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Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914.

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12. September 1914. Allgemeine Zeitung

"Es ist zu meiner Kenntnis gelangt, daß eine Zeitung das
strenge Vorgehen unserer militärischen Befehlshaber gegen das
nichtswürdige Franktireurwesen in Belgien als Ausfluß eines bloßen
Rache- und Vergeltungsgelüstes bezeichnet und geschmäht hat. Der
Artikel, gegen den ich pflichtgemäß unverzüglich eingeschritten bin,
gibt mir Veranlassung, mit einem aufklärenden Wort mich an die
Bevölkerung im Vereich des VII. Armeekorps zu wenden.

Die hinterlistigen und heimtückischen Ueberfälle, die von seiten
einer feindlichen Bevölkerung auf den verschiedenen Kriegsschau-
plätzen vielfach auf unsere braven Truppen verübt worden sind und
stellenweise noch immer verübt werden, machen es unsern Befehls-
habern zur absoluten Pflicht, mit unnachsichtlicher eiserner Strenge
gegen solche ungehenerlichen Schandtaten vorzugehen. Hier Schwäche
zu zeigen, wäre Verrat an unserem Heere. Ruhigen Einwohnern
eines feindlichen Landes wird kein Haar gekrümmt, dafür bürgt schon
die in aller Welt bekam te Mannszucht unserer Truppen. Sie
kämpfen in ehrlichen Kämpfen als Soldat gegen Soldat. Werden
aber die wackern Söhne unseres Volkes, die für das Vaterland in
Not und Tod ziehen, werden Verwundete, Aerzte, Krankenpfleger
durch feige Ueberfälle von einer verblendeten, rasenden Be-
völkerung elend hingemordet, wird die Sicherheit der Heere von
rückwärts durch Bandenwesen gefährdet, so ist es Gebot der Selbst-
erhaltung und eine heilige Pflicht der militärischen Befehlshaber,
sofort mit den äußersten Maßregeln dagegen vorzugehen. Da müs-
sen Unschuldige mit den Schuldigen leiden.

Unsere Heeresleitung hat in wiederholten Kundgebungen keinen
Zweifel darüber gelassen, daß Menschenleben bei der Unterdrückung
der Schändlichkeit nicht geschont werden können. Daß einzelne
Häuser, ja blühende Dörfer und selbst ganze Städte dabei vernichtet
werden, ist gewiß beklagenswert, darf aber zu unangebrachten Ge-
mütserregungen nicht verleiten. Sie dürfen uns nicht so viel wert
sein wie das Leben eines einzigen Soldaten. Das ist
selbstverständlich und braucht eigentlich nicht gesagt zu werden. Hier
Mitleid zu zeigen wäre sündhafte Schwäche. Das Blut der Unschul-
digen kommt über die Häupter der Urheber jener schmachvollen
Ueberfälle. Von Rache und Vergeltungsgelüst, die der eingangs er-
wähnte, mir ganz unverständliche Zeitungsartikel unserer Heeres-
leitung zuschreibt, ist dabei keine Rede. Unsere Befehlshaber tun,
um das nochn als zu betonen, einfach ihre Pflicht, und diese Pflicht
werden sie tun bis zum glorreichen Ende des Krieges. Rücksichts-
losester Schutz unsern von Mord umlauerten Soldaten um jeden
Preis! Wer da von Barbarei spricht, frevelt. Eiserne Pflichterfül-
lung ist ein Ausfluß hoher Kultur, und darin kann die Bevölkerung
in den feindlichen Ländern von unserm Heer nur lernen.

Protest des deutschen Kaisers.

Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" veröffentlicht nachfol-
gendes Telegramm, das Seine Majestät der Kaiser an den Präsi-
denten Wilson
gerichtet hat:

Ich betrachte es als Meine Pflicht, Herr Präsident, Sie als den
hervorragendsten Vertreter der Grundsätze der Menschlichkeit zu be-
nachrichtigen, daß nach der Einnahme der französischen Festung
Longwy Meine Truppen dort Tausende von Dum-Dum-Geschossen
entdeckt haben, die durch eine besondere Regierungswerkstätte herge-
stellt waren. Ebensolche Geschosse wurden bei getöteten und ver-
wundeten Soldaten und Gefangenen auch britischer Truppen ge-
funden. Sie wissen, welche schrecklichen Wunden und Leiden diese
Kugeln verursachen, und daß ihre Anwendung durch die anerkann-
ten Grundsätze des internationalen Rechts streng verboten ist. Ich
richte daher an Sie einen feierlichen Protest gegen diese Art der
Kriegführung, welche dank dem Morden unserer Gegner eine der
barbarischsten geworden ist, die man in der Geschichte kennt. Nicht
nur haben sie diese grausamen Waffen angewendet, sondern die bel-
gische Regierung hat zur Teilnahme die belgische Zivilbevölkerung
an dem Kampfe offen ermutigt und seit langem sorgfältig vorberei-
tet, selbst die von Frauen und Geistlichen in diesem Guerillakrieg be-
gangenen Grausamkeiten, auch an verwundeten Soldaten, Aerzte-
personal und Pflegerinnen. Aerzte wurden getötet, Lazarette durch
Gewehrfeuer angegriffen, derert, daß Meine Generale endlich ge-
zwungen waren, die schärfsten Mittel zu ergreifen, um die Schuldi-
gen zu bestrafen und die blutdürstige Bevölterung von der Fort-
setzung ihrer schimpflichen Mord- und Schandtaten abzuschrecken.
Einige Dörfer und selbst die alte Stadt Löwen mit Ausnahme des
schönen Rathauses, mußten im Interesse der Selbstverteidigung und
[Spaltenumbruch] zum Schutze Meiner Truppen zerstört werden. Mein Herz blutet,
wenn ich sehe, daß solche Maßregeln unvermeidlich geworden sind
und wenn ich an die zahllosen unschuldigen Leute denke, die ihr Heim
und Eigentum verloren haben infolge des barbarischen Betragens
jener Verbrecher.
Wilhelm I. R.



Dieser Verlautbarung schließen wir als wirksamsten Gegensatz
eine vom stellvertretenden Münchener Generalkom-
mando
ausgegebene Warnung an, das sich auf unwürdiges
Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen
bezieht:

In den letzten Tagen haben sich mehrere hundert Personen an
die Kriegsgefangenen in Oberschleißheim in der zudringlichsten Weise
herangedrängt und sie mit "Liebesgaben", insbesondere Tabak, Geld,
Blumen (!) usw. überhäuft.

Außerdem erschienen Berufs- und Amateurphotographen in
solcher Anzahl, daß es fast den Anschein erweckte, als ob es zu den
wichtigsten Aufgaben eines deutschen Photographen gehörte, franzö-
sische Kriegsgefangene im Bilde festzuhalten.

Es ist ebenso bedauerlich wie unbegreiflich, daß alle bisher er-
gangenen ernsten Mahnungen es nicht vermocht haben, solchem an
Hysterie grenzenden, unwürdigen Verhalten ein Ende zu bereiten.

Das stellvertretende Generalkommando des I. bayerischen
Armeekorps sieht sich unter diesen Umständen genötigt, das Photo-
graphieren von Kriegsgefangenen in Oberschleißheim zu verbieten.

Außerdem ist Vorsorge getroffen, daß die Namen jener Perso-
nen, die bar jeden vaterländischen Empfindens und bar jeden Takt-
gefühles die Gefangenen mit Liebesgaben versorgen, sofort festge-
stellt und an hervorragender Stelle in den Tagesblättern veröffent-
licht werden.

(Dies ist nun auch geschehen: Das Generalkommando gibt heute
den Namen des Großkaufmanns Marix in München bekannt,
gegen den wegen unwürdigen Betragens Strafeinschreitung erfolgt
ist. Es ist nur zu begrüßen, daß mit der Drohung auch Ernst ge-
macht wird.)


