſtorikers Ed. Meyer, Deutſchland und der Krieg (Kriegsſchrif-
ten des Kaiſer-Wilhelm-Dank). Aber auch da ſtutzt man plötzlich.
Nach Meyer will Rußland die Herrſchaft des Slawentums in Europa
aufrichten und Deutſchland kämpft „für die Rettung der Ziviliſation
vor der Ueberflutung durch die ſlawiſchen Horden.“

Aber der Panſlawismus war ja immer nur eine Maske, hinter
der ſich der Panruſſismus d. h. der ruſſiſche Imperialismus verbarg.
Die ſlawiſchen Kulturvölker, vor allem die Polen, waren und ſind
den Ruſſen fremd, ja feind. Man erzählt, daß auch die Tſchechen jetzt
die Wacht am Rhein ſingen: Das Geſpenſt des ruſſiſchen Panſlawis-
mus iſt verſchwunden. Schon ein Held und Märtyrer aus der Zeit
der Freiheitskriege hat den Zaren den Erben der perſiſchen Groß-
könige genannt und ein moderner Schriftſteller meint, der ruſſiſche
Panſlawismus wolle die Rache nehmen für die Schlacht bei Mara-
thon. Das trifft ins Schwarze. Unter den Gefangenen Hindenburgs
und Auffenbergs befindet ſich ein ſtattlicher Prozentſatz von Baſch-
kiren, Kirgiſen und Angehörigen mandſchuriſcher Amurſtämme.

An derſelben Stelle verſagt die ergreifende Anſprache „Nach
Erklärung der Mobilmachung“, die Ernſt Tröltſch (ein geborener
Augsburger) Anfang Auguſt in Heidelberg gehalten hat. Auch hier
hätten die Sätze, die vom Losbrechen des Slawentums reden, gerade
mit Rückſicht auf unſere Bundesgenoſſen zurückhaltender geſtaltet
werden müſſen, Sonſt ſpricht gerade in dieſer Rede eines Theologen
jene deutſche Geſinnung, die nicht von heute und geſtern ſtammt,
ſondern in der Gedankenwelt Schleiermachers, Arndts und Fichtes
ihre Wurzeln hat.

Der Franzoſe ſingt: le jour de gloire est arrivé, der Eng-
länder rule Britannia. Dort Revanche und Preſtige, hier das
British Empire als Ideal.

Bei der vaterländiſchen Feier des Leibregiments — und wie
oft! — würden zum Schluß die „Wacht am Rhein“ und „Deutſch-
land, Deutſchland über alles“ geſungen. Treffender kann man den
Gegenſatz der Völker nicht verſinnbildlichen. Der Geiſt, der in
dieſen Liedern weht, muß die Aufklärungsſchriften inſpirieren. Der
kann niemand verletzen, wenn man nicht das gefühlsbetonte „über
alles“ ins politiſche sopra tutti umbildet, wie es in Italien ge-
ſchehen ſoll. Und dieſer Geiſt ſpricht doch aus manchen Erſcheinun-
gen des Tages, z. B. aus jener nationalen Kundgebung, die vor
kurzem von München aus in die Welt gegangen iſt. Freilich, die
beſten Aufklärungsmittel ſind die Weißbücher und Kriegsdepeſchen.
Die Tatſachen.

Und nun gehe jeder an die Arbeit! Was ihr tun wollt, das tut
bald! Jeder, der Bekannten im Ausland Aufklärungen zukommen
läßt, jeder, der ſich den Zugang zu einer italieniſchen, rumäniſchen,
griechiſchen Zeitung eröffnet, jeder, der den genannten Geſchäfts-
ſtellen geeignete Auslandadreſſen mitteilt, trägt ſein Scherflein bei
für dieſen geiſtigen Kriegsſchatz.

