Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.Finger an den Mund und sprach wiederum: "Kommt! Kommt! Kommt! Kommt! Lasst uns jetzo 3. Ihr höheren Menschen, es geht gen Mitternacht: da -- so heimlich, so schrecklich, so herzlich, wie jene -- welche schon eurer Väter Herzens-Schmerzens- Still! Still! Da hört sich Manches, das am Tage -- nun redet es, nun hört es sich, nun schleicht es Finger an den Mund und sprach wiederum: „Kommt! Kommt! Kommt! Kommt! Lasst uns jetzo 3. Ihr höheren Menschen, es geht gen Mitternacht: da — so heimlich, so schrecklich, so herzlich, wie jene — welche schon eurer Väter Herzens-Schmerzens- Still! Still! Da hört sich Manches, das am Tage — nun redet es, nun hört es sich, nun schleicht es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0129" n="122"/> Finger an den Mund und sprach wiederum: „<hi rendition="#g">Kommt</hi>!<lb/><hi rendition="#g">Kommt</hi>! <hi rendition="#g">Es geht gen Mitternacht</hi>!“ — und seine<lb/> Stimme hatte sich verwandelt. Aber immer noch rührte<lb/> er sich nicht von der Stelle: da wurde es noch stiller<lb/> und heimlicher, und Alles horchte, auch der Esel, und<lb/> Zarathustra's Ehrenthiere, der Adler und die Schlange,<lb/> insgleichen die Höhle Zarathustra's und der grosse<lb/> kühle Mond und die Nacht selber. Zarathustra aber<lb/> legte zum dritten Male die Hand an den Mund und<lb/> sprach:</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Kommt</hi>! <hi rendition="#g">Kommt</hi>! <hi rendition="#g">Kommt</hi>! <hi rendition="#g">Lasst uns jetzo<lb/> wandeln</hi>! <hi rendition="#g">Es ist die Stunde</hi>: <hi rendition="#g">lasst uns in die<lb/> Nacht wandeln</hi>!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="2"> <head>3.<lb/></head> <p>Ihr höheren Menschen, es geht gen Mitternacht: da<lb/> will ich euch Etwas in die Ohren sagen, wie jene alte<lb/> Glocke es mir in's Ohr sagt, —</p><lb/> <p>— so heimlich, so schrecklich, so herzlich, wie jene<lb/> Mitternachts-Glocke zu mir es redet, die mehr erlebt<lb/> hat als Ein Mensch:</p><lb/> <p>— welche schon eurer Väter Herzens-Schmerzens-<lb/> Schläge abzählte — ach! ach! wie sie seufzt! wie sie<lb/> im Traume lacht! die alte tiefe tiefe Mitternacht!</p><lb/> <p>Still! Still! Da hört sich Manches, das am Tage<lb/> nicht laut werden darf; nun aber, bei kühler Luft, da<lb/> auch aller Lärm eurer Herzen stille ward, —</p><lb/> <p>— nun redet es, nun hört es sich, nun schleicht es<lb/> sich in nächtliche überwache Seelen: ach! ach! wie sie<lb/> seufzt! wie sie im Traume lacht!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0129]
Finger an den Mund und sprach wiederum: „Kommt!
Kommt! Es geht gen Mitternacht!“ — und seine
Stimme hatte sich verwandelt. Aber immer noch rührte
er sich nicht von der Stelle: da wurde es noch stiller
und heimlicher, und Alles horchte, auch der Esel, und
Zarathustra's Ehrenthiere, der Adler und die Schlange,
insgleichen die Höhle Zarathustra's und der grosse
kühle Mond und die Nacht selber. Zarathustra aber
legte zum dritten Male die Hand an den Mund und
sprach:
Kommt! Kommt! Kommt! Lasst uns jetzo
wandeln! Es ist die Stunde: lasst uns in die
Nacht wandeln!
3.
Ihr höheren Menschen, es geht gen Mitternacht: da
will ich euch Etwas in die Ohren sagen, wie jene alte
Glocke es mir in's Ohr sagt, —
— so heimlich, so schrecklich, so herzlich, wie jene
Mitternachts-Glocke zu mir es redet, die mehr erlebt
hat als Ein Mensch:
— welche schon eurer Väter Herzens-Schmerzens-
Schläge abzählte — ach! ach! wie sie seufzt! wie sie
im Traume lacht! die alte tiefe tiefe Mitternacht!
Still! Still! Da hört sich Manches, das am Tage
nicht laut werden darf; nun aber, bei kühler Luft, da
auch aller Lärm eurer Herzen stille ward, —
— nun redet es, nun hört es sich, nun schleicht es
sich in nächtliche überwache Seelen: ach! ach! wie sie
seufzt! wie sie im Traume lacht!
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/129>, abgerufen am 22.02.2025. |