erhielt sich als harmlos, da Rom selbst hier den Schein wenigstens des altrechtlichen nicht ganz auf- opfern wollte.
Der erste Aufstand des Volks, und das Volkstribunat.
So lange Tarquinius lebte herrschte zu Rom innrer Friede und Eintracht, weil der Senat das Volk schonte. Kaum war aber der im Grabe dessen Ansprüche drohend wurden wenn eine unterdrückte Parthey sie mit Hoffnung ihr Schicksal durch ihn bessern zu können aufnahm, so verschwand diese Milde 33); die Patricier übten alle Be- drückungen zu denen Geiz und Hochmuth reizen, und das Gefühl der Tyranney empörte das Volk um so heftiger, weil die frühere Güte alles Verdienst verlohr, und nur als betrügerisches Werk der Furcht und Klugheit erschien.
Das Wort Volk, dessen unsre Sprache sich in der Ge- schichte der bürgerlichen Unruhen Roms bedienen muß um die Plebs zu bezeichnen, erregt bey uns, nicht weni- ger als bey den Griechen das Wort demos, durch Viel- deutigkeit, und dadurch daß der eigenthümliche Begriff den der lateinische Nahme ausdrückte eigentlich nicht einmal in dem weiteren Umfang des Wortes Volk enthalten ist, eine wesentlich falsche und verwirrende Ansicht. Die Griechen verstanden unter dem Volk ursprünglich die Freyen, welche ihr Geschlecht nicht auf Heroen und Könige zu-
33)Plebi cui ad eam diem summa ope inservitum erat, injuriae [ - 1 Zeichen fehlt] primoribus fieri soepere. Livius II. c. 21.
erhielt ſich als harmlos, da Rom ſelbſt hier den Schein wenigſtens des altrechtlichen nicht ganz auf- opfern wollte.
Der erſte Aufſtand des Volks, und das Volkstribunat.
So lange Tarquinius lebte herrſchte zu Rom innrer Friede und Eintracht, weil der Senat das Volk ſchonte. Kaum war aber der im Grabe deſſen Anſpruͤche drohend wurden wenn eine unterdruͤckte Parthey ſie mit Hoffnung ihr Schickſal durch ihn beſſern zu koͤnnen aufnahm, ſo verſchwand dieſe Milde 33); die Patricier uͤbten alle Be- druͤckungen zu denen Geiz und Hochmuth reizen, und das Gefuͤhl der Tyranney empoͤrte das Volk um ſo heftiger, weil die fruͤhere Guͤte alles Verdienſt verlohr, und nur als betruͤgeriſches Werk der Furcht und Klugheit erſchien.
Das Wort Volk, deſſen unſre Sprache ſich in der Ge- ſchichte der buͤrgerlichen Unruhen Roms bedienen muß um die Plebs zu bezeichnen, erregt bey uns, nicht weni- ger als bey den Griechen das Wort δῆμος, durch Viel- deutigkeit, und dadurch daß der eigenthuͤmliche Begriff den der lateiniſche Nahme ausdruͤckte eigentlich nicht einmal in dem weiteren Umfang des Wortes Volk enthalten iſt, eine weſentlich falſche und verwirrende Anſicht. Die Griechen verſtanden unter dem Volk urſpruͤnglich die Freyen, welche ihr Geſchlecht nicht auf Heroen und Koͤnige zu-
33)Plebi cui ad eam diem summa ope inservitum erat, injuriae [ – 1 Zeichen fehlt] primoribus fieri soepere. Livius II. c. 21.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0395"n="373"/>
erhielt ſich als harmlos, da Rom ſelbſt hier den<lb/>
Schein wenigſtens des altrechtlichen nicht ganz auf-<lb/>
opfern wollte.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Der erſte Aufſtand des Volks, und das<lb/>
