Allgemeine Zeitung, Nr. 158, 6. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
Worte einzuschalten: "Compact zusammen im Westen und Centrum des Staats, "Die übrigen Stämme -- mit Ausnahme Italiens -- können auf einen "Es wäre das ärgste Mißverständniß zu meinen hiemit solle einer Miß- "Ueberhaupt ist das Germanisiren an der Donau, wie an der Moldau Damit ist bezeichnet was die Deutschen in Oesterreich zu leisten haben. Es ist "Die Einigung mit Deutschland muß der unabänderliche Gedanke der Mögen die Deutschen in Oesterreich nie vergessen daß alle Macht und Der Sturm an Pfingsten. * Von der Niederelbe, 31 Mai.Ganz merkwürdig in natur- [Spaltenumbruch]
Worte einzuſchalten: „Compact zuſammen im Weſten und Centrum des Staats, „Die übrigen Stämme — mit Ausnahme Italiens — können auf einen „Es wäre das ärgſte Mißverſtändniß zu meinen hiemit ſolle einer Miß- „Ueberhaupt iſt das Germaniſiren an der Donau, wie an der Moldau Damit iſt bezeichnet was die Deutſchen in Oeſterreich zu leiſten haben. Es iſt „Die Einigung mit Deutſchland muß der unabänderliche Gedanke der Mögen die Deutſchen in Oeſterreich nie vergeſſen daß alle Macht und Der Sturm an Pfingsten. * Von der Niederelbe, 31 Mai.Ganz merkwürdig in natur- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="2639"/><cb/> Worte einzuſchalten: „Compact zuſammen im Weſten und Centrum des Staats,<lb/> in breiter Anlehnung an das übrige Deutſchland, durchzieht und verflicht<lb/> das deutſche Element die ganze Monarchie, bildet den Kern des Mittelſtan-<lb/> des, der Städte in faſt allen Gebieten, der Induſtrie und der Intelligenz,<lb/> und zieht aus dem reichen Quell einer mächtigen Nationalcultur, wie die<lb/> deutſche, immer neue Nahrung.</p><lb/> <p>„Die übrigen Stämme — mit Ausnahme Italiens — können auf einen<lb/> ſolchen nahen friſchen Lebensquell nicht zurückgreifen, vielmehr ſind ſie mit<lb/> ihren höheren Bildungsbedürfniſſen eben ſelbſt nur wieder auf die deutſche<lb/> Cultur hingewieſen. Und eben weil dieſe das weſentliche Bildungsferment<lb/> auch für die andern Stämme bildet, darum liegt die Ausbreitung und Stär-<lb/> kung der deutſchen Cultur auch in ihrem eigenen wohlverſtandenen Intereſſe.<lb/> Für ſie alle gibt es nur <hi rendition="#g">eine</hi> Quelle höherer Civiliſation, und es kommt nur<lb/> darauf an, dieſe Quelle ſo reichlich fließen, mit Beihülfe der anderen Ver-<lb/> kehrsmittel und der Schule für alle Glieder Oeſterreichs ſo zugänglich und ſo<lb/> fruchtbar wie immer möglich zu machen.</p><lb/> <p>„Es wäre das ärgſte Mißverſtändniß zu meinen hiemit ſolle einer Miß-<lb/> achtung, Kränkung, Maßregelung der landſchaftlich nationellen Beſonderhei-<lb/> ten — dem ſogenannten Germaniſtreu — das Wort geredt werden. Im Ge-<lb/> gentheil! Wir wünſchen allen Volksſtämmen in Oeſterreich die vollſte Ent-<lb/> faltung und Geltendmachung ihrer Kräfte, ein Ausbilden ihrer Eigenheiten<lb/> in jeder Richtung, und ſo gut ſie es vermögen, innerhalb der nothwendigen<lb/> geſammtſtaatlichen Zwecke. Für das deutſche Weſen, im Vertrauen auf ſeine<lb/> Wiſſenſchaft, Arbeits- und ſittliche Kraft wünſchen wir gar nichts als einen<lb/> unbeengten Spielraum, volle Freiheit der Bewegung im Intereſſe der verſchie-<lb/> denen Stämme ſelbſt.