zugleich aber mehr Verehrung des Vortrefflichsten unter uns erweckt, Vertrauen auf die Kraft der Nation und ihre Geisteswerke genährt und der gegründete National- stolz gepflegt würde, dessen Mangel sich in der über- triebenen Demuth, womit wir fremde Werke über- schätzen, noch immer zu unserm Nachtheil offenbart.
b. Die Unterrichtsmethode betreffend.
1.
Der Grundsatz des Philanthropinismus, "das Lernen dem Lehrling auf jede mögliche Weise zu erleichtern und zu versüßen, hat vorzüglich folgende zwei scheinbare Gründe für sich anzuführen': 1) frühe allzugroße Anstrengung sey für die Gesundheit nachtheilig; 2) nach einer bekannten psychologischen Beobachtung habe die Schwierigkeit der Arbeit etwas Abschreckendes, und im Gegentheil mache Lust und Lieb zu einem Ding alle Müh und Arbeit gering.
Allein, ohne noch an den schimpflichen Mißbrauch zu erinnern, der die Maxime des Versüßens der Arbeit für die Kinder bis zu der Albernheit, das Al- phabet in Zucker zu backen, ausgedehnt hat, ist diese methodische Maßregel, als in sich verwerflich, selbst bei mäßigerem Gebrauche doch nicht zu vertheidi-
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
zugleich aber mehr Verehrung des Vortrefflichſten unter uns erweckt, Vertrauen auf die Kraft der Nation und ihre Geiſteswerke genaͤhrt und der gegruͤndete National- ſtolz gepflegt wuͤrde, deſſen Mangel ſich in der uͤber- triebenen Demuth, womit wir fremde Werke uͤber- ſchaͤtzen, noch immer zu unſerm Nachtheil offenbart.
b. Die Unterrichtsmethode betreffend.
1.
Der Grundſatz des Philanthropiniſmus, „das Lernen dem Lehrling auf jede moͤgliche Weiſe zu erleichtern und zu verſuͤßen, hat vorzuͤglich folgende zwei ſcheinbare Gruͤnde fuͤr ſich anzufuͤhren’: 1) fruͤhe allzugroße Anſtrengung ſey fuͤr die Geſundheit nachtheilig; 2) nach einer bekannten pſychologiſchen Beobachtung habe die Schwierigkeit der Arbeit etwas Abſchreckendes, und im Gegentheil mache Luſt und Lieb zu einem Ding alle Muͤh und Arbeit gering.
Allein, ohne noch an den ſchimpflichen Mißbrauch zu erinnern, der die Maxime des Verſuͤßens der Arbeit fuͤr die Kinder bis zu der Albernheit, das Al- phabet in Zucker zu backen, ausgedehnt hat, iſt dieſe methodiſche Maßregel, als in ſich verwerflich, ſelbſt bei maͤßigerem Gebrauche doch nicht zu vertheidi-
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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
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uns erweckt, Vertrauen auf die Kraft der Nation und
ihre Geiſteswerke genaͤhrt und der gegruͤndete National-
ſtolz gepflegt wuͤrde, deſſen Mangel ſich in der uͤber-
triebenen Demuth, womit wir fremde Werke uͤber-
ſchaͤtzen, noch immer zu unſerm Nachtheil offenbart.
b.
Die Unterrichtsmethode betreffend.
1.
Der Grundſatz des Philanthropiniſmus, „das
Lernen dem Lehrling auf jede moͤgliche Weiſe
zu erleichtern und zu verſuͤßen, hat vorzuͤglich
folgende zwei ſcheinbare Gruͤnde fuͤr ſich anzufuͤhren’:
1) fruͤhe allzugroße Anſtrengung ſey fuͤr die Geſundheit
nachtheilig; 2) nach einer bekannten pſychologiſchen
Beobachtung habe die Schwierigkeit der Arbeit etwas
Abſchreckendes, und im Gegentheil mache Luſt und
Lieb zu einem Ding alle Muͤh und Arbeit
gering.
Allein, ohne noch an den ſchimpflichen Mißbrauch
zu erinnern, der die Maxime des Verſuͤßens der
Arbeit fuͤr die Kinder bis zu der Albernheit, das Al-
phabet in Zucker zu backen, ausgedehnt hat, iſt
dieſe methodiſche Maßregel, als in ſich verwerflich,
ſelbſt bei maͤßigerem Gebrauche doch nicht zu vertheidi-
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/251>, abgerufen am 23.02.2025.
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