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Allgemeine Zeitung, Nr. 21, 25. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 21 Freitag, den 25. Januar


[Spaltenumbruch]
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(25. Fortsetzung)

[Spaltenumbruch]

Lund feixte ein wenig bedrückt. Morris
sagte wie zur Verteidigung: "Ich will der
Gewalt und dem Töten, weiß Gott, kein
Lied singen. Weg von mir aus mit allen
Mordwaffen der Welt! Mich freut hier nichts
als die aufs höchste durchdachte, in ein
Minimum zusammengepreßte Leistung. Ist
sie nicht mehr wert, als all die ungeheuren
Mengen von geistigen Ausscheidungen, die
in ungeheuren Bibliotheken als geronnene
Unbrauchbarkeiten aufbewahrt werden und
dort faulen? Ich liebe die tote Weisheit
nicht."

Der Assessor erhob sich: "Es ist gleich ein
halb neun. Ich will noch einmal nach Stein-
mann sehen."

Unterdessen ging Morris in das Wohn-
zimmer, wo vom Fenster aus, hinter den
Vorhängen, die beiden Kriminalschutzleute
Jonas und Schilling die Straße beobach-
teten. "Jonas," redete er den einen an, "es
wird Zeit. Sie müssen sich fertigmachen. Das
Auto kann jeden Augenblick da sein."

Der Beamte folgte Morris ins Atelier
und wurde dort mit Hilfe des endlich er-
schienenen Malers einer Verwandlung unter-
zogen. Als er dann in einem weiten Auto-
mantel steckte, die Mütze tief in der Stirn
und ein blondes Bärtchen unter der Nase
hatte, glich er dem Iren, dessen große musku-
löse Gestalt er besaß, nicht übel. --

Der Schutzmann Schilling meldete vom
Wohnzimmer her, ein leerer Kraftwagen sei
angelangt. "Also gehen Sie," drängte Lund
den verkleideten Beamten. "Sie wissen Ihre
Order. Sie fahren auf dem kürzesten Weg
an die Peripherie der Stadt -- dorthin, wo
die Landstraße nach Utterslev beginnt. Von
da fahren Sie im weiten Bogen um die
Stadt und über Valby durch den südlichen
Teil zur Polizei. Während der Fahrt, vor
Valby, können Sie Ihre Verkleidung be-
seitigen. Gehen Sie."

[Spaltenumbruch]

Der Beamte sagte kurz "Jawohl" und
verschwand.

Vorsichtig hinunterspähend sahen die vier
Zurückgebliebenen ihn einsteigen und davon-
rollen.

"Meine Herrschaften, die Komödie hat be-
gonnen," verkündete Morris.

"Möge sie kein Trauerspiel werden,"
murmelte Lund.

"Wenigstens nicht für uns!" meinte
Steinmann. "Für unsere Partner hoffentlich
um so mehr. Des einen Spaß ist des anderen
Tragödie."

"Fürs erste," sagte Frank ruhig, "muß
eine längere Pause angekündigt werden.
Die Hauptsache ist jetzt, daß Schilling auf
seinem Beobachtungsposten die Augen offen-
hält. Ich schlage vor, wir lösen uns am
Fenster von einer halben Stunde zur andern
ab."

"Wieviel halbe Stunden, glaubst du, wer-
den wir uns ablösen müssen?", wollte Stein-
mann wissen.

"Nicht allzuviele. Wenn er oder sie über-
haupt kommen, werden sie sich wohl von
meiner Abreise durch Späher vergewissert
haben und bald erscheinen."

"Was fangen wir bis dahin an," stöhnte
der nervöse Lund. "Ich gestehe, daß ich die
Wartezeit mehr als unbehaglich finde."

"Es gibt noch manches zu erledigen,"
meinte der Ire. "Die Villa Malsen ist dau-
ernd beobachtet worden, ohne daß sich etwas
Verdächtiges gerührt hätte."

"Jawohl," sagte Lund. "Und für heute
habe ich, wie verabredet, eine ganze Anzahl
von Beamten in ihre Nähe postiert. Den
einen können wir jederzeit telephonisch er-
reichen."