</p><lb/> <p>„Ueberhaupt iſt das Germaniſiren an der Donau, wie an der Moldau<lb/> und Weichſel, oft ſehr engherzig aufgefaßt worden. Es iſt thöricht zu meinen<lb/> der dentſche Einfluß könne ſich nur in dem Maß ausdehnen, als die einheimi-<lb/> ſchen Idiome der deutſchen Sprache der Platz einräumen. Ungleich wichtiger<lb/> iſt die Durchbildung der Bevölkerung den deutſchen Ideen und Auſchauun-<lb/> gen, und hiezu kann gerade die Ausbildung in provinciellen Landesſprachen<lb/> die geeignetſte Handhabe darbieten. Schon als weſentliches Mittel der Volks-<lb/> bildung müſſen die Landesſprachen bebaut werden. Durch die Pflege ihres<lb/> eigenen Idioms dringen die Volksſtämme der Donauwelt nur um ſo bälder<lb/> und leichter in den deutſchen Ideenkreis ein, durchdringen ſich mit deutſchen<lb/> Anſchauungen, und werden heimiſch in deutſcher Geſittung.“</p><lb/> <p>Damit iſt bezeichnet was die Deutſchen in Oeſterreich zu leiſten haben. 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Wir ſagen wohl mit Recht, geſtützt auf jene Autorität, daß<lb/> an der Spitze der Berwaltung Oeſterreichs der Gedanke ſtehen muß daß das<lb/> Donaureich ein integrirender Beſtandtheil Deutſchlands iſt.</p><lb/> <p>„Die Einigung mit Deutſchland muß der unabänderliche Gedanke der<lb/> öſterreichiſchen Politik ſeyn,“ war die Grundmaxime des Frhrn. v. Bruck.<lb/> Wir ſuchen dieſe Einigung um unſerer Wohlfahrt willen; wir dürfen, ver-<lb/> weiſend auf die Hinterlaſſenſchaft des großen Todten, hinzufügen daß ſie<lb/> Oeſterreich nicht minder um ſeiner Wohlfahrt willen bedarf. Wir werden<lb/> nicht müde werden die Bedeutung darzuthun die Oeſterreich im deutſchen<lb/> Leben hat, jeden Schritt den es vorwärts thut auf der Bahn des Fortſchritts<lb/> und der Freiheit jubelnd zu begrüßen und zu verkünden; was wir aber dafür<lb/> von Oeſterreich, namentlich von den Deutſchen im Donaureich, erwarten<lb/> dürfen, iſt daß ſie umgekehrt im innigen Anſchluß an das deutſche Volk ihren<lb/> Stolz, ihre Stärke und ihre Stütze ſuchen, dieſes als den ſichern Hort für ihre<lb/> Gegenwart wie für ihre Zukunft erkennen, daß ſie mit aller Macht danach<lb/> ſtreben dieſen Anſchluß im Geiſt und Weſen immer inniger zu machen, daß<lb/> ſie raſtlos „arbeiten und ſparen,“ damit die kommende Generation auf die<lb/> Schultern der alten treten kann.</p><lb/> <p>Mögen die Deutſchen in Oeſterreich nie vergeſſen daß alle Macht und<lb/> alle Freiheit nur auf dieſer Baſis ruht, daß es eben der Stolz des deutſcheu<lb/> Volks iſt dieſes von je erkannt zu haben. Kampf iſt die Aufgabe des Lebens,<lb/> ſey es gegen den Menſchen oder die Natur; und es gibt nur <hi rendition="#g">eine</hi> Weiſe dauernd<lb/> zu ſiegen, dieſe iſt: „arbeiten und ſparen.“</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jWeatherReports" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Sturm an Pfingsten.</hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Von der Niederelbe,</hi> 31 Mai.