Dem Feind!
Ein allgemeines Brauſen geht durch das deutſche Land,
Das donnernd widerhallet bis an den Meeresſtrand;
Voll Niedertracht und Tücke iſt Deutſchland jetzt umſtellt,
Drum Zorn und Wut und Rache aus allen Kehlen gellt!
Es zieht auch jeder gerne zu Kampf und Sieg hinaus,
Wenn auch voll Schmerz und Trauer vereinſamt ſteht
ſein haus.
Doch gilt es jetzt zu zeigen, was Deutſchlands Macht
vermag —
Nacht ſoll den Feinden werden — und uns ein heller Tag!
Wohl ſind der Feinde viele und Mördern ſind ſie gleich,
Sie kennen keine Schonung, kein Elend macht ſie weich,
Nur Grauſamkeit und härte iſt dieſer Horden Art —
Doch unſ’rer Söhne Arme ſind furchtbar ſtark und hart!
Die Feinde werden zittern vor Deutſchlands Macht
und Wucht,
Sie werden lernen müſſen der Deutſchen Art und Zucht;
Wir werden ihnen zeigen vom Gletſcher bis zum Belt
Daß Deutſchland niemand fürchtet als Gott in dieſer Welt!
[Spaltenumbruch]
Von unſeren Hochſchulen

Der Vertreter der alten Geſchichte an unſerer Uni-
verſität Geh. Hofrat Profeſſor Dr. Robert v. Pöhlmann,
Sekretär der hiſtoriſchen Klaſſe der kgl. bayer. Akademie der Wiſſen-
ſchaften, iſt nach längerem ſchweren Leiden geſtorben. Mit ihm
iſt einer der bedeutendſten Gelehrten Münchens dahingegangen.
Pöhlmann, der ein Alter von 62 Jahren erreichte, war ein ge-
borener Nürnberger. Die akademiſche Laufbahn begann er nach
ausgedehnten Studienreiſen in Italien 1879 in Erlangen, wo er im
Jahre 1884 zum a. o. Profeſſor und zwei Jahre ſpäter zum Ordi-
narius vorrückte. Seit 1901 lehrt er in München. Von Pöhlmann
haben wir eine Reihe vortrefflicher, kenntnisreicher und glänzend
geſchriebener Werke. Wir nennen: Wirſchaftspolitik der Floren-
tiner Renaiſſance (1878), Helleniſche Anſchauungen über den Zu-
ſammenhang von Natur und Geſchichte (1879), Die Anfänge Roms
(1880), Die Uebervölkerung der antiken Großſtädte (1884), Aus
Altertum und Gegenwart (2 Bände, vollendet 1911), ferner die
Werke: Grundriß der griechiſchen Geſchiche und Quellenkunde, Ge-
ſchichte der römiſchen Kaiſerzeit und des Untergangs der antiken
Welt, Geſchichte der ſozialen Frage und des Sozialismus in der
antiken Welt.

Handel und Induſtrie
Wirtſchaftliche Dokumente.

Der im gewiſſen Sinne gefährlichſte, weil widerſtandsfähige
Feind Deutſchlands iſt England. Seine Niederlage, gleich-
viel in welcher Form ſie auch in die Erſcheinung treten wird, iſt
dann auch das erſtrebenswerteſte Ziel des großen Kampfes, den
Deutſchland führt. Dieſer Kampf iſt indeſſen mehr wirtſchaft-
licher
als militäriſcher Natur. Von einem Vergleiche der Armeen
kann überhaupt nicht geſprochen werden und was die maritimen
Kräfte betrifft, ſo iſt unſrerſeits auf europäiſchem Gebiete nach den
bisherigen Erfolgen eine Gleichwertigkeit als berechtigt anzuſehen.
Unſere Kolonien allerdings ſind im Augenblicke im Beſitze des Geg-
ners, allein hierüber wird ja zu anderer Zeit und an anderem Orte
entſchieden werden.

Wichtiger als all dies iſt jedoch der wirtſchaftliche Kampf,
denn gerade dieſes Gebiet war es, auf dem England ſeine jahr-
zehntelang fortgeſetzt erlittenen Niederlagen mit einem Gewalt-
ſtreich
ausgleichen wollte. „Carthaginem (— der deutſche Han-
del —) esse delendam.“ Das war das Auf und Nieder der politi-
ſchen Weisheit engliſcher Staatslenker. Und ſo berührten denn in
der Tat in unſeren Tagen weder die Niederlagen engliſcher Truppen,
noch die der „Verbündeten“, das engliſche Volk ſo ſehr, als die Ver-
luſte von engliſchen Schiffen der Marine und des Handels. Und
grotesk iſt geradezu die Furcht der angeblich alle Meere beherr-
ſchenden engliſchen Marine mitſamt der franzöſiſchen vor Verluſten,
die ſie in einer Seeſchlacht treffen könnten.

