Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914.
Der Feind im Osten. Im Osten ernten die Truppen des Generalobersten v. Hin- Generaloberst von Hindenburg meldet den Abtransport General v. Hindenburg hat am 10. ds. mit dem Ostheer den Was nun die Lage auf dem österreichisch-russischen Wien, 5. Sept. Alle Meldungen aus dem Kriegspressequar- WTB. Berlin, 5. September. (Nichtamtlich.) Oestereichisches WTB. Wien, 6. Sept. (Nichtamtl.) Die "Neue Freie Presse"
WTB. Berlin, 6. Sept. Die österreichisch-ungarische Bot- WTB. Wien, 6. Sept. Aus dem Pressehauptquartier wird WTB. Wien, 7. Sept. Amtlich wird gemeldet: Am 3. Sept.
Der Feind im Oſten. Im Oſten ernten die Truppen des Generaloberſten v. Hin- Generaloberſt von Hindenburg meldet den Abtransport General v. Hindenburg hat am 10. ds. mit dem Oſtheer den Was nun die Lage auf dem öſterreichiſch-ruſſiſchen Wien, 5. Sept. Alle Meldungen aus dem Kriegspreſſequar- WTB. Berlin, 5. September. (Nichtamtlich.) Oeſtereichiſches WTB. Wien, 6. Sept. (Nichtamtl.) Die „Neue Freie Preſſe“
WTB. Berlin, 6. Sept. Die öſterreichiſch-ungariſche Bot- WTB. Wien, 6. Sept. Aus dem Preſſehauptquartier wird WTB. Wien, 7. Sept. Amtlich wird gemeldet: Am 3. Sept. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <cit> <quote><pb facs="#f0004" n="554"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 12. September 1914.</fw><lb/><cb/> wieder in Gleitflug zu bringen. Der Wald jenſeits der Franzoſen<lb/> war mein Ziel. Die Minuten, in denen ich in 200 Meter über dem<lb/> Feind dahinglitt, wurden zu Ewigkeiten. Ein Hagel von Geſchoſſen<lb/> ſauſte mir dauernd um die Ohren. Plötzlich fühlte ich einen heftigen<lb/> Schlag gegen die Stirn, das Blut lief über beide Augen. Aber der<lb/> Wille ſiegte. Ich blieb bei Bewußtſein und dachte nur daran, die<lb/> Maſchine über dem Feind fort und glatt herunterzubringen. Da<lb/> warf ein Windſtoß die Maſchine herum, und da mein toter Kame-<lb/> rad auf dem Seitenſteuer lag, konnte ich nicht anders, als mitten im<lb/> Feind landen. Dabei überſchlug ſich die Maſchine, die an einen<lb/> Zaun anrannte. Ich flog in hohem Bogen hinaus. Von allen Seiten<lb/> liefen die Rothoſen auf mich zu, immer noch ſchießend. Ich zog die<lb/> Piſtole und ſtreckte noch drei zu Boden, dann fühlte ich ein Bajonett<lb/> auf der Bruſt. Dann kam ein höherer Offizier und rief: Laßt ihn<lb/> leben, er iſt ein tapferer Soldat! Ich wurde zum kommandierenden<lb/> General des 17. franzöſiſchen Korps gebracht, der mich ausfragte.<lb/> Natürlich ohne Erfolg. Dann ſagte er mir, ich würde als Gefan-<lb/> gener nach Paris geſandt werden, wo ſchon vier Fliegeroffiziere<lb/> wären. Da ich jedoch durch den ſtarken Blutverluſt ſehr ſchwach war,<lb/> blieb ich zunächſt an Ort und Stelle. Zwei Aerzte zogen das Ge-<lb/> ſchoß, deſſen Wucht durch den Sturzhelm gebrochen war, aus meiner<lb/> Stirn, die nicht durchſchlagen war. Ich wurde verbunden und er-<lb/> hielt Rotwein. Ueberhaupt benahmen ſich die Offiziere ſehr nett<lb/> und achtungsvoll zu mir. In meinem Kopfe lebte aber nur ein Ge-<lb/> danke, der, aus der Gefangenſchaft zu entfliehen. Der Donner der<lb/> deutſchen Geſchütze kam immer näher, Gewehrfeuer klang da-<lb/> zwiſchen, und nach zwei Stunden platzten die erſten deutſchen Gra-<lb/> naten in unſerer Nähe. Ich benutzte den unbewachten Augenblick<lb/> und kroch unter einen Buſch. Dort blieb ich liegen, bis der fran-<lb/> zöſiſche Rückzug hinter mir war. Dann ſchleppte ich mich nach Ber-<lb/> trix, wo ich im Hoſpital freundliche Aufnahme für die Nacht fand.