Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
welche Consequenzen sich an diesen Act nothwendigerweise knüpfen müßten? Pesth, 3 Jun. Die Pesth-Ofener Ztg. bringt eine amtliche Be- Schweiz. * Romaushorn, 6 Jun. Auf der Reise von Zürich nach Stuttgart .. Genf, 4 Jun. Außer der Kaiserin-Wittwe von Rußland traf Großbritannien. London, 4 Jun. Gestern und vorgestern wüthete wieder ein furchtbarer Sturm an der Von der "Royal Society" (für Künste und Wissenschaften) sind solgende Um die projectirte Telegraphenlinie nach Amerika, über Island, Grön- Frankreich. Paris, 5 Jun. Es ist in jedermanns Gedächtniß daß die Wiederherstellung der natür- Wenn das deutsche Volk, durch solch nichtswürdiges Treiben auf- [Spaltenumbruch]
welche Conſequenzen ſich an dieſen Act nothwendigerweiſe knüpfen müßten? Peſth, 3 Jun. Die Peſth-Ofener Ztg. bringt eine amtliche Be- Schweiz. * Romaushorn, 6 Jun. Auf der Reiſe von Zürich nach Stuttgart .. Genf, 4 Jun. Außer der Kaiſerin-Wittwe von Rußland traf Großbritannien. London, 4 Jun. Geſtern und vorgeſtern wüthete wieder ein furchtbarer Sturm an der Von der „Royal Society“ (für Künſte und Wiſſenſchaften) ſind ſolgende Um die projectirte Telegraphenlinie nach Amerika, über Island, Grön- Frankreich. Paris, 5 Jun. Es iſt in jedermanns Gedächtniß daß die Wiederherſtellung der natür- Wenn das deutſche Volk, durch ſolch nichtswürdiges Treiben auf- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0005" n="2649"/><cb/> welche Conſequenzen ſich an dieſen Act nothwendigerweiſe knüpfen müßten?<lb/> Weiß er nicht daß die Hochſchule die Bilderin der Intelligenz eines Landes<lb/> iſt das auf ein ſeparaliſtiſches Staatsleben aus mehr als einem Grunde<lb/> keinen Anſpruch hat, und nur von einer innigen Verſchmelzung mit Oeſter-<lb/> reich die Erhaltung ſeiner Nationalitäten, ſolglich auch der magyariſchen, ja<lb/> dieſer vor allen, erwarten kann? Was die Studenten wollen will noch lange<lb/> nicht ganz Ungarn, und hätte Feldzeugmeiſter v. Benedek gewußt wie es ge-<lb/> kommen daß gelegentlich ſeines Beſuchs an der Univerſität die Collegien der<lb/> deutſch vortragenden Profeſſoren faſt leer geweſen ſind, und wie, um die<lb/> Wahrheit zu ſagen, die Mehrzahl der „akademiſchen Bürger,“ welche<lb/> er getroffen, ſich nur ungern zum Bleiben hatte bewegen laſſen: er würde<lb/> den Repräſentanten der Univerſitätsjugend, welche am 19 d. M. zu ihm in<lb/> die Burg beſchieden worden waren, noch kernhaſter entgegengetreten ſeyn als<lb/> dieß ohnehin geſchehen iſt. Die HH. Studioſen verſtehen erſt ſeit October<lb/> 1859 die deutſche Sprache nicht; es hielte daher nicht ſchwer die <hi rendition="#g">frühere</hi><lb/> Kenntniß wieder zur Geltung zu bringen, zumal wenn das Princip der Ein-<lb/> heit in den höhern Berwaltungs- und Geſellſchaftskreiſen von der Regierung<lb/> nicht aufgegeben wird. Conceſſionen an eine von Losreißungsideen geſchwän-<lb/> gerte demonſtrationsſüchtige Partei vergeudet, ſördern das Wohl der Mon-<lb/> archie nicht, denn ſelbſt ein Zurückgreiſen in das Jahr 1847, wie man es<lb/> vielſeitig wünſcht, würde hierzuland keine dauernde Ruhe begründen. Das<lb/><hi rendition="#g">ganze Oeſterreich muß es ſeyn</hi> worauf man ſich ſtützt; nur in dem<lb/> Ganzen liegt die Kraft welche die centriſugalen Theile feſthalten und beglü-<lb/> cken kann</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Peſth,</hi> 3 Jun.</dateline><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Peſth-Ofener Ztg</hi>. bringt eine amtliche Be-<lb/> richtigung einer jener Tendenzlügen wie ſie vornehmlich in der Köln. Ztg.<lb/> und in der Times zu Hauſe ſind, und von hier aus die Runde namentlich<lb/> durch die deutſchen Blätter zu machen pflegen. Die Kölniſche Zeitung enthielt<lb/> nämlich in Nr. 80 vom 20 März die Ueberſetzung einer in der engliſchen<lb/> Zeitung Times abgedruckten Correſpondenz über das Steuerweſen in Ungarn,<lb/> in welcher folgende Stelle vorkommt: „Die öſterreichiſchen Beamten ver-<lb/> fahren mit unglaublicher Strenge. So ward in der Stadt Szekelyhid ein<lb/> Bauer der nicht im Stande war die von ihm geforderte bedeutende Summe<lb/> zu zahlen, geradezu an einen Pächter verkauft um den Steuerbetrag abzu-<lb/> arbeiten. Ja, verkauft, er ſelbſt, der Mann — verkauſt wie ein Sklave in<lb/> Rew-Orleans.“ Auf Grund genauer officieller Unterſuchungen über die<lb/> Art der Steuereinnehmung im allgemeinen und über die angegebenen Um-<lb/> ſtände insbeſondere iſt die Peſth-Ofener Zeitung im Stand obige Correſpon-<lb/> denz als rein erdichtet, als eine böswillige Lüge zu bezeichnen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">* Romaushorn,</hi> 6 Jun.</dateline><lb/> <p>Auf der Reiſe von Zürich nach Stuttgart<lb/> begriffen, traf heute Mittag mit zahlreichem Gefolge die Kaiſerin-Wittwe<lb/> von Rußland nach einigem Aufenthalt zu Zürich mittelſt des Bahneilzugs<lb/> auf hieſigem Platz ein, und verſügte ſich mit einem Dampfboot nach Fried-<lb/> richshafen, woſelbſt ein Sonderzug der Bahn die Kaiſerin nach Berg bei<lb/> Stuttgart bringen wird. Günſtigere Witterung trat mit dem heutigen<lb/> Tag ein; der Fremdenzug über hieſigen Bodenſeeuferplatz geſtaltet ſich unter<lb/> dem Einfluß der Wetterlaunen und der politiſchen Zuſtände ſehr gering.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">.. Genf,</hi> 4 Jun.</dateline><lb/> <p>Außer der Kaiſerin-Wittwe von Rußland traf<lb/> auch noch Großfürſtin Helene hier ein, welche im H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel de la M<hi rendition="#aq">é</hi>tropole ab-<lb/> ſtieg. Die Kaiſerin beſuchte geſtern die hieſige griechiſch-katholiſche Kirche.<lb/> Im Gefolge Ihrer Majeſtät befanden ſich noch Graf Stroganow, der Ge-<lb/> mahl der Großfürſtin Marie, und Hr. v. Kiſſeleff. Die Abreiſe der Kaiſerin<lb/> war auf heute feſtgeſetzt. — Aus Chamouny wird gemeldet daß man nur<lb/> dauernd gutes Wetter abwarte, um auf dem Montblanc die franzöſiſche Tri-<lb/> colore, „die erſte Flagge der Welt,“ aufzupflanzen.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 4 Jun.</dateline><lb/> <p>Geſtern und vorgeſtern wüthete wieder ein furchtbarer Sturm an der<lb/> Südküſte, der vornehmlich in Brighton und deſſen Umgebung große Ver-<lb/> wüſtungen anrichtete. Bis zur Stunde ſind zwei Schiffbrüche gemeldet, doch<lb/> wurden in beiden Fällen die Mannſchaften durch Rettungsboote und Raketen-<lb/> apparate glücklich ans Ufer geſchafft, während die Fahrzeuge in Trümmer<lb/> giengen.</p><lb/> <p>Von der „Royal Society“ (für Künſte und Wiſſenſchaften) ſind ſolgende<lb/> nichtengliſche Gelehrte zu auswärtigen Mitgliedern erwählt worden: Alexan-<lb/> der Bache von Waſhington, Helmholtz aus Berlin, Kölliker aus Würzburg<lb/> und Berneuil aus Paris.