Nicht direkt mit dem Krieg im Zusammenhange, aber doch auch
jedenfalls von ihm beeinflußt, ist die neueste Wendung in
Albanien:
Aus Durazzo wird dem Wolffschen Bureau tele-
graphiert:

Die Kontrollkommission begab sich gestern zu den Auf-
ständischen und teilte ihnen mit, daß der Fürst abgereist sei.
Die Regierung Albaniens wird in nächster Zeit von der Kontroll-
kommission übernommen. Der Fürst hat vor seiner Abreise eine
Amnestie für alle politischen Gefangenen angeordnet. Auf den
Regierungspalast weht die rotschwarze Fahne, während auf der
Kaserne der Gendarmen, in der sich das Kommando der Aufständi-
schen befindet, die türkische Fahne weht. Der Führer der Aufständi-
schen gab den Konsulaten Zusicherungen betreffend die öffentliche
Ordnung. Die europäische Kolonie verhält sich ruhig.

Inzwischen sind aber bereits die Rebellen in Durazzo einmar-
schiert und Herren der Lage. Nur ein großer Optimist wird an die
Rückkehr des Fürsten glauben können.

Ueber Dum-Dum-Geschosse

verbreitet sich Generalmajor Keim im "Tag" in nachstehendem
kleinen Artikel, dessen Schlußworte wir zur Beachtung besonders
empfehlen:

In der Nacht vom 20./21. Juli 1870 erschien bei dem badischen
Gesandten in Paris ein hoher Beamter des französischen Auswär-
tigen Amtes und erklärte folgendes: Nach Meldungen von der
Grenze sind an die badischen Truppen Explosivgeschosse ausgegeben
worden, "deren Gebrauch -- abgesehen von der sie verbietenden
Petersburger Vereinbarung -- unter allen Umständen die Mensch-
lichkeit und das verdammende Urteil sämtlicher gesitteter Völker ver-
böte".

Natürlich war es vollkommen aus der Luft gegriffen, daß
an badische Truppen Explosivgeschosse ausgegeben worden seien, was
den badischen Gesandten veranlaßte, sofort Einspruch gegen diese
leere Beschuldigung zu erheben. Der Franzose erklärte weiterhin,

[irrelevantes Material]

12. September 1914. Allgemeine Zeitung

„Es iſt zu meiner Kenntnis gelangt, daß eine Zeitung das
ſtrenge Vorgehen unſerer militäriſchen Befehlshaber gegen das
nichtswürdige Franktireurweſen in Belgien als Ausfluß eines bloßen
Rache- und Vergeltungsgelüſtes bezeichnet und geſchmäht hat. Der
Artikel, gegen den ich pflichtgemäß unverzüglich eingeſchritten bin,
gibt mir Veranlaſſung, mit einem aufklärenden Wort mich an die
Bevölkerung im Vereich des VII. Armeekorps zu wenden.

Die hinterliſtigen und heimtückiſchen Ueberfälle, die von ſeiten
einer feindlichen Bevölkerung auf den verſchiedenen Kriegsſchau-
plätzen vielfach auf unſere braven Truppen verübt worden ſind und
ſtellenweiſe noch immer verübt werden, machen es unſern Befehls-
habern zur abſoluten Pflicht, mit unnachſichtlicher eiſerner Strenge
gegen ſolche ungehenerlichen Schandtaten vorzugehen. Hier Schwäche
zu zeigen, wäre Verrat an unſerem Heere. Ruhigen Einwohnern
eines feindlichen Landes wird kein Haar gekrümmt, dafür bürgt ſchon
die in aller Welt bekam te Mannszucht unſerer Truppen. Sie
kämpfen in ehrlichen Kämpfen als Soldat gegen Soldat. Werden
aber die wackern Söhne unſeres Volkes, die für das Vaterland in
Not und Tod ziehen, werden Verwundete, Aerzte, Krankenpfleger
durch feige Ueberfälle von einer verblendeten, raſenden Be-
völkerung elend hingemordet, wird die Sicherheit der Heere von
rückwärts durch Bandenweſen gefährdet, ſo iſt es Gebot der Selbſt-
erhaltung und eine heilige Pflicht der militäriſchen Befehlshaber,
ſofort mit den äußerſten Maßregeln dagegen vorzugehen. Da müſ-
ſen Unſchuldige mit den Schuldigen leiden.