</dateline><lb/> <p>Ganz merkwürdig in natur-<lb/> wiſſenſchaftlicher Hinſicht iſt der ſehr heftige, rotatoriſche Donnerſturm welcher<lb/> in den letzten Pfingſtragen unſere norddeutſchen Länder, die Nordſee, Holland<lb/> und England heimgeſucht, doch in Weſteuropa mit weit größerer Gewalt und<lb/> Zerſtörung als dahier gewüthet hat. Die Bahn dieſes Sturms ſowohl als<lb/> ihr Durchmeſſer hat eine ungeheure Ausdehnung gehabt. Man hat ſchwerlich<lb/> in unſerm Jahrhundert zu dieſer Jahreszeit ſeines Gleichen erlebt. Es wird<lb/> für jeden Leſer, insbeſondere für Naturforſcher, von Intereffe ſeyn die Be-<lb/> ſchaffenheit der Witterung zu erfahren die dem beſagten Cyklon vorhergegangen<lb/> iſt. Auf eine Hitze von 23° R. im Schatten in unſern Breiten, welche<lb/> von ungewöhnlich ſchweren Gewittern begleitet war, folgte ein zweitägiger<lb/> Höhenrauch, worauf am 26 die Wettergläſer ſtark ſanken. Schon Morgens<lb/> früh den 27 wehte der Wind recht heftig aus S.-W. z. W. durch bei ſtarkem<lb/> Regen, welcher bis Morgens um 8 Uhr dauerte. Doch war es nur erſt ein<lb/> halber Sturm. Vormittags um 11 Uhr kam eine ziemlich beſtige Wind-<lb/> und Regenböe, und die Windmühlen giengen fortan an allen Flügeln gerecht.<lb/> Es wehte alſo noch kein ganzer Sturm. Mitten am Nachmittag ſtillte es<lb/> eine Stunde lang ab. Danach brach ein völliger Sturm aus W.-N.-W.<lb/> herein mit unabläſſigem Regenguß welcher bis Abends nach 9 Uhr fort-<lb/> dauerte. Der Wind wehte mit winterlicher Sturmgewalt. In der folgenden<lb/> Nacht war beſſeres Wetter. Am 28 Mai — kein Sturm wehte mehr — wor<lb/> der Wind Morgens ſteif aus S.-W., ſpäter zunehmend und Mittags mit einem<lb/> Rezenſchauer nach S.-S.-O. hinaufgehend. Faſt den ganzen Tag goß der<lb/> Regen herab bei ſteifem Winde, der um reichlich 4 Uhr Nachmittags wieder<lb/> nach S.-W. umgieng. Ein Sturm von ſolcher Stärke wie am 27 Mai 1860<lb/> iſt etwas ſeltenes. Der Temperaturwechſel von der Hitze zur Kälte wies<lb/> einen Unterſchied von 16 bis 18 R. auf! Es war ſo kalt geworden daß<lb/> viele einheizten. In Holland und England wehte der Pfingſtſturm orkan-<lb/> artig, und zwar aus N.-W., in einigen Gegenden Englands aus N. z. W.,<lb/> und richtete in beiden Ländern an Bäumen, Garten- und Feldgewächſen, Ge-<lb/> bäuden und Schiffen große Verwüſtungen an. In Holland ſowohl als in<lb/> England wehte er am zweiten Pfingſltag am ſtärkſten. Bei Arnheim und<lb/> Rotterdam wurden manche Bäume entwurzelt, zu Rotterdam war hohes<lb/> Waſſer, im Haag wurden viele Dächer und Schornſteine arg beſchädigt, und<lb/> im Haag’ſchen Boſch, im langen Vorholz und auf dem Ryswyk’ſchen Wege<lb/> waren die Verherrungen fürchterlich. Die ſtärkſten und ſchönſten Bäume<lb/> wurden hier mit den Wurzeln aus dem Boden geriſſen. Der ſchwere N.-W.-<lb/> Sturm hielt im Haag am 28 Mai den ganzen Tag bis ſpät Abends an. Alte<lb/> Lente, ſchreibt man aus Arnheim, können ſich nicht erinnern je um Pfingſten<lb/> einen ſo ſchweren Sturm erlebt zu haben. Zu Scheveningen ward der<lb/> Dampfer „Thereſia“ auf ſeiner Fahrt von Glasgow nach Rotterdam auf<lb/> den Strand geworfen. Auch aus England ſchreibt man daß man dort viel-<lb/> leicht nie an Pfingſten einen ſolchen Sturm erlebt habe. In Nordengland<lb/> (zu Liverpool und Scarborough) wehte er noch heftiger als in Südengland.