</p><lb/> <p>Um die projectirte Telegraphenlinie nach Amerika, über Island, Grön-<lb/> land u. ſ. w., zu fördern, wird die engliſche Regierung durch den Dampfer<lb/> „Bulldog“ auf der angegebenen Linie die erforderlichen Sondirungen vorneh-<lb/> men laſſen, und wurde der durch ſeine Auſfindung von Franklins Spur<lb/> rühmlichſt bekannte Capitän M’Clintock zum Capitän dieſes Dampfers aus-<lb/> erkoren.</p><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 5 Jun.</dateline><lb/> <p>Es iſt in jedermanns Gedächtniß daß die Wiederherſtellung der natür-<lb/> lichen Gränzen — wir erinnern nur an die bekannte Broſchüre von Maſſon,<lb/> die das Programm der äußern Politik des zweiten Decembers mit anerken-<lb/> nenswerther Naivetät darlegte — als eine Lebensaufgabe Louis Napoleons be-<lb/> zeichnet wurde; daß L. Napoleon ſelbſt bei der Einverleibung Savoyens und<lb/> Nizza’s das Wort <hi rendition="#aq">revendiquer</hi> ausſprach, und wenn auch Hr. Thouvenel<lb/> eine beruhigende Aufklärung zu geben ſuchte, ſo wird man zu gelegener Zeit<lb/> andere finden deren Noten die richtige Interpretation zur Kenntniß der<lb/> Cabinette bringen — auch Walewski mußte ſterben und war mehr als du —;<lb/> daß in Straßburg ein förmliches Annexionsblatt gegründet wurde, wie es<lb/> ſcheint ohne Erfolg; daß noch vor kurzem ganz ungeſchent der <hi rendition="#g">Si<hi rendition="#aq">è</hi>cle</hi> und<lb/> der <hi rendition="#g">Spectateur militaire</hi> das Berlangen nach den Rheinprovinzen<lb/> ausſprechen durften, wie überhaupt das Thema der natürlichen Gränzen,<lb/> welche „ein Gebot Gottes“ ſind, wie ſeinerzeit die <hi rendition="#g">Patrie</hi> ſagte, in zahl-<lb/> reichen Broſchüren, Karten, Zeitungsartikeln ungeſcheut dargelegt worden iſt.</p><lb/> <p>Wenn das deutſche Volk, durch ſolch nichtswürdiges Treiben auf-<lb/> merkſam gemacht, ſich ungeſcheut dagegen ausſprach; wenn die zu-<lb/> nächſt berührten preußiſchen Kammern energiſch dagegen auftraten, ſo<lb/> waren ſie nicht nur in ihrem Recht, es war ihre Pflicht, weil der Gegner<lb/> aus dem Schweigen Rechte ableitet. Aber es heißt doch die Unverſchämtheit<lb/> weit treiben wenn die energiſchen Proteſte Deutſchlands als den Conflict<lb/> eigentlich provocirend dargeſtellt werden; wenn der zweite December daraus<lb/> Rechte ableiten will daß eine Nation ſich ſeine Anmaßungen nicht gefallen<lb/> läßt. So ſagt der <hi rendition="#g">Courrier du Dimanche</hi> in ſeiner Wochenſchau: „Be-<lb/> trachtet man die heftigen Reden auf dem preußiſchen Landtag über die Ge-<lb/> fahren welche angeblich die deutſchen Gränzen von Seiten Frankreichs be-<lb/> drohen, die zahlreichen Adreſſen mit der Erklärung daß die deutſche Nation<lb/> keinen Fußbreit Boden abtreten werde, ſo kommt man zum Schluß daß für<lb/> Frankreich wie für Preußen und ganz Europa in dieſen übelwollenden Inſinna-<lb/> tionen, in dieſen feindlichen Kundgebungen, die ſich offen in Deutſchland gegen<lb/> Frankreich zeigen, eine ernſte Gefahr liegt. Dazu kommt noch die befrem-<lb/> dende Haltung der Regierung des Prinz-Regenten. Er hat keine Klage<lb/> gegen Frankreich formulirt, ihm keinen Vorwurf gemacht, und dennoch läßt er<lb/> keine Gelegenheit ſeit einigen Monaten vorübergehen um ihm ſein Mißtrauen<lb/> zu bezeugen, ja beinahe eine Art Drohungen auszuſtoßen. Von allen Völkern<lb/> der Welt iſt das franzöſiſche dasjenige das am wenigſten ſich einſchüchtern<lb/> läßt. Die Moral aus dieſer Bemerkung iſt leicht zu entnehmen.