Unſere Heeresleitung hat in wiederholten Kundgebungen keinen
Zweifel darüber gelaſſen, daß Menſchenleben bei der Unterdrückung
der Schändlichkeit nicht geſchont werden können. Daß einzelne
Häuſer, ja blühende Dörfer und ſelbſt ganze Städte dabei vernichtet
werden, iſt gewiß beklagenswert, darf aber zu unangebrachten Ge-
mütserregungen nicht verleiten. Sie dürfen uns nicht ſo viel wert
ſein wie das Leben eines einzigen Soldaten. Das iſt
ſelbſtverſtändlich und braucht eigentlich nicht geſagt zu werden. Hier
Mitleid zu zeigen wäre ſündhafte Schwäche. Das Blut der Unſchul-
digen kommt über die Häupter der Urheber jener ſchmachvollen
Ueberfälle. Von Rache und Vergeltungsgelüſt, die der eingangs er-
wähnte, mir ganz unverſtändliche Zeitungsartikel unſerer Heeres-
leitung zuſchreibt, iſt dabei keine Rede. Unſere Befehlshaber tun,
um das nochn als zu betonen, einfach ihre Pflicht, und dieſe Pflicht
werden ſie tun bis zum glorreichen Ende des Krieges. Rückſichts-
loſeſter Schutz unſern von Mord umlauerten Soldaten um jeden
Preis! Wer da von Barbarei ſpricht, frevelt. Eiſerne Pflichterfül-
lung iſt ein Ausfluß hoher Kultur, und darin kann die Bevölkerung
in den feindlichen Ländern von unſerm Heer nur lernen.

Proteſt des deutſchen Kaiſers.

Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht nachfol-
gendes Telegramm, das Seine Majeſtät der Kaiſer an den Präſi-
denten Wilſon
gerichtet hat:

Ich betrachte es als Meine Pflicht, Herr Präſident, Sie als den
hervorragendſten Vertreter der Grundſätze der Menſchlichkeit zu be-
nachrichtigen, daß nach der Einnahme der franzöſiſchen Feſtung
Longwy Meine Truppen dort Tauſende von Dum-Dum-Geſchoſſen
entdeckt haben, die durch eine beſondere Regierungswerkſtätte herge-
ſtellt waren. Ebenſolche Geſchoſſe wurden bei getöteten und ver-
wundeten Soldaten und Gefangenen auch britiſcher Truppen ge-
funden. Sie wiſſen, welche ſchrecklichen Wunden und Leiden dieſe
Kugeln verurſachen, und daß ihre Anwendung durch die anerkann-
ten Grundſätze des internationalen Rechts ſtreng verboten iſt. Ich
richte daher an Sie einen feierlichen Proteſt gegen dieſe Art der
Kriegführung, welche dank dem Morden unſerer Gegner eine der
barbariſchſten geworden iſt, die man in der Geſchichte kennt. Nicht
nur haben ſie dieſe grauſamen Waffen angewendet, ſondern die bel-
giſche Regierung hat zur Teilnahme die belgiſche Zivilbevölkerung
an dem Kampfe offen ermutigt und ſeit langem ſorgfältig vorberei-
tet, ſelbſt die von Frauen und Geiſtlichen in dieſem Guerillakrieg be-
gangenen Grauſamkeiten, auch an verwundeten Soldaten, Aerzte-
perſonal und Pflegerinnen. Aerzte wurden getötet, Lazarette durch
Gewehrfeuer angegriffen, derert, daß Meine Generale endlich ge-
zwungen waren, die ſchärfſten Mittel zu ergreifen, um die Schuldi-
gen zu beſtrafen und die blutdürſtige Bevölterung von der Fort-
ſetzung ihrer ſchimpflichen Mord- und Schandtaten abzuſchrecken.
Einige Dörfer und ſelbſt die alte Stadt Löwen mit Ausnahme des
ſchönen Rathauſes, mußten im Intereſſe der Selbſtverteidigung und
[Spaltenumbruch] zum Schutze Meiner Truppen zerſtört werden. Mein Herz blutet,
wenn ich ſehe, daß ſolche Maßregeln unvermeidlich geworden ſind
und wenn ich an die zahlloſen unſchuldigen Leute denke, die ihr Heim
und Eigentum verloren haben infolge des barbariſchen Betragens
jener Verbrecher.
Wilhelm I. R.