<lb/> Am nächſten Morgen brachte mich ein deutſches Auto zu meiner<lb/> Abteilung zurück.</quote> </cit> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Feind im Oſten.</hi> </head><lb/> <p>Im Oſten ernten die Truppen des Generaloberſten v. <hi rendition="#g">Hin-<lb/> denburg</hi> weitere Früchte ihres Sieges. Die Zahl der Gefangenen<lb/> wächſt täglich, ſie iſt bereits auf 90,000 Mann geſtiegen. Wieviel<lb/> Geſchütze und ſonſtige Siegeszeichen noch in den preußiſchen Wäl-<lb/> dern und Sümpfen ſtecken, läßt ſich nicht überſehen. Anſcheinend<lb/> ſind nicht zwei, ſondern drei ruſſiſche kommandierende Generale ge-<lb/> fangen. 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Zuletzt wird auch allgemein die hervorragende Leiſtung<lb/> geprieſen, die Erzherzog Joſef Ferdinand zur Entlaſtung der Armee<lb/> Auffenbergs aufzuweiſen hat, ohne deſſen tatkräftiges und geſchicktes<lb/> Eingreifen die Erfolge der Auffenbergſchen Armeegruppe nicht er-<lb/> rungen worden wären. Aber nicht nur in Wiener militäriſchen<lb/> Kreiſen, ſondern auch in Ungarn, beſteht vollſte Zuverſicht auf einen<lb/> günſtigen Ausgang. Welche Strapazen unſeren wackeren Infan-<lb/> teriſten jenſeits Lembergs zugemutet werden, davon macht ſich nie-<lb/> mand eine Vorſtellung. Es ſind beiſpielloſe Anſpannungen des<lb/> Körpers und des Geiſtes nötig. Seit zehn Tagen liegen unſere In-<lb/> fanteriſten im Kampf, ſtecken ſeit 10 Tagen in den Kleidern, eben-<lb/><cb/> ſoviele Nächte ſchon ſchlafen ſie auf bloßer Erde, ſtehen Stunde um<lb/> Stunde auf „<hi rendition="#aq">Qui vive!</hi>“ unter einem Wolkenbruch von Geſchoſſen.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">WTB.</hi><hi rendition="#g">Berlin</hi>, 5. September. (Nichtamtlich.) Oeſtereichiſches<lb/> Kriegspreſſequartier. Auf dem oſtgaliziſchen Abſchnitt des Kriegs-<lb/> ſchauplatzes wurde heute nicht gefochten, dagegen dauert der An-<lb/> griff auf <hi rendition="#g">Lublin</hi> fort. Die Armee <hi rendition="#g">Auffenberg</hi> verfolgt die<lb/> geſchlagene ruſſiſche Armee. Die ſiegreiche Schlacht bei Zamosz<lb/> wurde erſt nach heißem Rmgen entſchieden. Der Höhepunkt der<lb/> Kämpfe war das Ringen um Komarow, wo die Ruſſen unter Gene-<lb/> ral Plehwe gewaltige Anſtrengungen machten, um die öſterreichiſche<lb/> Stellung zu durchbrechen. Die Entſcheidung fiel durch die auf bei-<lb/> den Seiten des Huszwafluſſes vordringenden Korps Boroswitſch<lb/> und der Korps des <hi rendition="#g">Erzherzogs Joſef Ferdinand</hi>, die den<lb/> Feind im Rücken bedrohten. Durch die Erſtürmung der am ſtärkſten<lb/> verſchanzten Stellung öſtlich von Tyſchowcs wurde der Gegner zu<lb/> einer ſchwierigen Rückzug nach Nordoſt gezwungen, der ſich in eine<lb/> regelloſe Flucht verwandelte. Es wurden 19,000 Gefangene gemacht<lb/> und 200 Geſchütze mit viel Kriegsmaterial erbeutet.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">WTB.</hi><hi rendition="#g">Wien</hi>, 6. Sept. (Nichtamtl.) Die „Neue Freie Preſſe“<lb/> veröffentlicht Einzelheiten über das Gefecht bei <hi rendition="#g">Czernowitz</hi> am<lb/> 25. Auguſt. Auf der ruſſiſchen Seite ſtand die ganze podoliſche Divi-<lb/> ſion. Im Kampfe voran waren die Kamiencer und Kiſchinewer<lb/> Regimenter. Der öſterreichiſche Landſturm wirkte Wunder. Als<lb/> die öſterreichichen Kräfte anrückten, zog ſich der Feind öſtlich Czer-<lb/> nowitz zurück. Er erlitt auf der Flucht große Verluſte. Es wurden<lb/> 800 Gefangene gemacht, darunter einige Stabsoffiziere. 500 Ge-<lb/> wehre, vier Maſchinengewehre und viel Munition wurden erbeutet.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote> <p><hi rendition="#aq">WTB.