Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Historischer Gesichtspunkt d. Untersuchung.
Pedantismus galten -- ein ganz ungestörtes Asyl
fand.

In dieser Gährung der alten und der neuen Un-
terrichts-Methode, während noch in den Gymnasien
bald die eine bald die andere sich im Uebergewicht er-
hielt, trat mit einemmal das Philanthropin als
erster Versuch einer vollständigen Darstellung der mo-
dernen Theorie hervor.

Was lange zuvor schon in einzelnen Schulen im
Eizelnen versucht, der alten Lehrart im Stillen unter-
geschoben, mit den alten Lehrgegenständen nach und
nach vertauscht worden war, ohne großes Aufsehen zu
erregen, frappirte gleichwohl jetzt, da die Opposition,
als zusammenhangende Theorie in einer Anstalt von
ganz neuer Art ausgeführt, auftrat. Auch war der
Beyfall, den das moderne Institut fand, nicht von
langer Dauer, und die Erscheinung gieng geschwind
genug vorüber.

Im Ganzen aber täuscht auch nur jenes Vorüber-
gehende der Erscheinung über den merkwürdigen Gang,
den sie genommen. Eigentlich nur der Name des
Philanthropins
verschwand, das System selbst
aber, welches in Verfassung, Bedürfniß und herrschen-
der Denkart seine Wurzel hatte, breitete sich selbst nach
allen Seiten weiter aus. Wer die Ereignisse schärfer
ins Auge faßt, sieht das System des Philan-
thropinismus
, mit Verläugnung des verdächtig ge-

Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung.
Pedantismus galten — ein ganz ungeſtoͤrtes Aſyl
fand.

In dieſer Gaͤhrung der alten und der neuen Un-
terrichts-Methode, waͤhrend noch in den Gymnaſien
bald die eine bald die andere ſich im Uebergewicht er-
hielt, trat mit einemmal das Philanthropin als
erſter Verſuch einer vollſtaͤndigen Darſtellung der mo-
dernen Theorie hervor.

Was lange zuvor ſchon in einzelnen Schulen im
Eizelnen verſucht, der alten Lehrart im Stillen unter-
geſchoben, mit den alten Lehrgegenſtaͤnden nach und
nach vertauſcht worden war, ohne großes Aufſehen zu
erregen, frappirte gleichwohl jetzt, da die Oppoſition,
als zuſammenhangende Theorie in einer Anſtalt von
ganz neuer Art ausgefuͤhrt, auftrat. Auch war der
Beyfall, den das moderne Inſtitut fand, nicht von
langer Dauer, und die Erſcheinung gieng geſchwind
genug voruͤber.

