Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Schatten.

Kaum aber war der freiwillige Bettler davonge¬
laufen und Zarathustra wieder mit sich allein, da hörte
er hinter sich eine neue Stimme: die rief "Halt! Zara¬
thustra! So warte doch! Ich bin's ja, oh Zarathustra,
ich, dein Schatten!" Aber Zarathustra wartete nicht,
denn ein plötzlicher Verdruss überkam ihn ob des vielen
Zudrangs und Gedrängs in seinen Bergen. "Wo ist
meine Einsamkeit hin? sprach er.

Es wird mir wahrlich zu viel; diess Gebirge wim¬
melt, mein Reich ist nicht mehr von dieser Welt,
ich brauche neue Berge.

Mein Schatten ruft mich? Was liegt an meinem
Schatten! Mag er mir nachlaufen! ich -- laufe ihm
davon."

Also sprach Zarathustra zu seinem Herzen und
lief davon. Aber Der, welcher hinter ihm war, folgte
ihm nach: so dass alsbald drei Laufende hinter ein¬
ander her waren, nämlich voran der freiwillige Bettler,
dann Zarathustra und zudritt und -hinterst sein
Schatten. Nicht lange liefen sie so, da kam Zara¬
thustra zur Besinnung über seine Thorheit und schüt¬
telte mit Einem Rucke allen Verdruss und Überdruss
von sich.

Der Schatten.

Kaum aber war der freiwillige Bettler davonge¬
laufen und Zarathustra wieder mit sich allein, da hörte
er hinter sich eine neue Stimme: die rief „Halt! Zara¬
thustra! So warte doch! Ich bin's ja, oh Zarathustra,
ich, dein Schatten!“ Aber Zarathustra wartete nicht,
denn ein plötzlicher Verdruss überkam ihn ob des vielen
Zudrangs und Gedrängs in seinen Bergen. „Wo ist
meine Einsamkeit hin? sprach er.

Es wird mir wahrlich zu viel; diess Gebirge wim¬
melt, mein Reich ist nicht mehr von dieser Welt,
ich brauche neue Berge.

Mein Schatten ruft mich? Was liegt an meinem
Schatten! Mag er mir nachlaufen! ich — laufe ihm
davon.“

Also sprach Zarathustra zu seinem Herzen und
lief davon. Aber Der, welcher hinter ihm war, folgte
ihm nach: so dass alsbald drei Laufende hinter ein¬
ander her waren, nämlich voran der freiwillige Bettler,
dann Zarathustra und zudritt und -hinterst sein
Schatten. Nicht lange liefen sie so, da kam Zara¬
thustra zur Besinnung über seine Thorheit und schüt¬
telte mit Einem Rucke allen Verdruss und Überdruss
von sich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0062" n="55"/>
      <div n="1">
        <head>Der Schatten.<lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Kaum aber war der freiwillige Bettler davonge¬<lb/>
laufen und Zarathustra wieder mit sich allein, da hörte<lb/>
er hinter sich eine neue Stimme: die rief &#x201E;Halt! Zara¬<lb/>
thustra! So warte doch! Ich bin's ja, oh Zarathustra,<lb/>
ich, dein Schatten!&#x201C; Aber Zarathustra wartete nicht,<lb/>
denn ein plötzlicher Verdruss überkam ihn ob des vielen<lb/>
Zudrangs und Gedrängs in seinen Bergen. &#x201E;Wo ist<lb/>
meine Einsamkeit hin? sprach er.</p><lb/>
        <p>Es wird mir wahrlich zu viel; diess Gebirge wim¬<lb/>
melt, mein Reich ist nicht mehr von <hi rendition="#g">dieser</hi> Welt,<lb/>
ich brauche neue Berge.</p><lb/>
        <p>Mein Schatten ruft mich? Was liegt an meinem<lb/>
Schatten! Mag er mir nachlaufen! ich &#x2014; laufe ihm<lb/>
davon.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Also sprach Zarathustra zu seinem Herzen und<lb/>
lief davon. Aber Der, welcher hinter ihm war, folgte<lb/>
ihm nach: so dass alsbald drei Laufende hinter ein¬<lb/>
ander her waren, nämlich voran der freiwillige Bettler,<lb/>
dann Zarathustra und zudritt und -hinterst sein<lb/>
Schatten. Nicht lange liefen sie so, da kam Zara¬<lb/>
thustra zur Besinnung über seine Thorheit und schüt¬<lb/>
telte mit Einem Rucke allen Verdruss und Überdruss<lb/>
von sich.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0062] Der Schatten. Kaum aber war der freiwillige Bettler davonge¬ laufen und Zarathustra wieder mit sich allein, da hörte er hinter sich eine neue Stimme: die rief „Halt! Zara¬ thustra! So warte doch! Ich bin's ja, oh Zarathustra, ich, dein Schatten!“ Aber Zarathustra wartete nicht, denn ein plötzlicher Verdruss überkam ihn ob des vielen Zudrangs und Gedrängs in seinen Bergen. „Wo ist meine Einsamkeit hin? sprach er. Es wird mir wahrlich zu viel; diess Gebirge wim¬ melt, mein Reich ist nicht mehr von dieser Welt, ich brauche neue Berge. Mein Schatten ruft mich? Was liegt an meinem Schatten! Mag er mir nachlaufen! ich — laufe ihm davon.“ Also sprach Zarathustra zu seinem Herzen und lief davon. Aber Der, welcher hinter ihm war, folgte ihm nach: so dass alsbald drei Laufende hinter ein¬ ander her waren, nämlich voran der freiwillige Bettler, dann Zarathustra und zudritt und -hinterst sein Schatten. Nicht lange liefen sie so, da kam Zara¬ thustra zur Besinnung über seine Thorheit und schüt¬ telte mit Einem Rucke allen Verdruss und Überdruss von sich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/62
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/62>, abgerufen am 03.12.2024.