</hi><hi rendition="#g">Köln</hi>, 6. Sept. Die „Kölniſche Zeitung“ meldet: Nach<lb/> hier vorliegenden Meldungen ſandte geſtern <hi rendition="#g">Großfürſt Niko-<lb/> laus an den Zaren</hi> folgendes Telegramm: Mit außergewöhn-<lb/> licher Freude und mit Dank an Gott melde ich Eurer Majeſtät, daß<lb/> das ſiegreiche Heer des Generals Rußki heute morgen um 11 Uhr<lb/><hi rendition="#g">Lemberg</hi> genommen hat, während das Heer unter General<lb/> Bruſſilow den Ort <hi rendition="#g">Halicz</hi> genommen hat.</p><lb/> <p>Nach den öſterreichiſchen Berichten darf man als ſicher an-<lb/> nehmen, daß Lemberg und ebenſo Halicz lediglich aus ſtrategiſchen<lb/> Gründen geräumt wurden.</p> </quote> </cit><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">WTB.</hi><hi rendition="#g">Berlin</hi>, 6. Sept. Die öſterreichiſch-ungariſche Bot-<lb/> ſchaft veröffentlicht folgende, ihr vom Miniſterium des Aeußern in<lb/> Wien zugegangene Depeſche: Die ruſſiſche Meldung von der<lb/><hi rendition="#g">Schlacht bei Lemberg</hi> und der ſiegreichen Einnahme der<lb/> Stadt iſt <hi rendition="#g">erlogen.</hi> Die offene Stadt Lemberg wurde aus ſtra-<lb/> tegiſchen und humanitären Rückſichten ohne Kampf freiwillig ge-<lb/> räumt.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">WTB.</hi><hi rendition="#g">Wien</hi>, 6. Sept. Aus dem Preſſehauptquartier wird<lb/> amtlich gemeldet: Das Armeeoberkommando hat heute folgenden<lb/> Befehl erlaſſen: „Die im Grenzzug von <hi rendition="#g">Autovac</hi> ſtehende 3. Ge-<lb/> birgsbrigade hatte ſchon vor kurzer Zeit einen ſchneidigen Einbruch<lb/> auf <hi rendition="#g">montenegriniſches Gebiet</hi> unternommen, der von<lb/><hi rendition="#g">vollem Erfolg</hi> gekrönt war. Nach kurzer Ruhe unternahm<lb/> dieſe tapfere kleine Schar am 30. Auguſt neuerlich einen Vorſtoß<lb/> gegen bei Bilec ſtehende, an Zahl überlegene montenegriniſche<lb/> Streitkräfte. In mehrtägigen heldenmütigen Angriffen der unter<lb/> dem Kommando des Generalmajors Heinrich von Pongracz ſtehen-<lb/> den tapferen Brigade gelang es, die Montenegriner unter großen<lb/> Verluſten zurückzuwerfen, ihnen ſchweres Geſchütz abzunehmen und<lb/> die hart bedrängte Grenzbefeſtigung Bilec völlig zu befreien. Ich<lb/> betrachte es als Ehrenpflicht, dieſe von Heldenmut und Opferfreudig-<lb/> keit zeugenden Taten der tapferen 3. Gebirgsbrigade allen Kom-<lb/> mandos und Truppen ſofort mit dem Beifügen bekannt zu geben,<lb/> daß ich ſelbſtverſtändlich nicht ermangelt habe, dieſe Ruhmestaten<lb/> unſerer Kameraden im Süden Seiner Majeſtät alleruntertänigſt zu<lb/> melden.<lb/><bibl>gez. Erzherzog <hi rendition="#g">Friedrich</hi>, General der Infanterie.“</bibl></quote> </cit><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">WTB.</hi><hi rendition="#g">Wien</hi>, 7. Sept. Amtlich wird gemeldet: Am 3. Sept.<lb/> beſchoſſen die Ruſſen die in weitem Umkreiſe um <hi rendition="#g">Lemberg</hi> errich-<lb/> teten Erdwerke. Unſere Truppen waren jedoch bereits abgezogen,<lb/> um die offene Stadt vor einer Beſchießung zu bewahren und weil<lb/> auch operative Gründe dafür ſprachen, Lemberg dem Feinde ohne<lb/> Kampf zu überlaſſen. Das Bombardement hat ſich ſomit nur gegen<lb/> die unverteidigten Deckungen gerichtet. Die <hi rendition="#g">Armee Dankl</hi> iſt<lb/> in heftigem Kampfe. An der ſonſtigen Front herrſcht nach den<lb/> großen Schlachten der vergangenen Woche verhältnismäßig Ruhe.</quote> </cit><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [554/0004]
Allgemeine Zeitung 12. September 1914.