Im Ganzen aber taͤuſcht auch nur jenes Voruͤber-
gehende der Erſcheinung uͤber den merkwuͤrdigen Gang,
den ſie genommen. Eigentlich nur der Name des
Philanthropins
verſchwand, das Syſtem ſelbſt
aber, welches in Verfaſſung, Beduͤrfniß und herrſchen-
der Denkart ſeine Wurzel hatte, breitete ſich ſelbſt nach
allen Seiten weiter aus. Wer die Ereigniſſe ſchaͤrfer
ins Auge faßt, ſieht das Syſtem des Philan-
thropinismus
, mit Verlaͤugnung des verdaͤchtig ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="21"/><fw place="top" type="header">Hi&#x017F;tori&#x017F;cher Ge&#x017F;ichtspunkt d. Unter&#x017F;uchung.</fw><lb/>
Pedantismus galten &#x2014; ein ganz unge&#x017F;to&#x0364;rtes A&#x017F;yl<lb/>
fand.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;er Ga&#x0364;hrung der alten und der neuen Un-<lb/>
terrichts-Methode, wa&#x0364;hrend noch in den Gymna&#x017F;ien<lb/>
bald die eine bald die andere &#x017F;ich im Uebergewicht er-<lb/>
hielt, trat mit einemmal das <hi rendition="#g">Philanthropin</hi> als<lb/>
er&#x017F;ter Ver&#x017F;uch einer voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen Dar&#x017F;tellung der mo-<lb/>
dernen Theorie hervor.</p><lb/>
          <p>Was lange zuvor &#x017F;chon in einzelnen Schulen im<lb/>
Eizelnen ver&#x017F;ucht, der alten Lehrart im Stillen unter-<lb/>
ge&#x017F;choben, mit den alten Lehrgegen&#x017F;ta&#x0364;nden nach und<lb/>
nach vertau&#x017F;cht worden war, ohne großes Auf&#x017F;ehen zu<lb/>
erregen, frappirte gleichwohl jetzt, da die Oppo&#x017F;ition,<lb/>
als zu&#x017F;ammenhangende Theorie in einer An&#x017F;talt von<lb/>
ganz neuer Art ausgefu&#x0364;hrt, auftrat. Auch war der<lb/>
Beyfall, den das moderne In&#x017F;titut fand, nicht von<lb/>
langer Dauer, und die Er&#x017F;cheinung gieng ge&#x017F;chwind<lb/>
genug voru&#x0364;ber.</p><lb/>
          <p>Im Ganzen aber ta&#x0364;u&#x017F;cht auch nur jenes Voru&#x0364;ber-<lb/>
gehende der Er&#x017F;cheinung u&#x0364;ber den merkwu&#x0364;rdigen Gang,<lb/>
den &#x017F;ie genommen. Eigentlich nur <hi rendition="#g">der Name des<lb/>
Philanthropins</hi> ver&#x017F;chwand, das Sy&#x017F;tem &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
aber, welches in Verfa&#x017F;&#x017F;ung, Bedu&#x0364;rfniß und herr&#x017F;chen-<lb/>
der Denkart &#x017F;eine Wurzel hatte, breitete &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nach<lb/>
allen Seiten weiter aus. Wer die Ereigni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;cha&#x0364;rfer<lb/>
ins Auge faßt, &#x017F;ieht <hi rendition="#g">das Sy&#x017F;tem des Philan-<lb/>
thropinismus</hi>, mit Verla&#x0364;ugnung des verda&#x0364;chtig ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0033] Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung. Pedantismus galten — ein ganz ungeſtoͤrtes Aſyl fand. In dieſer Gaͤhrung der alten und der neuen Un- terrichts-Methode, waͤhrend noch in den Gymnaſien bald die eine bald die andere ſich im Uebergewicht er- hielt, trat mit einemmal das Philanthropin als erſter Verſuch einer vollſtaͤndigen Darſtellung der mo- dernen Theorie hervor. Was lange zuvor ſchon in einzelnen Schulen im Eizelnen verſucht, der alten Lehrart im Stillen unter- geſchoben, mit den alten Lehrgegenſtaͤnden nach und nach vertauſcht worden war, ohne großes Aufſehen zu erregen, frappirte gleichwohl jetzt, da die Oppoſition, als zuſammenhangende Theorie in einer Anſtalt von ganz neuer Art ausgefuͤhrt, auftrat. Auch war der Beyfall, den das moderne Inſtitut fand, nicht von langer Dauer, und die Erſcheinung gieng geſchwind genug voruͤber. Im Ganzen aber taͤuſcht auch nur jenes Voruͤber- gehende der Erſcheinung uͤber den merkwuͤrdigen Gang, den ſie genommen. Eigentlich nur der Name des Philanthropins verſchwand, das Syſtem ſelbſt aber, welches in Verfaſſung, Beduͤrfniß und herrſchen- der Denkart ſeine Wurzel hatte, breitete ſich ſelbſt nach allen Seiten weiter aus. Wer die Ereigniſſe ſchaͤrfer ins Auge faßt, ſieht das Syſtem des Philan- thropinismus, mit Verlaͤugnung des verdaͤchtig ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/33
Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/33>, abgerufen am 26.04.2024.