<lb/> Die Temperatur war auch in England jannarartig. Der Schaden an der<lb/> Vegetation, beſonders am Obſt, iſt unberechenbar. Schloſſen, Schnee und<lb/> Hagel begleiteten außer Regengüſſen den Sturm. Die Hagelſteine waren in<lb/> einigen Gegenden Englands von ungeheurer Größe. In London wehte es<lb/> ſchon am 27 ſtark, viel ſtärker aber am 28. In Nordengland begann der<lb/> Sturm in der Nacht zum 28. In Liverpool dauerte er von Sonntag Nachts<lb/> an den ganzen Montag, wehte mit ungewöhnlicher Gewalt und richtete viel<lb/> Haoarie unter den Schiffen an. Zu Scarborough in Yorkſhire regnete es<lb/> am 28 von 2 bis 9 Uhr Morgens Dachziegel und Schornſteine, und die<lb/> Straßen lagen voll Trümmer. Zwei neue Häuſer wehten nieder, und an<lb/> der Nordſeite der Stadt blieb kaum ein Fenſter ganz. An dem Fiſcherplatz<lb/> Filey bei Bridlington in Yorkſhire wurden von 22 Seejollen 13 zertrümmert,<lb/> wodurch der Ort einen Schaden von 10,000 Pf. St. erlitt. Nach faſt<lb/> völliger Windſtille brach dort aus N. z. W. der Sturm plötzlich herein. In<lb/> Northumberland geſchah dieß bei Tagesanbruch am 28, und der Sturm<lb/> wüthete in ſchweren Stößen bis 9 Uhr. Das Wetter war äußerſt kalt und<lb/> winterlich. In Plymouth wehte es ſchon am Sonntag Nachmittag (wie an der<lb/> Niederelbe) ſehr hart aus der weſtlichen Gegend. Der am 26 d. von Ham-<lb/> burg nach London abgegangene engliſche Dampfer „Harburg“ gieng beim<lb/> Texel gänzlich verloren, jedoch die Mannſchaft wurde gerettet. Wer weiß wie<lb/> viele Seeunglücke in der Nordſee geſchehen ſind! In Norwegen iſt der Pfingſt-<lb/> ſturm nicht geweſen. „Morgenbladet“ (Chriſtiania) vom 29 Mai meldet:<lb/> Nachts zum erſten Pfingſttage regnete es bis Morgens faſt unabläſſig. Weiter<lb/> wird nichts geſagt. Auch die däniſchen Blätter (Kopenhagen) vom 30 Mai<lb/> theilen nichts von Sturm an Pſingſten mit, nur eines ſpricht von unbeſtän-<lb/> digem Wetter. Der von Rotterdam nach Capelle fahrende Dampfer ſchlug<lb/> am 28 auf dem Merwede um, und vierzig bis fünzig Menſchen ertranken.<lb/> Nach dem „Nienwe Rotter damer Cour.“ vom 30 wehte der Sturm im Haag<lb/> aus S.-W. Obgleich auf der Landſtraße nach Scheveniugen die Paſſage für<lb/> Fuhrwerke an vielen Stellen durch umgewehte Bäume gehemmt war, begaben<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2639/0011]
Worte einzuſchalten: „Compact zuſammen im Weſten und Centrum des Staats,
in breiter Anlehnung an das übrige Deutſchland, durchzieht und verflicht
das deutſche Element die ganze Monarchie, bildet den Kern des Mittelſtan-
des, der Städte in faſt allen Gebieten, der Induſtrie und der Intelligenz,
und zieht aus dem reichen Quell einer mächtigen Nationalcultur, wie die
deutſche, immer neue Nahrung.
„Die übrigen Stämme — mit Ausnahme Italiens — können auf einen
ſolchen nahen friſchen Lebensquell nicht zurückgreifen, vielmehr ſind ſie mit
ihren höheren Bildungsbedürfniſſen eben ſelbſt nur wieder auf die deutſche
Cultur hingewieſen. Und eben weil dieſe das weſentliche Bildungsferment
auch für die andern Stämme bildet, darum liegt die Ausbreitung und Stär-
kung der deutſchen Cultur auch in ihrem eigenen wohlverſtandenen Intereſſe.