"Das ist gut," nickte Frank. "Wir werden
-- je nach unseren Ergebnissen -- eventuell
[Spaltenumbruch] gleich durch telephonischen Befehl die Villa
besetzen lassen." Er wandte sich an Stein-
mann: "Rupert, wie wäre es, wenn du den
Beobachtungsposten am Fenster ablösen
wolltest? Der Mann liegt lange genug auf
der Lauer. Nichts ist so ermüdend und er-
schöpfend wie dies unausgesetzte Aeugen auf
einen Punkt. Schick' ihn zu uns herein."

Steinmann ging und Schilling kam.

"Es gilt noch, unsere Verstecke festzu-
legen," sagte Morris. "Sie, Schilling, wer-
den am besten, sobald eine verdächtige Per-
son das Haus betritt, die Bilderkammer
neben dem Eingang aufsuchen, um, wenn
jemand in die Wohnung eindringt und an
Ihnen vorbei ist, den Versuch einer Flucht
vereiteln zu können. Hier ist der Schlüssel
zur Wohnungstür. Das Schloß habe ich ver-
gangene Nacht geölt, es arbeitet geräuschlos."

"Und wir," meinte er zu Lund, "nehmen,
schlage ich vor, unseren Standort zwischen
den Portieren und der Tür zum Wohn-
zimmer. Diese Seite des Ateliers liegt im
Dunkeln. Wir können von dort am sichersten
beobachten -- haben den Schreibtisch vor
uns, und zwar gerade so, daß einer, der sich
an ihm zu schaffen macht, uns den Rücken
kehrt."

Der Assessor war mit den Vorschlägen ein-
verstanden.

"Du, Rupert," rief Morris mit erhöhter
Stimme, damit der Maler nebenan ihn ver-
stehen konnte, "mußt hinter die Tür deines
Schlafzimmers."

Im selben Augenblick rief Steinmann zu-
rück: "Ein Herr ist unten ins Haus getreten
-- schwarzer Mantel -- steifer Hut!"

"Schilling, auf Ihren Platz!" befahl Mor-
ris. "Rupert fort!" -- Die beiden eilten
davon. -- "Lund, beobachten Sie, bitte, die
Straße weiter. Es fragt sich noch, ob die-
ser schwarze Mantel zu uns will. Ich werde
nachsehen."

Morris ging auf den Gang und horchte
nach der Treppe. Bald kam er zurück, brachte
Schilling mit und sagte: "Blinder Lärm!"
Der steife Hut hat im zweiten Stock ange-
läutet. Unsere Empfangsbereitschaft war
verfrüht. Das kann uns noch des öfteren
[Spaltenumbruch] passieren und um so häufiger, je mehr der
Morgen vorrückt und der Verkehr im Hause
sich belebt. -- Lund vergessen Sie nicht, auch
die weiblichen Besucher zu berücksichtigen.
Wissen wir denn, ob nicht am Ende eine
Frau oder wenigstens ein Mannsbild in
Weiberkleidern hier auftauchen will?"

Steinmann war mit seinem Platz hinter
der Schlafstubentür nicht recht zufrieden.
"Da seh' und höre ich gar nichts," klagte er.
"Ich möchte mir ein Loch in das Holz
bohren."

Er machte sich daran, und Morris half
ihm gutmütig dabei. "Vergiß nicht," mahnte
dieser, "die Tür von innen abzuschließen.
Es könnte sein, daß der Versuch gemacht
wird, zuerst zu dir einzudringen."

Der Maler prüfte gerade die Brauchbar-
keit des frisch gebohrten Guckloches, da rief
Lund erstaunt aus dem Wohnzimmer: "Jo-
nas kommt im Auto zurück! Was fällt denn
dem ein?"

Morris eilte zum Assessor ans Fenster.
Unten hielt ein Kraftwagen. Jemand stand
beim Chauffeur und sprach mit ihm.

