und da er heraus war, nicht wußte, ob er frendig oder betrübt seyn sollte.
Jndessen da er eine kleine Strecke gegangen war, fing die Betrübniß an, die Oberhand zu gewinnen. Er sahe nur allzuwohl ein, daß er nunmehr alle Hof- nung verlohren hätte, von seinen Gönnern einige Hülfe zu erlangen. Er kam mit traurigem Gemü- the nach Hause. Aber wie groß war sein Entsetzen, da er sein Haus von einem andern eingenommen, seine Familie in einer fremden Hütte, seine Frau und seine jüngste Tochter auf dem Krankenbette, und seine älteste Tochter ganz in Thränen zerfließend antraf! Er sank trostloß auf eine Bank nieder, stand nach einigen Minuten auf, umarmte seine Frau und seine Kinder. "Jch bin nicht so glücklich gewesen, sagte "er, bey Menschen einige Hülfe für uns zu finden, "wir müßen alle Hülfe von dem allmächtigen Gott "erwarten, und der wird die unglückliche Unschuld "nicht verlassen."
Sechster Abschnitt.
Wilhelminens Krankheit nahm sehr schnell zu, und bey der kleinen Charlotte, die einige Tage in der äussersten Hitze lag, fingen sich an die
Pocken
und da er heraus war, nicht wußte, ob er frendig oder betruͤbt ſeyn ſollte.
Jndeſſen da er eine kleine Strecke gegangen war, fing die Betruͤbniß an, die Oberhand zu gewinnen. Er ſahe nur allzuwohl ein, daß er nunmehr alle Hof- nung verlohren haͤtte, von ſeinen Goͤnnern einige Huͤlfe zu erlangen. Er kam mit traurigem Gemuͤ- the nach Hauſe. Aber wie groß war ſein Entſetzen, da er ſein Haus von einem andern eingenommen, ſeine Familie in einer fremden Huͤtte, ſeine Frau und ſeine juͤngſte Tochter auf dem Krankenbette, und ſeine aͤlteſte Tochter ganz in Thraͤnen zerfließend antraf! Er ſank troſtloß auf eine Bank nieder, ſtand nach einigen Minuten auf, umarmte ſeine Frau und ſeine Kinder. „Jch bin nicht ſo gluͤcklich geweſen, ſagte „er, bey Menſchen einige Huͤlfe fuͤr uns zu finden, „wir muͤßen alle Huͤlfe von dem allmaͤchtigen Gott „erwarten, und der wird die ungluͤckliche Unſchuld „nicht verlaſſen.‟
Sechster Abſchnitt.
Wilhelminens Krankheit nahm ſehr ſchnell zu, und bey der kleinen Charlotte, die einige Tage in der aͤuſſerſten Hitze lag, fingen ſich an die
Pocken
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und da er heraus war, nicht wußte, ob er frendig
oder betruͤbt ſeyn ſollte.
Jndeſſen da er eine kleine Strecke gegangen war,
fing die Betruͤbniß an, die Oberhand zu gewinnen.
Er ſahe nur allzuwohl ein, daß er nunmehr alle Hof-
nung verlohren haͤtte, von ſeinen Goͤnnern einige
Huͤlfe zu erlangen. Er kam mit traurigem Gemuͤ-
the nach Hauſe. Aber wie groß war ſein Entſetzen,
da er ſein Haus von einem andern eingenommen,
ſeine Familie in einer fremden Huͤtte, ſeine Frau und
ſeine juͤngſte Tochter auf dem Krankenbette, und ſeine
aͤlteſte Tochter ganz in Thraͤnen zerfließend antraf!
Er ſank troſtloß auf eine Bank nieder, ſtand nach
einigen Minuten auf, umarmte ſeine Frau und ſeine
Kinder. „Jch bin nicht ſo gluͤcklich geweſen, ſagte
„er, bey Menſchen einige Huͤlfe fuͤr uns zu finden,
„wir muͤßen alle Huͤlfe von dem allmaͤchtigen Gott
„erwarten, und der wird die ungluͤckliche Unſchuld
„nicht verlaſſen.‟
Sechster Abſchnitt.
Wilhelminens Krankheit nahm ſehr ſchnell zu,
und bey der kleinen Charlotte, die einige
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/83>, abgerufen am 22.07.2024.
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