wieder in Gleitflug zu bringen. Der Wald jenſeits der Franzoſen
war mein Ziel. Die Minuten, in denen ich in 200 Meter über dem
Feind dahinglitt, wurden zu Ewigkeiten. Ein Hagel von Geſchoſſen
ſauſte mir dauernd um die Ohren. Plötzlich fühlte ich einen heftigen
Schlag gegen die Stirn, das Blut lief über beide Augen. Aber der
Wille ſiegte. Ich blieb bei Bewußtſein und dachte nur daran, die
Maſchine über dem Feind fort und glatt herunterzubringen. Da
warf ein Windſtoß die Maſchine herum, und da mein toter Kame-
rad auf dem Seitenſteuer lag, konnte ich nicht anders, als mitten im
Feind landen. Dabei überſchlug ſich die Maſchine, die an einen
Zaun anrannte. Ich flog in hohem Bogen hinaus. Von allen Seiten
liefen die Rothoſen auf mich zu, immer noch ſchießend. Ich zog die
Piſtole und ſtreckte noch drei zu Boden, dann fühlte ich ein Bajonett
auf der Bruſt. Dann kam ein höherer Offizier und rief: Laßt ihn
leben, er iſt ein tapferer Soldat! Ich wurde zum kommandierenden
General des 17. franzöſiſchen Korps gebracht, der mich ausfragte.
Natürlich ohne Erfolg. Dann ſagte er mir, ich würde als Gefan-
gener nach Paris geſandt werden, wo ſchon vier Fliegeroffiziere
wären. Da ich jedoch durch den ſtarken Blutverluſt ſehr ſchwach war,
blieb ich zunächſt an Ort und Stelle. Zwei Aerzte zogen das Ge-
ſchoß, deſſen Wucht durch den Sturzhelm gebrochen war, aus meiner
Stirn, die nicht durchſchlagen war. Ich wurde verbunden und er-
hielt Rotwein. Ueberhaupt benahmen ſich die Offiziere ſehr nett
und achtungsvoll zu mir. In meinem Kopfe lebte aber nur ein Ge-
danke, der, aus der Gefangenſchaft zu entfliehen. Der Donner der
deutſchen Geſchütze kam immer näher, Gewehrfeuer klang da-
zwiſchen, und nach zwei Stunden platzten die erſten deutſchen Gra-
naten in unſerer Nähe. Ich benutzte den unbewachten Augenblick
und kroch unter einen Buſch. Dort blieb ich liegen, bis der fran-
zöſiſche Rückzug hinter mir war. Dann ſchleppte ich mich nach Ber-
trix, wo ich im Hoſpital freundliche Aufnahme für die Nacht fand.
Am nächſten Morgen brachte mich ein deutſches Auto zu meiner
Abteilung zurück.
Der Feind im Oſten.
Im Oſten ernten die Truppen des Generaloberſten v. Hin-
denburg weitere Früchte ihres Sieges. Die Zahl der Gefangenen
wächſt täglich, ſie iſt bereits auf 90,000 Mann geſtiegen. Wieviel
Geſchütze und ſonſtige Siegeszeichen noch in den preußiſchen Wäl-
dern und Sümpfen ſtecken, läßt ſich nicht überſehen. Anſcheinend
ſind nicht zwei, ſondern drei ruſſiſche kommandierende Generale ge-
fangen. Der ruſſiſche Armeeführer iſt nach ruſſiſchen Nachrichten
gefallen.