Volkstribunat.</hi></hi></head><lb/><p>So lange Tarquinius lebte herrſchte zu Rom innrer<lb/>
Friede und Eintracht, weil der Senat das Volk ſchonte.<lb/>
Kaum war aber der im Grabe deſſen Anſpruͤche drohend<lb/>
wurden wenn eine unterdruͤckte Parthey ſie mit Hoffnung<lb/>
ihr Schickſal durch ihn beſſern zu koͤnnen aufnahm, ſo<lb/>
verſchwand dieſe Milde <noteplace="foot"n="33)"><hirendition="#aq">Plebi cui ad eam diem summa ope inservitum<lb/>
erat, injuriae <gapunit="chars"quantity="1"/> primoribus fieri soepere.</hi> Livius <hirendition="#aq">II.<lb/>
c. 21.</hi></note>; die Patricier uͤbten alle Be-<lb/>
druͤckungen zu denen Geiz und Hochmuth reizen, und das<lb/>
Gefuͤhl der Tyranney empoͤrte das Volk um ſo heftiger,<lb/>
weil die fruͤhere Guͤte alles Verdienſt verlohr, und nur als<lb/>
betruͤgeriſches Werk der Furcht und Klugheit erſchien.</p><lb/><p>Das Wort Volk, deſſen unſre Sprache ſich in der Ge-<lb/>ſchichte der buͤrgerlichen Unruhen Roms bedienen muß<lb/>
um die Plebs zu bezeichnen, erregt bey uns, nicht weni-<lb/>
ger als bey den Griechen das Wort δῆμος, durch Viel-<lb/>
deutigkeit, und dadurch daß der eigenthuͤmliche Begriff<lb/>
den der lateiniſche Nahme ausdruͤckte eigentlich nicht einmal<lb/>
in dem weiteren Umfang des Wortes Volk enthalten iſt, eine<lb/>
weſentlich falſche und verwirrende Anſicht. Die Griechen<lb/>
verſtanden unter dem Volk urſpruͤnglich die Freyen,<lb/>
welche ihr Geſchlecht nicht auf Heroen und Koͤnige zu-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[373/0395]
erhielt ſich als harmlos, da Rom ſelbſt hier den
Schein wenigſtens des altrechtlichen nicht ganz auf-
opfern wollte.
Der erſte Aufſtand des Volks, und das
Volkstribunat.
So lange Tarquinius lebte herrſchte zu Rom innrer
Friede und Eintracht, weil der Senat das Volk ſchonte.
Kaum war aber der im Grabe deſſen Anſpruͤche drohend
wurden wenn eine unterdruͤckte Parthey ſie mit Hoffnung
ihr Schickſal durch ihn beſſern zu koͤnnen aufnahm, ſo
verſchwand dieſe Milde 33); die Patricier uͤbten alle Be-
druͤckungen zu denen Geiz und Hochmuth reizen, und das
Gefuͤhl der Tyranney empoͤrte das Volk um ſo heftiger,
weil die fruͤhere Guͤte alles Verdienſt verlohr, und nur als
betruͤgeriſches Werk der Furcht und Klugheit erſchien.
Das Wort Volk, deſſen unſre Sprache ſich in der Ge-
ſchichte der buͤrgerlichen Unruhen Roms bedienen muß
um die Plebs zu bezeichnen, erregt bey uns, nicht weni-
ger als bey den Griechen das Wort δῆμος, durch Viel-
deutigkeit, und dadurch daß der eigenthuͤmliche Begriff
den der lateiniſche Nahme ausdruͤckte eigentlich nicht einmal
in dem weiteren Umfang des Wortes Volk enthalten iſt, eine
weſentlich falſche und verwirrende Anſicht. Die Griechen
verſtanden unter dem Volk urſpruͤnglich die Freyen,
welche ihr Geſchlecht nicht auf Heroen und Koͤnige zu-
33) Plebi cui ad eam diem summa ope inservitum
erat, injuriae _ primoribus fieri soepere. Livius II.
c. 21.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/395>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.