Für ſie alle gibt es nur eine Quelle höherer Civiliſation, und es kommt nur
darauf an, dieſe Quelle ſo reichlich fließen, mit Beihülfe der anderen Ver-
kehrsmittel und der Schule für alle Glieder Oeſterreichs ſo zugänglich und ſo
fruchtbar wie immer möglich zu machen.
„Es wäre das ärgſte Mißverſtändniß zu meinen hiemit ſolle einer Miß-
achtung, Kränkung, Maßregelung der landſchaftlich nationellen Beſonderhei-
ten — dem ſogenannten Germaniſtreu — das Wort geredt werden. Im Ge-
gentheil! Wir wünſchen allen Volksſtämmen in Oeſterreich die vollſte Ent-
faltung und Geltendmachung ihrer Kräfte, ein Ausbilden ihrer Eigenheiten
in jeder Richtung, und ſo gut ſie es vermögen, innerhalb der nothwendigen
geſammtſtaatlichen Zwecke. Für das deutſche Weſen, im Vertrauen auf ſeine
Wiſſenſchaft, Arbeits- und ſittliche Kraft wünſchen wir gar nichts als einen
unbeengten Spielraum, volle Freiheit der Bewegung im Intereſſe der verſchie-
denen Stämme ſelbſt.
„Ueberhaupt iſt das Germaniſiren an der Donau, wie an der Moldau
und Weichſel, oft ſehr engherzig aufgefaßt worden. Es iſt thöricht zu meinen
der dentſche Einfluß könne ſich nur in dem Maß ausdehnen, als die einheimi-
ſchen Idiome der deutſchen Sprache der Platz einräumen. Ungleich wichtiger
iſt die Durchbildung der Bevölkerung den deutſchen Ideen und Auſchauun-
gen, und hiezu kann gerade die Ausbildung in provinciellen Landesſprachen
die geeignetſte Handhabe darbieten. Schon als weſentliches Mittel der Volks-
bildung müſſen die Landesſprachen bebaut werden. Durch die Pflege ihres
eigenen Idioms dringen die Volksſtämme der Donauwelt nur um ſo bälder
und leichter in den deutſchen Ideenkreis ein, durchdringen ſich mit deutſchen
Anſchauungen, und werden heimiſch in deutſcher Geſittung.“
Damit iſt bezeichnet was die Deutſchen in Oeſterreich zu leiſten haben. Es iſt
nicht nationale Ueberſchätzung deutſcher Kraft wenn wir ſagen daß, wie Oeſter-
reichs Leben und Gedeihen eine Grundbedingung zur Entwicklung Deutſchlands
zu einer wahren Weltmacht iſt, um ſeine Gegenwart wie ſeine Zukunft zu ſichern,
wiederum auch das deutſche Element im Donaureich vor allem berufen iſt der
Träger der Entfaltung Oeſterreichs zu ſeyn; daß ſomit derjenige nicht bloß
Deutſchlands, ſondern auch Oeſterreichs größter Feind iſt der die Bewegung
des deutſchen Elements zu beſchränken droht, der es in irgen deiner Richtung
unter dem Vorwande abſperrt daß dadurch ſonſt die Rechte der andern Na-
tionalitäten beſchränkt würden. Die Deutſchen verlangen keine Unterſtützung,
ſondern nur das freie Spiel der Kräfte; aus dieſem allein kann ſich „das
neue Oeſterreich“ geſtalten, von ihm hängt ſein Fortſchritt und ſeine Ge-
ſundheit ab. Wir ſagen wohl mit Recht, geſtützt auf jene Autorität, daß
an der Spitze der Berwaltung Oeſterreichs der Gedanke ſtehen muß daß das
Donaureich ein integrirender Beſtandtheil Deutſchlands iſt.
„Die Einigung mit Deutſchland muß der unabänderliche Gedanke der
öſterreichiſchen Politik ſeyn,“ war die Grundmaxime des Frhrn. v. Bruck.
