Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Das Tanzlied. Eines Abends gieng Zarathustra mit seinen Jüngern "Lasst vom Tanze nicht ab, ihr lieblichen Mädchen! Gottes Fürsprecher bin ich vor dem Teufel: der Wohl bin ich ein Wald und eine Nacht dunkler Und auch den kleinen Gott findet er wohl, der Das Tanzlied. Eines Abends gieng Zarathustra mit seinen Jüngern „Lasst vom Tanze nicht ab, ihr lieblichen Mädchen! Gottes Fürsprecher bin ich vor dem Teufel: der Wohl bin ich ein Wald und eine Nacht dunkler Und auch den kleinen Gott findet er wohl, der <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0048" n="38"/> <div n="1"> <head>Das Tanzlied.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Eines Abends gieng Zarathustra mit seinen Jüngern<lb/> durch den Wald; und als er nach einem Brunnen suchte,<lb/> siehe, da kam er auf eine grüne Wiese, die von Bäumen<lb/> und Gebüsch still umstanden war: auf der tanzten<lb/> Mädchen mit einander. Sobald die Mädchen Zarathustra<lb/> erkannten, liesen sie vom Tanze ab; Zarathustra aber<lb/> trat mit freundlicher Gebärde zu ihnen und sprach<lb/> diese Worte:</p><lb/> <p>„Lasst vom Tanze nicht ab, ihr lieblichen Mädchen!<lb/> Kein Spielverderber kam zu euch mit bösem Blick,<lb/> kein Mädchen-Feind.</p><lb/> <p>Gottes Fürsprecher bin ich vor dem Teufel: der<lb/> aber ist der Geist der Schwere. Wie sollte ich, ihr<lb/> Leichten, göttlichen Tänzen feind sein? Oder Mädchen-<lb/> Füssen mit schönen Knöcheln?</p><lb/> <p>Wohl bin ich ein Wald und eine Nacht dunkler<lb/> Bäume: doch wer sich vor meinem Dunkel nicht scheut,<lb/> der findet auch Rosenhänge unter meinen Cypressen.</p><lb/> <p>Und auch den kleinen Gott findet er wohl, der<lb/> den Mädchen der liebste ist: neben dem Brunnen liegt<lb/> er, still, mit geschlossenen Augen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [38/0048]
Das Tanzlied.
Eines Abends gieng Zarathustra mit seinen Jüngern
durch den Wald; und als er nach einem Brunnen suchte,
siehe, da kam er auf eine grüne Wiese, die von Bäumen
und Gebüsch still umstanden war: auf der tanzten
Mädchen mit einander. Sobald die Mädchen Zarathustra
erkannten, liesen sie vom Tanze ab; Zarathustra aber
trat mit freundlicher Gebärde zu ihnen und sprach
diese Worte:
„Lasst vom Tanze nicht ab, ihr lieblichen Mädchen!
Kein Spielverderber kam zu euch mit bösem Blick,
kein Mädchen-Feind.
Gottes Fürsprecher bin ich vor dem Teufel: der
aber ist der Geist der Schwere. Wie sollte ich, ihr
Leichten, göttlichen Tänzen feind sein? Oder Mädchen-
Füssen mit schönen Knöcheln?
Wohl bin ich ein Wald und eine Nacht dunkler
Bäume: doch wer sich vor meinem Dunkel nicht scheut,
der findet auch Rosenhänge unter meinen Cypressen.
Und auch den kleinen Gott findet er wohl, der
den Mädchen der liebste ist: neben dem Brunnen liegt
er, still, mit geschlossenen Augen.
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