“ Eine<lb/> andere Wendung, die aber im Reſultat auf das gleiche hinausläuft,<lb/> Deutſchland als das eigentlich händelſuchende darzuſtellen, und ſo einen<lb/> jener „gerechten“ Gründe vorzubereiten, mit denen jede Regierung ſich<lb/> vor Ausbruch eines Krieges umgibt, gebraucht die vierzehntägige Chronique<lb/> der officiöſen <hi rendition="#g">Revue Contemporaine</hi>. Sie ſagt: „Eine eigenthümliche Be-<lb/> deutung gewinnt die (von Frankreich zuerſt aufs Tapet gebrachte) Nationalitäten-<lb/> frage in Europa. Wir haben eben geſehen wie das piemonteſiſche Parlament die<lb/> Frage mit großer Wichtigkeit unterſuchte: ob die Einwohner Nizza’s Italiener<lb/> oder Franzoſen ſeyen. Zu andern Zeiten wäre eine ſolche Frage aufzuwerfen<lb/> gar nicht nöthig geweſen. Jeder bildete einen Theil der Nation mit welcher<lb/> er durch die neueſten Berträge und die vorhandenen Geſetze verknüpft war.<lb/> Wer birgt uns, nachdem das ethnologiſche Problem in Betreff Nizza’s gelöst iſt,<lb/> daß nicht bald ein noch ſchwierigeres und dunkleres auftauchen werde? Die<lb/> Deutſchen machen ſich darauf gefaßt, und da die Nationalitätsfragen ihr be-<lb/> ſonderes Gebiet ſind, ſo beeilen ſie ſich uns einen Vorwurf daraus zu machen<lb/> wenn wir uns auf dieſes Gebiet begeben. Uebrigens kommt bei dieſer Ma-<lb/> terie alles auf den Geſichtspunkt an von dem man ausgehen will; wenn wir<lb/> bis auf den Zeitpunkt zurückgehen wo Hamburg franzöſiſch war, ſo werden<lb/> unſere Nachbarn auf die Epoche zurückgehen wo Straßburg eine deutſche<lb/> Stadt war; wenn wir Karl den Großen citiren, ſo werden ſie ihn für ſich<lb/> in Anſpruch nehmen; wenn wir unglücklicherweiſe die Celten nennen, ſo<lb/> werden ſie die Kimmerier anführen. Man ſieht ein ethnologiſcher Congreß<lb/> würde der Sache kein Ende machen. Es iſt nur zu bedauern daß man ein<lb/> eben ſo vages nur in Verlegenheiten verwickelndes Princip aufgeſtellt hat. Das<lb/> Racenſyſtem erweckt die nationalen Leidenſchaften, die man beſſer hätte ein-<lb/> ſchlafen laſſen. Heute geht eine zitternde Bewegung durch ganz Deutſchland.<lb/> Man wird unſere Nachbarn ſchwerlich überzeugen daß wir den Rhein nicht<lb/> nehmen wollen. Es wäre überflüſſig zu unterſuchen was ihnen dieſe Furcht<lb/> einflößen konnte, und ob wir mit etwas mehr Klugheit dem hätten vorbeugen<lb/> können. Aber es iſt das Unglück dieſer Art von Ueberzeugungen daß ſie ge-<lb/> fährlich ſind, ſogar wenn ſie gar keinen Grund haben, und häufig die Ge-<lb/> fahren welche ſie vorausſehen wollen erſt entſtehen laſſen. Deutſchland<lb/> läßt keine Gelegenheit vorbeigehen gegen eine eventnelle Zerſtückelung zu pro-<lb/> teſtiren. Die Berliner Landtagsabgeordneten erklären: daß ein nationaler<lb/> Krieg allein das Privilegium haben würde alle Parteien zu vereinigen; der<lb/> hannoveriſche Landtag erhebt ſich energiſch gegen die Worte eines Miniſters<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2649/0005]
welche Conſequenzen ſich an dieſen Act nothwendigerweiſe knüpfen müßten?