Dieſer Verlautbarung ſchließen wir als wirkſamſten Gegenſatz
eine vom ſtellvertretenden Münchener Generalkom-
mando
ausgegebene Warnung an, das ſich auf unwürdiges
Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen
bezieht:

In den letzten Tagen haben ſich mehrere hundert Perſonen an
die Kriegsgefangenen in Oberſchleißheim in der zudringlichſten Weiſe
herangedrängt und ſie mit „Liebesgaben“, insbeſondere Tabak, Geld,
Blumen (!) uſw. überhäuft.

Außerdem erſchienen Berufs- und Amateurphotographen in
ſolcher Anzahl, daß es faſt den Anſchein erweckte, als ob es zu den
wichtigſten Aufgaben eines deutſchen Photographen gehörte, franzö-
ſiſche Kriegsgefangene im Bilde feſtzuhalten.

Es iſt ebenſo bedauerlich wie unbegreiflich, daß alle bisher er-
gangenen ernſten Mahnungen es nicht vermocht haben, ſolchem an
Hyſterie grenzenden, unwürdigen Verhalten ein Ende zu bereiten.

Das ſtellvertretende Generalkommando des I. bayeriſchen
Armeekorps ſieht ſich unter dieſen Umſtänden genötigt, das Photo-
graphieren von Kriegsgefangenen in Oberſchleißheim zu verbieten.

Außerdem iſt Vorſorge getroffen, daß die Namen jener Perſo-
nen, die bar jeden vaterländiſchen Empfindens und bar jeden Takt-
gefühles die Gefangenen mit Liebesgaben verſorgen, ſofort feſtge-
ſtellt und an hervorragender Stelle in den Tagesblättern veröffent-
licht werden.

(Dies iſt nun auch geſchehen: Das Generalkommando gibt heute
den Namen des Großkaufmanns Marix in München bekannt,
gegen den wegen unwürdigen Betragens Strafeinſchreitung erfolgt
iſt. Es iſt nur zu begrüßen, daß mit der Drohung auch Ernſt ge-
macht wird.)


Nicht direkt mit dem Krieg im Zuſammenhange, aber doch auch
jedenfalls von ihm beeinflußt, iſt die neueſte Wendung in
Albanien:
Aus Durazzo wird dem Wolffſchen Bureau tele-
graphiert:

Die Kontrollkommiſſion begab ſich geſtern zu den Auf-
ſtändiſchen und teilte ihnen mit, daß der Fürſt abgereiſt ſei.
Die Regierung Albaniens wird in nächſter Zeit von der Kontroll-
kommiſſion übernommen. Der Fürſt hat vor ſeiner Abreiſe eine
Amneſtie für alle politiſchen Gefangenen angeordnet. Auf den
Regierungspalaſt weht die rotſchwarze Fahne, während auf der
Kaſerne der Gendarmen, in der ſich das Kommando der Aufſtändi-
ſchen befindet, die türkiſche Fahne weht. Der Führer der Aufſtändi-
ſchen gab den Konſulaten Zuſicherungen betreffend die öffentliche
Ordnung. Die europäiſche Kolonie verhält ſich ruhig.

Inzwiſchen ſind aber bereits die Rebellen in Durazzo einmar-
ſchiert und Herren der Lage. Nur ein großer Optimiſt wird an die
Rückkehr des Fürſten glauben können.

