Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Von den Gelehrten. Als ich im Schlafe lag, da frass ein Schaf am Sprach's und gieng stotzig davon und stolz. Ein Gerne liege ich hier, wo die Kinder spielen, an Ein Gelehrter bin ich den Kindern noch und auch Aber den Schafen bin ich's nicht mehr: so will Denn diess ist die Wahrheit: ausgezogen bin ich Zu lange sass meine Seele hungrig an ihrem Freiheit liebe ich und die Luft über frischer Erde; Ich bin zu heiss und verbrannt von eigenen 5
Von den Gelehrten. Als ich im Schlafe lag, da frass ein Schaf am Sprach's und gieng stotzig davon und stolz. Ein Gerne liege ich hier, wo die Kinder spielen, an Ein Gelehrter bin ich den Kindern noch und auch Aber den Schafen bin ich's nicht mehr: so will Denn diess ist die Wahrheit: ausgezogen bin ich Zu lange sass meine Seele hungrig an ihrem Freiheit liebe ich und die Luft über frischer Erde; Ich bin zu heiss und verbrannt von eigenen 5
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Von den Gelehrten.
Als ich im Schlafe lag, da frass ein Schaf am
Epheukranze meines Hauptes, — frass und sprach
dazu: „Zarathustra ist kein Gelehrter mehr.“
Sprach's und gieng stotzig davon und stolz. Ein
Kind erzählte mir's.
Gerne liege ich hier, wo die Kinder spielen, an
der zerbrochnen Mauer, unter Disteln und rothen
Mohnblumen.
Ein Gelehrter bin ich den Kindern noch und auch
den Disteln und rothen Mohnblumen. Unschuldig sind
sie, selbst noch in ihrer Bosheit.
Aber den Schafen bin ich's nicht mehr: so will
es mein Loos — gesegnet sei es!
Denn diess ist die Wahrheit: ausgezogen bin ich
aus dem Hause der Gelehrten: und die Thür habe ich
noch hinter mir zugeworfen.
Zu lange sass meine Seele hungrig an ihrem
Tische; nicht, gleich ihnen, bin ich auf das Erkennen
abgerichtet wie auf das Nüsseknacken.
Freiheit liebe ich und die Luft über frischer Erde;
lieber noch will ich auf Ochsenhäuten schlafen, als auf
ihren Würden und Achtbarkeiten.
Ich bin zu heiss und verbrannt von eigenen
Gedanken: oft will es mir den Athem nehmen. Da
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