Doch auch die „Flotte“ ſollte nicht die Hauptkraft Englands
darſtellen, das war nach dortiger Auffaſſung dem Pfund Sterling,
der Geldmacht vorbehalten. Darauf bezog ſich das prahleriſche
Wort des Maulhelden Churchill „und wenn der Krieg zwanzig Jahre
dauern ſollte, wir halten ihn aus“.

Neben dem politiſchen Untergange Deutſchlands ſollte es wirt-
ſchaftlich,
und ſei es auch mit Dum-Dum-Geſchoſſen, geradezu
umgebracht werden, ſeine Flagge aus den Meeren verſchwinden,
und ſeine Bevölkerung arbeitslos, brotlos werden.

Da fielen nun an dem ſelben Tage, da deutſche Ge-
ſchoſſe in Feſtungen Rußlands, Belgiens und Frank-
reichs
verderbenbringend wirkten, wirtſchaftliche Bomben
in die Londoner City — eine Auslaſſung des Präſidenten der Deut-
ſchen Reichsbank Herrn von Havenſtein und eine ſolche des
Direktors der Deutſchen Bank, Herrn Dr. Helfferich.

Der Reichsbankpräſident gab einen Ueberblick über den wirt-
ſchaftlichen Verlauf der erſten beiden Kriegsmonate; er war in der
Lage auch einen Ausblick in die Zukunft zu bieten, vor dem den
Feinden Hören und Sehen vergehen wird, und der ſie vielleicht mit
dazu veranlaſſen könnte, die Kriegsdauer von 20 Jahren doch etwas
abzukürzen. Havenſtein konſtatierte, daß der deutſche Geldmarkt
bisher am beſten von allen Ländern abgeſchnitten hat. Die ſeit