Ueber Dum-Dum-Geſchoſſe

verbreitet ſich Generalmajor Keim im „Tag“ in nachſtehendem
kleinen Artikel, deſſen Schlußworte wir zur Beachtung beſonders
empfehlen:

In der Nacht vom 20./21. Juli 1870 erſchien bei dem badiſchen
Geſandten in Paris ein hoher Beamter des franzöſiſchen Auswär-
tigen Amtes und erklärte folgendes: Nach Meldungen von der
Grenze ſind an die badiſchen Truppen Exploſivgeſchoſſe ausgegeben
worden, „deren Gebrauch — abgeſehen von der ſie verbietenden
Petersburger Vereinbarung — unter allen Umſtänden die Menſch-
lichkeit und das verdammende Urteil ſämtlicher geſitteter Völker ver-
böte“.

Natürlich war es vollkommen aus der Luft gegriffen, daß
an badiſche Truppen Exploſivgeſchoſſe ausgegeben worden ſeien, was
den badiſchen Geſandten veranlaßte, ſofort Einſpruch gegen dieſe
leere Beſchuldigung zu erheben. Der Franzoſe erklärte weiterhin,

[irrelevantes Material]

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[557/0007] 12. September 1914. Allgemeine Zeitung „Es iſt zu meiner Kenntnis gelangt, daß eine Zeitung das ſtrenge Vorgehen unſerer militäriſchen Befehlshaber gegen das nichtswürdige Franktireurweſen in Belgien als Ausfluß eines bloßen Rache- und Vergeltungsgelüſtes bezeichnet und geſchmäht hat. Der Artikel, gegen den ich pflichtgemäß unverzüglich eingeſchritten bin, gibt mir Veranlaſſung, mit einem aufklärenden Wort mich an die Bevölkerung im Vereich des VII. Armeekorps zu wenden. Die hinterliſtigen und heimtückiſchen Ueberfälle, die von ſeiten einer feindlichen Bevölkerung auf den verſchiedenen Kriegsſchau- plätzen vielfach auf unſere braven Truppen verübt worden ſind und ſtellenweiſe noch immer verübt werden, machen es unſern Befehls- habern zur abſoluten Pflicht, mit unnachſichtlicher eiſerner Strenge gegen ſolche ungehenerlichen Schandtaten vorzugehen. Hier Schwäche zu zeigen, wäre Verrat an unſerem Heere. Ruhigen Einwohnern eines feindlichen Landes wird kein Haar gekrümmt, dafür bürgt ſchon die in aller Welt bekam te Mannszucht unſerer Truppen. Sie kämpfen in ehrlichen Kämpfen als Soldat gegen Soldat. Werden aber die wackern Söhne unſeres Volkes, die für das Vaterland in Not und Tod ziehen, werden Verwundete, Aerzte, Krankenpfleger durch feige Ueberfälle von einer verblendeten, raſenden Be- völkerung elend hingemordet, wird die Sicherheit der Heere von rückwärts durch Bandenweſen gefährdet, ſo iſt es Gebot der Selbſt- erhaltung und eine heilige Pflicht der militäriſchen Befehlshaber, ſofort mit den äußerſten Maßregeln dagegen vorzugehen. Da müſ- ſen Unſchuldige mit den Schuldigen leiden. Unſere Heeresleitung hat in wiederholten Kundgebungen keinen Zweifel darüber gelaſſen, daß Menſchenleben bei der Unterdrückung der Schändlichkeit nicht geſchont werden können. Daß einzelne Häuſer, ja blühende Dörfer und ſelbſt ganze Städte dabei vernichtet werden, iſt gewiß beklagenswert, darf aber zu unangebrachten Ge- mütserregungen nicht verleiten. Sie dürfen uns nicht ſo viel wert ſein wie das Leben eines einzigen Soldaten. Das iſt ſelbſtverſtändlich und braucht eigentlich nicht geſagt zu werden. Hier Mitleid zu zeigen wäre ſündhafte Schwäche. Das Blut der Unſchul- digen