"Der Wagen von Jonas war doch heller
gestrichen --," murmelte Morris. Plötzlich
sagte er lebhaft: "Die Größe des Mannes
scheint mir auch nicht zu stimmen. Und
Mütze und Mantel -- besonders der Man-
tel -- sind gewiß nicht die gleichen. Das
ist Jonas nicht! Aufgepaßt!"

Der Ankömmling unten trat ins Haus.
Sein Wagen wartete.

"An Ihre Plätze, meine Herren!" rief
Morris. Er selbst ging und horchte auf dem
Korridor.

Nach einer kurzen Weile kam er flink und
leise zurück, ließ die Ateliertür halb offen
und trat hinter die Portiere neben Lund
"Man kommt zu uns!" flüsterte er.

Da hörten die Männer auch schon ein Ge-
räusch draußen am Schloß. Die Wohnungs-
tür ging auf und fiel wieder zu. Eine
Kette oder etwas Aehnliches schien auf den
Boden zu rasseln. Dann wurde es ganz
still.

"Er vergißt sich," flüsterte Morris.
"Wenn nur Schilling sich mäuschenstill ver-
hält!"

(Fortsetzung folgt).

[irrelevantes Material]
„AZ am Abend“ Nr. 21 Freitag, den 25. Januar


[Spaltenumbruch]
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(25. Fortſetzung)

[Spaltenumbruch]

Lund feixte ein wenig bedrückt. Morris
ſagte wie zur Verteidigung: „Ich will der
Gewalt und dem Töten, weiß Gott, kein
Lied ſingen. Weg von mir aus mit allen
Mordwaffen der Welt! Mich freut hier nichts
als die aufs höchſte durchdachte, in ein
Minimum zuſammengepreßte Leiſtung. Iſt
ſie nicht mehr wert, als all die ungeheuren
Mengen von geiſtigen Ausſcheidungen, die
in ungeheuren Bibliotheken als geronnene
Unbrauchbarkeiten aufbewahrt werden und
dort faulen? Ich liebe die tote Weisheit
nicht.“

Der Aſſeſſor erhob ſich: „Es iſt gleich ein
halb neun. Ich will noch einmal nach Stein-
mann ſehen.“

Unterdeſſen ging Morris in das Wohn-
zimmer, wo vom Fenſter aus, hinter den
Vorhängen, die beiden Kriminalſchutzleute
Jonas und Schilling die Straße beobach-
teten. „Jonas,“ redete er den einen an, „es
wird Zeit. Sie müſſen ſich fertigmachen. Das
Auto kann jeden Augenblick da ſein.“

Der Beamte folgte Morris ins Atelier
und wurde dort mit Hilfe des endlich er-
ſchienenen Malers einer Verwandlung unter-
zogen. Als er dann in einem weiten Auto-
mantel ſteckte, die Mütze tief in der Stirn
und ein blondes Bärtchen unter der Naſe
hatte, glich er dem Iren, deſſen große musku-
löſe Geſtalt er beſaß, nicht übel. —

Der Schutzmann Schilling meldete vom
Wohnzimmer her, ein leerer Kraftwagen ſei
angelangt. „Alſo gehen Sie,“ drängte Lund
den verkleideten Beamten. „Sie wiſſen Ihre
Order. Sie fahren auf dem kürzeſten Weg
an die Peripherie der Stadt — dorthin, wo
die Landſtraße nach Utterslev beginnt. Von
da fahren Sie im weiten Bogen um die
Stadt und über Valby durch den ſüdlichen
Teil zur Polizei. Während der Fahrt, vor
Valby, können Sie Ihre Verkleidung be-
ſeitigen. Gehen Sie.“

[Spaltenumbruch]

Der Beamte ſagte kurz „Jawohl“ und
verſchwand.

Vorſichtig hinunterſpähend ſahen die vier
Zurückgebliebenen ihn einſteigen und davon-
rollen.

„Meine Herrſchaften, die Komödie hat be-
gonnen,“ verkündete Morris.

„Möge ſie kein Trauerſpiel werden,“
murmelte Lund.