Generaloberſt von Hindenburg meldet den Abtransport
von mehr als 90,000 unverwundeten Gefangenen. Das bedeutet
die Vernichtung einer ganzen feindlichen Armee.
General v. Hindenburg hat am 10. ds. mit dem Oſtheer den
linken Flügel der noch in Oſtpreußen befindlichen ruſſiſchen Armee
geſchlagen und ſich dadurch den Zugang in den Rücken des
Feindes geöffnet. Der Feind hat den Kampf aufgegeben
und befindet ſich im vollem Rückzug. Das Oſtheer verfolgt
ihn in nordöſtlicher Richtung gegen den Njemen.
Was nun die Lage auf dem öſterreichiſch-ruſſiſchen
Kriegsſchauplatz betrifft, ſo geben wir zu ihrer Erklärung
nachſtehende offizielle und andere Telegramme:
Wien, 5. Sept. Alle Meldungen aus dem Kriegspreſſequar-
tier und die Erzählungen der verwundeten Offiziere ſtimmen da-
rin überein, daß die Lage auf dem ruſſichen Kriegsſchauplatze für
unſere Truppen günſtig iſt, da die ruſſiſche Angriffskraft bereits be-
deutend abgeſchwächt iſt. Dieſe günſtige Beurteilung der Lage be-
gründet ſich vor allem auf die weit vorgeſchrittene Offenſivbewegung
der Armee Dankls, die mehrmals dem geſchlagenen Feinde raſtlos
zuſetzte. Zuletzt wird auch allgemein die hervorragende Leiſtung
geprieſen, die Erzherzog Joſef Ferdinand zur Entlaſtung der Armee
Auffenbergs aufzuweiſen hat, ohne deſſen tatkräftiges und geſchicktes
Eingreifen die Erfolge der Auffenbergſchen Armeegruppe nicht er-
rungen worden wären. Aber nicht nur in Wiener militäriſchen
Kreiſen, ſondern auch in Ungarn, beſteht vollſte Zuverſicht auf einen
günſtigen Ausgang. Welche Strapazen unſeren wackeren Infan-
teriſten jenſeits Lembergs zugemutet werden, davon macht ſich nie-
mand eine Vorſtellung. Es ſind beiſpielloſe Anſpannungen des
Körpers und des Geiſtes nötig. Seit zehn Tagen liegen unſere In-
fanteriſten im Kampf, ſtecken ſeit 10 Tagen in den Kleidern, eben-
ſoviele Nächte ſchon ſchlafen ſie auf bloßer Erde, ſtehen Stunde um
Stunde auf „Qui vive!“ unter einem Wolkenbruch von Geſchoſſen.
WTB. Berlin, 5. September. (Nichtamtlich.) Oeſtereichiſches
Kriegspreſſequartier. Auf dem oſtgaliziſchen Abſchnitt des Kriegs-
ſchauplatzes wurde heute nicht gefochten, dagegen dauert der An-
griff auf Lublin fort. Die Armee Auffenberg verfolgt die
geſchlagene ruſſiſche Armee. Die ſiegreiche Schlacht bei Zamosz
wurde erſt nach heißem Rmgen entſchieden. Der Höhepunkt der
Kämpfe war das Ringen um Komarow, wo die Ruſſen unter Gene-
ral Plehwe gewaltige Anſtrengungen machten, um die öſterreichiſche
Stellung zu durchbrechen. Die Entſcheidung fiel durch die auf bei-
den Seiten des Huszwafluſſes vordringenden Korps Boroswitſch
und der Korps des Erzherzogs Joſef Ferdinand, die den
Feind im Rücken bedrohten. Durch die Erſtürmung der am ſtärkſten
verſchanzten Stellung öſtlich von Tyſchowcs wurde der Gegner zu
einer ſchwierigen Rückzug nach Nordoſt gezwungen, der ſich in eine
regelloſe Flucht verwandelte. Es wurden 19,000 Gefangene gemacht
und 200 Geſchütze mit viel Kriegsmaterial erbeutet.