Weiß er nicht daß die Hochſchule die Bilderin der Intelligenz eines Landes
iſt das auf ein ſeparaliſtiſches Staatsleben aus mehr als einem Grunde
keinen Anſpruch hat, und nur von einer innigen Verſchmelzung mit Oeſter-
reich die Erhaltung ſeiner Nationalitäten, ſolglich auch der magyariſchen, ja
dieſer vor allen, erwarten kann? Was die Studenten wollen will noch lange
nicht ganz Ungarn, und hätte Feldzeugmeiſter v. Benedek gewußt wie es ge-
kommen daß gelegentlich ſeines Beſuchs an der Univerſität die Collegien der
deutſch vortragenden Profeſſoren faſt leer geweſen ſind, und wie, um die
Wahrheit zu ſagen, die Mehrzahl der „akademiſchen Bürger,“ welche
er getroffen, ſich nur ungern zum Bleiben hatte bewegen laſſen: er würde
den Repräſentanten der Univerſitätsjugend, welche am 19 d. M. zu ihm in
die Burg beſchieden worden waren, noch kernhaſter entgegengetreten ſeyn als
dieß ohnehin geſchehen iſt. Die HH. Studioſen verſtehen erſt ſeit October
1859 die deutſche Sprache nicht; es hielte daher nicht ſchwer die frühere
Kenntniß wieder zur Geltung zu bringen, zumal wenn das Princip der Ein-
heit in den höhern Berwaltungs- und Geſellſchaftskreiſen von der Regierung
nicht aufgegeben wird. Conceſſionen an eine von Losreißungsideen geſchwän-
gerte demonſtrationsſüchtige Partei vergeudet, ſördern das Wohl der Mon-
archie nicht, denn ſelbſt ein Zurückgreiſen in das Jahr 1847, wie man es
vielſeitig wünſcht, würde hierzuland keine dauernde Ruhe begründen. Das
ganze Oeſterreich muß es ſeyn worauf man ſich ſtützt; nur in dem
Ganzen liegt die Kraft welche die centriſugalen Theile feſthalten und beglü-
cken kann
Peſth, 3 Jun.
Die Peſth-Ofener Ztg. bringt eine amtliche Be-
richtigung einer jener Tendenzlügen wie ſie vornehmlich in der Köln. Ztg.
und in der Times zu Hauſe ſind, und von hier aus die Runde namentlich
durch die deutſchen Blätter zu machen pflegen. Die Kölniſche Zeitung enthielt
nämlich in Nr. 80 vom 20 März die Ueberſetzung einer in der engliſchen
Zeitung Times abgedruckten Correſpondenz über das Steuerweſen in Ungarn,
in welcher folgende Stelle vorkommt: „Die öſterreichiſchen Beamten ver-
fahren mit unglaublicher Strenge. So ward in der Stadt Szekelyhid ein
Bauer der nicht im Stande war die von ihm geforderte bedeutende Summe
zu zahlen, geradezu an einen Pächter verkauft um den Steuerbetrag abzu-
arbeiten. Ja, verkauft, er ſelbſt, der Mann — verkauſt wie ein Sklave in
Rew-Orleans.“ Auf Grund genauer officieller Unterſuchungen über die
Art der Steuereinnehmung im allgemeinen und über die angegebenen Um-
ſtände insbeſondere iſt die Peſth-Ofener Zeitung im Stand obige Correſpon-
denz als rein erdichtet, als eine böswillige Lüge zu bezeichnen.
Schweiz.
* Romaushorn, 6 Jun.
Auf der Reiſe von Zürich nach Stuttgart
begriffen, traf heute Mittag mit zahlreichem Gefolge die Kaiſerin-Wittwe
von Rußland nach einigem Aufenthalt zu Zürich mittelſt des Bahneilzugs
auf hieſigem Platz ein, und verſügte ſich mit einem Dampfboot nach Fried-
richshafen, woſelbſt ein Sonderzug der Bahn die Kaiſerin nach Berg bei
Stuttgart bringen wird. Günſtigere Witterung trat mit dem heutigen
Tag ein; der Fremdenzug über hieſigen Bodenſeeuferplatz geſtaltet ſich unter
dem Einfluß der Wetterlaunen und der politiſchen Zuſtände ſehr gering.
.. Genf, 4 Jun.
Außer der Kaiſerin-Wittwe von Rußland traf
auch noch Großfürſtin Helene hier ein, welche im Hôtel de la Métropole ab-
ſtieg. Die Kaiſerin beſuchte geſtern die hieſige griechiſch-katholiſche Kirche.
