Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.Von alten und neuen Tafeln. 1. Hier sitze ich und warte, alte zerbrochene Tafeln -- die Stunde meines Niederganges, Unterganges: Dess warte ich nun: denn erst müssen mir die Inzwischen rede ich als Einer, der Zeit hat, zu mir 2. Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie Eine alte müde Sache dünkte ihnen alles Reden Diese Schläferei störte ich auf, als ich lehrte: 5
Von alten und neuen Tafeln. 1. Hier sitze ich und warte, alte zerbrochene Tafeln — die Stunde meines Niederganges, Unterganges: Dess warte ich nun: denn erst müssen mir die Inzwischen rede ich als Einer, der Zeit hat, zu mir 2. Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie Eine alte müde Sache dünkte ihnen alles Reden Diese Schläferei störte ich auf, als ich lehrte: 5
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0075" n="65"/> <div n="1"> <head>Von alten und neuen Tafeln.<lb/></head> <div n="2"> <head>1.<lb/></head> <p>Hier sitze ich und warte, alte zerbrochene Tafeln<lb/> um mich und auch neue halb beschriebene Tafeln.<lb/> Wann kommt meine Stunde?</p><lb/> <p>— die Stunde meines Niederganges, Unterganges:<lb/> denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen gehn.</p><lb/> <p>Dess warte ich nun: denn erst müssen mir die<lb/> Zeichen kommen, dass es <hi rendition="#g">meine</hi> Stunde sei, — nämlich<lb/> der lachende Löwe mit dem Taubenschwarme.</p><lb/> <p>Inzwischen rede ich als Einer, der Zeit hat, zu mir<lb/> selber. Niemand erzählt mir Neues: so erzähle ich mir<lb/> mich selber. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="2"> <head>2.<lb/></head> <p>Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie<lb/> sitzen auf einem alten Dünkel: Alle dünkten sich lange<lb/> schon zu wissen, was dem Menschen gut und böse sei.</p><lb/> <p>Eine alte müde Sache dünkte ihnen alles Reden<lb/> von Tugend; und wer gut schlafen wollte, der sprach<lb/> vor Schlafengehen noch von „Gut“ und „Böse“.</p><lb/> <p>Diese Schläferei störte ich auf, als ich lehrte:<lb/> was gut und böse ist, <hi rendition="#g">das weiss noch Niemand</hi>:<lb/> — es sei denn der Schaffende!</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">5<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0075]
Von alten und neuen Tafeln.
1.
Hier sitze ich und warte, alte zerbrochene Tafeln
um mich und auch neue halb beschriebene Tafeln.
Wann kommt meine Stunde?
— die Stunde meines Niederganges, Unterganges:
denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen gehn.
Dess warte ich nun: denn erst müssen mir die
Zeichen kommen, dass es meine Stunde sei, — nämlich
der lachende Löwe mit dem Taubenschwarme.
Inzwischen rede ich als Einer, der Zeit hat, zu mir
selber. Niemand erzählt mir Neues: so erzähle ich mir
mich selber. —
2.
Als ich zu den Menschen kam, da fand ich sie
sitzen auf einem alten Dünkel: Alle dünkten sich lange
schon zu wissen, was dem Menschen gut und böse sei.
Eine alte müde Sache dünkte ihnen alles Reden
von Tugend; und wer gut schlafen wollte, der sprach
vor Schlafengehen noch von „Gut“ und „Böse“.
Diese Schläferei störte ich auf, als ich lehrte:
was gut und böse ist, das weiss noch Niemand:
— es sei denn der Schaffende!
5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |