Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.Das Honig-Opfer. -- Und wieder liefen Monde und Jahre über "Oh Zarathustra, sagten sie, schaust du wohl aus Da giengen die Thiere wieder nachdenklich um Das Honig-Opfer. — Und wieder liefen Monde und Jahre über „Oh Zarathustra, sagten sie, schaust du wohl aus Da giengen die Thiere wieder nachdenklich um <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0012" n="5"/> <div n="1"> <head>Das Honig-Opfer.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>— Und wieder liefen Monde und Jahre über<lb/> Zarathustra's Seele, und er achtete dessen nicht; sein<lb/> Haar aber wurde weiss. Eines Tages, als er auf<lb/> einem Steine vor seiner Höhle sass und still hinaus¬<lb/> schaute, — man schaut aber dort auf das Meer hin¬<lb/> aus, und hinweg über gewundene Abgründe —, da<lb/> giengen seine Thiere nachdenklich um ihn herum und<lb/> stellten sich endlich vor ihn hin.</p><lb/> <p>„Oh Zarathustra, sagten sie, schaust du wohl aus<lb/> nach deinem Glücke?“ — „Was liegt am Glücke! ant¬<lb/> wortete er, ich trachte lange nicht mehr nach Glücke,<lb/> ich trachte nach meinem Werke.“ — „Oh Zarathustra,<lb/> redeten die Thiere abermals, Das sagst du als Einer,<lb/> der des Guten übergenug hat. Liegst du nicht in<lb/> einem himmelblauen See von Glück?“ — „Ihr Schalks-<lb/> Narren, antwortete Zarathustra und lächelte, wie gut<lb/> wähltet ihr das Gleichniss! Aber ihr wisst auch, dass<lb/> mein Glück schwer ist und nicht wie eine flüssige<lb/> Wasserwelle: es drängt mich und will nicht von mir<lb/> und thut gleich geschmolzenem Peche.“ —</p><lb/> <p>Da giengen die Thiere wieder nachdenklich um<lb/> ihn herum und stellten sich dann abermals vor ihn<lb/> hin. „Oh Zarathustra, sagten sie, <hi rendition="#g">daher</hi> also kommt<lb/> es, dass du selber immer gelber und dunkler wirst, ob¬<lb/> schon dein Haar weiss und flächsern aussehen will?<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [5/0012]
Das Honig-Opfer.
— Und wieder liefen Monde und Jahre über
Zarathustra's Seele, und er achtete dessen nicht; sein
Haar aber wurde weiss. Eines Tages, als er auf
einem Steine vor seiner Höhle sass und still hinaus¬
schaute, — man schaut aber dort auf das Meer hin¬
aus, und hinweg über gewundene Abgründe —, da
giengen seine Thiere nachdenklich um ihn herum und
stellten sich endlich vor ihn hin.
„Oh Zarathustra, sagten sie, schaust du wohl aus
nach deinem Glücke?“ — „Was liegt am Glücke! ant¬
wortete er, ich trachte lange nicht mehr nach Glücke,
ich trachte nach meinem Werke.“ — „Oh Zarathustra,
redeten die Thiere abermals, Das sagst du als Einer,
der des Guten übergenug hat. Liegst du nicht in
einem himmelblauen See von Glück?“ — „Ihr Schalks-
Narren, antwortete Zarathustra und lächelte, wie gut
wähltet ihr das Gleichniss! Aber ihr wisst auch, dass
mein Glück schwer ist und nicht wie eine flüssige
Wasserwelle: es drängt mich und will nicht von mir
und thut gleich geschmolzenem Peche.“ —
Da giengen die Thiere wieder nachdenklich um
ihn herum und stellten sich dann abermals vor ihn
hin. „Oh Zarathustra, sagten sie, daher also kommt
es, dass du selber immer gelber und dunkler wirst, ob¬
schon dein Haar weiss und flächsern aussehen will?
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