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[593/0009] 3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung Ein Muſter ſchlichter und klarer Darſtellung iſt ein Vortrag des Hiſtorikers Ed. Meyer, Deutſchland und der Krieg (Kriegsſchrif- ten des Kaiſer-Wilhelm-Dank). Aber auch da ſtutzt man plötzlich. Nach Meyer will Rußland die Herrſchaft des Slawentums in Europa aufrichten und Deutſchland kämpft „für die Rettung der Ziviliſation vor der Ueberflutung durch die ſlawiſchen Horden.“ Aber der Panſlawismus war ja immer nur eine Maske, hinter der ſich der Panruſſismus d. h. der ruſſiſche Imperialismus verbarg. Die ſlawiſchen Kulturvölker, vor allem die Polen, waren und ſind den Ruſſen fremd, ja feind. Man erzählt, daß auch die Tſchechen jetzt die Wacht am Rhein ſingen: Das Geſpenſt des ruſſiſchen Panſlawis- mus iſt verſchwunden. Schon ein Held und Märtyrer aus der Zeit der Freiheitskriege hat den Zaren den Erben der perſiſchen Groß- könige genannt und ein moderner Schriftſteller meint, der ruſſiſche Panſlawismus wolle die Rache nehmen für die Schlacht bei Mara- thon. Das trifft ins Schwarze. Unter den Gefangenen Hindenburgs und Auffenbergs befindet ſich ein ſtattlicher Prozentſatz von Baſch- kiren, Kirgiſen und Angehörigen mandſchuriſcher Amurſtämme. An derſelben Stelle verſagt die ergreifende Anſprache „Nach Erklärung der Mobilmachung“, die Ernſt Tröltſch (ein geborener Augsburger) Anfang Auguſt in Heidelberg gehalten hat. Auch hier hätten die Sätze, die vom Losbrechen des Slawentums reden, gerade mit Rückſicht auf unſere Bundesgenoſſen zurückhaltender geſtaltet werden müſſen, Sonſt ſpricht gerade in dieſer Rede eines Theologen jene deutſche Geſinnung, die nicht von heute und geſtern ſtammt, ſondern in der Gedankenwelt Schleiermachers, Arndts und Fichtes ihre Wurzeln hat. Der Franzoſe ſingt: le jour de gloire est arrivé, der Eng- länder rule Britannia. Dort Revanche und Preſtige, hier das British Empire als Ideal. Bei der vaterländiſchen Feier des Leibregiments — und wie oft! — würden zum Schluß die „Wacht am Rhein“ und „Deutſch- land, Deutſchland über alles“ geſungen. Treffender kann man den Gegenſatz der Völker nicht verſinnbildlichen. Der Geiſt, der in dieſen Liedern weht, muß die Aufklärungsſchriften inſpirieren. Der kann niemand verletzen, wenn man nicht das gefühlsbetonte „über alles“ ins politiſche sopra tutti umbildet, wie es in Italien ge- ſchehen ſoll. Und dieſer Geiſt ſpricht doch aus manchen Erſcheinun- gen des Tages, z. B. aus jener nationalen Kundgebung, die vor kurzem von München aus in die Welt gegangen iſt. Freilich, die beſten Aufklärungsmittel ſind die Weißbücher und Kriegsdepeſchen. Die Tatſachen. Und nun gehe jeder an die Arbeit! Was ihr tun wollt, das tut bald! Jeder, der Bekannten im Ausland Aufklärungen zukommen läßt, jeder, der ſich den Zugang zu einer italieniſchen, rumäniſchen, griechiſchen Zeitung eröffnet, jeder, der den genannten Geſchäfts- ſtellen geeignete Auslandadreſſen mitteilt, trägt ſein Scherflein bei für dieſen geiſtigen Kriegsſchatz. O. Cruſius. Dem Feind! Ein allgemeines Brauſen geht durch das deutſche Land, Das donnernd widerhallet bis an den Meeresſtrand; Voll Niedertracht und Tücke iſt Deutſchland jetzt umſtellt, Drum Zorn und Wut und Rache aus allen Kehlen gellt! Es zieht auch jeder gerne zu Kampf und Sieg hinaus, Wenn auch voll Schmerz und Trauer vereinſamt ſteht ſein haus. Doch gilt es jetzt zu zeigen, was Deutſchlands Macht vermag — Nacht ſoll den Feinden werden — und uns ein heller Tag! Wohl ſind der Feinde viele und Mördern ſind ſie gleich, Sie kennen keine Schonung, kein Elend macht ſie weich, Nur Grauſamkeit und härte iſt dieſer Horden Art — Doch unſ’rer Söhne Arme ſind furchtbar ſtark und hart! Die Feinde werden zittern vor Deutſchlands Macht und Wucht, Sie werden lernen müſſen der Deutſchen Art und Zucht; Wir werden ihnen zeigen vom Gletſcher bis zum Belt Daß Deutſchland niemand fürchtet als Gott in dieſer Welt! Joſeph Rieß, München. Von unſeren Hochſchulen München. Der Vertreter der alten Geſchichte an unſerer Uni- verſität Geh. Hofrat