„Wenigſtens nicht für uns!“ meinte
Steinmann. „Für unſere Partner hoffentlich
um ſo mehr. Des einen Spaß iſt des anderen
Tragödie.“

„Fürs erſte,“ ſagte Frank ruhig, „muß
eine längere Pauſe angekündigt werden.
Die Hauptſache iſt jetzt, daß Schilling auf
ſeinem Beobachtungspoſten die Augen offen-
hält. Ich ſchlage vor, wir löſen uns am
Fenſter von einer halben Stunde zur andern
ab.“

„Wieviel halbe Stunden, glaubſt du, wer-
den wir uns ablöſen müſſen?“, wollte Stein-
mann wiſſen.

„Nicht allzuviele. Wenn er oder ſie über-
haupt kommen, werden ſie ſich wohl von
meiner Abreiſe durch Späher vergewiſſert
haben und bald erſcheinen.“

„Was fangen wir bis dahin an,“ ſtöhnte
der nervöſe Lund. „Ich geſtehe, daß ich die
Wartezeit mehr als unbehaglich finde.“

„Es gibt noch manches zu erledigen,“
meinte der Ire. „Die Villa Malſen iſt dau-
ernd beobachtet worden, ohne daß ſich etwas
Verdächtiges gerührt hätte.“

„Jawohl,“ ſagte Lund. „Und für heute
habe ich, wie verabredet, eine ganze Anzahl
von Beamten in ihre Nähe poſtiert. Den
einen können wir jederzeit telephoniſch er-
reichen.“

„Das iſt gut,“ nickte Frank. „Wir werden
— je nach unſeren Ergebniſſen — eventuell
[Spaltenumbruch] gleich durch telephoniſchen Befehl die Villa
beſetzen laſſen.“ Er wandte ſich an Stein-
mann: „Rupert, wie wäre es, wenn du den
Beobachtungspoſten am Fenſter ablöſen
wollteſt? Der Mann liegt lange genug auf
der Lauer. Nichts iſt ſo ermüdend und er-
ſchöpfend wie dies unausgeſetzte Aeugen auf
einen Punkt. Schick’ ihn zu uns herein.“

Steinmann ging und Schilling kam.

„Es gilt noch, unſere Verſtecke feſtzu-
legen,“ ſagte Morris. „Sie, Schilling, wer-
den am beſten, ſobald eine verdächtige Per-
ſon das Haus betritt, die Bilderkammer
neben dem Eingang aufſuchen, um, wenn
jemand in die Wohnung eindringt und an
Ihnen vorbei iſt, den Verſuch einer Flucht
vereiteln zu können. Hier iſt der Schlüſſel
zur Wohnungstür. Das Schloß habe ich ver-
gangene Nacht geölt, es arbeitet geräuſchlos.“

„Und wir,“ meinte er zu Lund, „nehmen,
ſchlage ich vor, unſeren Standort zwiſchen
den Portieren und der Tür zum Wohn-
zimmer. Dieſe Seite des Ateliers liegt im
Dunkeln. Wir können von dort am ſicherſten
beobachten — haben den Schreibtiſch vor
uns, und zwar gerade ſo, daß einer, der ſich
an ihm zu ſchaffen macht, uns den Rücken
kehrt.“

Der Aſſeſſor war mit den Vorſchlägen ein-
verſtanden.

„Du, Rupert,“ rief Morris mit erhöhter
Stimme, damit der Maler nebenan ihn ver-
ſtehen konnte, „mußt hinter die Tür deines
Schlafzimmers.“

Ím ſelben Augenblick rief Steinmann zu-
rück: „Ein Herr iſt unten ins Haus getreten
— ſchwarzer Mantel — ſteifer Hut!“

„Schilling, auf Ihren Platz!“ befahl Mor-
ris. „Rupert fort!“ — Die beiden eilten
davon. — „Lund, beobachten Sie, bitte, die
Straße weiter. Es fragt ſich noch, ob die-
ſer ſchwarze Mantel zu uns will. Ich werde
nachſehen.“

Morris ging auf den Gang und horchte
nach der Treppe. Bald kam er zurück, brachte
Schilling mit und ſagte: „Blinder Lärm!“
Der ſteife Hut hat im zweiten Stock ange-
läutet. Unſere Empfangsbereitſchaft war
verfrüht. Das kann uns noch des öfteren
[Spaltenumbruch] paſſieren und um ſo häufiger, je mehr der
Morgen vorrückt und der Verkehr im Hauſe
ſich belebt. — Lund vergeſſen Sie nicht, auch
die weiblichen Beſucher zu berückſichtigen.
Wiſſen wir denn, ob nicht am Ende eine
Frau oder wenigſtens ein Mannsbild in
Weiberkleidern hier auftauchen will?“

Steinmann war mit ſeinem Platz hinter
der Schlafſtubentür nicht recht zufrieden.
„Da ſeh’ und höre ich gar nichts,“ klagte er.
„Ich möchte mir ein Loch in das Holz
bohren.“

Er machte ſich daran, und Morris half
ihm gutmütig dabei. „Vergiß nicht,“ mahnte
dieſer, „die Tür von innen abzuſchließen.
Es könnte ſein, daß der Verſuch gemacht
wird, zuerſt zu dir einzudringen.“

Der Maler prüfte gerade die Brauchbar-
keit des friſch gebohrten Guckloches, da rief
Lund erſtaunt aus dem Wohnzimmer: „Jo-
nas kommt im Auto zurück! Was fällt denn
dem ein?“

Morris eilte zum Aſſeſſor ans Fenſter.
Unten hielt ein Kraftwagen. Jemand ſtand
beim Chauffeur und ſprach mit ihm.

„Der Wagen von Jonas war doch heller
geſtrichen —,“ murmelte Morris. Plötzlich
ſagte er lebhaft: „Die Größe des Mannes
ſcheint mir auch nicht zu ſtimmen. Und
Mütze und Mantel — beſonders der Man-
tel — ſind gewiß nicht die gleichen. Das
iſt Jonas nicht! Aufgepaßt!“

Der Ankömmling unten trat ins Haus.
Sein Wagen wartete.

„An Ihre Plätze, meine Herren!“ rief
Morris. Er ſelbſt ging und horchte auf dem
Korridor.

Nach einer kurzen Weile kam er flink und
leiſe zurück, ließ die Ateliertür halb offen
und trat hinter die Portiere neben Lund
„Man kommt zu uns!“ flüſterte er.

Da hörten die Männer auch ſchon ein Ge-
räuſch draußen am Schloß. Die Wohnungs-
tür ging auf und fiel wieder zu. Eine
Kette oder etwas Aehnliches ſchien auf den
Boden zu raſſeln. Dann wurde es ganz
ſtill.

„Er vergißt ſich,“ flüſterte Morris.
„Wenn nur Schilling ſich mäuschenſtill ver-
hält!“

(Fortſetzung folgt).

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[12/0012] „AZ am Abend“ Nr. 21 Freitag, den 25. Januar Dreifaches Gaunerspiel EIN BANKNOTENROMAN (25. Fortſetzung) von A. M. FREY Lund feixte ein wenig bedrückt. Morris ſagte wie zur Verteidigung: „Ich will der Gewalt und dem Töten, weiß Gott, kein Lied ſingen. Weg von mir aus mit allen Mordwaffen der Welt! Mich freut hier nichts als die aufs höchſte durchdachte, in ein Minimum zuſammengepreßte Leiſtung. Iſt ſie nicht mehr wert, als all die ungeheuren Mengen von geiſtigen Ausſcheidungen, die in ungeheuren Bibliotheken als geronnene Unbrauchbarkeiten aufbewahrt werden und dort faulen? Ich liebe die tote Weisheit nicht.“ Der Aſſeſſor erhob ſich: „Es iſt gleich ein halb neun. Ich will noch einmal nach Stein- mann ſehen.“ Unterdeſſen ging Morris in das Wohn- zimmer, wo vom Fenſter aus, hinter den Vorhängen, die beiden Kriminalſchutzleute Jonas und Schilling die Straße beobach- teten. „Jonas,“ redete er den einen an, „es wird Zeit. Sie müſſen ſich fertigmachen. Das Auto kann jeden Augenblick da ſein.“ Der Beamte folgte Morris ins Atelier und wurde dort mit Hilfe des endlich er- ſchienenen Malers einer Verwandlung unter- zogen. Als er dann in einem weiten Auto- mantel ſteckte, die Mütze tief in der Stirn und ein blondes Bärtchen unter der Naſe hatte, glich er dem Iren, deſſen große musku- löſe Geſtalt er beſaß, nicht übel. — Der Schutzmann Schilling meldete vom Wohnzimmer her, ein leerer Kraftwagen ſei angelangt. „Alſo gehen Sie,“ drängte Lund den verkleideten Beamten. „Sie wiſſen Ihre Order. Sie fahren auf dem kürzeſten Weg an die Peripherie der Stadt — dorthin, wo die Landſtraße nach Utterslev beginnt. Von da fahren Sie im weiten Bogen um die Stadt und über Valby durch den ſüdlichen Teil zur Polizei. Während der Fahrt, vor Valby, können Sie Ihre Verkleidung be- ſeitigen. Gehen Sie.“ Der Beamte ſagte kurz „Jawohl“ und verſchwand. Vorſichtig hinunterſpähend ſahen die vier Zurückgebliebenen ihn einſteigen und davon- rollen. „Meine Herrſchaften, die Komödie hat be- gonnen,“ verkündete Morris. „Möge ſie kein Trauerſpiel werden,“ murmelte Lund. „Wenigſtens nicht für uns!“ meinte Steinmann. „Für unſere Partner hoffentlich um ſo mehr. Des einen Spaß iſt des anderen Tragödie.“ „Fürs erſte,“ ſagte Frank ruhig, „muß eine längere Pauſe angekündigt werden. Die Hauptſache iſt jetzt, daß Schilling auf ſeinem Beobachtungspoſten die Augen offen- hält. Ich ſchlage vor, wir löſen uns am Fenſter von einer halben Stunde zur andern ab.“ „Wieviel halbe Stunden, glaubſt du, wer- den wir uns ablöſen müſſen?“, wollte Stein- mann wiſſen. „Nicht allzuviele. Wenn er oder ſie über- haupt kommen, werden ſie ſich wohl von meiner Abreiſe durch Späher vergewiſſert haben und bald erſcheinen.“ „Was fangen wir bis dahin an,“ ſtöhnte der nervöſe Lund. „Ich geſtehe, daß ich die Wartezeit mehr als unbehaglich finde.“ „Es gibt noch manches zu erledigen,“ meinte der Ire. „Die Villa Malſen iſt dau- ernd beobachtet worden, ohne daß ſich etwas Verdächtiges gerührt hätte.“ „Jawohl,“ ſagte Lund. „Und für heute habe ich, wie verabredet, eine ganze Anzahl von Beamten in ihre Nähe poſtiert. Den einen können wir jederzeit telephoniſch er- reichen.“ „Das iſt gut,“ nickte Frank. „Wir werden — je nach unſeren Ergebniſſen — eventuell gleich durch telephoniſchen Befehl die Villa beſetzen laſſen.“ Er wandte ſich an Stein- mann: „Rupert, wie wäre es, wenn du den Beobachtungspoſten am Fenſter ablöſen wollteſt? Der Mann liegt lange genug auf der Lauer. Nichts iſt ſo ermüdend und er- ſchöpfend wie dies unausgeſetzte Aeugen auf einen Punkt. Schick’ ihn zu uns herein.