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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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29.

"Warum so hart! -- sprach zum Diamanten einst die
Küchen-Kohle; sind wir denn nicht Nah-Verwandte?" --

Warum so weich? Oh meine Brüder, also frage
ich euch: seid ihr denn nicht -- meine Brüder?

Warum so weich, so weichend und nachgebend?
Warum ist so viel Leugnung, Verleugnung in eurem
Herzen? So wenig Schicksal in eurem Blicke?

Und wollt ihr nicht Schicksale sein und Unerbitt¬
liche: wie könntet ihr mit mir -- siegen?

Und wenn eure Härte nicht blitzen und scheiden
und zerschneiden will: wie könntet ihr einst mit mir
-- schaffen?

Die Schaffenden nämlich sind hart. Und Seligkeit
muss es euch dünken, eure Hand auf Jahrtausende
zu drücken wie auf Wachs, --

-- Seligkeit, auf dem Willen von Jahrtausenden
zu schreiben wie auf Erz, -- härter als Erz, edler als
Erz. Ganz hart ist allein das Edelste.

Diese neue Tafel, oh meine Brüder, stelle ich über
euch: werdet hart! --


30.

Oh du mein Wille! Du Wende aller Noth, du meine
Nothwendigkeit! Bewahre mich vor allen kleinen Siegen!

Du Schickung meiner Seele, die ich Schicksal
heisse! Du In-mir! Über-mir! Bewahre und spare mich
auf zu Einem grossen Schicksale!

29.

„Warum so hart! — sprach zum Diamanten einst die
Küchen-Kohle; sind wir denn nicht Nah-Verwandte?“ —

Warum so weich? Oh meine Brüder, also frage
ich euch: seid ihr denn nicht — meine Brüder?

Warum so weich, so weichend und nachgebend?
Warum ist so viel Leugnung, Verleugnung in eurem
Herzen? So wenig Schicksal in eurem Blicke?

Und wollt ihr nicht Schicksale sein und Unerbitt¬
liche: wie könntet ihr mit mir — siegen?

Und wenn eure Härte nicht blitzen und scheiden
und zerschneiden will: wie könntet ihr einst mit mir
— schaffen?

Die Schaffenden nämlich sind hart. Und Seligkeit
muss es euch dünken, eure Hand auf Jahrtausende
zu drücken wie auf Wachs, —

— Seligkeit, auf dem Willen von Jahrtausenden
zu schreiben wie auf Erz, — härter als Erz, edler als
Erz. Ganz hart ist allein das Edelste.

Diese neue Tafel, oh meine Brüder, stelle ich über
euch: werdet hart! —


30.

Oh du mein Wille! Du Wende aller Noth, du meine
Nothwendigkeit! Bewahre mich vor allen kleinen Siegen!

Du Schickung meiner Seele, die ich Schicksal
heisse! Du In-mir! Über-mir! Bewahre und spare mich
auf zu Einem grossen Schicksale!

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[90/0100] 29. „Warum so hart! — sprach zum Diamanten einst die Küchen-Kohle; sind wir denn nicht Nah-Verwandte?“ — Warum so weich? Oh meine Brüder, also frage ich euch: seid ihr denn nicht — meine Brüder? Warum so weich, so weichend und nachgebend? Warum ist so viel Leugnung, Verleugnung in eurem Herzen? So wenig Schicksal in eurem Blicke? Und wollt ihr nicht Schicksale sein und Unerbitt¬ liche: wie könntet ihr mit mir — siegen? Und wenn eure Härte nicht blitzen und scheiden und zerschneiden will: wie könntet ihr einst mit mir — schaffen? Die Schaffenden nämlich sind hart. Und Seligkeit muss es euch dünken, eure Hand auf Jahrtausende zu drücken wie auf Wachs, — — Seligkeit, auf dem Willen von Jahrtausenden zu schreiben wie auf Erz, — härter als Erz, edler als Erz. Ganz hart ist allein das Edelste. Diese neue Tafel, oh meine Brüder, stelle ich über euch: werdet hart! — 30. Oh du mein Wille! Du Wende aller Noth, du meine Nothwendigkeit! Bewahre mich vor allen kleinen Siegen! Du Schickung meiner Seele, die ich Schicksal heisse! Du In-mir! Über-mir! Bewahre und spare mich auf zu Einem grossen Schicksale!

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/100>, abgerufen am 26.04.2024.