Profeſſor Dr. Robert v. Pöhlmann, Sekretär der hiſtoriſchen Klaſſe der kgl. bayer. Akademie der Wiſſen- ſchaften, iſt nach längerem ſchweren Leiden geſtorben. Mit ihm iſt einer der bedeutendſten Gelehrten Münchens dahingegangen. Pöhlmann, der ein Alter von 62 Jahren erreichte, war ein ge- borener Nürnberger. Die akademiſche Laufbahn begann er nach ausgedehnten Studienreiſen in Italien 1879 in Erlangen, wo er im Jahre 1884 zum a. o. Profeſſor und zwei Jahre ſpäter zum Ordi- narius vorrückte. Seit 1901 lehrt er in München. Von Pöhlmann haben wir eine Reihe vortrefflicher, kenntnisreicher und glänzend geſchriebener Werke. Wir nennen: Wirſchaftspolitik der Floren- tiner Renaiſſance (1878), Helleniſche Anſchauungen über den Zu- ſammenhang von Natur und Geſchichte (1879), Die Anfänge Roms (1880), Die Uebervölkerung der antiken Großſtädte (1884), Aus Altertum und Gegenwart (2 Bände, vollendet 1911), ferner die Werke: Grundriß der griechiſchen Geſchiche und Quellenkunde, Ge- ſchichte der römiſchen Kaiſerzeit und des Untergangs der antiken Welt, Geſchichte der ſozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt. Handel und Induſtrie Wirtſchaftliche Dokumente. Von Wilhelm Prager. Der im gewiſſen Sinne gefährlichſte, weil widerſtandsfähige Feind Deutſchlands iſt England. Seine Niederlage, gleich- viel in welcher Form ſie auch in die Erſcheinung treten wird, iſt dann auch das erſtrebenswerteſte Ziel des großen Kampfes, den Deutſchland führt. Dieſer Kampf iſt indeſſen mehr wirtſchaft- licher als militäriſcher Natur. Von einem Vergleiche der Armeen kann überhaupt nicht geſprochen werden und was die maritimen Kräfte betrifft, ſo iſt unſrerſeits auf europäiſchem Gebiete nach den bisherigen Erfolgen eine Gleichwertigkeit als berechtigt anzuſehen. Unſere Kolonien allerdings ſind im Augenblicke im Beſitze des Geg- ners, allein hierüber wird ja zu anderer Zeit und an anderem Orte entſchieden werden. Wichtiger als all dies iſt jedoch der wirtſchaftliche Kampf, denn gerade dieſes Gebiet war es, auf dem England ſeine jahr- zehntelang fortgeſetzt erlittenen Niederlagen mit einem Gewalt- ſtreich ausgleichen wollte. „Carthaginem (— der deutſche Han- del —) esse delendam.“ Das war das Auf und Nieder der politi- ſchen Weisheit engliſcher Staatslenker. Und ſo berührten denn in der Tat in unſeren Tagen weder die Niederlagen engliſcher Truppen, noch die der „Verbündeten“, das engliſche Volk ſo ſehr, als die Ver- luſte von engliſchen Schiffen der Marine und des Handels. Und grotesk iſt geradezu die Furcht der angeblich alle Meere beherr- ſchenden engliſchen Marine mitſamt der franzöſiſchen vor Verluſten, die ſie in einer Seeſchlacht treffen könnten. Doch auch die „Flotte“ ſollte nicht die Hauptkraft Englands darſtellen, das war nach dortiger Auffaſſung dem Pfund Sterling, der Geldmacht vorbehalten. Darauf bezog ſich das prahleriſche Wort des Maulhelden Churchill „und wenn der Krieg zwanzig Jahre dauern ſollte, wir halten ihn aus“. Neben dem politiſchen Untergange Deutſchlands ſollte es wirt- ſchaftlich, und ſei es auch mit Dum-Dum-Geſchoſſen, geradezu umgebracht werden, ſeine Flagge aus den Meeren verſchwinden, und ſeine Bevölkerung arbeitslos, brotlos werden. Da fielen nun an dem ſelben Tage, da deutſche Ge- ſchoſſe in Feſtungen Rußlands, Belgiens und Frank- reichs verderbenbringend wirkten, wirtſchaftliche Bomben in die Londoner City — eine Auslaſſung des Präſidenten der Deut- ſchen Reichsbank Herrn von Havenſtein und eine ſolche des Direktors der Deutſchen Bank, Herrn Dr. Helfferich. Der Reichsbankpräſident gab einen Ueberblick über den wirt- ſchaftlichen Verlauf der erſten beiden Kriegsmonate; er war in der Lage auch einen Ausblick in die Zukunft zu bieten, vor dem den Feinden Hören und Sehen vergehen wird, und der ſie vielleicht mit dazu veranlaſſen könnte, die Kriegsdauer von 20 Jahren doch etwas abzukürzen. Havenſtein konſtatierte, daß der deutſche Geldmarkt bisher am beſten von allen Ländern abgeſchnitten hat. Die ſeit

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine40_1914/9>, abgerufen am 21.11.2024.