kommt über die Häupter der Urheber jener ſchmachvollen Ueberfälle. Von Rache und Vergeltungsgelüſt, die der eingangs er- wähnte, mir ganz unverſtändliche Zeitungsartikel unſerer Heeres- leitung zuſchreibt, iſt dabei keine Rede. Unſere Befehlshaber tun, um das nochn als zu betonen, einfach ihre Pflicht, und dieſe Pflicht werden ſie tun bis zum glorreichen Ende des Krieges. Rückſichts- loſeſter Schutz unſern von Mord umlauerten Soldaten um jeden Preis! Wer da von Barbarei ſpricht, frevelt. Eiſerne Pflichterfül- lung iſt ein Ausfluß hoher Kultur, und darin kann die Bevölkerung in den feindlichen Ländern von unſerm Heer nur lernen. Der kommandierende General Frhr. v. Biſſing.“ Proteſt des deutſchen Kaiſers. Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht nachfol- gendes Telegramm, das Seine Majeſtät der Kaiſer an den Präſi- denten Wilſon gerichtet hat: Ich betrachte es als Meine Pflicht, Herr Präſident, Sie als den hervorragendſten Vertreter der Grundſätze der Menſchlichkeit zu be- nachrichtigen, daß nach der Einnahme der franzöſiſchen Feſtung Longwy Meine Truppen dort Tauſende von Dum-Dum-Geſchoſſen entdeckt haben, die durch eine beſondere Regierungswerkſtätte herge- ſtellt waren. Ebenſolche Geſchoſſe wurden bei getöteten und ver- wundeten Soldaten und Gefangenen auch britiſcher Truppen ge- funden. Sie wiſſen, welche ſchrecklichen Wunden und Leiden dieſe Kugeln verurſachen, und daß ihre Anwendung durch die anerkann- ten Grundſätze des internationalen Rechts ſtreng verboten iſt. Ich richte daher an Sie einen feierlichen Proteſt gegen dieſe Art der Kriegführung, welche dank dem Morden unſerer Gegner eine der barbariſchſten geworden iſt, die man in der Geſchichte kennt. Nicht nur haben ſie dieſe grauſamen Waffen angewendet, ſondern die bel- giſche Regierung hat zur Teilnahme die belgiſche Zivilbevölkerung an dem Kampfe offen ermutigt und ſeit langem ſorgfältig vorberei- tet, ſelbſt die von Frauen und Geiſtlichen in dieſem Guerillakrieg be- gangenen Grauſamkeiten, auch an verwundeten Soldaten, Aerzte- perſonal und Pflegerinnen. Aerzte wurden getötet, Lazarette durch Gewehrfeuer angegriffen, derert, daß Meine Generale endlich ge- zwungen waren, die ſchärfſten Mittel zu ergreifen, um die Schuldi- gen zu beſtrafen und die blutdürſtige Bevölterung von der Fort- ſetzung ihrer ſchimpflichen Mord- und Schandtaten abzuſchrecken. Einige Dörfer und ſelbſt die alte Stadt Löwen mit Ausnahme des ſchönen Rathauſes, mußten im Intereſſe der Selbſtverteidigung und zum Schutze Meiner Truppen zerſtört werden. Mein Herz blutet, wenn ich ſehe, daß ſolche Maßregeln unvermeidlich geworden ſind und wenn ich an die zahlloſen unſchuldigen Leute denke, die ihr Heim und Eigentum verloren haben infolge des barbariſchen Betragens jener Verbrecher. Wilhelm I. R. Dieſer Verlautbarung ſchließen wir als wirkſamſten Gegenſatz eine vom ſtellvertretenden Münchener Generalkom- mando ausgegebene Warnung an, das ſich auf unwürdiges Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen bezieht: In den letzten Tagen haben ſich mehrere hundert Perſonen an die Kriegsgefangenen in Oberſchleißheim in der zudringlichſten Weiſe herangedrängt