Im Gefolge Ihrer Majeſtät befanden ſich noch Graf Stroganow, der Ge-
mahl der Großfürſtin Marie, und Hr. v. Kiſſeleff. Die Abreiſe der Kaiſerin
war auf heute feſtgeſetzt. — Aus Chamouny wird gemeldet daß man nur
dauernd gutes Wetter abwarte, um auf dem Montblanc die franzöſiſche Tri-
colore, „die erſte Flagge der Welt,“ aufzupflanzen.
Großbritannien.
London, 4 Jun.
Geſtern und vorgeſtern wüthete wieder ein furchtbarer Sturm an der
Südküſte, der vornehmlich in Brighton und deſſen Umgebung große Ver-
wüſtungen anrichtete. Bis zur Stunde ſind zwei Schiffbrüche gemeldet, doch
wurden in beiden Fällen die Mannſchaften durch Rettungsboote und Raketen-
apparate glücklich ans Ufer geſchafft, während die Fahrzeuge in Trümmer
giengen.
Von der „Royal Society“ (für Künſte und Wiſſenſchaften) ſind ſolgende
nichtengliſche Gelehrte zu auswärtigen Mitgliedern erwählt worden: Alexan-
der Bache von Waſhington, Helmholtz aus Berlin, Kölliker aus Würzburg
und Berneuil aus Paris.
Um die projectirte Telegraphenlinie nach Amerika, über Island, Grön-
land u. ſ. w., zu fördern, wird die engliſche Regierung durch den Dampfer
„Bulldog“ auf der angegebenen Linie die erforderlichen Sondirungen vorneh-
men laſſen, und wurde der durch ſeine Auſfindung von Franklins Spur
rühmlichſt bekannte Capitän M’Clintock zum Capitän dieſes Dampfers aus-
erkoren.
Frankreich.
Paris, 5 Jun.
Es iſt in jedermanns Gedächtniß daß die Wiederherſtellung der natür-
lichen Gränzen — wir erinnern nur an die bekannte Broſchüre von Maſſon,
die das Programm der äußern Politik des zweiten Decembers mit anerken-
nenswerther Naivetät darlegte — als eine Lebensaufgabe Louis Napoleons be-
zeichnet wurde; daß L. Napoleon ſelbſt bei der Einverleibung Savoyens und
Nizza’s das Wort revendiquer ausſprach, und wenn auch Hr. Thouvenel
eine beruhigende Aufklärung zu geben ſuchte, ſo wird man zu gelegener Zeit
andere finden deren Noten die richtige Interpretation zur Kenntniß der
Cabinette bringen — auch Walewski mußte ſterben und war mehr als du —;
daß in Straßburg ein förmliches Annexionsblatt gegründet wurde, wie es
ſcheint ohne Erfolg; daß noch vor kurzem ganz ungeſchent der Siècle und
der Spectateur militaire das Berlangen nach den Rheinprovinzen
ausſprechen durften, wie überhaupt das Thema der natürlichen Gränzen,
welche „ein Gebot Gottes“ ſind, wie ſeinerzeit die Patrie ſagte, in zahl-
reichen Broſchüren, Karten, Zeitungsartikeln ungeſcheut dargelegt worden iſt.