“ Steinmann ging und Schilling kam. „Es gilt noch, unſere Verſtecke feſtzu- legen,“ ſagte Morris. „Sie, Schilling, wer- den am beſten, ſobald eine verdächtige Per- ſon das Haus betritt, die Bilderkammer neben dem Eingang aufſuchen, um, wenn jemand in die Wohnung eindringt und an Ihnen vorbei iſt, den Verſuch einer Flucht vereiteln zu können. Hier iſt der Schlüſſel zur Wohnungstür. Das Schloß habe ich ver- gangene Nacht geölt, es arbeitet geräuſchlos.“ „Und wir,“ meinte er zu Lund, „nehmen, ſchlage ich vor, unſeren Standort zwiſchen den Portieren und der Tür zum Wohn- zimmer. Dieſe Seite des Ateliers liegt im Dunkeln. Wir können von dort am ſicherſten beobachten — haben den Schreibtiſch vor uns, und zwar gerade ſo, daß einer, der ſich an ihm zu ſchaffen macht, uns den Rücken kehrt.“ Der Aſſeſſor war mit den Vorſchlägen ein- verſtanden. „Du, Rupert,“ rief Morris mit erhöhter Stimme, damit der Maler nebenan ihn ver- ſtehen konnte, „mußt hinter die Tür deines Schlafzimmers.“ Ím ſelben Augenblick rief Steinmann zu- rück: „Ein Herr iſt unten ins Haus getreten — ſchwarzer Mantel — ſteifer Hut!“ „Schilling, auf Ihren Platz!“ befahl Mor- ris. „Rupert fort!“ — Die beiden eilten davon. — „Lund, beobachten Sie, bitte, die Straße weiter. Es fragt ſich noch, ob die- ſer ſchwarze Mantel zu uns will. Ich werde nachſehen.“ Morris ging auf den Gang und horchte nach der Treppe. Bald kam er zurück, brachte Schilling mit und ſagte: „Blinder Lärm!“ Der ſteife Hut hat im zweiten Stock ange- läutet. Unſere Empfangsbereitſchaft war verfrüht. Das kann uns noch des öfteren paſſieren und um ſo häufiger, je mehr der Morgen vorrückt und der Verkehr im Hauſe ſich belebt. — Lund vergeſſen Sie nicht, auch die weiblichen Beſucher zu berückſichtigen. Wiſſen wir denn, ob nicht am Ende eine Frau oder wenigſtens ein Mannsbild in Weiberkleidern hier auftauchen will?“ Steinmann war mit ſeinem Platz hinter der Schlafſtubentür nicht recht zufrieden. „Da ſeh’ und höre ich gar nichts,“ klagte er. „Ich möchte mir ein Loch in das Holz bohren.“ Er machte ſich daran, und Morris half ihm gutmütig dabei. „Vergiß nicht,“ mahnte dieſer, „die Tür von innen abzuſchließen. Es könnte ſein, daß der Verſuch gemacht wird, zuerſt zu dir einzudringen.“ Der Maler prüfte gerade die Brauchbar- keit des friſch gebohrten Guckloches, da rief Lund erſtaunt aus dem Wohnzimmer: „Jo- nas kommt im Auto zurück! Was fällt denn dem ein?“ Morris eilte zum Aſſeſſor ans Fenſter. Unten hielt ein Kraftwagen. Jemand ſtand beim Chauffeur und ſprach mit ihm. „Der Wagen von Jonas war doch heller geſtrichen —,“ murmelte Morris. Plötzlich ſagte er lebhaft: „Die Größe des Mannes ſcheint mir auch nicht zu ſtimmen. Und Mütze und Mantel — beſonders der Man- tel — ſind gewiß nicht die gleichen. Das iſt Jonas nicht! Aufgepaßt!“ Der Ankömmling unten trat ins Haus. Sein Wagen wartete. „An Ihre Plätze, meine Herren!“ rief Morris. Er ſelbſt ging und horchte auf dem Korridor. Nach einer kurzen Weile kam er flink und leiſe zurück, ließ die Ateliertür halb offen und trat hinter die Portiere neben Lund „Man kommt zu uns!“ flüſterte er. Da hörten die Männer auch ſchon ein Ge- räuſch draußen am Schloß. Die Wohnungs- tür ging auf und fiel wieder zu. Eine Kette oder etwas Aehnliches ſchien auf den Boden zu raſſeln. Dann wurde es ganz ſtill. „Er vergißt ſich,“ flüſterte Morris. „Wenn nur Schilling ſich mäuschenſtill ver- hält!“ (Fortſetzung folgt). _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 21, 25. Januar 1929, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine21_1929/12>, abgerufen am 21.11.2024.