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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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Von den Hinterweltlern.

Einst warf auch Zarathustra seinen Wahn jenseits
des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Eines
leidenden und zerquälten Gottes Werk schien mir da
die Welt.

Traum schien mir da die Welt und Dichtung eines
Gottes; farbiger Rauch vor den Augen eines göttlich
Unzufriednen.

Gut und böse und Lust und Leid und Ich und
Du -- farbiger Rauch dünkte mich's vor schöpfe¬
rischen Augen. Wegsehn wollte der Schöpfer von
sich, -- da schuf er die Welt.

Trunkne Lust ist's dem Leidenden, wegzusehn von
seinem Leiden und sich zu verlieren. Trunkne Lust
und Selbst-sich-Verlieren dünkte mich einst die Welt.

Diese Welt, die ewig unvollkommene, eines ewigen
Widerspruches Abbild und unvollkommnes Abbild --
eine trunkne Lust ihrem unvollkommnen Schöpfer:
-- also dünkte mich einst die Welt.

Also warf auch ich einst meinen Wahn jenseits
des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Jenseits
des Menschen in Wahrheit?

Von den Hinterweltlern.

Einst warf auch Zarathustra seinen Wahn jenseits
des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Eines
leidenden und zerquälten Gottes Werk schien mir da
die Welt.

Traum schien mir da die Welt und Dichtung eines
Gottes; farbiger Rauch vor den Augen eines göttlich
Unzufriednen.

Gut und böse und Lust und Leid und Ich und
Du — farbiger Rauch dünkte mich's vor schöpfe¬
rischen Augen. Wegsehn wollte der Schöpfer von
sich, — da schuf er die Welt.

Trunkne Lust ist's dem Leidenden, wegzusehn von
seinem Leiden und sich zu verlieren. Trunkne Lust
und Selbst-sich-Verlieren dünkte mich einst die Welt.

Diese Welt, die ewig unvollkommene, eines ewigen
Widerspruches Abbild und unvollkommnes Abbild —
eine trunkne Lust ihrem unvollkommnen Schöpfer:
— also dünkte mich einst die Welt.

Also warf auch ich einst meinen Wahn jenseits
des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Jenseits
des Menschen in Wahrheit?

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[37/0043] Von den Hinterweltlern. Einst warf auch Zarathustra seinen Wahn jenseits des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Eines leidenden und zerquälten Gottes Werk schien mir da die Welt. Traum schien mir da die Welt und Dichtung eines Gottes; farbiger Rauch vor den Augen eines göttlich Unzufriednen. Gut und böse und Lust und Leid und Ich und Du — farbiger Rauch dünkte mich's vor schöpfe¬ rischen Augen. Wegsehn wollte der Schöpfer von sich, — da schuf er die Welt. Trunkne Lust ist's dem Leidenden, wegzusehn von seinem Leiden und sich zu verlieren. Trunkne Lust und Selbst-sich-Verlieren dünkte mich einst die Welt. Diese Welt, die ewig unvollkommene, eines ewigen Widerspruches Abbild und unvollkommnes Abbild — eine trunkne Lust ihrem unvollkommnen Schöpfer: — also dünkte mich einst die Welt. Also warf auch ich einst meinen Wahn jenseits des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Jenseits des Menschen in Wahrheit?

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/43>, abgerufen am 19.03.2024.