Wenn das deutſche Volk, durch ſolch nichtswürdiges Treiben auf-
merkſam gemacht, ſich ungeſcheut dagegen ausſprach; wenn die zu-
nächſt berührten preußiſchen Kammern energiſch dagegen auftraten, ſo
waren ſie nicht nur in ihrem Recht, es war ihre Pflicht, weil der Gegner
aus dem Schweigen Rechte ableitet. Aber es heißt doch die Unverſchämtheit
weit treiben wenn die energiſchen Proteſte Deutſchlands als den Conflict
eigentlich provocirend dargeſtellt werden; wenn der zweite December daraus
Rechte ableiten will daß eine Nation ſich ſeine Anmaßungen nicht gefallen
läßt. So ſagt der Courrier du Dimanche in ſeiner Wochenſchau: „Be-
trachtet man die heftigen Reden auf dem preußiſchen Landtag über die Ge-
fahren welche angeblich die deutſchen Gränzen von Seiten Frankreichs be-
drohen, die zahlreichen Adreſſen mit der Erklärung daß die deutſche Nation
keinen Fußbreit Boden abtreten werde, ſo kommt man zum Schluß daß für
Frankreich wie für Preußen und ganz Europa in dieſen übelwollenden Inſinna-
tionen, in dieſen feindlichen Kundgebungen, die ſich offen in Deutſchland gegen
Frankreich zeigen, eine ernſte Gefahr liegt. Dazu kommt noch die befrem-
dende Haltung der Regierung des Prinz-Regenten. Er hat keine Klage
gegen Frankreich formulirt, ihm keinen Vorwurf gemacht, und dennoch läßt er
keine Gelegenheit ſeit einigen Monaten vorübergehen um ihm ſein Mißtrauen
zu bezeugen, ja beinahe eine Art Drohungen auszuſtoßen. Von allen Völkern
der Welt iſt das franzöſiſche dasjenige das am wenigſten ſich einſchüchtern
läßt. Die Moral aus dieſer Bemerkung iſt leicht zu entnehmen.“ Eine
andere Wendung, die aber im Reſultat auf das gleiche hinausläuft,
Deutſchland als das eigentlich händelſuchende darzuſtellen, und ſo einen
jener „gerechten“ Gründe vorzubereiten, mit denen jede Regierung ſich
vor Ausbruch eines Krieges umgibt, gebraucht die vierzehntägige Chronique
der officiöſen Revue Contemporaine. Sie ſagt: „Eine eigenthümliche Be-
deutung gewinnt die (von Frankreich zuerſt aufs Tapet gebrachte) Nationalitäten-
frage in Europa. Wir haben eben geſehen wie das piemonteſiſche Parlament die
Frage mit großer Wichtigkeit unterſuchte: ob die Einwohner Nizza’s Italiener
oder Franzoſen ſeyen. Zu andern Zeiten wäre eine ſolche Frage aufzuwerfen
gar nicht nöthig geweſen. Jeder bildete einen Theil der Nation mit welcher
er durch die neueſten Berträge und die vorhandenen Geſetze verknüpft war.
Wer birgt uns, nachdem das ethnologiſche Problem in Betreff Nizza’s gelöst iſt,
daß nicht bald ein noch ſchwierigeres und dunkleres auftauchen werde? Die
Deutſchen machen ſich darauf gefaßt, und da die Nationalitätsfragen ihr be-
ſonderes Gebiet ſind, ſo beeilen ſie ſich uns einen Vorwurf daraus zu machen
wenn wir uns auf dieſes Gebiet begeben. Uebrigens kommt bei dieſer Ma-
terie alles auf den Geſichtspunkt an von dem man ausgehen will; wenn wir
bis auf den Zeitpunkt zurückgehen wo Hamburg franzöſiſch war, ſo werden
unſere Nachbarn auf die Epoche zurückgehen wo Straßburg eine deutſche
Stadt war; wenn wir Karl den Großen citiren, ſo werden ſie ihn für ſich
in Anſpruch nehmen; wenn wir unglücklicherweiſe die Celten nennen, ſo
werden ſie die Kimmerier anführen. Man ſieht ein ethnologiſcher Congreß
würde der Sache kein Ende machen. Es iſt nur zu bedauern daß man ein
eben ſo vages nur in Verlegenheiten verwickelndes Princip aufgeſtellt hat. Das
Racenſyſtem erweckt die nationalen Leidenſchaften, die man beſſer hätte ein-
ſchlafen laſſen. Heute geht eine zitternde Bewegung durch ganz Deutſchland.
Man wird unſere Nachbarn ſchwerlich überzeugen daß wir den Rhein nicht
nehmen wollen. Es wäre überflüſſig zu unterſuchen was ihnen dieſe Furcht
einflößen konnte, und ob wir mit etwas mehr Klugheit dem hätten vorbeugen
können. Aber es iſt das Unglück dieſer Art von Ueberzeugungen daß ſie ge-
fährlich ſind, ſogar wenn ſie gar keinen Grund haben, und häufig die Ge-
fahren welche ſie vorausſehen wollen erſt entſtehen laſſen. Deutſchland
läßt keine Gelegenheit vorbeigehen gegen eine eventnelle Zerſtückelung zu pro-
teſtiren. Die Berliner Landtagsabgeordneten erklären: daß ein nationaler
Krieg allein das Privilegium haben würde alle Parteien zu vereinigen; der
hannoveriſche Landtag erhebt ſich energiſch gegen die Worte eines Miniſters
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(2021-01-12T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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