Wir ſuchen dieſe Einigung um unſerer Wohlfahrt willen; wir dürfen, ver-
weiſend auf die Hinterlaſſenſchaft des großen Todten, hinzufügen daß ſie
Oeſterreich nicht minder um ſeiner Wohlfahrt willen bedarf. Wir werden
nicht müde werden die Bedeutung darzuthun die Oeſterreich im deutſchen
Leben hat, jeden Schritt den es vorwärts thut auf der Bahn des Fortſchritts
und der Freiheit jubelnd zu begrüßen und zu verkünden; was wir aber dafür
von Oeſterreich, namentlich von den Deutſchen im Donaureich, erwarten
dürfen, iſt daß ſie umgekehrt im innigen Anſchluß an das deutſche Volk ihren
Stolz, ihre Stärke und ihre Stütze ſuchen, dieſes als den ſichern Hort für ihre
Gegenwart wie für ihre Zukunft erkennen, daß ſie mit aller Macht danach
ſtreben dieſen Anſchluß im Geiſt und Weſen immer inniger zu machen, daß
ſie raſtlos „arbeiten und ſparen,“ damit die kommende Generation auf die
Schultern der alten treten kann.
Mögen die Deutſchen in Oeſterreich nie vergeſſen daß alle Macht und
alle Freiheit nur auf dieſer Baſis ruht, daß es eben der Stolz des deutſcheu
Volks iſt dieſes von je erkannt zu haben. Kampf iſt die Aufgabe des Lebens,
ſey es gegen den Menſchen oder die Natur; und es gibt nur eine Weiſe dauernd
zu ſiegen, dieſe iſt: „arbeiten und ſparen.“
Der Sturm an Pfingsten.
* Von der Niederelbe, 31 Mai.
Ganz merkwürdig in natur-
wiſſenſchaftlicher Hinſicht iſt der ſehr heftige, rotatoriſche Donnerſturm welcher
in den letzten Pfingſtragen unſere norddeutſchen Länder, die Nordſee, Holland
und England heimgeſucht, doch in Weſteuropa mit weit größerer Gewalt und
Zerſtörung als dahier gewüthet hat. Die Bahn dieſes Sturms ſowohl als
ihr Durchmeſſer hat eine ungeheure Ausdehnung gehabt. Man hat ſchwerlich
in unſerm Jahrhundert zu dieſer Jahreszeit ſeines Gleichen erlebt. Es wird
für jeden Leſer, insbeſondere für Naturforſcher, von Intereffe ſeyn die Be-
ſchaffenheit der Witterung zu erfahren die dem beſagten Cyklon vorhergegangen
iſt. Auf eine Hitze von 23° R. im Schatten in unſern Breiten, welche
von ungewöhnlich ſchweren Gewittern begleitet war, folgte ein zweitägiger
Höhenrauch, worauf am 26 die Wettergläſer ſtark ſanken. Schon Morgens
früh den 27 wehte der Wind recht heftig aus S.-W. z. W. durch bei ſtarkem
Regen, welcher bis Morgens um 8 Uhr dauerte. Doch war es nur erſt ein
halber Sturm. Vormittags um 11 Uhr kam eine ziemlich beſtige Wind-
und Regenböe, und die Windmühlen giengen fortan an allen Flügeln gerecht.
Es wehte alſo noch kein ganzer Sturm. Mitten am Nachmittag ſtillte es
eine Stunde lang ab. Danach brach ein völliger Sturm aus W.-N.-W.