und ſie mit „Liebesgaben“, insbeſondere Tabak, Geld, Blumen (!) uſw. überhäuft. Außerdem erſchienen Berufs- und Amateurphotographen in ſolcher Anzahl, daß es faſt den Anſchein erweckte, als ob es zu den wichtigſten Aufgaben eines deutſchen Photographen gehörte, franzö- ſiſche Kriegsgefangene im Bilde feſtzuhalten. Es iſt ebenſo bedauerlich wie unbegreiflich, daß alle bisher er- gangenen ernſten Mahnungen es nicht vermocht haben, ſolchem an Hyſterie grenzenden, unwürdigen Verhalten ein Ende zu bereiten. Das ſtellvertretende Generalkommando des I. bayeriſchen Armeekorps ſieht ſich unter dieſen Umſtänden genötigt, das Photo- graphieren von Kriegsgefangenen in Oberſchleißheim zu verbieten. Außerdem iſt Vorſorge getroffen, daß die Namen jener Perſo- nen, die bar jeden vaterländiſchen Empfindens und bar jeden Takt- gefühles die Gefangenen mit Liebesgaben verſorgen, ſofort feſtge- ſtellt und an hervorragender Stelle in den Tagesblättern veröffent- licht werden. (Dies iſt nun auch geſchehen: Das Generalkommando gibt heute den Namen des Großkaufmanns Marix in München bekannt, gegen den wegen unwürdigen Betragens Strafeinſchreitung erfolgt iſt. Es iſt nur zu begrüßen, daß mit der Drohung auch Ernſt ge- macht wird.) Nicht direkt mit dem Krieg im Zuſammenhange, aber doch auch jedenfalls von ihm beeinflußt, iſt die neueſte Wendung in Albanien: Aus Durazzo wird dem Wolffſchen Bureau tele- graphiert: Die Kontrollkommiſſion begab ſich geſtern zu den Auf- ſtändiſchen und teilte ihnen mit, daß der Fürſt abgereiſt ſei. Die Regierung Albaniens wird in nächſter Zeit von der Kontroll- kommiſſion übernommen. Der Fürſt hat vor ſeiner Abreiſe eine Amneſtie für alle politiſchen Gefangenen angeordnet. Auf den Regierungspalaſt weht die rotſchwarze Fahne, während auf der Kaſerne der Gendarmen, in der ſich das Kommando der Aufſtändi- ſchen befindet, die türkiſche Fahne weht. Der Führer der Aufſtändi- ſchen gab den Konſulaten Zuſicherungen betreffend die öffentliche Ordnung. Die europäiſche Kolonie verhält ſich ruhig. Inzwiſchen ſind aber bereits die Rebellen in Durazzo einmar- ſchiert und Herren der Lage. Nur ein großer Optimiſt wird an die Rückkehr des Fürſten glauben können. Ueber Dum-Dum-Geſchoſſe verbreitet ſich Generalmajor Keim im „Tag“ in nachſtehendem kleinen Artikel, deſſen Schlußworte wir zur Beachtung beſonders empfehlen: In der Nacht vom 20./21. Juli 1870 erſchien bei dem badiſchen Geſandten in Paris ein hoher Beamter des franzöſiſchen Auswär- tigen Amtes und erklärte folgendes: Nach Meldungen von der Grenze ſind an die badiſchen Truppen Exploſivgeſchoſſe ausgegeben worden, „deren Gebrauch — abgeſehen von der ſie verbietenden Petersburger Vereinbarung — unter allen Umſtänden die Menſch- lichkeit und das verdammende Urteil ſämtlicher geſitteter Völker ver- böte“. Natürlich war es vollkommen aus der Luft gegriffen, daß an badiſche Truppen Exploſivgeſchoſſe ausgegeben worden ſeien, was den badiſchen Geſandten veranlaßte, ſofort Einſpruch gegen dieſe leere Beſchuldigung zu erheben. Der Franzoſe erklärte weiterhin, _

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine37_1914/7>, abgerufen am 21.12.2024.