WTB. Wien, 6. Sept. (Nichtamtl.) Die „Neue Freie Preſſe“
veröffentlicht Einzelheiten über das Gefecht bei Czernowitz am
25. Auguſt. Auf der ruſſiſchen Seite ſtand die ganze podoliſche Divi-
ſion. Im Kampfe voran waren die Kamiencer und Kiſchinewer
Regimenter. Der öſterreichiſche Landſturm wirkte Wunder. Als
die öſterreichichen Kräfte anrückten, zog ſich der Feind öſtlich Czer-
nowitz zurück. Er erlitt auf der Flucht große Verluſte. Es wurden
800 Gefangene gemacht, darunter einige Stabsoffiziere. 500 Ge-
wehre, vier Maſchinengewehre und viel Munition wurden erbeutet.
WTB. Köln, 6. Sept. Die „Kölniſche Zeitung“ meldet: Nach
hier vorliegenden Meldungen ſandte geſtern Großfürſt Niko-
laus an den Zaren folgendes Telegramm: Mit außergewöhn-
licher Freude und mit Dank an Gott melde ich Eurer Majeſtät, daß
das ſiegreiche Heer des Generals Rußki heute morgen um 11 Uhr
Lemberg genommen hat, während das Heer unter General
Bruſſilow den Ort Halicz genommen hat.
Nach den öſterreichiſchen Berichten darf man als ſicher an-
nehmen, daß Lemberg und ebenſo Halicz lediglich aus ſtrategiſchen
Gründen geräumt wurden.
WTB. Berlin, 6. Sept. Die öſterreichiſch-ungariſche Bot-
ſchaft veröffentlicht folgende, ihr vom Miniſterium des Aeußern in
Wien zugegangene Depeſche: Die ruſſiſche Meldung von der
Schlacht bei Lemberg und der ſiegreichen Einnahme der
Stadt iſt erlogen. Die offene Stadt Lemberg wurde aus ſtra-
tegiſchen und humanitären Rückſichten ohne Kampf freiwillig ge-
räumt.
WTB. Wien, 6. Sept. Aus dem Preſſehauptquartier wird
amtlich gemeldet: Das Armeeoberkommando hat heute folgenden
Befehl erlaſſen: „Die im Grenzzug von Autovac ſtehende 3. Ge-
birgsbrigade hatte ſchon vor kurzer Zeit einen ſchneidigen Einbruch
auf montenegriniſches Gebiet unternommen, der von
vollem Erfolg gekrönt war. Nach kurzer Ruhe unternahm
dieſe tapfere kleine Schar am 30. Auguſt neuerlich einen Vorſtoß
gegen bei Bilec ſtehende, an Zahl überlegene montenegriniſche
Streitkräfte. In mehrtägigen heldenmütigen Angriffen der unter
dem Kommando des Generalmajors Heinrich von Pongracz ſtehen-
den tapferen Brigade gelang es, die Montenegriner unter großen
Verluſten zurückzuwerfen, ihnen ſchweres Geſchütz abzunehmen und
die hart bedrängte Grenzbefeſtigung Bilec völlig zu befreien. Ich
betrachte es als Ehrenpflicht, dieſe von Heldenmut und Opferfreudig-
keit zeugenden Taten der tapferen 3. Gebirgsbrigade allen Kom-
mandos und Truppen ſofort mit dem Beifügen bekannt zu geben,
daß ich ſelbſtverſtändlich nicht ermangelt habe, dieſe Ruhmestaten
unſerer Kameraden im Süden Seiner Majeſtät alleruntertänigſt zu
melden.
gez. Erzherzog Friedrich, General der Infanterie.“
WTB. Wien, 7. Sept. Amtlich wird gemeldet: Am 3. Sept.
beſchoſſen die Ruſſen die in weitem Umkreiſe um Lemberg errich-
teten Erdwerke. Unſere Truppen waren jedoch bereits abgezogen,
um die offene Stadt vor einer Beſchießung zu bewahren und weil
auch operative Gründe dafür ſprachen, Lemberg dem Feinde ohne
Kampf zu überlaſſen. Das Bombardement hat ſich ſomit nur gegen
die unverteidigten Deckungen gerichtet. Die Armee Dankl iſt
in heftigem Kampfe. An der ſonſtigen Front herrſcht nach den
großen Schlachten der vergangenen Woche verhältnismäßig Ruhe.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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