herein mit unabläſſigem Regenguß welcher bis Abends nach 9 Uhr fort-
dauerte. Der Wind wehte mit winterlicher Sturmgewalt. In der folgenden
Nacht war beſſeres Wetter. Am 28 Mai — kein Sturm wehte mehr — wor
der Wind Morgens ſteif aus S.-W., ſpäter zunehmend und Mittags mit einem
Rezenſchauer nach S.-S.-O. hinaufgehend. Faſt den ganzen Tag goß der
Regen herab bei ſteifem Winde, der um reichlich 4 Uhr Nachmittags wieder
nach S.-W. umgieng. Ein Sturm von ſolcher Stärke wie am 27 Mai 1860
iſt etwas ſeltenes. Der Temperaturwechſel von der Hitze zur Kälte wies
einen Unterſchied von 16 bis 18 R. auf! Es war ſo kalt geworden daß
viele einheizten. In Holland und England wehte der Pfingſtſturm orkan-
artig, und zwar aus N.-W., in einigen Gegenden Englands aus N. z. W.,
und richtete in beiden Ländern an Bäumen, Garten- und Feldgewächſen, Ge-
bäuden und Schiffen große Verwüſtungen an. In Holland ſowohl als in
England wehte er am zweiten Pfingſltag am ſtärkſten. Bei Arnheim und
Rotterdam wurden manche Bäume entwurzelt, zu Rotterdam war hohes
Waſſer, im Haag wurden viele Dächer und Schornſteine arg beſchädigt, und
im Haag’ſchen Boſch, im langen Vorholz und auf dem Ryswyk’ſchen Wege
waren die Verherrungen fürchterlich. Die ſtärkſten und ſchönſten Bäume
wurden hier mit den Wurzeln aus dem Boden geriſſen. Der ſchwere N.-W.-
Sturm hielt im Haag am 28 Mai den ganzen Tag bis ſpät Abends an. Alte
Lente, ſchreibt man aus Arnheim, können ſich nicht erinnern je um Pfingſten
einen ſo ſchweren Sturm erlebt zu haben. Zu Scheveningen ward der
Dampfer „Thereſia“ auf ſeiner Fahrt von Glasgow nach Rotterdam auf
den Strand geworfen. Auch aus England ſchreibt man daß man dort viel-
leicht nie an Pfingſten einen ſolchen Sturm erlebt habe. In Nordengland
(zu Liverpool und Scarborough) wehte er noch heftiger als in Südengland.
Die Temperatur war auch in England jannarartig. Der Schaden an der
Vegetation, beſonders am Obſt, iſt unberechenbar. Schloſſen, Schnee und
Hagel begleiteten außer Regengüſſen den Sturm. Die Hagelſteine waren in
einigen Gegenden Englands von ungeheurer Größe. In London wehte es
ſchon am 27 ſtark, viel ſtärker aber am 28. In Nordengland begann der
Sturm in der Nacht zum 28. In Liverpool dauerte er von Sonntag Nachts
an den ganzen Montag, wehte mit ungewöhnlicher Gewalt und richtete viel
Haoarie unter den Schiffen an. Zu Scarborough in Yorkſhire regnete es
am 28 von 2 bis 9 Uhr Morgens Dachziegel und Schornſteine, und die
Straßen lagen voll Trümmer. Zwei neue Häuſer wehten nieder, und an
der Nordſeite der Stadt blieb kaum ein Fenſter ganz. An dem Fiſcherplatz
Filey bei Bridlington in Yorkſhire wurden von 22 Seejollen 13 zertrümmert,
wodurch der Ort einen Schaden von 10,000 Pf. St. erlitt. Nach faſt
völliger Windſtille brach dort aus N. z. W. der Sturm plötzlich herein. In
Northumberland geſchah dieß bei Tagesanbruch am 28, und der Sturm
wüthete in ſchweren Stößen bis 9 Uhr. Das Wetter war äußerſt kalt und
winterlich. In Plymouth wehte es ſchon am Sonntag Nachmittag (wie an der
Niederelbe) ſehr hart aus der weſtlichen Gegend. Der am 26 d. von Ham-
burg nach London abgegangene engliſche Dampfer „Harburg“ gieng beim
Texel gänzlich verloren, jedoch die Mannſchaft wurde gerettet. Wer weiß wie
viele Seeunglücke in der Nordſee geſchehen ſind! In Norwegen iſt der Pfingſt-
ſturm nicht geweſen. „Morgenbladet“ (Chriſtiania) vom 29 Mai meldet:
Nachts zum erſten Pfingſttage regnete es bis Morgens faſt unabläſſig. Weiter
wird nichts geſagt. Auch die däniſchen Blätter (Kopenhagen) vom 30 Mai
theilen nichts von Sturm an Pſingſten mit, nur eines ſpricht von unbeſtän-
digem Wetter. Der von Rotterdam nach Capelle fahrende Dampfer ſchlug
am 28 auf dem Merwede um, und vierzig bis fünzig Menſchen ertranken.
Nach dem „Nienwe Rotter damer Cour.“ vom 30 wehte der Sturm im Haag
aus S.-W. Obgleich auf der Landſtraße nach Scheveniugen die Paſſage für
Fuhrwerke an vielen Stellen durch umgewehte Bäume gehemmt war, begaben
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(2021-11-18T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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